Titel
Aristotelische
Philosophie. Aristoteles ist mit seinem großen Vorgänger Platon darüber einverstanden, daß, wenn es kein Allgemeines (Begriff, Gattung) an den Dingen gäbe, auch kein Wissen von diesen möglich wäre; darin aber bildet er den direkten Gegensatz zu Platon, daß er als echter, vornehmlich der organischen Natur zugewandter Naturforscher nicht das Allgemeine (die Gattungsidee), sondern das Einzelne (die Individuen) für das wahrhaft Existierende erkennt.
Zwar hat z. B. jedes einzelne Pferd [* 2] die Gattungsmerkmale (den Allgemeinbegriff) eines solchen an sich; wirklich ist aber darum doch nicht der Begriff Pferd, sondern das Pferdindividuum. Der Begriff kommt zur Wirklichkeit nur, indem er sich verkörpert, d. h. zur Form (zum gestaltenden Prinzip) einer Materie (eines bildsamen Stoffs) wird. An jedem wirklichen Ding (mit Ausnahme eines einzigen, der Gottheit) ist beides, Form und Materie (wie am Menschen Seele und Leib), zu unterscheiden, obgleich niemals zu trennen, indem (mit Ausnahme wieder jenes einzigen) Form nie ohne Materie, diese nie ohne jene gegeben ist.
Die Ausgestaltung des Stoffs durch die Form aber geht niemals plötzlich, sondern, wie Aristoteles wieder im Anschluß an die unmittelbaren Thatsachen der organischen Natur bemerkt, stets allmählich vor sich, so daß das schließlich Wirkliche (Ausgebildete) anfänglich nur als Mögliches (Anlage zur Ausbildung, Angelegtes), wie das Hühnchen im Ei, [* 3] die Pflanze im Samenkorn, existierte. Das zu Verwirklichende (der Begriff des Huhns, der Pflanze) macht hierbei die Zweck-, die gestaltende Form (die »Seele« des Huhns, der Pflanze) die wirkende und der von letzterer gestaltete Stoff (die organische Materie) die materiale Ursache des Wirklichen (des lebendigen Hühnchens, der lebenden Pflanze) aus (das um dieses Insichtragens des Zwecks, griech. telos, willen Entelechie, d. h. das seinen Endzweck in sich Habende, heißt).
Der Übergang aus der bloßen Anlage (Potenzialität) in Wirklichkeit (Aktualität) erfolgt durch Bewegung. Damit diese eintrete, der Übergang aus bloßer Anlage zu sein in wirkliches Sein erfolge, bedarf es selbst einer Ursache, und da sich bei dieser das Nämliche, Übergang aus Nichtwirksamkeit in Wirksamkeit, also Bewegung, wiederholt, einer weitern Ursache u. s. f. Da nun die Reihe dieser Ursachen nicht ins Endlose gehen kann, weil es sonst gar keine Ursache gäbe, so muß eine letzte Ursache vorhanden sein; diese aber als letzte darf in keiner Weise bloße Anlage (bloßes Vermögen) zum Thätigsein, sondern muß Thätigkeit schlechthin sein, da sie sonst (gegen ihren Begriff als letzte) selbst einer weitern Ursache bedürftig wäre, um aus bloßem Vermögen zur That in diese selbst überzugehen. Es muß eine selbst unbewegte Ursache aller Bewegung geben, da jedes Unbewegte nur durch ein in Bewegung Befindliches in Bewegung gesetzt werden kann.
Nicht nur wird ein ruhender Körper durch einen bereits bewegten bewegt, sondern auch ein Lebensfähiges, aber Unbelebtes nur durch ein bereits Lebendiges belebt. Zeugnis des erstern ist die an sich bewegungslose Materie, die durch den Anstoß des ersten Bewegers in Umschwung gesetzt wird; Zeugnis des letztern die (von Aristoteles zum Gegenstand einer eignen Schrift gemachte) Zeugung der organischen Wesen (vor allen der Tiere), deren (lebensfähiger, aber noch lebloser) Keim, das Ei, der Befruchtung [* 4] durch die lebenden Eltern bedarf, um zum Leben zu gelangen. In jenem Fall entstehen Bewegungs-, in diesem Generationsreihen, welche beide, da auch der Übergang aus Nichtzeugen in Zeugen schließlich eine Bewegung ist, auf die eine unbewegte Ursache aller Bewegung, den ersten Beweger, Gott, als Quell- und Ausgangspunkt aller Bewegung und alles Lebens zurückführen.
