wendete sich aber bald
ausschließlich der poetischen Produktion zu, ließ sich nach mehrfachen Reisen 1806 in Heidelberg
[* 23] nieder, wo er, mit KlemensBrentano eng befreundet, die »Zeitung für Einsiedler« (deren Titel dann poetischer in »Trost-Einsamkeit« umgewandelt ward; neu
herausgeg. von Pfaff, Heidelberg 1883) herausgab und mit Brentano jene vielberufene Sammlung der ältern
deutschen Volkslieder: »Des Knaben Wunderhorn« (das. 1808-19, 3 Bde.;
einen vierten Band
[* 24] gab Erck 1853 aus ArnimsNachlaß heraus; neueste Ausgabe des Werks von Birlinger und Crecelius, Wiesb. 1873)
veranstaltete, deren Verdienst es bleibt, zuerst wieder die vergessenen Schätze der deutschen Volkslyrik erschlossen zu haben.
Inzwischen war Arnim mit selbständigen Arbeiten hervorgetreten und entfaltete bald eine nimmer rastende Schöpfungslust. Die
anonym erschienenen Jugendromane: »Hollins Liebeleben« (Götting. 1802) und »ArielsOffenbarungen« (das. 1804) zeigten schon
die reiche Phantasie und phantastische Willkür, welche den begabten Dichter nie verlassen sollten. Die Novellensammlung »Der
Wintergarten« (Berl. 1809) erneuerte vergessene Erzählungen; höher stand der Roman »Armut, Reichtum, Schuld
und Buße der Gräfin Dolores. Eine wahre Geschichte, zur lehrreichen Unterhaltung armer Fräulein aufgeschrieben« (das. 1810, 2 Bde.).
Er schilderte zwar nicht ohne phantastisches und selbst gespenstisch-spukhaftes Beiwerk, aber im ganzen mit lebendigen Meisterzügen
und echt dichterischer Stimmung die Geschicke einer edlen, aber wilden, heißblütigen Frauennatur, die,
aus tiefster Armut zu glänzenden Verhältnissen erhoben, von der neuen Welt des Scheins überwältigt, zu einer Untreue gegen
ihren Gemahl verleitet wird, welche sie tief und bitter zu büßen hat.
Obwohl ihr der Gemahl vergibt, sich mit ihr aussöhnt und ferner in glücklicher, kindergesegneter Ehe
mit ihr lebt, so nagt der Wurm
[* 25] der schlimmen Erinnerung an ihr, und da sie durch ein Mißverständnis wähnt, daß ihr Gemahl
ihr untreu sei, und sie das Recht verloren hat, ihm darum zu zürnen, so erliegt sie dem nagenden stillen Kummer, erst im Tod
zur Klarheit und innerlichen Versöhnung gelangend. Im Jahr 1811 verheiratete sich Arnim mit BrentanosSchwesterElisabeth (Bettina), lebte von da an teils in Berlin, teils auf seinem Gut Wiepersdorf in der Mark, ununterbrochen poetisch thätig,
überdies durch eine anziehende, im besten Sinn ritterliche Persönlichkeit hoch ausgezeichnet.
Sein wunderliches Drama »Halle und Jerusalem.
[* 26] Studentenspiel und Pilgerabenteuer« (Heidelberg 1811) war für
das als geistreich erachtete willkürliche Ineinanderschieben der verschiedensten poetischen Elemente und Motive, für die
völlige Auflösung jeder künstlerischen Form vielleicht die charakteristischte Probe der gesamten romantischen Dramatik.
Auch die in seiner »Schaubühne« (Berlin 1813) vereinigten
Dramen schwanken zwischen dem Ton des Ernstes und dem toller, phantastischer
Puppenspiele in einer Weise, welche den rechten Eindruck gefährdet. Viel glücklicher war Arnim als Erzähler, wo alle tüchtigen
Eigenschaften seines Wesens: die kernige Gestaltungskraft, der übersprudelnde Humor und die tiefe, innige Empfindung, von der
abspringenden Laune und der Vorliebe für das Barocke minder beeinträchtigt werden. Unter seinen Erzählungen, die teils
einzeln in Taschenbüchern, teils gesammelt unter den Titeln: »VierNovellen« (Berl. 1811),
»Landhausleben« (Leipz. 1826) und
»SechsErzählungen« (Berl. 1835) erschienen, finden sich Meisterstücke, wie: »Isabella von Ägypten«,
[* 27] »Der tolle Invalid auf
FortRatonneau«, »Die drei liebreichen Schwestern und der glückliche Färber«, »Die Kirchenordnung«, »Die Majoratsherren«, »Fürst
Ganzgott und Sänger Halbgott« u. a. Seine Hauptschöpfung sollte der historische Roman »Die Kronenwächter«
werden, dessen erster Teil noch den Titel: »Bertholds erstes und zweites Leben« (Berl. 1817) führte, während ein zweiter,
unfertiger Teil erst aus ArnimsNachlaß hervortrat.
