(spr. awinjóng),Hauptstadt des franz.
DepartementsVaucluse, am linken
Ufer des
Rhône, 55 m ü. M., unweit
der Mündung der
Durance und an der
Lyon-MarseillerEisenbahn, liegt um einen 60 m hohen Kalkfelsen, der
oben in eine schöne,
aussichtsreiche
Anlage verwandelt ist, und an dessen Abhang das mächtige
Schloß der
Päpste und die
Kathedrale
sich erheben. Aus dem 14. Jahrh. rühren die wohlerhaltenen Zinnenmauern und
Türme her, welche die eiförmige Stadt mit dem
Gewirr ihrer engen und krummen
Straßen umschließen. Um diese
Mauern herum wurden in jüngster Zeit schöne
Boulevards und
Promenaden angelegt.
Eine
Kettenbrücke führt zum rechten Stromufer nach
Villeneuve-les-Avignon (s. d.) hinüber und ersetzt die 1177 erbaute,
aber 1669 bis auf drei noch heute stehende
Bogen
[* 2] vom
Hochwasser zerstörte St.-Bénézetbrücke. Am Rhôneufer ziehen sich
schöne
Kais hin.
Noch heute ist Avignon reich an
Kirchen,
Klöstern und
Mönchen; die größte unter erstern ist die
KathedraleNotre Dame des
Doms aus dem 11. Jahrh., vielfach restauriert, mit prächtigem
MausoleumPapstJohannes' XXII.; andre
nennenswerte sind
St.-Pierre und St.-Didier. Von Profanbauten ragt vor allen hervor der
Palast der
Päpste neben dem
Dom, eine
aus gewaltigen Steinblöcken aufgetürmte
Festung,
[* 3] finster und drohend dann das Stadthaus
¶
mehr
mit einem gotischen Turm
[* 5] aus dem 14. Jahrh., davor das Standbild Crillons, des tapfern FeldherrnHeinrichs IV., CrillonsHaus und
das Museum Calvet, nach seinem Stifter genannt, mit Bibliothek von 85,000 Bänden, 2500 Manuskripten, Gemälden, Münzen,
[* 6] Skulpturen,
Altertümern etc. Avignon zählt (1881) 32,440 Einw.,
welche sich seit den Bekehrungen des 13. Jahrh. durch Bigotterie (die Frauen zugleich durch Schönheit und
Anmut) auszeichnen. Die industrielle Thätigkeit derselben erstreckt sich vorzugsweise auf Seidenmanufaktur, nachdem
die Krappindustrie, deren Hauptsitz im AbendlandAvignon war, zurückgegangen ist.
Avignon hieß zur Zeit der Römer
[* 11] Avenio (Avignon Cavarum, Avenicorum civitas) und war die Stadt der Kavaren, eines gallischen Volks; 48 v. Chr.
gründeten die Römer hier eine Kolonie. Vom 1. Jahrh. n. Chr. an besaß Avignon alle Rechte einer italischen
Stadt. Unter den Thronstreitigkeiten der spätern Kaiser hatte es schwer zu leiden. Nach dem Untergang des weströmischen Reichs
kam es unter die Herrschaft der Burgunder, dann der Westgoten und endlich der Franken und ward 730 und 737 von den Sarazenen
zerstört.
Petrarca schildert zur Zeit Clemens' VI. als eine stinkende, schlecht gebaute, wütenden Winden
[* 18] ausgesetzte Stadt und als Sitz
jeglichen Lasters. Der große von den Päpsten erbaute Palast hatte ein düsteres Aussehen. In Rom folgte
auf Gregor XI. Urban VI. (1378-89). Die französischen Kardinäle aber wählten zu FondiClemens VII. (1378-94) zum Papst,
der
seit 1379 in Avignon residierte. So entstand das große Schisma der abendländischen Kirche. Als Clemens VII. 1394 zu Avignon starb,
wählten seine KardinäleBenedikt XIII. (1394-1415). Benedikt, in Avignon belagert, floh nach Spanien.
