Armenische
Litteratur.
In
Armenien galt bis zum 4. Jahrh. n. Chr. die
Religion der zoroastrischen
Perser, und die
Sprache
[* 2] der
Bildung war das
Persische. Als sich im 4. Jahrh. das
Christentum in
Armenien verbreitete, wurde es
Aufgabe
der Geistlichkeit, das
Volk von den andersgläubigen Persern zu trennen, mit dem christl.
Byzanz zu verbinden und den des
Griechischen
und
Syrischen unkundigen Armeniern das Evangelium in der Volkssprache zu verkünden. Es galt eine armenische
und specifisch
christl. Nationallitteratur
zu begründen.
Nach der Schöpfung einer nationalen
Schrift (s.
Armenische Sprache und
Schrift) begann im 5. Jahrh., das
zugleich die goldene Zeit der armenischen Litteratur
ist, eine rege litterar. Thätigkeit. An der
Spitze
steht die ausgezeichnete
Übersetzung des
Neuen und Alten
Testaments aus dem
Griechischen von Mesrop und Sahak d. Gr., etwa 412 (kritische Ausg.,
Vened. 1805).
Daran schließen sich: Agathangelos, Geschichte des heil.
Gregor des Erleuchters (Ausg. Vened.
1862), in der 2. Hälfte des 5. Jahrh. verfaßt (vgl. von Gutschmid,
Agathangelos, Lpz. 1877; Zeitschrift der
Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 31);
Faustus von Byzanz, Geschichte Armeniens, 344-392 (Vened. 1832; Petersb. 1883; deutsch von Lauer, Köln [* 3] 1879);
Koriun, Biographie Mesrops (Vened. 1833; deutsch von Welte, Tüb. 1841);
Elisäus, Geschichte der Kriege Wardans gegen die Perser, 451 (italienisch von Cappelletti, Vened. 1840; französisch, Par. 1844; russisch, Tiflis 1853);
ferner Homilien, Ermahnung an die Mönche, Schriften über biblische Bücher (Gesamtausg. Vened. 1859);
Lazar von Pharp, Geschichte Armeniens, 388-485 (ebd. 1873);
Moses Chorenazi, Geschichte Armeniens u. s. w. (s. Moses von Chorene);
Eznik, Widerlegung der Sekten (Vened. 1826; französisch von Levaillant de Florival, Par. 1853);
Franz. Übersetzungen von Agathangelos, Faustus, Moses Chorenazi, Elisäus, Lazar von Pharp, Koriun u. a. vereinigt Langlois in seiner «Collection des historiens anciens et modernes de l'Arménie» (2 Bde., Par. 1867-69). Zu den genannten Werken kommt eine Menge Übersetzungen griech. und syr. Werke, deren Originale oft nicht mehr erhalten sind: die Chronik des Eusebius (mit lat. Übersetzung hg. von Aucher, 2 Bde., Vened. 1818; bloße lat. Übersetzung von Johrab und Angelo Mai, Mail. 1818; neu revidiert in der Ausgabe von Schöne, Bd. 2, Berl. 1866; Bd. 1, 1875, von Petermann);
Reden des Philon (hg. von Aucher, Vened. 1826) und andere Fragmente dieses Schriftstellers (ebd. 1826);
Homilien des Chrysostomus (5 Bde., ebd. 1826-62), des Severianus (ebd. 1827), des Basilius Magnus (ebd. 1830), des Ephrem Syrus (4 Bde., ebd. 1836), das Leben Alexanders vom Pseudo-Kallisthenes (ebd. 1842).
Eine armenische
Übersetzung der
Briefe des heil.
Ignatius (zuerst Konstant. 1783) hat Petermann (Lpz. 1849)
wieder veröffentlicht.
Ins 7. Jahrh. wird Johannes der Mamikonier gesetzt, der Zenob Glaks Geschichte von Taron bis auf seine Zeit fortführte (Vened. 1832; franz. Übersetzung bei Langlois, s. oben). Theol. Schriften verfaßten in demselben Jahrhundert Theodoros Kherthenavor und der Katholikos Sahak III. (Vened. 1833); Sebêos schrieb eine Geschichte Armeniens, besonders der Kriege mit Heraklius und den Arabern, 590-660 (Konstant. 1851; russisch von Patkanean, Petersb. 1862; armenisch 1879).
