Titel
Belfort
[* 1] (Béfort, spr. befor), Hauptstadt und Festung [* 2] im franz. Departement Oberrhein, liegt 364 m ü. M., am südlichen Fuß der Vogesen in rauher Gegend, links an der Savoureuse, ist von Wällen umschlossen, die nur zwei Thore haben, hat (1881) 19,336 Einw., Eisenindustrie, Bierbrauerei, [* 3] Gerberei und ist Sitz eines Gerichtshof und Handelsgerichts. Die Lage der Stadt am Knotenpunkt mehrerer wichtiger Straßen und Eisenbahnen (nach Paris, [* 4] Dijon, [* 5] der Schweiz [* 6] und dem Elsaß) begünstigt ihren Handel und macht sie zu einem Hauptentrepot französischer Produkte für die Schweiz und für Deutschland. [* 7]
Ihre größte Bedeutung beruht aber auf ihrer
Festung, welche den Zugang
Frankreichs zwischen
Jura und den
Vogesen (die sogen. Trouée de Belfort
) verteidigt. Dieselbe wurde unter
Ludwig XIV. durch
Vauban auf und an einem schwer zugänglichen
hohen Felsenberg angelegt und in neuester Zeit durch bedeutende Verstärkungen und Errichtung großer detachierter
Forts zu
einem Festungsplatz ersten
Ranges umgeschaffen. Die
Festung bildet ein
Fünfeck,
[* 8] dessen Regelmäßigkeit
in der südöstlichen
Ecke durch die vorspringende
Citadelle, auf der Nordfronte durch ein mächtiges
Hornwerk
[* 9] unterbrochen
wird.
Hohe Turmreduits ragen auf allen
Fronten gleich der
Citadelle empor. Nordöstlich von der
Festung stehen auf felsigen, steil
abfallenden
Höhen (459, resp. 444 m ü. M.) die
sehr starken
Forts La Miotte und La Justice, welche sowohl mit Belfort
als unter sich durch befestigte
Linien verbunden sind und
so ein verschanztes
Lager
[* 10] bilden, im W. gleichfalls zwei
Forts: Des
Barres (1867 erbaut), in Form eines Kronwerks und mit vielen
bedeckten
Räumen versehen, und
Denfert-Rochereau (früher
Bellevue). Im
S. und O. endlich, etwa 1600 m von der
Enceinte, liegen die
Forts
Haute
Perche und
Basse
Perche, beide in Lünettenform. Zu diesen im letzten
Krieg historisch gewordenen
Werken, die den
Ort schon fast uneinnehmbar machten, ist seitdem ein neuer, noch weiter vorgeschobener
Ring von sieben
Forts
gekommen.
Belfort
war ehemals der Hauptort einer Herrschaft, die im 14. Jahrh.
zur deutschen
Grafschaft
Pfirt (Ferrette), später zum österreichischen
Sundgau gehörte und im
Westfälischen
Frieden an
Frankreich
kam. 1659 gab sie
Ludwig XIV. dem
Kardinal
Mazarin, und 1781 wurde sie von dem
Herzog von
Valentinois erworben, der sie bis zur
Revolution besaß. Die Stadt wurde im
November 1633 von den Spaniern unter dem
Herzog von Feria erobert,
aber schon vom
Rheingrafen
Otto den Kaiserlichen wieder entrissen. Am schlugen hier
die vereinigten
Franzosen
und
Schweden
[* 11] unter dem
Marschall de la
Force den
Herzog von
Lothringen. 1814 wurde Belfort
von den
Bayern,
[* 12]
Russen
und Österreichern, später von den letztern allein blockiert und 16. April durch
Kapitulation besetzt.
Belfort
im deutsch-französischen
Krieg 1870 71.
Bei Beginn des
Kriegs von 1870 konzentrierte bei Belfort
Douay das 7. französische
Korps, welches aber nach der
Schlacht bei
Wörth
[* 13] nach
Châlons zurückging. In Belfort
blieb Oberst
Denfert-Rochereau mit einer
Besatzung von 17,000 Mann zurück.
Nach dem
Fall von
Metz
[* 14] erhielt die 1. Reservedivision
(Pommern)
[* 15] unter
General v.