»Die Kronenwächter« sind ein historischer Roman von großartiger Anlage und mächtiger Ausführung; die historischen Studien
haben sich in Fleisch und Blut rein poetischer, selbständiger Erfindung gewandelt; die bedeutende Zeit, der übergang vom Mittelalter
zur Neuzeit (Beginn des 16. Jahrh.), ist lebensvoll und farbenreich geschildert, und die ausgeführten
Episoden sind voll Wärme
[* 28] und Heimatszauber, so daß die Nichtvollendung dieses Werks zu beklagen bleibt. Arnim starb in
Wiepersdorf. Seine »Sämtlichen Werke« mit einer Vorrede von W. Grimm (Berl. 1839-46, 19 Bde.;
1853-56, 22 Bde.) fanden nur ungenügende Verbreitung; bessere
wurde den »Ausgewählten Novellen und Erzählungen« (das. 1853, 3 Bde.)
zu teil.
Nach dem Tode der Günderode trat sie mit GoethesMutter in ein enges Freundschaftsverhältnis und faßte zu Goethe selbst, den
sie 1807 persönlich kennen lernte, nachdem sie schon vorher in Briefwechsel mit ihm gestanden hatte, eine Neigung, die der
Dichter zwar freundlich duldete, jedoch nicht erwiderte. Nach ihrer Verheiratung (1811) lebte sie, nachdem sie mit Goethe
vollständig gebrochen, teils in Berlin, teils zu Wiepersdorf, dem Gut ihres Gatten. Erst nach dessen Tode trat sie als Schriftstellerin
auf; dabei faßte sie lebhaftes Interesse für die sozial-politischen Zeiterscheinungen, gab sich in Berlin
mit großem Eifer der Sorge für Arme und Kranke hin und nahm an den Hoffnungen und Erregungen des Jahrs 1848 einen Anteil, der
ihr in den höhern Kreisen sehr schadete. Sie starb in Berlin. Man hat Bettina mit Recht die »Sibylle der romantischen
Litteraturperiode« genannt Ihre Werke sind Phantasien, geniale Improvisationen, in einem schwunghaften und
blütenreichen, oft auch verworren stammelnden und pythisch-dunkeln Stil abgefaßt. So das bekannte Buch »Goethes Briefwechsel
mit einem Kind« (Berl. 1835, 3 Bde.),
das
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lange für einen authentischen Briefwechsel genommen wurde, aber sich nach den neuesten Ermittelungen als ein Werk derPhantasie
herausgestellt hat, worin sich ein Teil von GoethesSonetten in Prosa aufgelöst findet; ebenso das Buch »Die Günderode« (Grünb.
1840, 2 Bde.),
das eine ähnliche Mischung von Erinnerungen und Phantasien enthält. Später erschienen:
»Dies Buch gehört dem König« (Berl. 1843, 2 Bde.),
Ihre jüngste Tochter, Gisela, jetzt Gattin des Kunsthistorikers und Dichters HermanGrimm, hat sich als
dramatische Schriftstellerin versucht; ihre »Dramatischen Werke« erschienen
in 3 Bänden (Bonn
[* 32] u. Berl. 1857-65),
wozu als 4. Band die dramatische Erzählung »Wie es unterdessen daheim war« (Berl.
1875) kam.
