organisierte Ansiedelungen Verarmter, welchen dort die Möglichkeit geboten werden soll, durch Arbeitsamkeit,
Ordnung und Sparsamkeit sich in eine günstigere Lage zu versetzen. Die Unternehmer solcher Anstalten überlassen den Ansiedlern
einen bestimmten Landanteil, reichen ihnen die zur Bodenkultur unentbehrlichen Erfordernisse dar, schießen
ihnen Lebensbedarf bis zur Ernte vor, binden die Art des Anbaues an gewisse Vorschriften, führen über Arbeit und Fleiß strenge
Aufsicht und geben jedem durch die Aussicht auf den Genuß der Früchte seiner Mühe einen Reiz zur Arbeit.
Versuche dieser Art wurden im kleinen gemacht von dem Freiherrn v. Voght in Flottbeck bei Hamburg und vom
Herzog von Larochefoucauld in Liancourt (Frankreich); im großen hauptsächlich in Holland zu Frederiksoord (1818) und später
in andern Gegenden des Landes durch den General van den Bosch. Von dort aus fand die Idee Nachahmung in Belgien (Wortel, Mexplus,
Rezkevoorsel), in Holstein zu Frederiksgabe, in Bayern auf dem Moos in der Nähe von München sowie in England etc. Die meisten
dieser Versuche mißglückten jedoch vollständig oder hatten wenigstens keine zur weitern Nachahmung anreizenden Erfolge.
Die Kosten der waren hoch (Erwerb ausgedehnter, in bereits kultivierten Ländern teurer Grundstücke, Gestellung
von Wohnung, Stallung etc.); dann fehlte es an brauchbaren Kolonisten. Erwerbsunfähige Personen konnten nicht berücksichtigt
werden, erwerbsfähige und tüchtige Arbeiter aber blieben den Kolonien fern, oder sie waren für den Ackerbau wenig geeignet.
Es gelang nirgends, die Kolonisten auf, eine solche Stufe zu heben, daß man sie mehr sich selbst hätte
überlassen können, sondern man mußte Beaufsichtigung und Bevormundung verschärfen, statt daß man sie hätte mindern
können, was die Unlust der Kolonisten erhöhte, die Kosten steigerte und das wirtschaftliche Gedeihen hinderte.
Der Hauptzweck, allmählicher Erwerb der Grundstücke zu freiem Eigentum der Kolonisten, konnte infolgedessen nicht erreicht
werden. Eine neue Anwendung der Armenkolonien begründete 1881 der Pastor v. Bodelschwingh in Wilhelmsdorf bei Bielefeld,
indem er in ländlicher Niederlassung arbeitswillige Wanderbettler beschäftigte, um der Landstreicherei entgegenzuwirken
(vgl. seine Schrift »Die Ackerbaukolonie Wilhelmsdorf«, Bielef. 1883). Der Zweck dieser Beschäftigung besteht jedoch nicht in
dauernder Ansiedelung, so daß Wilhelmsdorf eine Mittelstufe zwischen den Armenkolonien und den Asylen darstellt.
Die Erfolge sind bisher so günstige gewesen, daß preußische Provinzialstände (z. B. in
Hannover, Schleswig-Holstein) mehrfach über Nachbildungen verhandelten. Einen andern Zweck als die Armenkolonien haben die bisweilen Ackerbaukolonien
genannten Waisen- und Rettungsanstalten, welche den Landbau für pädagogische Endziele verwerten.
