Au
porteur
(franz., spr. o portör, »an
den
Inhaber«),
s. Inhaberpapier.
porteur
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porteur
(franz., spr. o portör, »an
den
Inhaber«),
s. Inhaberpapier.
(franz. Billet au porteur, engl. Security to bearer), die Schuldurkunde, durch welche sich der Au
ssteller
jedem Inhaber derselben gegenüber zu einer Leistung verpflichtet. Den Gegensatz zum I. bildet eine Urkunde, insbesondere ein
Schuldschein, welcher auf
den Namen eines bestimmten Gläubigers lautet
(Rektapapier). Es ist nicht erforderlich,
daß das I. au
sdrücklich auf den Inhaber (Überbringer, Einlieferer, Vorzeiger, au porteur etc.) au
sgestellt ist (sogen. Inhaberklausel
);
der Wille des Au
sstellers, jedem Inhaber zu der betreffenden Leistung verpflichtet sein zu wollen, kann vielmehr auch
auf andre
Weise zum Ausdruck kommen. So lautet z. B. eine Banknote, welche I. ist: »Die Sächsische Bank zu Dresden
[* 3] bezahlt
gegen diese Banknote einhundert Mark deutsche Reichswährung (Datum und Unterschrift)«.
Dies ist ein I., obwohl die Inhaberklausel fehlt. Dasselbe gilt von Theaterbillets, Speise-, Bademarken, Eisenbahn-, Dampfschiffahrtsbillets u. dgl. Es ist auch möglich, daß eine Urkunde aus den Namen eines bestimmten Gläubigers, zugleich aber auch auf den Inhaber gestellt ist (alternative Inhaberklausel). So lauten z. B. die zu baren Abhebungen bestimmten weißen Checks der deutschen Reichsbank: »Die Reichsbank in Berlin [* 4] wolle zahlen gegen diesem Check aus unserm Guthaben an Herrn M. Schulze in Leipzig [* 5] oder Überbringer Mark viertausend. Leipzig, Müller u. Komp.« Verschieden von den Inhaberpapieren sind ferner auch die ¶
Orderpapiere, welche zwar auf den Namen eines bestimmten Zahlungsempfängers lauten, aber mit dem Zusatz »an die Order«, oder »an dessen Order« u. dgl. versehen sind, infolgedessen sie (durch Giro oder Indossament) von dem benannten Gläubiger (Nehmer) auf einen andern übertragen (begeben) werden können. So lautet z. B. ein eigner Wechsel: »Leipzig, Sechs Monate nach heute zahle ich an die Order der Herren Müller u. Komp. die Summe von fünfhundert Mark. R. W. Karl Schulze«.
Die ursprüngliche Form des Inhaberpapiers war diejenige mit der alternativen Inhaberklausel. So finden sich z. B. schon im Mittelalter Urkunden, welche auf N. N. »oder wer diesen Brief innehat« lauten. Dem römischen Recht fremd, fanden die Grundsätze über das I. zuerst in der Lombardei Anwendung und Ausbildung. Heutzutage ist die Anwendbarkeit des Inhaberpapiers eine außerordentlich vielseitige und für Handel und Verkehr hochwichtige. Man denke nur an die Staatspapiere, Schuldobligationen der Gemeinden, Pfandbriefe, Banknoten, Aktien, Dividendenscheine, Koupons etc., welche auf den Inhaber ausgestellt werden, an die Billets, Marken, Eintrittskarten und an die sonstigen Legitimationszeichen, für welche diese Form üblich ist.
Trotz dieser großen wirtschaftlichen Bedeutung und Verbreitung des Inhaberpapiers besteht aber über dessen rechtliche Natur und namentlich über die Frage, in welchem Rechtsverhältnis der Inhaber, welcher nicht der erste Nehmer ist, zu dem Aussteller des Papiers stehe, ein großer theoretischer Streit. Nach Goldschmidt hat jeder spätere Nehmer ein selbständiges Recht, welches unmittelbar von dem Aussteller abzuleiten ist. Das Recht des Inhabers wird durch den Besitz der Urkunde begründet, in welcher der Schuldner in rechtsverbindlicher Weise erklärt hat, jedem Inhaber verpflichtet sein zu wollen.
Wenn auch nach gemeinem deutschen Privatrecht die Befugnis zur Ausstellung (Emission) von Inhaberpapieren ursprünglich eine unbegrenzte war, so sind doch nunmehr folgende Beschränkungen dieser Befugnis in der Gesetzgebung enthalten:
1) Wechsel können nicht direkt auf den Inhaber gestellt werden (deutsche Wechselordnung, Art. 4, Ziff. 3). Der Wechsel ist nach deutschem Recht ein Orderpapier. Er kann aber durch Indossament, welches nicht auf den Namen lautet (Blankoindossament), begeben und dadurch zum I. werden.