Dieser selbst ist seinem Wesen nach reine That (Energeia), nicht bloßes Vermögen (Dynamis), als welche er folglich weder jemals begonnen haben, noch jemals aufhören kann, thätig zu sein, weil er im erstern Fall einer Ursache bedürfte, um aus bloßem Vermögen in That, im letztern einer solchen, um aus That in bloßes Vermögen überzugehen, in keinem Fall also selbst letzte Ursache wäre. Gott ist notwendig ewig, da die durch ihn bewirkte Bewegung ohne Anfang und Ende ist, wie umgekehrt auch die von ihm bewirkte Bewegung selbst ewig ist, weil er als reine That weder anfangen, noch aufhören kann, dieselbe zu bewirken. Er ist immateriell, unveränderlich, leidenlos; weil er nicht nur sonst selbst eines Bewegers, wie alle Materie, bedürftig, sondern auch ohne einen solchen, der mit dem Begriff eines ersten Bewegers unvereinbar ist, kein Leiden [* 5] denkbar wäre. Er ist unbeweglich, obgleich er andres bewegt; denn er bewegt nur, wie es das Schöne thut und das sonst als liebenswürdig Anziehende, welches den nach ihm Begehrenden in Bewegung versetzt, ohne selbst in solcher zu sein, d. h. Gott bewegt als Ideal, dem das der Gestaltung (durch die Form) Bedürftige (die Materie) zustrebt. Er ist Einer, denn das der Zahl nach Viele hat Materie; rein ¶
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Form (ohne Stoff, Seele und Leib), von allem Seienden das einzige, dessen Thun nicht Gestalten materiellen, sondern selbst geistigen Stoffs, nicht (praktisches) Handeln, sondern (theoretisches) Denken ist, keinen Zweck außer sich hat, sondern selbst Zweck ist, dem alle Materie durch Unterwerfung unter die Form sich zu nahen die Bestimmung hat. In Gott ist das Denken sich selbst Gegenstand; er ist Denken des Denkens; sein Thun, da er sich selbst genügend, keines von ihm verschiedenen Dinges bedürftig ist, die angenehmste und seligste Beschäftigung.
Gott (die stofflose Form) und die Materie (der formlose Stoff) stellen entgegengesetzte Endpunkte dar, zwischen welchen näher dem einen oder dem andern stufenförmig geordnet alle andern aus Form und Stoff gemischten wirklichen Dinge gelegen sind. Bei denen, welche dem materiellen Weltstoff näherstehen, überwiegt der Stoff die Form, bei denen dagegen, welche dem ersten Beweger näherstehen, die Form den Stoff. Jene machen die leblose, diese die lebendige Natur und zwar in der Art aus, daß das roheste und formloseste Produkt der elementarischen Natur die unterste, der Mensch dagegen die oberste Stufe der Reihenfolge bildet.
In der leblosen Natur wird das Wirken einer Seele noch nicht, in der lebendigen hingegen zuerst als bloß ernährendes (im Pflanzenreich), als empfindendes (im Tierreich) und zu beiden vorhergehenden Verrichtungen hinzukommend als denkendes Wirken im Menschen sichtbar. Jede dieser drei Stufen der lebendigen Natur setzt die frühern, die lebendige Natur selbst die leblose und diese wieder die allgemeinen Bedingungen alles natürlichen Daseins, Raum, Zeit und Bewegung, voraus, deren letzte ihren Grund in Gott als letztem Beweger hat.