Tresckow den Befehl, verstärkt durch Teile der 4. Reservedivision,
zur
Deckung der
Operationen des 14.
Korps die
Zernierung und Belagerung von Belfort
zu unternehmen.
Die ganze Zernierungsarmee war etwa 18,000 Mann stark.
General v.
Tresckow begann die
Zernierung und
eroberte in den folgenden
Tagen in siegreichen
Kämpfen gegen den ausbrechenden Feind, besonders 16. und 23. Nov., das nötige
Vorterrain. Das feste
Schloß
Montbéliard, 22 km von Belfort
entfernt, wurde 9. Nov. besetzt. Am 2. Dez. begann die
förmliche Belagerung der Westseite. Jedoch wurde in der Hauptsache hier kein bedeutender Erfolg erzielt und im
Januar 1871 der
Angriff auf die
Forts
Basse
Perche und
Haute
Perche eingeleitet und zu diesem
Zweck die denselben vorliegenden
Dörfer Danjoutin
und Pérouse 8. und 21. Jan. unter heftigen
Kämpfen besetzt.
Zwischen diese beiden Erfolge fiel der Anmarsch der Bourbakischen
Armee und die dreitägige
Schlacht von Belfort
(s. unten). Die
Lage wurde für das Belagerungsheer äußerst mißlich, denn
Tresckow mußte einen Teil seiner
Mannschaft und seiner schweren
Geschütze
[* 16] an das Werdersche
Korps abgeben. Doch ward in dieser Zeit die Beschießung der
Festung und der
Bau der
Batterien ununterbrochen fortgesetzt, und der Feind ließ die günstige Gelegenheit zu einem
Ausfall unbenutzt.
Sofort nach dem
Rückzug der Bourbakischen
Armee wurde mit dem
Angriff auf die beiden
Perches begonnen, 21. Jan. die erste
Parallele
[* 17] eröffnet und in der
Nacht vom 26. auf den 27. der
Versuch gemacht, die beiden
Forts mit
Sturm zu nehmen.
Der
Versuch mißlang unter empfindlichen Verlusten. Der am 27. Jan. abgeschlossene
Waffenstillstand betraf Belfort
nicht. Unter ungeheuern
Schwierigkeiten, welche das felsige
Terrain und die
Witterung veranlaßten, wurden die Belagerungsarbeiten fortgesetzt, zwei
weitere
Parallelen eröffnet und 8. Febr. der
Sturm auf die beiden
Perches wieder eröffnet. Diesmal gelang
er, die
Forts wurden nach kurzem
Widerstand genom-
[* 1]
^[Abb.: Kärtchen zur Belagerung von Belfort
1870-71.]
¶
mehr
men. Damit war eine feste Position gewonnen, denn von hier aus konnten die Citadelle und die Forts La Miotte und La Justice aufs wirksamste beschossen werden. So entspann sich in den nächsten Tagen ein heftiger Artilleriekampf, wobei sich die Überlegenheit der deutschen Artillerie aufs neue zeigte. Die Festung konnte sich unmöglich mehr lange halten. Da aber das große Hauptquartier Belfort vor dem Abschluß der Friedenspräliminarien in Besitz haben wollte, willigte es in die von Frankreich verlangte Verlängerung [* 19] des Waffenstillstandes nur unter der Bedingung der Übergabe Belforts.
Die französische Regierung erlaubte daher Denfert die Kapitulation unter ehrenvollen Bedingungen. Am 16. Febr. wurde die Konvention geschlossen und in derselben der Garnison in Anerkennung ihrer tapfern Verteidigung freier Abzug mit Waffen [* 20] und Feldgeschützen und sonstigen kriegerischen Ehren und die Mitnahme der Festungsarchive bewilligt. Die Franzosen hatten im ganzen 32 Offiziere und 4700 Mann, die Deutschen 88 Offiziere und 2050 Mann Verluste. Die Stadt Belfort war zum großen Teil zerstört.