Aus dem 8. Jahrh. sind zu erwähnen: Johannes Odsnensis, der Katholikos und Philosoph, der unter anderm gegen die Eutychianer und Paulicianer schrieb (Werke mit lat. Übersetzung von Aucher, Vened. 1834), und dessen Zeitgenosse Stephanus, Erzbischof von Siunikh, der zahlreiche Übersetzungen aus dem Griechischen machte, von denen jedoch nur die der Werke des Cyrillus von Alexandria (Konstant. 1717) veröffentlicht ist. Etwas später lebte Ghevond (Leontius), der eine Geschichte der arab. Eroberungen in Armenien von 661-788 verfaßte (hg. von Schahnazarian, Par. 1857; französisch 1856; russisch von Patkanean, Petersb. 1862).
Im 10. Jahrh. schrieben die Geschichtschreiber Johannes VI. Katholikos, dessen Geschichtswerk von der ¶
mehr
Sintflut bis 925, dem Todesjahr des Verfassers, reicht (Jerus. 1843; Mosk. 1853; französisch
von Saint-Martin, Par. 1841), und Thomas Artsruni, der eine Geschichte der Fürsten der Artsrunier verfaßte, die jedoch zugleich
allgemeine Weltgeschichte ist, bis 936 reicht und später bis 1220 fortgeführt wurde (Konstant.
1352; Petersb. 1887; französisch von Brosset, 1874). Etwas später
fallen Khosrow, genannt der Große, dessen Kommentar zum armenischen
Brevier geschätzt ist, und Mesrop der Priester, der als
Verfasser einer Biographie Nerses' des Großen und einer Geschichte der Armenier und Georgier (Madras
[* 5] 1775; Vened. 1853; vgl.
Langlois, Collection II, S. 19-44) gilt. Der gefeiertste Autor des 10. Jahrh. ist Grigor Narekensis (951-1003),
dessen zahlreiche theol. Werke (Vened. 1840) von Gabriel Avetikhean kommentiert wurden. Um dieselbe Zeit schrieben auch Uchtanes
von Urrha (armenisch 1871; französisch von Brosset, 1870) und Moses Kalankatuensis, Verfasser einer Geschichte der (kaukas.)
Albanier (Par. 1860; Mosk. 1860; russisch von Patkanean, Petersb.
1861).
Ins 11. Jahrh. gehört Steph. Asolik, der eine bis 1004 reichende Chronik verfaßte (Par. 1859; russisch von Emin, Mosk. 1864; französisch von Dulaurier, Tl. 1, Par. 1883), sowie Aristakes von Lastiwert, dessen Geschichtswerk (Vened. 1844) die Zeit von 989 bis 1071 umfaßt (französisch von Prud'homme, Par. 1864), und endlich Mattheos der Priester, der eine Biographie des Johannes Chrysostomus (Vened. 1751) schrieb.
Der berühmteste armenische
Schriftsteller des 12. Jahrh. ist Nerses Schnorhali, der sich
als Theolog und Dichter gleich ausgezeichnet hat (poet. Werke, Vened. 1830). Daneben sind zu nennen
der Geschichtschreiber Mattheos von Urrha, der die Ereignisse von 952-1136 schilderte und in dem Priester
Grigor einen Fortsetzer bis 1162 fand (Jerus. 1869; französisch von Dulaurier, Par. 1858); ferner
Nerses von Lambron, ein ausgezeichneter Gelehrter und Kanzelredner, unter dessen Werken (Vened.
1847) sich auch eine vortreffliche «Synodalrede» (Vened.
1812; deutsch von Neumann, Lpz. 1834) befindet; endlich Michael der Syrer, von 1167-1200 jakobitischer Patriarch, der
eine allgemeine Chronik von Adam bis 1198 in syr. Sprache verfaßte, welche bis 1250 von einem andern fortgesetzt wurde und
bis zu der kürzlich erfolgten Auffindung des Originals nur in armenischer
Übersetzung vorlag (hg. nach zwei verschiedenen
Recensionen zu Jerusalem
[* 6] 1870 und 1871; französisch von Langlois, Vened. 1868).
