Titel
Athēn
(hierzu
Karte »Umgebung von Athen«
),
[* 3]
im Altertum die berühmte Hauptstadt Attikas, der hochgefeierte Mittelpunkt althellenischer Kultur, gegenwärtig die Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Griechenland, [* 4] liegt am Saronischen Golf (Busen von Ägina), der Ostküste des Peloponnes gegenüber, zwischen dem Zusammenfluß der kleinen, im Sommer fast vertrocknenden Flüsse [* 5] Kephissos und Ilissos. Von der See, mit deren drei Buchten Piräeus, Munychia und Phaleron (von denen nur die erstere noch brauchbar ist) die Stadt einst durch feste Mauern verbunden war, ist sie etwa 4 km entfernt.
Wenn
man in den kleinen, doch sehr sichern
Hafen des
Piräeus einfährt, gewahrt das
Auge
[* 6] eine von mäßigen
Bergen
[* 7] begrenzte weite
Ebene, deren
Länge 23 und deren
Breite
[* 8] 6-9 km betragen mag. Der
Berg zur rechten
Hand
[* 9] ist der wegen seines
Honigs berühmte
Hymettos. Das Tiefland wird von einem Olivenwald durchschnitten, der, schmal, aber lang, etwa 2 km vom
Piräeus
anfängt. Östlich von diesem Olivenwald und 2 km vom
Fuß des
Hymettos erhebt sich isoliert ein mäßiger Felsenhügel, den
uns der die
Spitze krönende
Tempel
[* 10] der
Athene
[* 11] als die
Akropolis,
[* 12] die alte
Burg von Athen
, bezeichnet. Von ihr als dem eigentlichen
Kern der Stadt gehen wir bei der topographischen
Beschreibung des alten Athen
aus.
Das alte Athen
(Athenä).
(Vgl. obenstehenden Plan von Alt-Athen.)
Die Akropolis soll von Kekrops [* 13] gegründet worden sein und daher in der mythischen Geschichte den Namen Kekropia geführt haben. Auf einem steilen, bis 156,6 m ü. M. und etwa 90-100 m über die Stadt sich erhebenden Felsen ruhend, bildete sie eine natürliche Festung [* 14] und war außerdem durch eine Mauer geschützt, welche, von Pelasgern aus der Nordseite angefangen, von Kimon (461 v. Chr.) um die Südseite herumgeführt wurde. Die Burg schloß eine Menge der ausgezeichnetsten Kunst- und Bauwerke ein.
Den Eingang bildeten auf der Westseite die berühmten Propyläen, ein Prachtthor mit 9 m hohen Säulen, [* 15] welches Perikles 436-431 mit einem Aufwand von 2012 Talenten (ca. 9½ Mill. Mk.) von Mnesikles aus weißem Marmor errichten ließ. Von der Stadt aus führte zu denselben (an Stelle des alten schmalen, durch neun Thore verteidigten Burgweges, des sogen. Enneapylon) eine breite, gewundene, mit durch Querrillen für Pferde [* 16] und Wagen gangbar gemachten Marmorplatten belegte Fahrstraße, auf welcher der panathenäische Festzug zum Tempel der Schutzgöttin der Stadt hinaufstieg.
Das Thor hatte zur Seite vorspringende Flügelgebäude, rechts auf einer Bastion einen um 432 erbauten Tempel der Athene Nike, [* 17] welcher, ein kleiner, zierlicher Marmorbau mit sechs ionischen Säulen, seit 1835 durch die Anstrengungen von Roß, Schaubert und Hansen sich wieder aus den Ruinen erhoben hat, und links eine Gemäldehalle (Pökile), von der noch Mauern erhalten sind. In den innern Burgraum eingetreten, gelangte man auf der rechten Seite zu der Hauptzierde der Akropolis, zu dem kolossalen Parthenon, einem Tempel der Athene Parthenos, welchen Perikles von Iktinos und Kallikrates an der Stelle eines ältern, von den Persern zerstörten Athenetempels um 444 v. Chr. erbauen ließ (s. Tafel »Baukunst [* 18] IV«, [* 19] Fig. 6). Der Tempel, aus pentelischem Marmor erbaut, ist 71,3 m lang, 30,8 m breit, 19,8 m hoch und mit der Vorderseite nach O. gekehrt. Er ruht auf einer hohen Plattform, hat ringsum eine einfache Säulenhalle (Peripteros), an der Fronte 8 Säulen, an jeder Langseite 17 Säulen dorischer Ordnung, jede 10,3 m hoch und von 1,78 m im Durchmesser. Der Tempel war mit den herrlichsten Bildwerken
[* 1] ^[Abb.: Plan des alten Athen.] ¶
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ausgeschmückt. Die Metopen [* 21] enthielten die Kentauromachie, den Amazonenkampf und andre Helden- und Götterkämpfe. An dem Fries der Cella sah man den panathenäischen Festzug (eine Reitergruppe desselben s. Tafel »Bildhauerkunst [* 22] II«, [* 23] Fig. 3). Die Statuengruppen im Giebelfeld stellten im W. den Streit zwischen Athene und Poseidon [* 24] um das Land, im O. die Geburt der Athene dar. Sie wurden 1811 durch Lord Elgin größtenteils nach England entführt, wo sie jetzt den wertvollsten Besitz des Britischen Museums ausmachen.