4) HeinrichFriedrich, Graf von Arnim-Heinrichsdorf-Werbelow, preuß. Staatsmann, geb. zu
Werbelow in der Ukermark, machte die Befreiungskriege mit und betrat dann die diplomatische Laufbahn. Nachdem
er Legationssekretär in Stockholm und in Paris
[* 33] gewesen, fungierte er seit 1831 als preußischer Gesandter in Brüssel,
[* 34] seit 1841 (in
den preuß. Grafenstand erhoben) in Paris, 1845-48 in Wien,
[* 35] wo er sich ganz im Geleise der Metternichschen
Politik bewegte. Am zum Minister des Auswärtigen ernannt, trat er bereits 3. Mai von dieser Stelle zurück, da er mit
der damaligen deutschen Politik des Ministeriums nicht einverstanden war. Von 1851 bis 1857 wieder preußischer Gesandter in
Wien, förderte er, soviel er konnte, das gute Einvernehmen mit Österreich,
[* 36] in dem er stets einen unentbehrlichen
Alliierten Preußens
[* 37] erblickte. Er starb
Nachdem er hier erfolgreich für die Bildung des Zollvereins gewirkt hatte, wurde er 1834 als vortragender
Rat in das Ministerium des Auswärtigen berufen, von FriedrichWilhelm IV. aber, mit dem er in näherm persönlichen Verkehr stand, 1840 zum
Gesandten in Brüssel, 1846 in Paris ernannt. In diesen Stellungen erwarb er sich großes Verdienst durch energische Vertretung
der Handelsinteressen Deutschlands,
[* 43] namentlich durch Zustandebringen des belgisch-preußischen Handelsvertrags vom und
durch die Entschiedenheit, mit der er sowohl amtlich als auch in seiner Schrift »Mein handelspolitisches Testament« (Berl. 1844)
den herrschenden schutzzöllnerischen Ansichten entgegentrat.
Von 1849 bis 1851 Mitglied der Ersten Kammer, hielt er zur deutsch-konstitutionellen Partei und bekämpfte die innere wie
die kraftlose auswärtige Politik der nunmehr siegreichen Reaktion in energischter Weise. Noch größern Eindruck als seine Reden
und Anträge machte die Veröffentlichung einiger »ungehaltener« Reden (»Zur Politik der Epigonen in Preußen«,
[* 44] Berl. 1850; »Zur
Politik der Konterrevolution in Preußen«, das. 1851). Wegen der letztern Flugschrift wurde Arnim auf Betreiben der
Feudalpartei vor Gericht gestellt und trotz einer glänzenden, von ihm später veröffentlichten Verteidigung zu einer Geldstrafe
verurteilt.
Seitdem lebte er fern vom politischen Schauplatz, bis er nach dem Sturz des MinisteriumsManteuffel 1858 von einem Berliner
[* 45] Wahlbezirk
zum Landtagsabgeordneten gewählt ward. Doch war er durch Kränklichkeit verhindert, der damals anhebenden
neuen Epoche des preußischen Staatslebens seine volle Kraft
[* 46] zu widmen. Er starb in Düsseldorf.
[* 47] Ausgebreitete Kenntnisse,
Welterfahrung und Freimut verschafften ihm schon frühzeitig ein bedeutendes persönliches Ansehen.
Wenn er auch seine Amtsführung mit einer sehr bedeutenden Beschränkung der geheimen Polizei begann,
so regierte er dem Wunsch des Königs gemäß doch streng absolutistisch. Dennoch stand er den liberalen Ideen keineswegs feindlich
gegenüber, sondern wünschte vielmehr die Einführung einer Verfassung, in der er freilich dem aristokratischen Element einen
hervorragenden Einfluß gesichert wissen wollte. Da es ihm nicht gelang, den König für seine Ansichten
zu gewinnen, schied er 1845 aus dem Staatsdienst.
Seit 1847 Mitglied der Herrenkurie des vereinigten Landtags, ward er vom König an die Spitze eines neuen Kabinetts
berufen, unterzeichnete zwar die königliche Proklamation vom 21. März, hielt aber den Eintritt liberaler Oppositionsführer in
das Ministerium für notwendig und schied, um diesen zu ermöglichen, schon 29. März aus dem Ministerium wieder
aus. Zum Mitglied der deutschen Nationalversammlung gewählt, legte er sein Mandat bald nieder, weil ihm der dort wehende Geist
nicht behagte. Die Interessen des
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preußische Adelsfamilie. Zu Ehren derselben, aus welcher ein Generalfeldmarschall und 7 Generale des preußischen
Heers hervorgegangen sind, und von der 41 gegenwärtig in der Armee dienen, wurde 1889 das 2. brandenburgische Dragonerregiment
Nr. 12 Dragonerregiment v. Arnim genannt.