Die Zeit ist unbegrenzt, der Raum dagegen begrenzt; denn da dieser nichts andres ist als die Grenze eines einschließenden Körpers, so müßte es, falls er unbegrenzt sein sollte, einen unbegrenzten Körper geben, was ein Widerspruch wäre. Auch folgt aus dem Begriff des Raums, daß dessen Leere unmöglich ist. Die Bewegung, die entweder (quantitative) Zu- oder Abnahme, oder (qualitatives) Anderswerden, oder bloße Ortsveränderung ist, schließt als anfangs- und endlos sowohl das Entstehen aus dem Nichts als das Vergehen ins Nichts aus;
alles wird aus einem Seienden und zu einem solchen;
Stoff und Bewegung sind so ewig wie der erste Beweger, die Welt so ungeschaffen und so unvergänglich wie Gott selbst. Da letzterer nur Einer, so ist auch die erstere nur Eine;
nicht zusammenhangslos wie eine schlechte, sondern in sich nach Grund und Folge motiviert wie eine gute Tragödie, ein ineinander greifendes System von Bewegungen, und da der Beweger der vollkommenste ist, so ist auch das Bewegte seiner Gestalt nach vollendet und abgeschlossen.
Das Universum denkt Aristoteles unter dem Bild einer Kugel, deren in stetem, gleichmäßigem, kreisförmigem Umschwung nach der besten Seite (von links nach rechts) begriffene äußerste Schale der Fixsternhimmel, deren ruhender Mittelpunkt die gleichfalls kugelförmige Erde ist, zwischen welchen konzentrisch die mit ungleichmäßiger Bewegung in schiefen Bahnen nach der schlechten Seite hin (von rechts nach links) laufenden sieben Planetensphären (Sonne [* 7] und Mond [* 8] inbegriffen) gelagert sind.
Jener macht den vollkommensten, weil dem ersten Beweger nächsten, die Erde den unvollkommensten, weil demselben fernsten Teil des Weltalls aus, daher auf der letztern anstatt der Wandellosigkeit der Gestirnwelt unaufhörlicher Wechsel herrscht. Die Zu- und Abnahme des Irdischen wird durch die stete Ungleichmäßigkeit der Planetenbewegungen (besonders der ihr bald näher-, bald fernerstehenden Sonne) bewirkt; die Gleichmäßigkeit der Himmelsbewegung ihrerseits spiegelt sich in der Gleichmäßigkeit ab, mit welcher jene Ungleichmäßigkeit der planetarischen Einwirkungen (z. B. der Jahreszeiten) [* 9] periodisch wiederkehrt.
Folge dieser Mischung des beharrenden und wandelbaren im Jenseits (Himmel [* 10] über dem Monde) ist im Diesseits (Erde unter dem Monde) die, mit der Einförmigkeit der Himmelserscheinungen verglichen, unendlich größere Mannigfaltigkeit von Formen und Gestalten der irdischen Phänomene, insbesondere der organischen (pflanzlichen, tierischen, menschlichen) Natur unter dem Einfluß der Himmelskörper. An derselben tritt, da sie dem ersten Beweger so fern steht, um so mehr das Bedürfnis eines eignen innern Bewegungsprinzips, der Seele, hervor, wodurch sie als Sitz einer von ihr selbst (wenigstens relativ) ausgehenden Bewegung anderseits dem ersten Beweger (als absolutem Quell aller Bewegung) wieder ähnlich wird.
Dasselbe tritt auf der untersten Stufe des organischen Lebens (in der Pflanze) ohne sichtbaren Lebensmittelpunkt, gleichsam durch den ganzen Organismus ergossen, nur als ernährende, auf der mittlern Stufe (im Tier) zugleich als empfindende mit einem Mittelpunkt des leiblichen (Herz) und zugleich einer Einheit des wahrnehmenden, Lust und Unlust fühlenden, begehrenden und verabscheuenden psychischen Lebens, mit Geschlechtsgegensatz, willkürlicher Bewegung, Gedächtnis und Einbildungskraft auf. Im Menschen, dem vollkommensten Tier, kommt zu beiden genannten als höchste Stufe die denkende, von den beiden frühern unterschiedene Seele (die Vernunft, der Geist, griech. nūs), die nicht aus der Natur stammt, sondern etwas »Göttliches« oder doch Gottähnliches ist, »von außen« hinzu.