Von den Metopen, ursprünglich 92, ist ein Teil erhalten, ein andrer durch die Careyschen Zeichnungen bekannt, welche vor der Zerstörung des Tempels (1687 durch eine venezianische Bombe) genommen worden sind. Aus der Säulenhalle der Ostseite kommt man in die Cella, den eigentlichen Tempel, dann in das Allerheiligste, den Opisthodomos, wo die Tempelkleinodien und der Staatsschatz aufbewahrt wurden. In der Cella stand das Meisterstück der alten Bildhauerkunst, die kolossale, aus Gold [* 25] und Elfenbein zusammengesetzte Bildsäule der Athene von Phidias, welche die Göttin stehend und in voller Rüstung, [* 26] auf der vorgestreckten Rechten eine kleine Nike tragend, darstellt.
Alle Fleischteile der Statue waren von Elfenbein, ebenso das Unterkleid, während das Oberkleid, 44 Talente (über 2000 Pfd.) schwer, aus Gold gearbeitet war (vgl. Athene). Zwischen dem Parthenon und den Propyläen stand im Freien die kolossalste der Statuen des Phidias, das bronzene, ca. 25 m hohe Bild der Athene Promachos, der helfenden und abwehrenden Gottheit, mit Helm, Schild [* 27] und Lanze. Die Schiffer, welche die Südspitze von Attika umsegelten, konnten Helm und Lanze sehen, so weit ragte das riesige Bild, von welchem das Piedestal noch zu erkennen ist, über Propyläen und Parthenon hinaus.
Dem gegenüber, der nördlichen Mauer nahe, links beim Eintritt in den Burghof, befand sich das uralte kombinierte Heiligtum der Athene Polias und des Poseidon Erechtheus, an welches sich die ältesten Zeremonien, Mythen und Erinnerungen knüpften. Nachdem es im Perserkrieg zerstört worden, wurde es im ionischen Stil erneuert, und noch 401 n. Chr. ward daran gebaut. Hauptteile des Tempels waren die beiden mit der Rückseite aneinander stoßenden Cellen, die eine (westliche) das Erechtheion genannt, die andre (östlich daran stoßende) der Athene geweiht; von beiden getrennt war eine Kapelle gegen W., das Pandroseion.
Nach der einen jener Cellen wird auch oft das Ganze Erechtheion benannt (s. Tafel »Baukunst IV«, [* 19] Fig. 7). In der christlichen Zeit wurde es als Kirche, von den Türken als Kriegsmagazin benutzt; erst in der neuesten Zeit ist das Innere vollständig aufgeräumt und von allen modernen Zuthaten gesäubert worden. Das Hauptgebäude mißt 20,03 m in der Länge und 11,21 m in der Breite. Übrigens weicht es hinsichtlich seiner Konstruktion wesentlich von der bei den griechischen Tempeln üblichen ab. In der Nähe dieses Tempels stand auch der der Athene geheiligte Ölbaum.
