Bauchfelle
ntzündung
(Unterleibsentzündung,
Peritonitis), eine entzündliche, mit
Ausschwitzung in den
Bauchraum verbundene Flächenerkrankung der serösen Auskleidung der Bauchwand und der Baucheingeweide. Je nach der Ausbreitung
der Bauchfelle
ntzündung unterscheidet man die allgemeine oder generelle oder auch (unpassend) diffuse
Peritonitis von der partiellen Bauchfelle
ntzündung. Für
die letztern
Arten hat man anstatt der Bezeichnung
Peritonitis auch die
Wahl, jede Form mit einem besondern
Namen zu belegen, so daß eine
Entzündung des Leberüberzugs als
Perihepatitis, des Milzüberzugs als Perisplenitis, des Blinddarmfelles
als
Perityphlitis, der
Blase als
Pericystitis, der
Gebärmutter
[* 2] als
Perimetritis, der
Eierstöcke als Periophoritis benannt werden
kann.
Betreffs
dieser Unterscheidungen ist zu bemerken, daß die
Menge der
Ausschwitzung, die
Höhe der Fiebererscheinungen, die
Gefahr für das
Leben um so größer ist, je größer die erkrankte
Fläche, daß daher die partielle Bauchfelle
ntzündung im allgemeinen günstiger
zu beurteilen ist als die allgemeine; jedoch kann leicht aus einer anfänglich beschränkten Bauchfelle
ntzündung eine
Verallgemeinerung der
Entzündung über das ganze
Bauchfell hervorgehen. Der
Charakter der
Entzündung selbst wird
unterschieden nach der
Beschaffenheit des
Exsudats.
In den leichtesten
Graden der Bauchfelle
ntzündung ist dasselbe wässerig mit Eiweißgehalt und wenig zelligen Beimischungen; in
höhern
Graden besteht es aus
Fibrin, in noch höhern aus
Eiter und in den schlimmsten
Fällen aus blutig-jauchiger
Flüssigkeit.
Die wässerigen und eiterigen
Ausschwitzungen können, wenn sie nicht allzu reichlich waren, ohne Rückstände
zu hinterlassen, aufgesogen werden. Die eiterigen und fibrinösen Entzündungsprodukte können in andern
Fällen, in denen
die
Heilung nicht vollständig wird, liegen bleiben und zu
Bindegewebe organisiert werden, wodurch mehr chronische, schleppende
Krankheiten und mannigfache
Verwachsungen der Baucheingeweide untereinander bedingt werden. Die jauchige Bauchfelle
ntzündung ist unter
allen Umständen tödlich.
Je nach den
Ursachen kann man unterscheiden: die rheumatische Bauchfelle
ntzündung, welche unter besondern Umständen augenscheinlich aus einer
Erkältung hervorgeht;
die traumatische Bauchfellentzündung
, welche durch
Schlag,
Stoß,
Quetschung des
Bauches, durch Überfahrenwerden, Schußverletzungen,
Operationswunden entsteht;
die fortgeleitete Bauchfellentzündung
, welche ursprünglich in irgend einem
Organ als
Entzündung oder
Verschwärung
beginnt und von da aus auf die Bauchwand fortgesetzt wird.
Hierher gehört die ganze
Fülle der partiellen Bauchfellentzündungen
,
diejenigen, die von bestehender
Brustfell- oder
Herzbeutelentzündung, von Gefäßerkrankungen, Brucheinklemmungen etc. ihren
Ausgang nehmen. Die Perforationsperitonitis, welche sich unmittelbar an den Durchbruch eines
Magen- oder Darmgeschwürs (s. d.)
anschließt, bei
Ruhr,
Typhus und
Blinddarmentzündungen vorkommt und wegen des
Austrittes von Darminhalt
wohl immer zu schnellem
Tod führt. Unter den chronischen
Arten der Bauchfellentzündung
lassen sich dann noch die tuberkulöse, die sarkomatöse
und die krebsige Bauchfellentzündung
scharf abgrenzen, da es sich bei allen dreien um eine
Eruption zahlreicher kleiner
Geschwülste im Bauchfellüberzug
handelt, durch deren
Reiz teils wässerige, teils fibrinöse oder eiterige, oft zu
Verwachsungen führende
Exsudate in den Bauchraum abgesetzt werden.
Die Bauchfellentzündung
ist unter allen Umständen eine ernste und meist recht gefährliche
Krankheit. Was die
Symptome und den Verlauf der
akuten Bauchfellentzündung
anbetrifft, so beginnt die
Krankheit meistens mit heftigen
Schmerzen an der zuerst erkrankten
Stelle des
Bauchfelles, und diese
Schmerzen verbreiten sich bald schnell, bald langsam und allmählich über den ganzen
Unterleib.
Ganz im Anfang besteht daneben schwere Niedergeschlagenheit, bald folgt aber heftiges
Fieber nach. Bei der im
Wochenbett vorkommenden
Bauchfellentzündung
pflegt ein heftiger
Schüttelfrost und starkes
Fieber den Anfang der
Krankheit zu bezeichnen, wozu sich
ebenfalls
Schmerzen hinzugesellen können. Der
Schmerz im
Unterleib ist für die
Patienten höchst quälend, der leiseste
Druck
auf den
Bauch
[* 3] ist ihnen unerträglich, die Kranken liegen ganz ruhig und mit angezogenen
Schenkeln im
Bette, tragen den
Ausdruck
großer Beängstigung im
Antlitz, sprechen leise und wagen nicht tief zu atmen, um den
Schmerz nicht zu
steigern.