[* 19]
Seit der Wiederherstellung der Alleinherrschaft des römischen Papstes (1417) residierten in Avignon nur Legaten als päpstliche
Statthalter. Der finanzielle Gewinn der Kurie aus dem Besitz Avignons war gering, da die Stadt infolge innerer Wirren ihre
frühere Blüte
[* 20] verlor. Die Einkünfte, die sich auf höchstens 300,000 Livres beliefen, wurden auf öffentliche Gebäude und
Straßen, zur Besoldung der Truppen und bürgerlichen Beamten verwendet; dagegen mußte für alle ins französische Gebiet ausgeführten
Landesprodukte eine starke Abgabe entrichtet werden, so daß der französischen Staatskasse mehr einbrachte, als wenn
es mit Frankreich vereinigt gewesen wäre. Im J. 1791 empörte sich die von der Revolutionspartei aufgereizte Volksmenge gegen
die päpstliche Herrschaft, zerstörte Schlösser und Klöster und bat die Konstituierende Versammlung um die Vereinigung Avignons
mit Frankreich, welche auch ebenso wie die von Venaissin beschlossen wurde. Avignon wurde die Hauptstadt des
neuen DepartementsVaucluse.
Infolge davon entbrannte in Avignon ein blutiger Bürgerkrieg zwischen Papisten und Demokraten. Die letztern bildeten einen Gemeinderat,
riefen wilde Banden aus dem Gebirge nach der Stadt, und als einer der Bandenführer, Lescuyier, von der Volksmenge
ermordet wurde, schlachteten die Banden 53 Gefangene und warfen die Leichen in das Verlies des Schlosses,
die Eisgrube (Glacière). Im J. 1792 wütete ein Volkshauptmann, Jourdan, in Avignon mit blutiger Grausamkeit gegen die Anhänger
der alten Zustände. Im Frieden von Tolentino mußte der Papst Avignon und Venaissin an Frankreich förmlich abtreten.
Erst das Kaisertum stellte die Ruhe in Avignon her, mit der Restauration aber brach der alte Parteihaß wieder
hervor, und in Avignon wütete besonders der »weiße Schrecken«. Hier ward der MarschallBrune (s. d.) ermordet. In Avignon sind
mehrere Kirchenversammlungen gehalten worden: 1209 wider die Albigenser, 1210 über Exkommunikation der Toulouser und ihres
Grafen wegen Weigerung der Ketzervertreibung, 1326 überkirchliche Sitte und Verfassung, 1327 über klerikale Zucht, 1328 wider
den kaiserlichen Gegenpapst u. a.
1) Arrondissemeut im franz. Depart. Baucluse in der
Provence, hat 534,62 qkm, (1891) 84134 E., 21 Gemeinden und zerfällt in die 5 Kantone Avignon-Nord und Avignon-Sud (98,73
qkm, 44467 E.), Bédarrides (101,63 qkm, 10903 E.), Cavaillon (161,7i qkm, 14671E.), L'Isle (172,55 qkm, 14093 E.).
- 2) (lat. Avenio), Hauptstadt des franz. Depart. Vaucluse und des Arrondissements Avignon, links an der Rhone, die hier die Sorgues
aufnimmt, an einem Kanal
[* 21] der Durance und an den Linien Paris-Lyon-Marseille-Nizza und Avignon-Pertuis (77 km) der Franz.
Orleansbahn, in 55 m Höhe, in herrlicher Ebene, ist durch ihre anmutige Lage sowie durch ihre histor.
Erinnerungen eine der anziehendsten StädteFrankreichs, allerdings berüchtigt wegen der Heftigkeit des Alpenwindes. Die Stadt,
im Mittelalter stark bevölkert, hatte nach den Stürmen der Revolution 17000 E., 1876 wieder 33189 (als Gemeinde 38008) und
(1891) 31616, als Gemeinde 43453 E.; in Garnison das 58. Infanterie- und das 1. Pontonierregiment. Sie
ist Sitz der Departementsbehörden, eines Erzbischofs (bis 1475 eines Bischofs; Diöcesen: Montpellier,
[* 22] Nimes,
[* 23] Valences, Viviers),
des Kommandos der 30. Infanteriedivision und einer Filiale der Bank von Frankreich. Avignon hat Post, Telegraph,
[* 24] ein Lyceum, ein
Großes und ein Kleines theol.
