der Inbegriff der Rechtssätze, welche sich auf das Armenwesen beziehen, und durch die das Verhältnis der
Armen zu den zur Unterstützung verpflichteten Personen und das der letztern untereinander geregelt wird.
(Näheres vgl. unter Armenwesen.) In einem andern Sinn bedeutet Armenrecht das Recht auf Befreiung von den Kosten eines bürgerlichen
Rechtsstreits, auf welche, unter der Voraussetzung, daß Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder
aussichtslos erscheinen, in Deutschland derjenige Deutsche (oder, wenn Gegenseitigkeit verbürgt ist, auch Ausländer) Anspruch
hat, welcher außer stande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie nötigen Unterhalts
die Kosten des Prozesses zu bestreiten.
Vgl. Deutsche Zivilprozeßordnung, § 106-118, und Deutsche Rechtsanwaltsordnung, §
34, 37. - Das Gesuch um Verwilligung des Armenrechts muß von einem obrigkeitlichen Zeugnis begleitet sein, in welchem unter
Angabe des Standes oder Gewerbes, der Vermögens- und Familienverhältnisse der Partei sowie des Betrags
der von dieser zu entrichtenden direkten Staatssteuern das Unvermögen zur Bestreitung der Prozeßkosten ausdrücklich bezeugt
wird.
Einer solchen Partei hat das Gericht von Amts wegen einen Rechtsanwalt beizuordnen, soweit ein Anwalt nötig, oder soweit
das Gericht dies für erforderlich erachtet. Das Armenrecht befreit nicht nur bis auf weiteres
von den eigentlichen Prozeßkosten, sondern auch von der Verbindlichkeit zur Erstattung von Auslagen, zur Sicherheitsleistung
wegen der Prozeßkosten und zur Bezahlung der Gebühren des Gerichtsvollziehers. Die mit dem Armenrecht ausgestattete Partei hat die
gestundeten Beträge nachzuzahlen, sobald sie ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen
Lebensunterhalts dazu im stande ist.
Im Civilprozeß hat jede Partei unter der Voraussetzung, daß sie außer stande ist,
ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, und daß
die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Verteidigung nicht mutwillig oder aufsichtslos erscheint, Anspruch auf das Armenrecht. Die
Bewilligung desselben ist beim Prozeßgericht nachzusuchen unter Beifügung eines obrigkeitlichen Armutszeugnissen
und unter Darlegung des Streitverhältnisses nebst Beweismitteln.
Auf Grund dessen hat das Prozeßgericht über die Bewilligung des Gesuchs zu entscheiden und dabei das Vorhandensein der
zweiten Voraussetzung im Wege summarischer Vorprüfung der Streitsache festzustellen. Die Bewilligung erfolgt für jede Instanz
besonders. Sie gewährt der Partei einstweilige Befreiung von Berichtigung der rückständigen und künftigen
Gerichtskosten und Auslagen, die Befreiung von Sicherheitsleistung dafür, und das Recht auf Beiordnung eines Gerichtsvollziehers
oder im Anwaltsprozeß auf Beiordnung eines Anwalts, während sie auf die Erstattungspflicht bezüglich der gegnerischen Kosten
keinen Einfluß übt. Dagegen hat sie, wenn
mehr
sie für die angreifende Partei (Kläger, Rechtsmittelkläger) erfolgt, zugleich für den Gegner die oben erstbezeichnete
Kostenfreiheit zur Folge. Das Armenrecht kann, sobald sich ergiebt, daß eine seiner Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorhanden
ist, entzogen werden; es erlischt mit dem Tode der Partei. Vgl. Civilprozeßordn. §§. 106 fg.; Strafprozeßordn. §. 449. (Gesetzliche
Bestimmungen über Armenwesen überhaupt s. Armenwesen und Armengesetzgebung.)