Die Besatzung, noch 13,000 Mann stark, zog 18. Febr. ab, und die deutschen Truppen rückten ein. Dennoch ward Belfort den Franzosen im Friedensvertrag zurückgegeben und von den deutschen Truppen geräumt. Um nicht die definitive Abtretung des Departements Haut-Rhin anerkennen zu müssen, ward Belfort nicht mit dem Departement Haute-Saône vereinigt, sondern zur Hauptstadt eines besondern Arrondissements Belfort, welches den französisch gebliebenen Teil des Elsaß umfaßt, gemacht und zu einer großartigen Festung umgewandelt.
Schlacht bei Belfort. Die dreitägigen Kämpfe (15., 16., des 14. deutschen Armeekorps unter General v. Werder gegen die französische Ostarmee unter General Bourbaki werden teils als Schlacht bei Montbéliard, teils als Schlacht an der Lisaine zusammengefaßt, jedoch meist Schlacht bei Belfort genannt, weil es sich dabei zunächst auf französischer Seite um die Aufhebung, auf deutscher Seite um die Aufrechthaltung der Belagerung von Belfort handelte. Bourbaki war auf Veranstalten des Diktators Gambetta in der letzten Woche des Dezembers 1870 mit dem 15., 18. und 20. Korps von Revers, großenteils auf der Eisenbahn, nach Besançon [* 21] gezogen, wo auch das in Lyon [* 22] neuformierte 24. Korps unter General Bressolles und die Division Crémer zu ihm stießen.
Dies waren zusammen etwa 150,000 Mann. Zweck der Expedition war, die Aufhebung der Belagerung von Belfort zu erzwingen, durch einen Vorstoß gegen Nancy [* 23] die Hauptverbindungslinien der deutschen Heere zu unterbrechen und sich mit der Nordarmee unter Faidherbe zu vereinigen. Der kühne Plan konnte nur gelingen, wenn er mit größter Energie und Präzision ausgeführt wurde. Diese Vorbedingungen waren aber bei der Beschaffenheit der in aller Eile zusammengerafften Truppen, bei der mangelnden Einheit der Leitung und ferner bei den durch die Kälte und die gebirgige Natur des Landes verursachten Schwierigkeiten nicht zu ermöglichen.
Bei seinem Marsch von Besançon nach Belfort stieß Bourbaki auf das 14. Armeekorps unter Werder, welches 33,278 Mann Infanterie, 4020 Mann Kavallerie und 120 Feldgeschütze stark war. Gleich auf die ersten Gerüchte von Ansammlung feindlicher Streitkräfte bei Besançon hatte Werder Dijon verlassen und sich bei Vesoul aufgestellt; auf die weitere Nachricht, daß er die ganze Armee Bourbakis vor sich habe, und daß diese die Richtung nach Belfort einschlage, zog er 9. Jan., den Feind durch den Angriff bei Villersexel um ein paar Tage aufhaltend, von Vesoul über Lure und Bonchamp nach und erreichte am Abend des 11. die durch die Thaleinschnitte des Lisaine- und Allaine-Baches gebildete Verteidigungsstellung Frahier-Montbéliard-Delle, welche, von den Vogesen bis zur Schweizergrenze reichend und, 20 km lang, das obere Elsaß deckt. In aller Eile wurde sie durch Befestigungen verstärkt, welche mit 37 schweren Geschützen von der Belforter Belagerungsartillerie armiert wurden.
Durch das Detachement des Generals Debschitz wurde die Stärke [* 24] der zur Schlacht verwendbaren Truppen auf etwa 43,000 erhöht. Werder war entschlossen, der Bourbakischen Armee hier einen festen Damm entgegenzusetzen. Allerdings wurde die Festigkeit [* 25] seiner Stellung sehr vermindert, als in der Nacht auf den 14. Jan. die Kälte bis auf 17° stieg und sämtliche Wasser zufroren. Infolgedessen fragte Werder am Abend des 14. telegraphisch in Versailles [* 26] an, ob er unter den obwaltenden Verhältnissen den Kampf bei Belfort annehmen solle. Noch ehe er die bejahende Antwort erhielt (am 15. abends), hatte der Feind bereits angegriffen.