altes märk. Adelsgeschlecht, das seinen Namen von dem Dorfe Arnim in der Altmark (Kreis
[* 52] Stendal)
[* 53] trägt. Dort erscheint 1204 der erste Arnim (Allard von Arnim). Mit den Schauenburger und Geldernschen Dynasten gleichen Namens (Arnheim,
Arnhem, Arnem) besteht keine Stammverwandtschaft. Falsch ist auch die Annahme, die Familie sei aus der Stadt Arnheim nach den
Marken gekommen. Das Geschlecht erscheint dann öfter im 14. Jahrh. als begütert, hauptsächlich
in der Ukermark und in der Landschaft Barnim.
Anfang des 15. Jahrh. beginnt mit den drei Brüdern Ludecke, Klaus und Wilke die ununterbrochene Namensreihe der ganzen Familie,
die sich allmählich auch in Pommern,
[* 54] Franken, dem Magdeburgischen, in Sachsen, Mecklenburg
[* 55] und Preußen ausbreitete.
Die Hauptbesitzungen waren und sind in der Ukermark, dort lagen auch die Schlösser Zehdenick, Zichow und Gerswalde, nach
welchen die Nachkommen jener drei Stammväter sich benannten und
in drei Linien schieden. Aus der Linie Zehdenick entstand
Haus Fredenwalde und Crussow. Vom Hause Zichow zweigte sich Haus Seidewitz in Franken ab, aus dem die
sächs. Arnims hervorgingen, begründet von WolfChristian von Arnim (gest. 1668). Ebenfalls im 17. Jahrh.
trennte sich Boitzenburg (erworben 1528) von Gerswalde.
In der Ukermark hatten die Arnim als das angesehenste Geschlecht fast regelmäßig von 1424 bis 1738, wo das Amt einging, die
Landvogtei inne. - Von einzelnen Gliedern des Geschlechts sind zu nennen: HansGeorg von Arnim (s. d.) aus dem Hause Gerswalde-Boitzenburg.
- GeorgAbraham von Arnim, geb. zu Boitzenburg, der Stifter des Suckowschen Majorats, diente vom 16. Jahre an in der
preuß. Armee, wohnte 25 Schlachten
[* 56] und 17 Belagerungen bei und starb als preuß. Generalfeldmarschall.
- Georg Dietlof von Arnim, aus dem Hause Boitzenburg, geb. wurde 1749 preuß. Wirkl. Geh. Staats-, Kriegs- und dirigierender
Minister sowie Generalpostmeister und starb - Friedrich Wilhelm von Arnim, geb. gest.
erbgesessen auf Boitzenburg und Zichow, war preuß. Staats- und Kriegsminister, wurde in den preuß. Grafenstand
erhoben. - Sein Enkel war der preuß. Staatsminister GrafAdolfHeinrich von Arnim (s. d.). Dessen Sohn, Dietlof F. von Arnim (s. d.),
hinterließ als Erben den Grafen Dietlof (geb.
Ein Zweig der Boitzenburger Linie ist das Haus Heinrichsdorff und Werblow, aus dem HeinrichFriedrich von Arnim (s. d.) von Friedrich
Wilhelm IV. 1841 in den Grafenstand nach dem Rechte der Erstgeburt (erloschen 1861) erhoben worden ist. Sein BruderHeinrich
Leonhard von Arnim aus Heinrichsdorff (geb. gest.
war von 1849 bis zu seinem Tode, mit Ausschluß der Wahlperiode 1862-65, Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses und Führer
der Konservativen.
Einem andern Zweige dieser Linie, dem Hause Suckow, gehörte FreiherrHeinrichAlexander von Arnim (s. d.) an. Sein Neffe war der 1870 nach
dem Recht der Erstgeburt zum Grafen erhobene Harry von Arnim (s. d.).
Ein Glied
[* 57] des Hauses Kröchlendorf, ebenfalls zu der Boitzenbnrger Linie gehörig, war AlbrechtHeinrich von Arnim, geb. 1744 zu
Kröchlendorf bei Prenzlau,
[* 58] unter Friedrich Wilhelm III. 1798 Wirkl. Geh. Staats- und Justizminister, nahm 1802 seinen Abschied
und starb
Zu Ehren der Familie Arnim wurde 1889 nach ihr das 2. brandenb.
Dragonerregiment Nr. 12 benannt.