Vgl. Buol-Bernburg, Die
holländischen Armenkolonien etc. (Wien 1853);
Emminghaus, Das Armenwesen und die Armen Gesetzgebung in europäischen
Staaten (Berl. 1870).
gehören zu denjenigen Einrichtungen, die man zur Abhilfe der überhandnehmenden Armut vorgeschlagen
hat. Dieselben stellen sich die Aufgabe, Arme aus den großen Städten und Industriebezirken auf das Land in abgesonderte Dörfer
zu versetzen und dort mit der Urbarmachung und Bebauung des Landes zu beschäftigen. Die Anstalten solcher
Art haben indes, wo man ihre Begründung versucht, nur geringe oder keine Ergebnisse geliefert. Zunächst bedarf es zu einer
derartigen Kolonisation ausgedehnter Grundstücke, die, wenn auch nicht bereits urbar, doch bebauungsfähig sein müssen,
Haben diese Grundstücke schon an sich einen bedeutenden Preis, so erhöhen sich die Kosten der Kolonisation
noch dadurch, daß für die Kolonisten Wohnungen und Stallungen hergestellt, Mobilien- und Inventarienstücke angekauft und
Betriebsmittel angewiesen werden müssen, daß ferner den Kolonisten mindestens bis dahin, wo sie ihre Erzeugnisse absetzen
können, der Unterhalt vollständig gewährt werden muß.
Weder der Staat, noch die Gemeinden, noch die Privatwohlthätigkeit, noch alle drei vereinigt sind daher
im stande, vorausgesetzt auch, daß sich ganz geeignete Grundstücke leicht auffinden lassen, ausgedehnte Kolonisationen ganz
mittelloser Personen durchzuführen. Sehr schwierig ist sodann die Wahl der Kolonisten. Zuvörderst können erwerbsunfähige
Personen gar nicht berücksichtigt werden, und von den erwerbsfähigen sind nur wenige geeignet, unter Aufgebung ihres
frühern Erwerbszweigs sich einem neuen, ihnen bisher fremden, dem Ackerbau zu widmen.
Gerade aber diese tüchtigern und gewandtern Arbeiter finden auch sonst ihr Brot und bedürfen am wenigsten einer Hilfe. Außerdem
läßt sich das Verhältnis der Kolonisten zu den Koloniegründern (Staat, Gemeinde, Privatverein) sehr schwer feststellen.
Freie Eigentümer können sie, will man ihnen die Grundstücke nicht geradezu schenken, erst nach
einer langen Reihe von Jahren werden, vorausgesetzt noch, daß sehr günstige Umstände eintreten. In der Regel sehen sich
die Koloniegründer genötigt, eine schwierige, unangenehme Verwaltung zu führen und unausgesetzt große Opfer zu bringen,
die zu dem erzielten Erfolge in keinem Verhältnis stehen.
Von volkswirtschaftlichem Nutzen kann bei der Urbarmachung unbebauter Grundstücke nur dann die Rede sein, wenn der Aufwand
an Kapital und Arbeit im Verhältnis zur Wertserhöhung dieser Grundstücke steht. Die ersten Versuche mit Errichtung von Armenkolonien machten
im Kleinen der Freiherr von Voght in Flottbeck bei Hamburg und der Herzog von Larochefoucauld zu Liancourt
in Frankreich. Im großen gelangte der Gedanke zuerst in Holland durch den General van den Bosch (s. d.) zur Ausführung.
Derselbe gründete unter dem Schutze des Prinzen Friedrich und vermittelst eines großen Privatvereins, des Maatschappij van
Weldadigheed (Wohlthätigkeitsverein), 1818 die Ackerbaukolonie Frederiksoord in der Provinz Drenthe für verarmte
Familien. Dieser folgte die Herstellung noch einiger ähnlicher Anstalten für Bettler, Waisenkinder u. s. w.
Von Holland aus fand die Sache Nachahmung in Belgien (Wortel, Mexplus, Rezkevoorsel), Frankreich, England u. s. w. Die meisten
dieser Anlagen gingen jedoch schon nach einigen Jahren wieder ein oder mußten vollständig umgestaltet werden. Unverhältnismäßig
große Opfer haben alle gekostet, während der angestrebte Zweck nur in sehr geringem Maße erreicht wurde.
Nicht zu verwechseln mit den Armenkolonien sind die Arbeiterkolonien (s. d.). -
Vgl. von Buol-Bernburg, Die holländischen Armenkolonien u. s. w.
(Wien 1853);
Th. Graß, Die holländischen Armenkolonien (Dorp. 1845).