Dem allgemeinen Grundgedanken der Entwickelung des Wirklichen aus dem Möglichen entsprechend, erscheint die Seele auf jeder der genannten Stufen zuerst als bloße Anlage (organischer Keim der Pflanze oder des Tiers; Samenkorn, Ei, Embryo), welche, um zur vollendeten Auswickelung zu gelangen, des von außen kommenden Reizes, der Sollizitation, sowohl zur Ernährung als zur sinnlichen Empfindung (und Begehrung) und zum vernünftigen Denken bedarf. Jener geht von den innern Zuständen des leiblichen Organismus (Nahrungsmangel), der Reiz zur sinnlichen Empfindung und Begehrung von den äußern Gegenständen (dem Sicht-, Hör- und Schmeckbaren etc.), der Anreiz zur Entwickelung der Vernunftanlage dagegen von dem (nicht materiellen) Gegenstand des Denkens, dem Denken selbst aus, welches in diesem Betracht als thätige, zur Vernunftthätigkeit anregende Vernunft (nus poietikos, thätiger Geist) von der leidenden Vernunft (der Anlage zur Vernunftthätigkeit, nus pathetikos, leidender Geist) sich unterscheidet. Im Menschen, der alle drei Arten der Seele (wie? bleibt dunkel) in sich vereinigt, gleicht die denkende Seele ursprünglich einer unbeschriebenen Wachstafel, die zwar der Möglichkeit, nicht aber der Wirklichkeit nach ein Buch ist, die erst durch die Sollizitation des thätigen Geistes das wird, was sie (als leidender Geist) der Anlage nach ist, und zu der sich demnach jener gerade so verhält wie der erste Beweger zur (im bewegungslosen Stoff der Anlage nach ¶
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schlummernden) Welt. Daher ist der thätige Geist auch nur einer für alle, während der Geist als leidender jedem für sich eigen ist; weshalb unter den Schülern des Aristoteles Streit darüber entstehen konnte, ob er die menschliche Seele für sterblich oder für unsterblich erklärt habe. Als leidender Geist nämlich ist sie der Entwickelung (aus bloßer Anlage zur Vollendung) unterworfen, folglich (da alle Entwickelung Materialität voraussetzt) nicht immateriell, also auch nicht unvergänglich; als thätiger Geist aber kommt sie »von außen« an den natürlichen Menschen und ist trennbar von ihm, also zwar unvergänglich, aber nicht mit dem Individuum Eins, sondern eine für alle, wie der Beweger einer für die gesamten Bewegungen.
Indem die denkende Seele im Menschen infolge der Erregung durch den thätigen Geist aus bloßer Vernunftanlage zur wirklichen Vernünftigkeit sich erhebt, wird sie der Gottheit, die ganz Vernunft ist, ähnlich, aber nicht gleich, da sie im Menschen noch mit der tierischen und pflanzlichen Seele verbunden ist, die sie nicht abzustreifen vermag; der Philosoph, dessen denkende Seele am stärksten entwickelt ist, ist der Gottheit am ähnlichsten. Der ganze Mensch, der neben der »göttlichen« auch noch die sinnliche (tierische und pflanzliche) Seele besitzt, ist daher weder (wie das Tier) ein bloßes Sinnenwesen noch (wie Gott) ein reines Vernunftwesen, sondern aus beiden gemischt ein sinnlich-vernünftiges Wesen nicht nur seiner Anlage, sondern, da er als Entelechie seinen Zweck in derselben vorgezeichnet trägt, auch seiner Bestimmung nach, welche darin besteht, diese seine Anlage zur Wirklichkeit herauszubilden.
Auch er birgt die Tugend (nach dem überall wiederkehrenden Grundgedanken des Systems), die er werden soll, bereits im Keim in sich, wie das Ei das Huhn und das Samenkorn die Pflanze. Sollizitierend wirkt dabei der von außen kommende Reiz von seinesgleichen, Erziehung und Beispiel, da er als »geselliges Tier« nicht nur in Gesellung mit andern lebt, sondern in dieser Anlage zur Geselligkeit zugleich den Keim der künftigen vernünftigen Gemeinschaft, des Staats, trägt.