Adolf Heinr., Graf von, preuß. Staatsminister, geb. in Berlin als der jüngere Sohn des Grafen Friedr.
Abrah. Wilh. von Arnim, wurde durch Verlosung der Familiengüter Eigentümer des größern Teils des sehr
erheblichen Grundbesitzes. Er studierte in Göttingen, wurde Landrat, 1833 Regierungspräsident in Stralsund, dann in Aachen,
hierauf in Merseburg und 1840 Oberpräsident der ProvinzPosen. Seit 1837 Mitglied des Staatsrates, wurde er 1842 der Nachfolger
von Rochows im Ministerium des Innern. Zu einer Ausführung seines Programms einer ständischen Verfassung
mit fester Periodicität des Landtages konnte es nicht kommen, da Friedrich Wilhelm IV. gerade die letztere nicht zugestehen
wollte, und manche Maßregelungen, welche die öffentliche
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Meinung ihm zur Last legte (z. B. Ausweisung Heckers und Itzsteins 1845), brachten ihn um seine anfängliche Popularität. 1845 trat
er von seinem Ministerposten zurück. Infolge der Märzrevolution übertrug ihm der König nach Bodelschwinghs Rücktritt die
Leitung des Ministeriums; den Befehl zum Rückzuge der Truppen am Vormittag des 19. März hat hauptsächlich
Arnim dem Könige angeraten. Schon29. März schied er wieder aus. Zum Mitglied der Deutschen Nationalversammlung gewählt, legte
er nach kurzer Zeit sein Mandat nieder, weil ihm die damals dort herrschende antipreuß.
Strömung widerstrebte. Als Vertreter der Interessen des Grundadels gegen die Steuerpläne Hansemanns beteiligte er
sich an den Beratungen des in Berlin versammelten «Junkerparlaments». Seit 1849 war Arnim Mitglied
der Zweiten Kammer und seit 1854 erbliches Mitglied des Herrenhauses, wo er zur liberalisierenden Bureaukratie hinneigte. Erst
seit 1858 wandte er sich mehr und mehr der feudalen Reaktion zu und steigerte namentlich durch seinen Einfluß im
Herrenhause den Verfassungskonflikt 1862-66. Zur Rechtfertigung dieses Verhaltens veröffentlichte er «Das Recht des Herrenhauses
bei Festsetzung des Staatshaushalts» (Berl. 1863). In den letzten Jahren seines Lebens zog er sich vom polit. Schauplatz zurück
und starb auf seinem Gute Boitzenburg in der Ukermark.
Dietlof Friedr. Adolf, Graf von, Politiker, ältester Sohn des vorigen, geb. auf
Schloß Boitzenburg, studierte seit 1851 die Rechte in Göttingen, Bonn und Berlin und trat 1855 als Auskultator bei der Regierung
zu Potsdam
[* 60] ein. Während des Feldzugs gegen Dänemark
[* 61] nahm er als Ordonnanzoffizier an dem Übergange nach Alsen teil. Im
Aug. 1864 wurde Arnim Hilfsarbeiter im Ministerium des Innern, 1866 Landratsamtsverweser und 1868 Landrat des Kreises Templin.
Nach dem Tode seines Vaters (1868) übernahm er die Bewirtschaftung der Arnimschen Güter, behielt aber die Verwaltung des Kreises
bei und wurde als Majoratsnachfolger in das preuß. Herrenhaus berufen. Während des Feldzugs
gegen Frankreich war er Ordonnanzoffizier bei dem Kommando des 3. Armeekorps. Im März 1873 zum Bezirkspräsidenten
von Elsaß-Lothringen
[* 62] in Metz
[* 63] ernannt, nahm er im Sept. 1874 seinen Abschied. Aber schon 7. Dez. erfolgte A.sBerufung zum Oberpräsidenten
von Schlesien.
Nach Verurteilung seines Schwagers, Grafen Harry von Arnim (1877), zog er sich gänzlich aus dem Staatsdienst
zurück. Arnim war 1867-84 Mitglied des Reichstages, wo er sich später der Deutschen Reichspartei (Freikonservative) anschloß
und 1879 und 1880 zum Präsidenten gewählt wurde, und bekleidete seit 1878 das Amt des ersten Vicepräsidenten des preuß.