Nordwestlich von der Burg, den Propyläen gegenüber, steigt ein Hügel 115 m empor, der Areopag (»Areshügel«),
so genannt nach einem dort befindlichen Arestempel. Eine in den Felsen gehauene Treppe [* 28] führte wahrscheinlich zum Orte der Gerichtssitzung. Südwestlich vom Areopag liegt der Pnyx genannte Felshügel, wo sich das alte Heiligtum des »höchsten Zeus« [* 29] befand, der hier bilder- und tempellos verehrt wurde. Lange hielt man die Stelle für den Ort der Volksversammlungen (Pnyx), bis deutsche Forscher (Welcker, Curtius) die wahre Bestimmung der alten Reste richtig erkannten.
Mächtige Felsblöcke bilden den Unterbau des großen, in den Fels gehauenen Halbzirkels, der an der Südwestseite durch eine hohe, lange, glatt gehauene und steil aufsteigende Felswand geschlossen wird. In der geradlinigen Felsenwand sind noch Spuren eingehauener Stufen zum Sitzen sichtbar, und in der Mitte der Wand springt ein Felswürfel hervor, zu welchem zwei Treppen [* 30] hinaufführen, und worin man die Rednerbühne hat erkennen wollen, während dort gefundene Weihgeschenke mit Inschriften ihn unzweifelhaft als Altar [* 31] darthun.
An der steilen Felswand hatte Meton eine großartige natürliche Sonnenuhr [* 32] angebracht, zu deren Sonnenzeiger der gegenüber nordöstlich von der Stadt liegende Berg Lykabettos diente. Westlich von diesem Heiligtum finden sich Spuren von in den Felsen gehauenen Häusern, Zisternen, Gräbern, Treppen etc., die Reste der ältesten Ansiedelungen im ganzen Stadtgebiet. Uralt müssen dieselben sein, weil Gräber und Häuser sich dicht nebeneinander befinden, was schon Solon aus gesundheitspolizeilichen Gründen verbot.
Man hat gemeint, diese Wohnungen seien im Peloponnesischen Krieg entstanden, als sich die Bewohner Attikas zwischen den langen Mauern (s. unten) zusammendrängten; allein solcher provisorischen Anlage widerspricht schon die sorgfältige Bearbeitung der Fundamente. Am südöstlichen Ende dieser ältesten Stadt liegt der Felshügel Museion (147,4 m) mit dem noch erhaltenen Monument des Philopappos, eines Nachkommen des letzten Königs von Kommagene, gegen 114 n. Chr. unter Trajan erbaut.
Der Hügel selbst wurde von Demetrios Poliorketes 299 v. Chr. vorübergehend zur Burgfeste umgewandelt. Im Thal [* 33] zwischen den Höhen jenes Zeusheiligtums und des Museion lief eine Fahrstraße nach dem Melitischen Thor und dem Hafen Phaleron, nördlich von all diesen Hügeln aber die berühmte piräeische Fahrstraße, welche aus dem Piräeus in die Stadt führte. Der breite Fahrweg erreichte die Stadtmauer in dem Piräeischen Thor und führte nun geradeaus nach dem Mittelpunkt des Verkehrs von Athen. Auf beiden Seiten der Straße waren vom Thor bis zur Agora Säulenhallen und öffentliche Gebäude errichtet, darunter ein Tempel der Demeter [* 34] und ein dem Hermes [* 35] geweihtes Gymnasium.
Zuletzt erreichte sie die Agora, einen länglich-viereckigen, von mehreren nicht zusammenhängenden Hallen begrenzten Platz im N. der Akropolis und des Areopags, von wo der innere Kerameikos, eine große, breite Straße, nordwestlich zum Thor Dipylon führte. Vor letzterm befand sich der äußere Kerameikos, eine Vorstadt, wo die gefallenen Krieger nach den Schlachtfeldern geordnet bestattet wurden. Dort wurde in neuerer Zeit bei der heutigen Kirche Hagia Triada ein großer Teil der an Architektur und Plastik reichen Gräberstraße frei gelegt.