Seminar, eine Gewerbe-, eine Zeichen- und eine Musikschule, die Académie de Vaucluse, einen botan. Garten, ein nach seinem Stifter,
dem Arzte Calvet, benanntes Museum, mit einer Gemäldegalerie, einer archäol. Sammlung, einer Galerie von Skulpturen und Architekturstücken
des Altertums, Mittelalters und der Neuzeit; ferner eine Porträtgalerie, ein Münz- und Naturalienkabinett,
eine öffentliche Bibliothek (85000 Bände und 2500 Handschriften); das naturhistor.
Museum «Requin»" mit großer Bibliothek, eine Acker- und Gartenbaugesellschaft und einen Verein für Kunstfreunde. Die 1303 gestiftete
Universität wurde 1794 aufgehoben, seit 1857 besitzt die Stadt ein prot. Bethaus und eine prot. Schule. Avignon hat
gewaltige, 1349-68 aufgeführte, meist 3,12 m starke Mauern mit zackigen Zinnen, 39 mächtigen Türmen
und schönen Thoren und ist von prächtigen Baumgängen umgeben. Eine Platanenallee führt zu den Quais der Rhone. Wiewohl
die Häuser gut gebaut sind, ist das Innere der Stadt winklig, düster und schmutzig.
Von Gebäuden sind bemerkenswert das Stadthaus mit got. Turme aus dem 14. Jahrh., das Hotel Crillon in got.
Stile, der erzbischöfl. Palast, das Hospital, das Theater
[* 25] (1846), ferner die Standbilder Crillons, eines Feldherrn Heinrichs
IV., Petrarcas (1874 errichtet) und ein Denkmal Philippe Henri de Girards enthüllt). Außer einer Menge von Kirchen
hatte Avignon früher 20 Mönchs- und 15 Nonnenklöster, so daß es von Rabelais wegen des häufigen
Glockengeläutes «la ville sonnante» genannt wurde.
Noch 1762 zählte es 900 Geistliche. In der Revolutionszeit wurden viele der geistlichen Gebäude teils zu andern Zwecken
benutzt, teils
zerstört, wie z. B. 1791 die Franziskanerkirche mit dem Grabe der vielbesungenen Geliebten
Petrarcas, Laura de Sade, die hier 1348 an der Pest starb. Die schöne Synagoge brannte 1845 ab. Die Cölestinerkirche enthält
das Grabmal des Papstes Clemens VII. und des heil. Benezet, des Erbauers der großartigen Steinbrücke, die das gegenüber
im Depart. Gard liegende Städtchen Villeneuve-lès-Avignon (gekrönt durch die von betürmten Mauern umgebene
Abtei St. André) zu einer Vorstadt A.s macht.
Die Brücke
[* 26] ward 1185 vollendet, aber 1669 durch die Rhone bis auf 4 ihrer 19 Bogen und eine Kapelle des Heiligen zerstört.
Jetzt führt eine Hängebrücke hinüber. Den Glanzpunkt der Stadt bilden die großartigen Bauten auf dem Roc-des-Doms, einem 58 m
über die Rhone aufsteigenden Kalkfelsen, der sich gegen S. und O. zur Stadt hinabsenkt, während auf der steilen Nordseite
die Patertreppe von 100 Stufen hinaufführt. Den Felsen krönt die große, unregelmäßige got. Kathedralkirche Notre-Dame-des-Doms,
ein Bollwerk von mächtigen Türmen, dessen Portal für den Rest eines Herculestempels gilt, mit dem merkwürdigen
byzant. päpstlichen Stuhle aus weißem Marmor, Fresken und zahlreichen Gemälden, den Mausoleen der Päpste Benedikt XII.
und Johann XXII., und dem Grabe Crillons.