Der Kampf begann 15. Jan. morgens bei 14° Kälte. Vor den überlegenen feindlichen Heeresmassen wichen die deutschen Vorposten unter hartnäckigen Gefechten auf die Hauptstellung zurück. Am ersten Tag versuchte Bourbaki das Zentrum zu durchbrechen. Es gelang ihm, Bussurel zu nehmen, aber nicht, über die Lisaine hinüberzukommen, da die schweren Geschütze der Deutschen ein vernichtendes Feuer gegen die französischen Batterien und Infanteriekolonnen unterhielten. Am zweiten Tag wandte er sich vorzugsweise gegen Werders rechten Flügel und suchte denselben zu umgehen, um die von Frahier über Châlonvillars und Essert nach Belfort führende Straße zu gewinnen, während er zugleich, mehr demonstrativ, auch auf den andern Punkten angreifen ließ. Da auf dem rechten Flügel bei Chénebier nur wenig badische Truppen, drei Bataillone mit drei Batterien unter General Degenfeld, standen, so mußten diese, von ungeheurer Übermacht angegriffen, nach zehnstündigem Kampf Chénebier räumen und bis vor Châlonvillars sich zurückziehen.
In der Nacht erneuerte Bourbaki seine Durchbruchsversuche im Zentrum, ohne das gewünschte Ziel zu erreichen, und versäumte darüber die energische Ausbeutung des bei Chénebier errungenen Vorteils. Werder dagegen befahl noch in der Nacht des 16. Jan. der badischen Brigade Keller, Chénebier um jeden Preis wieder zu nehmen und ein Vorrücken des Feindes über Frahier hinaus zu verhindern. Am 17. Jan., morgens 4½ Uhr, [* 27] ging die Brigade Keller über Frahier hinaus, drängte die Vorposten zurück und stürmte in das Dorf Chénebier hinein.
Den westlichen Teil desselben konnte sie nicht nehmen, mußte sogar, da der Feind Verstärkung [* 28] erhielt, auch den östlichen wieder aufgeben, stellte sich aber, 400 Gefangene und viele erbeutete Wagen mit sich führend, dem Dorf unmittelbar gegenüber auf, alle Angriffe zurückweisend. Auf den übrigen Punkten wurden an diesem Tag die Angriffe der Franzosen fortgesetzt, hatten aber keinen Erfolg. Man merkte den letzten Angriffen die völlige Erschöpfung der französischen Soldaten an. Bourbaki, welcher trotz seiner ungeheuern Übermacht nirgends durchbrechen konnte, und dessen Armee infolge des Mißerfolgs, der furchtbaren Leiden [* 29] durch die Kälte und der mangelhaften Verpflegung demoralisiert war, mußte sich zum Rückzug entschließen, zumal da er gleichfalls von der Annäherung der Manteuffelschen Armee Nachricht erhielt. Der Rückzug begann schon am Abend des 17. und wurde in der Nacht und am 18. fortgesetzt; zur Deckung ¶
mehr
desselben ließ er auf den Höhen des rechten Ufers der Lisaine starke Truppenabteilungen bis zum Abend des 18. zurück. Nach einem für die erschöpften und etwas durcheinander geratenen Truppen notwendigen Ruhetag ging Werder 19. Jan. zur Verfolgung des Feindes über, dem er dadurch noch ansehnliche Verluste beibrachte, bis demselben durch Manteuffel der Weg nach Lyon verlegt und nur noch der eine Ausweg in die Schweiz offen gelassen war. So war also die Schlacht bei Belfort die entscheidende Thatsache auf dem östlichen Kriegsschauplatz, und General Werder und sein Korps haben die Anerkennung, welche der deutsche Kaiser ihren außerordentlichen Leistungen gezollt hat, und den Dank des ihnen zujubelnden Deutschland mit vollem Recht verdient. Die Verluste der Franzosen in den drei Schlachttagen betrugen 6-8000 Mann, die des Werderschen Korps 81 Offiziere und 1847 Mann.
Vgl. Wolff, Geschichte der Belagerung von Belfort im Jahr 1870-71 (Berl. 1875);
Castenholz, Die Belagerung von Belfort 1870/71 (das. 1875-78, 4 Bde.);
Thiers und de la Laurencie, La défense de Belfort (Par. 1871);