Gleich nördlich vom Areopag an der Westseite der Agora stand, mit der Vorderseite gegen O., die Königshalle, wo der zweite Archon (Archon Basileus) seinen Amtssitz hatte, und an deren Wänden die Gesetze des Drakon und Solon angeschrieben waren. In der Nähe standen mehrere Bildsäulen, die des Konon, des Timotheos, des Evagoras und des Zeus Eleutherios. Hinter der letztern erhob sich die Halle [* 36] des Zeus Eleutherios, der ¶
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vorhergehenden Halle wahrscheinlich gegenüber. Nördlich davon stand die Stoa des Attalos (Reste davon erhalten), südlich der Tempel des Apollon [* 38] Patroos mit mehreren Bildsäulen dieses altionischen Stammgottes. Oberhalb der Königshalle, höher hinauf am Berg, wird uns ein Tempel des Hephästos [* 39] angegeben und in der Nähe ein Tempel der Aphrodite [* 40] Urania. Einen großen Teil von der Nordhälfte der Westseite des Marktes nahm die bunte Halle (Pökile) ein, deren drei Wände von Panänos, Polygnotos und Mikon mit großen Gemälden aus der Sage und Geschichte Griechenlands geschmückt waren (daher der Name); zur Zeit des Lukian war sie der Versammlungsort der stoischen Schule.
Vor ihr stand eine Erzstatue des Solon, zu der später die des Seleukos Nikator kam; zwischen der Königshalle und der Pökile die eherne Statue des Hermes Agoräos sowie ein kleines, mit einem Siegeszeichen geschmücktes Thor, vielleicht das erste Vorbild der römischen Triumphbogen. Von hier lief eine doppelte Reihe Hermen, zum Teil mit Sinnsprüchen versehen, über die ganze Breite der Agora. Wahrscheinlich der königlichen Halle gegenüber lag das Heiligtum der Göttermutter Kybele, [* 41] das Metroon, und das Buleuterion, wo der Rat der Fünfhundert seine Sitzungen hielt.
Jetzt ist dieser Platz, wie überhaupt die ganze Agora, mit modernen Gebäuden bedeckt. Das Metroon enthielt die Statue der Göttin von Phidias und diente zur Aufbewahrung der Volksbeschlüsse, der Gesetze und gesetzlichen Dokumente. In der Nähe des Buleuterion war die Tholos, ein Rundgebäude mit Kuppel, zu Staatsopfern und Mahlzeiten bestimmt, zu denen sich die Prytanen täglich versammelten. Etwas höher nach der Akropolis zu war der Markt mit Bildsäulen geziert, namentlich mit denen der Stammheroen, der sogen. Eponymoi, von welchen die zehn attischen Phylen ihre Namen hatten.
Auch die Statuen der Staatsmänner Lykurg und Kallias, des Demosthenes, des Pindar und der Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton standen hier. Südlich davon, in der Einsattelung zwischen Akropolis und Areopag, lag der heilige Bezirk der Eumeniden mit des Ödipus Grab sowie wahrscheinlich der vom jüngern Pisistratos errichtete Altar der zwölf Götter, und südöstlich davon, am Abhang des Burgfelsens, war der Tempel der Aphrodite Pandemos. Die Agora diente übrigens nicht nur für Handel und Wandel, sondern auch zu politischen Versammlungen und als Spaziergang für die Bürger; auch die besuchtesten Läden der Gewerbtreibenden lagen an ihr oder doch in ihrer nächsten Nähe. Für den Handel waren besondere Abteilungen bestimmt, in denen Lebensmittel aller Art, mit Ausnahme des Fleisches, besonders Fische, [* 42] Geräte, auch Kleidungsstücke etc. feilgeboten wurden. - Nordwestlich vom Markt erhebt sich ein wüster Hügel mit einem alten, gut erhaltenen Tempel, der noch unlängst als Kirche des heil. Georg diente, das berühmte Theseion, das die Gebeine des Theseus, welche Kimon von der Insel Skyros nach Athen gebracht hatte, umschloß und seit 465 v. Chr. erbaut wurde.
Der Tempel, mit 6×13 Säulen von 5,7 m Höhe, ist im reinsten dorischen Stil aus pentelischem Marmor gebaut und bis auf einen kleinen Teil des Portikus und das Dach [* 43] der Cella wohlerhalten. Auch von den Skulpturen aus der Schule des Phidias, mit denen der Tempel geschmückt war, haben sich sehr wertvolle Überreste, namentlich einige von den Metopen, Thaten des Theseus und Herakles [* 44] darstellend, nebst dem Fries der Schmalseiten der Cella erhalten. Der Umfang des Tempels beträgt nur 30,3×12,5 m, die Höhe 10,3 m. Das nächste bemerkenswerte Gebäude östlich der Agora war das Gymnasion des Ptolemäos (ungewisser Lage) mit den Bildsäulen des Ptolemäos, des Libyers Juba und des Stoikers Chrysippos. Es enthielt außer den Räumen für gymnastische Zwecke zahlreiche kleinere Gemächer für wissenschaftliche Unterhaltung und Unterricht sowie eine Bibliothek.