Herrenhauses. Auch in der ersten ordentlichen Generalsynode (1879) fungierte er als
Präsident. 1884 wurde er in den Staatsrat berufen und 1886 zum Wirkl. Geheimrat ernannt. Er starb auf Schloß
Boitzenburg.
Elisabeth von, gewöhnlich Bettina genannt, Schwester Clemens Brentanos, Tochter des kurtrierischen Residenten
bei der Freien Stadt FrankfurtPeterAnt. Brentano und der Maximiliane, der Tochter von Sophie Laroche, geb. zu
Frankfurt a. M., verlebte ihre Jugend teils im Kloster zu Fritzlar, teils bei Verwandten in Offenbach und Marburg, teils in Frankfurt
und heiratete 1811 Achim von (s. Arnim, Ludw.
Joachim). Ihre Liebe zur Natur ging, besonders
seit sie mit Karoline von Günderode (s. d.)
bekannt geworden, in einen phantastischen Kultus über und nahm schließlich krankhaften Charakter an.
Nach dem Selbstmord der Günderode faßte sie zu Goethe, den sie 1807 auch persönlich kennen lernte, eine schwärmerische
Neigung, die, obwohl er sich mit ihr in einen Briefwechsel einließ, unerwidert blieb; 1811 ward das Verhältnis ganz abgebrochen,
ohne daß ihre Verehrung für Goethe nachließ.
Aus dieser Zeit stammt ihr merkwürdiges Buch«Goethes Briefwechsel mit einem Kinde» (3 Bde., Berl. 1835; 4. Aufl.,
hg. von H. Grimm, 1890; vgl. dazu: «BriefeGoethes an Sophie von La Roche und BettinaBrentano, nebst dichterischen Beilagen»,
hg. von Löper, ebd. 1879). Der angebliche Briefwechsel mit Goethe beginnt im März 1807 und wurde lange
für echt gehalten, ist aber größtenteils ein freies Erzeugnis ihrer schrankenlosen Einbildungskraft. Später erschien in
ähnlicher Weise ihr Briefwechsel mit der Günderode u. d. T. «Die
Günderode» (2 Bde., Grünberg
[* 64] und Berl. 1840; neue Ausg. Berl.
1890). In eine neue Richtung wurde ihr beweglicher Geist durch die socialpolit.
Erscheinungen der vierziger Jahre geworfen, so in: «Dies Buch gehört dem Könige» (2 Bde., Berl.
1843),
in dessen Mittelpunkt Frau RatGoethe steht und in dem die sociale Frage gelöst werden soll, «Ilius Pamphilius und die
Ambrosia» (2 Bde., ebd. 1848),
welche Schrift ihren exaltierten Briefwechsel mitPhil. E. von Nathusius
(s. d.) enthält, «Gespräche mit
Dämonen» (ebd. 1852),
dem unklaren 2. Teile des Königsbuchs. Phantastisch in Gedanken und Form, neigt sie in allen diesen Schriften
zu mystischer Verschwommenheit, so daß sie «die Sibylle der romantischen Litteraturperiode»
genannt worden ist. Mit Schleiermacher, den Humboldt und Grimm war sie eng befreundet. Jahrzehntelang bis
zum Tode arbeitete sie an einer Kolossalstatue Goethes, deren Vollendung sie als Lebensaufgabe ansah. Sie starb zu
Berlin. Ihre «Sämtlichen Schriften» erschienen in 11 Bänden (2. Aufl., Berl. 1853); Auswahl von M. Koch in Kürschners «Deutscher
Nationallitteratur» (Stuttg. 1891).-
Von ihren Töchtern hat Gisela, geb. vermählt mit Herm.
Grimm, gest. in Florenz, «Dramat. Werke» (4 Bde.,
Bonn und Berl. 1857-75) veröffentlicht; ihr bestes Drama: «Altschottland», gab nach ihrem Tode H. Grimm
(mit Biographie) heraus.
auch Arnheim, HansGeorg von, General im Dreißigjährigen Kriege, von den kath. Soldaten wegen seiner Nüchternheit
der «Lutherische Kapuziner» genannt, wurde 1581 zu Boitzenburg in der Mark geboren. Er focht 1613 unter Gustav
Adolf gegen Rußland, wurde dabei Oberst, trat 1621 in poln., 1626 in kaiserl.