Ins 13. Jahrh. gehören die Geschichtschreiber Wardan d. Gr. von Bardserberd, der außer Fabeln und theol. Werken eine Geschichte von Anfang der Welt bis 1267 schrieb (hg. von Emin, Mosk. 1861; Vened. 1862); Kirakos von Gandzak, dessen Geschichtswerk von 300-1265 reicht (Mosk. 1858; Vened. 1865; französisch von Brosset, 1870); Malathia der Mönch, der ein Werk über die Züge der Tataren von 1228-72 verfaßte (Petersb. 1870; russisch von Patkanean, 1871), und Wahram, genannt Rabuni, der außer andern Schriften auch eine Geschichte der Rubeniden bis 1280 in Versen (Par. 1859; englisch von Neumann, Lond. 1832; französisch von Bedrossian, Par. 1864) hinterlassen hat. In dasselbe Jahrhundert fällt noch Stephanus Siunensis, der Orbelier, der als Verfasser einer Geschichte der Provinz Siunikh bis 1297 (hg. von Schahnazarean, Par. 1859; von Emin, Mosk. 1861; französisch von Brosset, Petersb. 1864-66) bekannt ist. Auf der Grenze des 13. und 14. Jahrh. lebte der Oberfeldherr Sembat, der ein Wert über die Zeit von 952-1244 (1331) (Mosk. 1856; von Schahnazarean, Par. 1859) verfaßt hat.
Seit dem 14. Jahrh. beginnt die Litteratur
zu sinken. Im 15. Jahrh.
verfaßte Thomas von Metsoph eine Geschichte Timurs (Par. 1860) und im 17. Jahrh. Arakhel von Tabris eine
Geschickte seiner Zeit von 1601-62 (Amsterd. 1669; französisch von Brosset,
1874). Dem 18. Jahrh. gehören an: Michael Tschamtschean, der eine allgemeine Geschichte seines Volks von den ältesten Zeiten
an verfaßte (3 Bde., Vened. 1784-86;
in kürzerer Fassung englisch von Avdall, 2 Bde., Kalkutta
[* 7] 1827),
und Lukas Indschidschean, dessen armenische
Altertumskunde (Vened. 1835) für uns wertvoll ist.
In Werken der Poesie hat die armenische Litteratur
nichts Erhebliches geleistet. Außer den Hymnen der armenischen
Kirche sind nur die Gedichte des Nerses Schnorhali (Vened. 1830) zu nennen, unter denen sich
eine Elegie über die Einnahme von Edessa auszeichnet (Par. 1828). Andere Dichter sind Petros Getadardz im 11. Jahrh. (französisch
von Nève, Löwen
[* 8] 1855) und Nerses von Lambron. Sonst verdienen noch Erwähnung die Fabeln des Mechithar
Gosch (Vened. 1854) und des Wardan (armenisch und französisch, Par.
1825) aus dem 12. und 13. Jahrh. Übrigens haben die Armenier der Litteratur
ihres Vaterlandes
stets ein lebhaftes Interesse bewahrt, wo sie sich auch seit ihrer Zerstreuung niedergelassen; man kennt
armenische
Drucke aus Amsterdam,
[* 9] Venedig,
[* 10] Wien,
[* 11] Livorno,
[* 12] Moskau,
[* 13] Astrachan, Konstantinopel,
[* 14] Smyrna, Tiflis, Petersburg,
[* 15] Etschmiadzin,
Madras, Kalkutta u. s. w. In mehrern der genannten Städte sind in den letzten Jahrzehnten auch armenische
Zeitungen und Zeitschriften
entstanden. -
Vgl. Sukias Somal, Quadro della storia letteraria di Armenia (Vened. 1829), frei bearbeitet von
Neumann im «Versuch einer Geschichte der armenischen Litteratur»
(Lpz.
1836);
Patkanean, Catalogue de la littérature
arménienne (in den «Mélanges asiatiques», Bd. 4, Petersb.
1860);
Karekin, Geschichte der armenischen Litteratur
(in armenischer Sprache, 2. Aufl., Vened. 1886);
Patkanean, Bibliogr.
Umriß der armenischen
histor. Litteratur
(russisch, Petersb. 1880).