Auf der Nordseite der Akropolis stand ferner die ausgedehnte sogen. Stoa des Hadrian, deren Nordhälfte zum Teil erhalten ist; südlich davon ein Heiligtum der Athene Archegetis (Reste vorhanden) und südöstlich der wohlerhaltene Turm [* 45] der Winde, [* 46] welchen Andronikos aus Kyrrhos in Syrien als Horologium um 35 v. Chr. errichten ließ (s. Tafel »Baukunst IV«, [* 19] Fig. 10). Seine acht Seiten sind den Hauptwinden zugekehrt und stellten diese in trefflichen Reliefs symbolisch dar.
Auf der Spitze des Turms war ein Triton [* 47] angebracht, dessen Stab [* 48] sich nach dem Wind wendete und also die Stelle einer Windfahne vertrat. Außen am Turm befand sich eine Sonnenuhr, im Innern eine Wasseruhr, der eine Leitung das nötige Wasser aus der brackigen Quelle [* 49] Klepsydra am Nordabhang der Akropolis zuführte. Auf der Nordseite der Burg lag auch das Prytaneion, wo die auswärtigen Gesandten und um den Staat wohlverdiente Männer auf öffentliche Kosten zu speisen pflegten.
Hier stand der geweihte Staatsherd, auf welchem ein immerwährendes Feuer unterhalten wurde. Daneben die Bilder der Hestia [* 50] und der Irene, an den Wänden zahlreiche Statuen von Männern, die sich als Feldherren und Staatsmänner oder als Sieger in Kampfspielen einen Namen erworben hatten. Nicht weit vom Prytaneion entfernt stand das erst in der Ptolemäerzeit errichtete Heiligtum des Serapis und mehr gegen N. hin das Diogeneion genannte Gymnasion. In der Gegend des Prytaneion scheint die Tripodenstraße ihren Anfang genommen zu haben, deren Richtung durch mehrere hier vorhandene kleine, wahrscheinlich an die Stelle der Tripodentempel getretene Kirchen sowie durch die choragischen Denkmäler des Lysikrates (s. Tafel »Baukunst IV«, [* 19] Fig. 8) und Thrasyllos auf der südöstlichen Seite der Burg, bei welchen sie wahrscheinlich ihr Ende erreichte, kenntlich ist.
Diese Straße war eine der prächtigsten in von ehrgeizigen und untereinander wetteifernden Choragen mit zahlreichen kleinen Rundtempelchen aus Marmor und herrlichen Kunstwerken aller Art aufs glänzendste ausgeschmückt. Am Ende der Tripodenstraße, unter dem südöstlichen Ende der Akropolis, befand sich der heilige Bezirk des Dionysos [* 51] (Lenäon), welcher zwei Tempel des Gottes, die Gebäude für die dramatischen und musikalischen Aufführungen und Weihgeschenke choragischer Sieger umschloß.
Von allen diesen Bauten läßt sich nur noch die Lage des Theaters des Dionysos, die Stätte, wo Äschylos, Sophokles und Euripides ihre Triumphe feierten, genau bestimmen. Es lag westlich von dem Ende der Tripodenstraße, am Südabhang der Akropolis und ist, durch die halbkreisförmige Anlage deutlich erkennbar, 1862-65 durch Ausgrabungen frei gelegt worden. Sein Bau wurde 496 v. Chr. zur Zeit des Äschylos begonnen, aber innen obern Teilen erst um 340 vollendet. Von den Grundmauern des Bühnengebäudes sind nur die ¶
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Athen,
[* 3] (1889) 107,746 Einw. Von öffentlichen Gebäuden sind noch hinzuzufügen das Ausstellungsgebäude, [* 52] südlich vom Schloßgarten, zu Ausstellungen von Landesprodukten bestimmt und von Zappas gestiftet, und die noch unvollendete neue Bibliothek, nordwestlich neben der Universität, auf Kosten des Marseiller Vallianos errichtet, beide nach Plänen von Hansen. Auch der seit Jahren liegen gebliebene Bau des neuen Theaters, westlich von der Universität, soll jetzt auf Kosten des reichen Patrioten Singros wieder aufgenommen und zu Ende geführt werden.
