Auffütterung
der
Kinder, die
Ernährung der Neugeborenen ohne
Mutter- oder Ammenmilch. Am zweckmäßigsten geschieht
die Auffütterung
mit guter, abgekochter Kuhmilch, die jedoch zuvor wegen ihres Mehrgehalts an
gerinnbarem, dann klumpig und schwerverdaulich werdendem Käsestoff mit abgekochtem Wasser, unter Umständen mit Fenchelthee,
Haferschleim oder Arrow-Root-Abkochung zu verdünnen, sowie wegen ihres Mindergehalts an Zucker
[* 2] durch
Milchzucker (etwa eine
Messerspitze auf jede
Mahlzeit) zu versüßen ist.
Die Verdünnung der Milch richtet sich nach dem Alter des Kindes: in den ersten Wochen reicht man 1 Teil Milch und 2 Teile Wasser, im zweiten bis dritten Monat halb Milch, halb Wasser, im vierten Monat drei Viertel Milch und ein Viertel Wasser;
vom fünften bis sechsten Monat an giebt man die Milch unverdünnt. Um der Säuerung vorzubeugen, ist, zumal im Sommer, der Zusatz von doppeltkohlensaurem Natron sehr zweckmäßig;
ganz besonders aber ist in dieser Beziehung die sorgsamste Reinigung aller mit der Milch in Berührung kommenden Gefäße und Gegenstände unumgänglich erforderlich. Am zweckmäßigsten benutzt man zum Aufkochen der Milch den Milchkochapparat von Professor Soxhlet, in welchem das ganze Tagesquantum der Milch auf einmal in kleinen, 0,16 l fassenden Flaschen 40 Minuten lang der Siedehitze ausgesetzt und dadurch von allen organischen Keimen und Gärungserregern befreit (sterilisiert) wird.
Die Menge der nötigen Milch läßt sich nicht leicht bestimmen; anfangs genügt eine Tasse auf die Mahlzeit, später rechnet man auf den ganzen Tag etwa 1 l. Endlich reicht man die Flasche [* 3] nicht öfter als alle zwei bis drei Stunden, weil nach häufigerm Tränken leicht Verdauungsstörungen, selbst Magenkatarrhe eintreten. Kann man, wie dies in den größeren Städten nur zu häufig der Fall ist, gute und unverfälschte Milch nicht erhalten, so ist man genötigt, die verschiedensten Ersatzmittel zu versuchen.
Gute Dienste [* 4] leistet mitunter die kondensierte Milch, d. i. mit Rohrzucker zur Konservierung versetzte, durch Dampfheizung im luftverdünnten Raume eingedickte Kuhmilch, die vor dem Gebrauche mit 10-12 Teilen Wasser vermischt wird. Freilich ruft sie durch ihren reichlichen Gehalt an Zucker, der im Darmkanal in Milchsäure übergeht, bei manchen Kindern leicht Verdauungsstörungen hervor, so daß man in diesem Falle zur Verdünnung Hafer- oder Gerstenschleim benutzen und auch absorbierende Mittel, wie präparierte Austernschalen u. s. w., hinzusetzen muß.
Zweckmäßiger ist in dieser Beziehung Löflunds sterilisierte Alpenmilch sowie die Scherffsche Milch, Milchkonserven, die unter Kondensierung und Sterilisierung hergestellt werden. Auch das Biedertsche Rahmgemenge (⅛ l süßen Rahm mit ⅜ l Wasser und 15 g Milchzucker versetzt) erweist sich öfters nützlich. Zweckmäßig ist auch die peptonisierte Milch, welche als Voltmersche Milch in den Handel kommt; dieselbe ist mit dem Ferment der Bauchspeicheldrüse versetzt und so durch eine Art künstliche Vorverdauung verdaulicher gemacht.
Liebig versuchte in seiner Kindersuppe (vgl. Liebig, Suppe für Säuglinge, 3. Aufl., Braunschw. 1877) die in der Milch enthaltenen plastischen und respiratorischen, d. h. Blut und Wärme [* 5] bildenden Stoffe durch Weizenmehl zu ersetzen, welches durch Zusatz voll Gerstenmalz in höherer Temperatur in Dextrin und Zucker übergeführt ist. Dadurch wird dem Säugling eine Arbeit erspart, die er doch nur unvollkommen leisten könnte, da der Mundspeichel erst mit dem Hervorbrechen der Schneidezähne das Vermögen erhält, Stärkemehl in Zucker zu verwandeln. Im allgemeinen wird die Liebigsche Suppe von den meisten einige Monate alten Säuglingen gut ertragen, während sie bei Neugeborenen nicht selten Darmkatarrhe erzeugt. Dasselbe gilt von der sog. Löflundschen und Liebeschen Kindernahrung, die im wesentlichen Liebigsche Suppe in der Form des Extrakts darstellen. Ein für viele Fälle recht brauchbares Surrogat endlich ist das ¶
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Nestlésche Kindermehl (vgl. Nestlé, über die Ernährung der Kinder, Vevey 1869), in welchem Weizenstärke durch überhitzten Wasserdampf bei hohem Atmosphärendruck in Dextrin und Zucker übergeführt und darauf mit einer genügenden Menge von Nährsalzen und Milch versetzt ist. Es stellt ein feines, gelbliches Pulver von süßem, zwiebackähnlichem Geschmacke dar, welches man vor dem Gebrauche mit 8-10 Teilen Wasser aufkocht; nur selten erregt es Verdauungsstörungen, wird von den meisten Kindern gern genommen und verdient für ältere Säuglinge nächst der Kuhmilch am meisten Empfehlung.
Nach ähnlichen Principien wie das Nestlésche Präparat sind die Kindermehle von Faust und Schuster, Frerichs, Gerber, Timpe,
Kufeke u. a. zusammengesetzt. Für jüngere Säuglinge eignen sich die
Kindermehle nicht; sie werden bei längerm und ausschließlichem Gebrauch derselben leicht elend und blutarm. Das beste Mittel,
um sich davon zu überzeugen, ob einem Säugling die dargebotene Nahrung bekommt, sind öftere, etwa allwöchentlich vorzunehmende
Wägungen. (S. Säugen und Säugling.) Im allgemeinen ist die Auffütterung
schwierig und erfordert
außer der größten Sorgfalt ein feines Individualisieren, da man nur zu häufig genötigt ist, mit den verschiedenen Ersatzmitteln
der Frauenmilch zu wechseln; unterstützt muß sie werden durch gewissenhafteste Befolgung aller jener hygieinischen Grundsätze,
welche für die gedeihliche Entwicklung des Kindes in Betracht kommen. (S. Kind.) Durch die Erfahrung ist
zwar erwiesen, daß auch künstlich aufgezogene Kinder sich ebenso kräftig entwickeln können wie an der Bust gestillte;
allein wo es an dem nötigen Verständnis und der erforderlichen Sorgfalt fehlt, kommt es leicht zu Erkrankungen des Darms,
zu Blutarmut, Englischer Krankheit, Skrofulose u. s. w.
Vgl. Fürst, Die künstliche Ernährung des Kinder (Lpz. 1870);
ders., Das Kind und seine Pflege (4. Aufl., ebd. 1891);
Ammon, [* 7] Die ersten Mutterpflichten und die erste Kindespflege (34. Aufl., ebd. 1894);
Biedert, Die Kinderernährung im Säuglingsalter (Stuttg. 1880);
Pfeiffer, Regeln für die Wochenstube und Kinderpflege (2. Aufl., Weim. 1889);
Baginsky, Die Pflege des gesunden und kranken Kindes (3. Aufl., Stuttg. 1885).