Dienste. Als Wallensteins Vertrauter belagerte er 1628 Stralsund vergebens, führte ein Hilfskorps für die Polen gegen Gustav
Adolf und wurde 1628 Feldmarschall. Da erProtestant war, bewog ihn die im Restitutionsedikt auf die Spitze getriebene kath.
Reaktionspolitik des Kaisers, dessen Dienst zu verlassen, persönliche Reibungen kamen hinzu. Er trat in die Dienste des Kurfürsten
JohannGeorg von Sachsen und befehligte als sächs. Feldmarschall bei Breitenfeld (1631) den linken Flügel unter Gustav Adolf,
drang
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dann in Böhmen ein, wurde aber von Wallenstein wieder hinausgeschlagen (1632). Er hielt sich 1632‒33 in Schlesien und führte
die Friedensverhandlungen mit Wallenstein. Dessen Ermordung verschaffte Arnim neue Gelegenheit zu ruhmvollen Kämpfen
gegen die Kaiserlichen, die er bei Liegnitz 1634 schlug; dann drang er mit Banér in Böhmen ein, aber der
Friede von Prag 1635, den der Kurfürst gegen A.s Willen geschlossen hatte, bewog ihn zum Austritt aus sächs. Diensten.
Auf seinem Schlosse Boitzenburg ließ ihn Oxenstjerna wegen angeblicher Teilnahme an Intriguen gegen Schweden aufheben
und nach Stockholm bringen, von wo Arnim Nov. 1638 nach Hamburg
[* 66] entkam. Von nun an ging sein Streben darauf,
das Reich vom Druck der Fremdherrschaft zu befreien. Als kaiserl. und sächs.
Generallieutenant war er schon mit neuen Kriegsrüstungen gegen Franzosen und Schweden betraut, als er zu Dresden
starb. –
Vgl. Helbig, Wallenstein und Arnim 1632‒34 (Dresd. 1850);
Harry Karl Kurt Eduard, Graf von, Diplomat, geb. zu Moitzelsitz im pommerschen Regierungsbezirk
Köslin,
[* 67] aus dem Hause Arnim-Suckow, Neffe des Staatsministers HeinrichAlexander, Freiherrn von Arnim, trat nach vollendeten Studien 1847 als
Auskultator in den Staatsdienst, ging aber 1850 zur Diplomatie über, wirkte 1853‒55 als Gesandtschaftssekretär in Rom,
[* 68] dann
bis 1858 im Ministerium des Äußern als Hilfsarbeiter, war 1859‒61 erster Rat bei der preuß. Gesandtschaft
in Wien, wurde 1862 Gesandter in Lissabon,
[* 69] 1864 in München.
Eine bedeutsame polit. Thätigkeit eröffnete sich für in Rom, wo er Okt. 1864 in gleicher Eigenschaft bei der päpstl. Kurie
beglaubigt wurde, zumal seit 1866 das zwischen Preußen und Italien
[* 70] geschlossene Freundschaftsbündnis zu behaupten und zu
kräftigen war, ohne doch mit der Kurie in Ungelegenheiten zu geraten. Arnim entledigte sich seiner
schweren Anfgabe mit solchem diplomat. Geschick, daß er 1868 aufs neue als Gesandter des Norddeutschen Bundes beim päpstl.
Studle beglaubigt wurde. Dem VatikanischenKonzil gegenüber riet Arnim seiner Regierung, die deutschen Bischöfe zu einem Protest
gegen das Unfehlbarkeitsdogma zu bewegen, ohne indes bei Bismarck mit seinem Rate durchzudringen. 1870 in
den Grafenstand erhoben, wurde Arnim im März 1871 zum Kommissar für die auf den Friedensschluß mit Frankreich bezüglichen
Geschäfte in Brüssel ernannt, und wirkte dann in gleicher Eigenschaft in Frankfurt a. M. Am wurde Arnim zum
deutschen Gesandten bei der Französischen Republik in außerordentlicher Mission ernannt und als Botschafter des
DeutschenReichs accreditiert.
Principielle Meinungsverschiedenheiten zwischen und Bismarck ergaben sich schon 1872; Arnim riet zur Unterstützung der monarchischen
Elemente in Frankreich, Bismarck lehnte jedes Eingreifen in die innern Angelegenheiten entschieden ab.