Die Eisenbähn Piräeus-Athen-Korinth-Nauplia ist 1886 eröffnet worden, desgleichen die Linie Athen-Laurion 1885. Die Universität wird gegenwärtig (Ende 1889) von mehr als 2000 Studenten besucht, welche sich zumeist dem Studium des Rechts und der Medizin widmen. Etwa ein Viertel davon stammt aus griechischen Orten des türkischen Reichs. Es lehren an ihr über 60 Professoren und 35 Privatdozenten. Das Polytechnikum, dessen im N. der Stadt befindliches Gebäude 1862 bis 1880 aus Schenkungen griechischer Patrioten errichtet wurde, zerfällt jetzt in zwei Abteilungen, deren erste die architektonische, die chorometrische
und die mechanische Schule umfaßt, während zu der zweiten die Klassen für Malerei, Plastik, Holzschnitt, Kupferstich, Glyptik und Kalligraphie gehören. Die Zahl der Professoren beträgt 25, diejenige der Schüler 600. Das Gebäude birgt sowohl die Sammlung der von Schliemann aufgefundenen Altertümer von Mykenä, [* 53] von Spata und Menidi als auch die hellenischen und die ägyptischen der Archäologischen Gesellschaft, die seit 1837 besteht und namentlich seit 1869 eine erfolgreiche Thätigkeit in Ausgrabungen (Dionysostheater, Asklepiosheiligtum, Gräberstraße vor dem Dipylon, Spata, Epidauros, Eleusis etc.) und Erhaltung der Altertümer entfaltet. Athen besitzt ferner 10 Gymnasien, davon 6 staatliche und 4 private, 5 Progymnasien oder Mittelschulen und 10 Volksschulen, sodann 45 Buchdruckereien und 16 Buchhandlungen, 34 Zeitungen und 10 Wochenschriften.
Den Schulen reihen sich 2 segensreich wirkende Bildungsanstalten an, das Nationalw aisenhaus für Mädchen oder Amaliion, zu Ehren der verstorbenen Königin Amalia benannt, und das Waisenhaus Hadschi Kosta. Von Bibliotheken sind zu nennen diejenige der Universität mit etwa 150,000, diejenige der Kammer mit 27,000 und diejenige des Rhizarion mit 45,000 Bänden. Von den Vereinen, welche ihren Sitz in Athen haben, sind außer der Archäologischen Gesellschaft noch zu erwähnen: der Verein zur Verbreitung griechischer Bildung, welcher die Wahrnehmung der griechischen Interessen in den türkischen Provinzen zum Ziel hat.
Dazu errichtet und unterhält er Schulen, sendet gute, erprobte Lehrer aus, verteilt Schul-und Lehrbücher etc. Die philologische Gesellschaft Parnassos, begründet 1865 und über 1000 Mitglieder zählend, unterhält sieben Schulen der »obdachlosen Kinder«, wo dieselben abends Unterricht und Lebensunterhalt finden. Neuerdings hat sich dieselbe durch die Errichtung neuer und die Verbesserung der alten Gefängnisse nach modernen Grundsätzen verdient gemacht.
Für die Bildung des Volkes sorgt durch Veröffentlichungen die Gesellschaft der Volksfreunde; ganz jungen Ursprungs ist der Nationalverein, welchem viele Politiker und junge Studierende angehören. An industriellen Unternehmungen bestehen jetzt in Athen 4 Spiegelfabriken, mehrere Wagen-, 2 Schokoladen-, eine Hut-, mehrere Wein- und Weingeist-, Sesselfabriken und Holzmühlen. Weiteres s. im Art. Ausgrabungen (Bd. 17, S. 70 f.).- Neuere Litteratur: Hertzberg, Athen, historisch-topographisch dargestellt (Halle 1885);
Bötticher, Die Akropolis von Athen (Berl. 1887);
Töpffer, Attische [* 54] Genealogie (das. 1889);
Gregorovius, Geschichte der Stadt Athen im Mittelalter (Stuttg. 1889, 2 Bde.).