Titel
Ayrer
,
Jakob, nach
Hans
Sachs der fruchtbarste deutsche
Dramatiker des 16. Jahrh. Die unsichern Nachrichten über sein
Leben melden, daß er eigentlich
Eier
[* 2] geheißen und erst später den
Namen des
Nürnberger
Geschlechts Ayrer
sich
beigelegt habe. Als
Knabe
¶
mehr
nach Nürnberg
[* 4] gekommen, habe er erst in einem Eisenkram gedient, sei dann nach Bamberg
[* 5] übergesiedelt, dort Hof- und Stadtgerichtsprokurator
geworden, aber seines evangelischen Bekenntnisses wegen nach Nürnberg zurückgekehrt und hier 1594 als Bürger aufgenommen
worden. Er erlangte auch hier die Stelle eines Gerichtsprokurators, dazu die eines kaiserlichen Notars und starb Ayrers
Reimwerk »Chronik der Stadt Bamberg« (hrsg. von J. ^[Josef] Heller, Bamb. 1838) ist unbedeutend; dasselbe gilt von der noch
ungedruckten strophischen Bearbeitung des Psalters von 1574. Seine dramatischen Dichtungen sind bei seinen Lebzeiten nicht
erschienen; erst seine Erben veranstalteten eine Sammelausgabe unter dem Titel: »Opus theatricum« (Nürnb.
1618), enthaltend 30 Tragödien und Komödien und 36 Fastnachts-, Possen- und Singspiele.
Ein zweiter in Aussicht gestellter Band
[* 6] von 40 Komödien erschien nicht. Eine in Dresden
[* 7] befindliche Handschrift mit 22 Stücken
enthält 3 im »Opus theatricum« nicht aufgenommene. Ayrer
entnahm seine Stoffe der Geschichte, Sage und Novellenlitteratur, nur
in einem einzigen Fall der Bibel.
[* 8] Mehrere Stücke sind Bearbeitungen englischer Dramen, oder sie sind aus
gleicher Quelle
[* 9] mit solchen geschöpft. Die »englischen Komödianten« vermittelten ihm die lebendige Anschauung englischer Stücke.
Neben den in den alten Reimpaaren abgefaßten Fastnachts- und Possenspielen schuf Ayrer
auch eine Reihe von strophischen Singspielen,
in denen die Personen ihre Rollen
[* 10] nach der Melodie eines Volksliedes oder eines Meistertons abzusingen hatten.
Weniger gewandt in Sprache
[* 11] und Vers als sein Vorgänger Hans Sachs, auch weniger frisch und unschuldig heiter, ist er auch in der
Diktion des Dialogs weniger dramatisch, insofern er breiter und redseliger verfährt. Doch kann seine Weise
als dramatischer Fortschritt bezeichnet werden, weil er gegenüber dem einfachen epischen Stil eine Charakterisierung der Personen
und eine wirklich dramatische, auf Intrige beruhende Konzeption erstrebt, wenn er auch in beidem über den guten Willen und
die Anfänge nicht hinauskommt. Tieck hat in sein »Deutsches Theater«
[* 12] (Bd. 1) fünf Stücke Ayrers
aufgenommen.
Eine neue Ausgabe des »Opus theatricum«, nebst den drei früher nicht gedruckten Stücken, besorgte Ayrer
Keller (Schriften des Litterarischen
Vereins, Stuttg. 1865, 5 Bde.);
eine Auswahl mit trefflicher Einleitung gab Tittmann (Leipz. 1868) heraus.