Etwas tiefer, am Südabhange, steht das alte, große päpstl. Residenzschloß, 1336-64 aufgeführt, eine Festung von Steinblöcken,
mit starken krenelierten Mauern, Türmen, Schießscharten, weiten got. Hallen und schönen Fresken aus dem 14. Jahrh.;
sie war später Sitz des päpstl. Vicelegaten, dient seit 1815 als Gefängnis und Kaserne. Die Plattform des Felsens gewährt
einen großartigen Rundblick über die Ebenen der Provence mit den dunkeln, scharfgezackten Gebirgsausläufern, den rötlichen
Gipfeln des Mont-Ventoux u. s. w. Die Industrie erstreckt sich auf Seiden- und Baumwollspinnerei, sowie Fabrikation
von Papier, Ackergeräten, Blech-, Kupfer- und andern Metallwaren, Herren- und Damenhüten, Posamentierwaren, Sammet, Florence,
Taffet, Indiennes; ferner bestehen bedeutende Färbereien und Gerbereien, Krappmühlen, Kanonen- und Eisengießereien, Maschinenbauanstalten,
Buchdruckereien sowie lebhafter Handel mit Seide, Wein, Branntwein, Olivenöl, Getreide und Mehl.
[* 27]
Auch wird Garten-, Krapp-, Obst-, Wein-, Seidenbau und Bienenzucht
[* 28] getrieben. Die Seidenindustrie beschäftigt
12-14000 Arbeiter und liefert jährlich Waren im Wert von 1½ Mill. Frs. Für Getreide ist der Stapelplatz für die Provence,
Niederdauphiné und Languedoc; auch werden daselbst die Ladungen der zur Ausfuhr kommenden Weine des Departements gemacht.
Wichtig ist die Kultur der Gelbbeeren oder Avignonbeeren (Avignonkörner, Graines d'Avignon, s. Rhamnus)
und besonders des Krapps (Garance), der teils in den Handel kommt, teils zur Färbung der roten Hosenstoffe der franz. Armee
dient. Dieses wichtige Produkt, das dem Departement jährlich über 15 Mill. Frs. einbringt, verdankt Avignon einem landesflüchtigen
Perser, Jean Althen, dessen Vater Gesandter des Schahs Thamas Kuli-Chan war, und der 1774 in Armut starb;
sein Standbild steht in den Gartenanlagen beim Dom. Die Anmut und Schönheit der Frauen von Avignon wird allgemein gerühmt. Die
Stadt ist der Geburtsort von Petrarcas Laura und des Malers J. Vernet. - Avignon hieß zur Römerzeit Avenio (Avenio
Cavarum, Avenicorum civitas) und war die Hauptstadt der gallischen Cavares; es
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bietet nebst der Umgegend noch viele Überreste aus der Römerzeit dar. Im Mittelalter gehörte es mit seinem Gebiete den
Grafen von Toulouse und Provence gemeinschaftlich, bis es die Päpste, die bereits die GrafschaftVenaissin 1273 von König Philipp
III. zum Geschenk erhalten hatten, von Johanna, Königin von Neapel und Gräfin von Provence, 1848 kauften.
Beide Länder regierte der Papst durch einen Vicelegaten und besaß sie bis 1790, wo nach mehrern stürmischen und blutigen
Auftritten (zuletzt die Stadt mit ihrem Gebiete sich an Frankreich anschloß. Im Frieden von Tolentino
leistete dann der Papst auf und Venaissin förmlich Verzicht.
Merkwürdig ist in der Kirchengeschichte, indem auf Anordnung König Philipps IV. von Frankreich Papst Clemens V. und dessen
sechs Nachfolger bis Gregor XI. 1309-78 ihren Sitz daselbst nehmen mußten. Später hielten bis 1409 in Avignon noch mehrere nicht
anerkannte Päpste Hof.
[* 30] Auch fanden dort mehrere Kirchenversammlungen statt, z. B. 1209 über
die Albigenser, 1320 über kirchliche Sitte und Verfassung, 1327 über die klerikale Zucht, 1328 wider den kaiserl. Gegenpapst.
Am wurde in der Marschall Brune ermordet. -
Vgl. Penjon, la ville er le palais des Papes (Besancon 1878): Höfler,
Die avignonesischen Päpste, ihre Machtfülle und ihr Untergang (Wien 1871);