Der SturzThiers' 1873 führte zu einer gereizten Auseinandersetzung zwischen und Bismarck, der seine auf Stützung Thiers' bedachte
Politik durchkreuzt sah durch die Wirkung der Berichterstattung A.s auf den Kaiser. Arnim wurde deshalb von seiner
Stellung in Paris abberufen und 19. März zum Botschafter
in Konstantinopel
[* 71] ernannt, trat jedoch diesen Posten
überhaupt nicht an, da er schon in den Ruhestand versetzt wurde. ^[]
Wegen Zurückhaltung wichtiger amtlicher Schriftstücke, die man auf der deutschen Botschaft zu Paris vermißt hatte, wurde
Arnim auf seinem Gute Nassenheide bei Stettin
[* 72] verhaftet, gegen Stellung einer Kaution von 100000
Thlrn. zwar entlassen, aber in dem vom 9. bis vor dem Stadtgericht zu Berlin verhandelten Prozesse wegen Vergehens
wider die öffentliche Ordnung zu drei Monaten und in der Berufungsinstanz wegen Beiseiteschaffung amtlicher Urkunden
zu neun Monaten Gefängnis verurteilt.
der sich seiner Verhaftung durch eine Reise nach der Schweiz und Italien entzogen hatte, veröffentlichte
hierauf eine anonyme Broschüre«Pro nihilo, Vorgeschichte des Arnim-Prozesses» (Zür. 1876), in der er, gestützt auf Mitteilungen
über geheime diplomat. Vorgänge, den Reichskanzler in der schärfsten Weise angriff. Infolgedessen wurde er wegen Landesverrats
in contumaciam zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Arnim antwortete hierauf mit der Veröffentlichung
eines zweiten Teils seiner Broschüre, in welchem er wiederum unter Bezugnahme auf diplomat.
Aktenstücke sich als das unschuldige Opfer einer Verfolgung seitens des Fürsten Bismarck hinstellte. Die Arnimsche Familie
bestimmte Arnim 1880, auf Grund eines gerichtsärztlichen Gutachtens freies Geleit zu fordern, um sich dem
Reichsgericht persönlich zu stellen und die Wiederaufnahme des Prozeßverfahrens zu beantragen. Das Reichsgericht hatte
ihm eben freies Geleit bewilligt, als er zu Nizza
[* 73] starb. Arnim hatte noch zwei andere maßvoller gehaltene
Broschüren veröffentlicht: «Der Nuntius kommt! Essay von einem Dilettanten» (anonym, 1.‒3. Aufl.,
Wien 1878) und «Quid faciamus nos?» (ebd. 1879), worin er sein Verhalten
während des VatikanischenKonzils verteidigte und die Ansicht vertrat, daß Preußen die Bildung einer deutsch-kath. Kirche hätte
fördern müssen. –
Vgl. Stenographischer Bericht über den Prozeß Arnim (Berl. 1874);
Rechtsgutachten, erstattet zum Prozeß
des Grafen Harry von Arnim, hg. von F. von Holtzendorff (Münch. 1875).
Heinr. Alexander, Freiherr von, preuß. Staatsmann, aus dem Hause Arnim-Suckow, geb. zu Berlin, zog
im Alter von 15 J. mit fünf seiner Brüder in den Freiheitskampf und studierte dann seit 1818 in Heidelberg. Seit 1820 war
er Gesandtschaftsattaché in der Schweiz, dann Legationssekretär in München, Kopenhagen und Neapel. An
letzterm Orte zum Geschäftsträger ernannt, wurde er 1829 in gleicher Eigenschaft nach Darmstadt versetzt, wo er sich um
die Entwicklung des Zollvereins verdient machte. 1834 trat er als Geh. Legationsrat und vortragender Rat in die polit. Abteilung
des Ministeriums des Auswärtigen, ging 1840 als Gesandter nach Brüssel, wurde 1841 in den Freiherrenstand
erhoben und machte sich in Brüssel namentlich durch die Förderung des am abgeschlossenen belg.-preuß.
Handelsvertrags verdient. In seiner Schrift «Der Worte sind genug gewechselt, laßt mich nun endlich Thaten sehn!
Ein handelspolit. Testament» (anonym, Berl. 1846) trat er mit Entschiedenheit für
den Freihandel ein. 1846 zum Gesandten in Paris ernannt, kehrte er 1848 nach Berlin zurück und wirkte hier für eine kühne,
durch militär. Rüstungen
[* 74] unterstützte
¶