2) Aktiengesellschaften können nach dem Reichsgesetz vom ihre Aktien sowohl auf den Namen als auf den Inhaber stellen, dasselbe gilt von Kommanditgesellschaften auf Aktien. Der Mindestbetrag einer Inhaberaktie ist 1000 Mk., Interimsscheine (s. d.) dürfen nicht auf den Inhaber lauten (s. Aktie, S. 262). 3) Inhaberpapiere mit Prämien (Lotterie-Inhaberpapiere) dürfen nach dem Reichsgesetz vom nur auf Grund eines Reichsgesetzes und nur zum Zweck einer Anleihe des Reichs oder eines Bundesstaats ausgegeben werden.
4) Für die Emission von Banknoten sind die beschränkenden Vorschriften des Bankgesetzes vom maßgebend (s. Banken, S. 325). 5) Vielfach ist in der deutschen Partikulargesetzgebung die Befugnis zur Ausstellung von Inhaberpapieren beschränkt und die Emission von Geldpapieren oder von Anteilscheinen auf den Inhaber ausdrücklich von der Genehmigung der Staatsregierung abhängig gemacht; so nach dem preußischen Gesetz vom der österreichischen Verordnung vom dem badischen Gesetz vom dem sächsischen bürgerlichen Gesetzbuch, § 1040, etc.
Im allgemeinen ist zu unterscheiden zwischen den Inhaberpapieren, welche die Zahlung einer Geldsumme (Geldpapiere), und denjenigen, welche irgend eine andre Leistung zum Gegenstand haben, Billets, Marken u. dgl. Unter den Geldpapieren sind folgende hervorzuheben, doch ist diese Aufzählung bei der Vielgestaltigkeit des Verkehrs keineswegs erschöpfend:
1) Anteilscheine, Partialschuldscheine, Schuldbriefe, Obligationen, Prioritätsobligationen, wie sie vom Staat, von den Gemeinden und sonstigen Korporationen sowie von Aktiengesellschaften emittiert werden;
2) Zinsscheine, Talons, Koupons;
3) Dividendenscheine;
4) Banknoten;
5) Bankanweisungen oder Checks;
6) Prämienscheine, Obligationen von Lotterieanlehen;
7) Lotterielose;
8) Pfandbriefe;
9) Bodmereibriefe;
10) Lebensversicherungspolicen;
11) Kassenscheine. Eigentliches Papiergeld in dem Sinn, daß dem Papier wie einem geprägten Metallstück vom Staate die Eigenschaft eines allgemeinen Wertmessers mit Zwangskurs (allgemeinem Zwang zur Annahme) beigelegt ist, gibt es in Deutschland [* 7] nicht mehr. Die Reichskassenscheine sind Geldpapier, kein Papiergeld; denn ein Zwang zu ihrer Annahme findet nach dem Reichsgesetz vom (§ 5) im Privatverkehr nicht statt. Dagegen werden die Reichskassenscheine bei allen Kassen des Reichs und sämtlicher Bundesstaaten zu ihrem Nennwert in Zahlung angenommen und von der Reichshauptkasse jederzeit bar eingelöst. Dadurch ist ihre Zirkulationsfähigkeit eine dem Papiergeld nahezu gleiche geworden.
Das I. kann Gegenstand dinglicher Rechte sein (Rechte am Papier, welche die Rechte aus dem Papier begründen). Eigentum, Besitz, Pfandrecht, Pfändung, Nießbrauch sind daran möglich. Der Eigentümer kann ein I. wie eine andre Sache von dem besitzenden Nichteigentümer vindizieren. Nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (Art. 306 f.) erlangt jedoch der redliche Erwerber an dem ihm veräußerten und übergebenen I. stets das Eigentum, gleichviel, ob er es von einem Kaufmann oder von einer andern Person erwirbt, selbst dann, wenn das Papier gestohlen oder verloren war.
Der redliche Erwerber ist also gegen die Vindikation seitens des frühern Eigentümers geschützt. Es kann sich jedoch der Eigentümer durch Außerkurssetzung (s. d.) des Papiers schützen, wodurch die eigentümliche Zirkulationsfähigkeit des Papiers bis auf weiteres aufgehoben und das J. durch die Vinkulierung (Festmachung, Inskription) in ein Rektapapier (auf den Namen lautend) umgewandelt wird. Verloren gegangene Inhaberpapiere können mittels Amortisation (Modifikation, Kraftloserklärung) im Weg des gesetzlichen Aufgebotsverfahrens für ungültig erklärt werden (s. Aufgebot).
Vgl. außer den Lehrbüchern des Privat- und des Handelsrechts: Kuntze, Die Lehre [* 8] von den Inhaberpapieren (Leipz. 1857);
Unger, Rechtliche Natur der Inhaberpapiere (das. 1857);
v. Poschinger, Geschichte der Inhaberpapiere (Erlang. 1875);
Pappenheim, Begriff und Arten der Inhaberpapiere (Berl. 1881);
Folleville, Traité de la possession des meubles et des titres au porteur (2. Aufl., Par. 1875).