Titel
Baumgartner
,
1) Andreas, Freiherr von, Staatsmann und Gelehrter, geb. als Sohn eines Bäckers zu Friedberg [* 2] in Böhmen, [* 3] studierte seit 1810 Mathematik in Wien, [* 4] ward 1815 Assistent bei der Lehrkanzel der Philosophie und 1817 als Professor der Physik an das Lyceum zu Olmütz [* 5] berufen, wo er seine »Aräometrie« (Wien 1820) schrieb. 1823 übernahm er die Professur der Physik an der Wiener Universität und schrieb: »Mechanik in ihrer Anwendung auf Künste und Gewerbe« (Wien 1824),
»Naturlehre« (das. 1823, 3 Bde.; 8. Aufl. 1845),
mit einem »Supplementband« (das. 1831),
in welchem er seine eignen mannigfachen physikalischen
Erfahrungen niederlegte.
Nicht wenig wirkte Baumgartner
für die Fortbildung der
Naturwissenschaften auch durch die von ihm herausgegebene
»Zeitschrift für
Physik und
Mathematik«, die er erst in
Verbindung
mit A. v. Ettinghausen
(Wien 1826-32, 10 Bde.),
dann allein
unter dem
Titel:
»Zeitschrift für
Physik und verwandte
Wissenschaften« (das. 1832-37, 4 Bde.)
herausgab und später mit Holger fortführte.
Als er infolge eines Halsübels seine
Stellung aufgeben mußte,
ward er 1833
Direktor der k. k. Porzellanfabriken, 1842
Chef der Tabaksfabrikation in
Österreich,
[* 6] und 1846 übertrug man ihm
die Errichtung der elektrischen
Telegraphen.
[* 7] 1847 mit der obersten Leitung des
Eisenbahnbaues betraut, übernahm er 1848 unter
Pillersdorf das
Ministerium der öffentlichen
Arbeiten, das er jedoch mit Antritt des
Ministeriums Doblhof
niederlegte. 1851 übernahm er das
Ministerium für
Handel,
Gewerbe und öffentliche Bauten und im
Dezember auch das
Finanzministerium.
Zu derselben Zeit wurde er, in den Freiherrenstand erhoben, zum
Präsidenten der österreichischen
Akademie der
Wissenschaften
ernannt. Im
Januar 1855 nahm er seine Entlassung, ward aber 1861 Mitglied des
Herrenhauses im
Reichsrat.
Er starb in
Hietzing bei
Wien. Baumgartner
schrieb noch: »Anfangsgründe der
Naturlehre« (2. Aufl.,
Wien 1850);
»Anleitung zur Heizung [* 8] der Dampfkessel« [* 9] (das. 1841);
»Unterricht im Tabaksbau« (das. 1845).
Vgl.
Schrötter,
Andreas
Freiherr v. Baumgartner
(Wien 1866).
2) Gallus Jakob, bedeutender Staatsmann der Schweiz, [* 10] geb. zu Altstätten, studierte die Rechte zu Freiburg [* 11] in der Schweiz und zu Wien. Hier wurde er als Mitglied einer Gesellschaft junger Schweizer der Polizei verdächtig, 1819 verhaftet und 1820 mit sechs Genossen über die Grenze gebracht. Seit 1825 Mitglied des Großen Rats des Kantons St. Gallen und 1826 zum ersten Staatsschreiber gewählt, schloß er sich der Opposition gegen den allmächtigen Landammann Müller-Friedberg an, verlangte Öffentlichkeit der Verhandlungen des Großen Rats und Preßfreiheit und wirkte 1830 für Revision der Verfassung.
In dem 1831 gewählten Verfassungsrat war er das einflußreichste Mitglied, wurde als
Landammann an die
Spitze der
Regierung
gestellt und machte sich in hohem
Grad um die
Administration verdient. Als Tagsatzungsgesandter seines
Kantons redigierte er
die 1833 vom
Volk verworfene revidierte Bundesverfassung und erwarb sich durch seine entschiedene
Haltung gegenüber den Zumutungen
des
Auslandes in den Flüchtlingsangelegenheiten (1834-36) hohes Ansehen bei den
Schweizer
Liberalen. Baumgartner
setzte 1833 die
Aufhebung des vom
Papst oktroyierten Doppelbistums St.
Gallen-Chur durch und war die
Seele der
Badener
Konferenz, in welcher 1834 die
Regierungen der katholischen
Schweiz die
Rechte des
Staats gegenüber der
Kirche festzusetzen versuchten, erlitt freilich 1835 eine
schwere
Niederlage, indem sein
Gesetz über die
Rechte des
Staats in kirchlichen
Dingen vom St.
Gallischen
Volk verworfen wurde.
Nachdem er noch 1839 die
Säkularisation des
Klosters
Pfäfers verteidigt, trennte er sich allmählich von seiner
Partei und
stellte sich in der
Aargauer Klosterfrage auf die Seite der Ultramontanen. 1847 wurde er wegen seiner in
Wort und
Schrift ausgesprochenen
Sympathien für den
Sonderbund nach dem Wahlsieg der
Liberalen aus der
Regierung entfernt. 1859-64 bekleidete
er infolge eines
Siegs der Ultramontanen aufs neue die
Stelle eines
Regierungsrats und
Landammanns und vertrat auch 1857-60 seinen
Kanton
[* 12] im Ständerat. Baumgartner
starb Er schrieb: »Die
Schweiz in ihren
Kämpfen und Umgestaltungen von 1830 bis 1850« (Zur. 1853-66, 4 Bde.)
Vgl. Gmür,
Landammann Baumgartner
(Luzern
[* 13] 1869).
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