Kurz nach
¶
mehr
Beginn der Krankheit erscheint der Unterleib gespannt und aufgetrieben, was zum Teil auf der in die Bauchhöhle austretenden
Flüssigkeit, vorzugsweise aber auf der Anhäufung von Gasen in den Gedärmen beruht. Infolge der hierdurch bewirkten Hinaufdrängung
des Zwerchfelles ist das Atmen sehr erschwert, manchmal in dem Grade, daß Erstickungsgefahr eintritt. Der
Stuhlgang ist bei der Bauchfellentzündung
gewöhnlich hartnäckig verstopft, nur bei der auf Ansteckung beruhenden Bauchfellentzündung
im Wochenbett kommen wässerige
Durchfälle vor. Zu der Verstopfung gesellt sich, zwar nicht immer, aber doch sehr häufig, hartnäckiges Schluchzen und Erbrechen.
Nicht selten besteht ein unaufhörlicher Drang zum Urinlassen, obschon die Blase leer ist. Das Fieber, welches stets vorhanden ist, erreicht sehr hohe Grade, das Allgemeinbefinden ist schwer beeinträchtigt, aber das Bewußtsein bleibt gewöhnlich frei. Wenn die Krankheit, wie gewöhnlich, eine schlimme Wendung nimmt, so tritt unter Steigerung der genannten Symptome (nur der Schmerz geht etwas zurück) oft schon nach 3-4 Tagen, meist erst gegen Ende der ersten Woche der Tod ein, nachdem der Patient zuvor aus dem Zustand der höchsten Beängstigung in den der Bewußtlosigkeit übergegangen ist.
Nimmt die Krankheit dagegen einen günstigen Verlauf, was nur dann geschieht, wenn sich die veranlassenden Ursachen beseitigen
lassen, oder wo die Ursachen an sich weniger bösartig sind, so lassen der Schmerz, die Auftreibung des
Leibes und das Fieber allmählich nach, die Atmung wird freier, und der Kranke kann sich ziemlich schnell erholen. Oftmals
aber bleiben habituelle Stuhlverstopfung und zeitweilige Kolikschmerzen für das ganze Leben zurück. Überlebt der Kranke
die erste Woche, ohne daß während dieser Zeit eine entschiedene Besserung eintritt, so beginnt die Bauchfellentzündung
einen
mehr chronischen Verlauf zu nehmen.
Die örtlichen Krankheitszeichen gehen dabei zwar allmählich zurück; aber das Fieber verschwindet nicht ganz und bedingt durch fortschreitende Erschöpfung oft schon nach 4-6 Wochen den Tod des Patienten. Auch wenn der Tod nicht eintritt, so erholen sich die Kranken nur unvollständig und sehr langsam, und die ausgedehnten Verwachsungen der Därme untereinander bleiben für solche Patienten eine Quelle [* 5] langer und schwerer Leiden. [* 6] Wenn sich die Entzündung nicht über das ganze Bauchfell ausbreitet, so bestehen die Hauptsymptome in örtlich beschränkten Schmerzen, in Stuhlverstopfung und mäßigem Fieber. Die Aussichten auf vollständige Heilung sind bei weitem besser.
Die Behandlung der Bauchfellentzündung wird sich natürlich nach den Eigentümlichkeiten des einzelnen Falles zu richten haben. Im allgemeinen empfiehlt es sich, im Beginn der Krankheit örtliche Blutentziehungen an den Bauchdecken vorzunehmen, indem man dort 10-20 Blutegel [* 7] ansetzt. Gegen die Schmerzen gibt man öfters Dosen von Opium oder Morphium. Manchen Kranken thut die Bedeckung des Unterleibes mit naßkalten Tüchern gut, andre Kranke vertragen die Kälte nicht und wollen lieber warme Umschläge auf den Leib haben.
Von der Anwendung abführender Mittel und der Einreibung von Salben in die Bauchdecken, welche Mittel früher im allgemeinen Gebrauch waren, sieht man in neuerer Zeit ab, höchstens sucht man die Stuhlentleerung durch Klystiere herbeizuführen. Die vorhandene Atemnot kann einen Aderlaß notwendig machen, den man aber sonst wegen der drohenden Erschöpfung des Kranken zu umgehen sucht. Gegen das häufig vorhandene Schluchzen und Erbrechen sowie gegen den quälenden Durst gibt man dem Kranken kleine Stückchen Eis [* 8] in den Mund.
Außerordentlich schwierig ist es, die Auftreibung der Därme durch Gase [* 9] zu beseitigen; die dagegen angewendeten Medikamente sind meist von geringem Erfolg oder ganz nutzlos. Man hat daher versucht, die Gase durch ein in den Mastdarm weit hinaufgeführtes Rohr auszusaugen, und in den schlimmsten Fällen hat man sogar die ausgedehnten Därme durch Anstechen mit einem sehr feinen Trokar [* 10] von der Luft zu befreien gesucht. Indessen ist dieses Mittel mit zu viel Gefahren verbunden, um allgemein gehandhabt zu werden. In den spätern Stadien der Krankheit leisten warme Kataplasmen über den Bauch und warme Bäder oft gute Dienste. [* 11] In der Rekonvaleszenz ist die größte Sorge auf die Diät zu verwenden. Es dürfen durchaus nur leichtverdauliche, aber kräftige Speisen gereicht werden; Eier [* 12] und Milch, kräftige Fleischbrühsuppen, gebratenes Fleisch, guter Wein sind hierzu am meisten geeignet.