Dabei verhält sich der physische zu dem vernünftigen Bestandteil der sittlichen Anlage des Menschen wie Materie zur Form (in jedem Wirklichen) und ist die aus dieser sich entwickelnde wirkliche Sittlichkeit desto vollkommener, je mehr die bloße natürliche Beschaffenheit (Materie der Sittlichkeit) von der vernünftigen (Form der Sittlichkeit, sittliche Einsicht) gelenkt und durchdrungen wird. Wie aber nach des Aristoteles der organischen Naturbeobachtung entlehntem Grundsatz alles organische Wachstum allmählich durch Nahrung und Pflege, so erfolgt auch die Ausreifung der sittlichen Anlage zu wirklicher Sittlichkeit nur langsam durch Übung und Gewohnheit, wenn die letztere wirklich zum bleibenden Charakter, zur andern Natur (hexis) werden soll. In dieser aber, welche die vollkommene Erfüllung der tugendhaften Anlage, die tugendhafte Thätigkeit der Seele selbst ist, besteht auch deren Glückseligkeit oder das höchste Gut, welches allerdings leibliche und äußere Güter als Stützen und Förderungsmittel vernünftiger Thätigkeit (z. B. Gesundheit, Vermögen, Ansehen etc.) nicht aus-, sondern einschließt.
Wohlbefinden, Lust, ist dabei nicht sowohl Zweck als vielmehr natürliche unausbleibliche Folge, weil Rückwirkung jeder naturgemäßen
Thätigkeit auf den Thätigen selbst. Naturgemäß aber ist nur jene Thätigkeit, die weder ein Zuviel
noch ein Zuwenig in sich
schließt, daher Aristoteles die Tugend als das Mittlere zwischen zwei Gegensätzen (z. B. Sparsamkeit als
die richtige Mitte zwischen Geiz und Verschwendung) definiert. Derselbe Gedanke liegt auch seiner »Poetik«, wo er das Schöne als
das weder zu Große noch zu Kleine, wie seiner »Politik« zu Grunde, in der er die mittlere Verfassung, d. h. die Herrschaft des
Mittelstands, für die beste erklärt. In beiden kehrt auch der Aristotelische
Hauptgedanke, der Gegensatz
zwischen Anlage und Vollendung und dessen Vermittelung durch die Entwickelung der erstern, wieder und zwar in der Lehre
[* 12] von der
dramatischen Dichtkunst, in welcher er den Nachdruck auf die Beschaffenheit der Fabel und der handelnden Charaktere als
der Anlage der künftigen dramatischen Handlung legt, in der Verfassungslehre, indem er auf die historisch, geographisch und
ethnographisch gegebenen Umstände und Voraussetzungen der Staatenbildung als Anlage der künftigen Staatsverfassung hinweist.
Gleicher Denkrichtung entsprang des Aristoteles »Logik«, die er als Schlußlehre auffaßt, indem in den Vordersätzen der Schlußsatz der Anlage nach bereits gegeben und der wirkliche Schlußsatz nur die Entfaltung des in den Vordersätzen keimartig Enthaltenen durch wirkliches Folgern sei; sowie anderseits wieder die Beweisgründe das zu Beweisende unausgewickelt in sich tragen, wie die verursachende Bewegung die von ihr verursachte, und auf einen selbst unbeweisbaren Anfang alles Beweisens (Grundsatz, Axiom, Prinzip) wie jene auf den selbst unbewegten Anfang aller Bewegung zurückdeuten.
Die Identität des (Einen) thätigen Geistes, des Urhebers alles wirklichen (aus dem Schlummer geweckten) Denkens und des ersten Bewegers als der (Einen) Ursache aller wirklichen (aus dem bloßen Vermögen in That übergegangenen) Bewegung, in Gott schließt den gewaltigen Ring, der von der Gottheit zum Fixsternhimmel, von diesem durch die planetarische Region zur Erde hinab und durch die aufsteigende Stufenfolge der unorganischen und organischen Natur durch Stern, Pflanze, Tier und Mensch von des letztgenannten leidender zur thätigen Vernunft, d. h. wieder zur Gottheit, emporführt.
[Geschichte der Aristoteli
schen Philosophie.]
Die Philosophie des Aristoteles wurde zunächst durch dessen
Schule, welche die peripatetische hieß und ihren Sitz im Lykeion hatte, fortgepflanzt; der Einfluß derselben aber erstreckt
sich durch das gesamte nacharistotelische
Altertum, das Mittelalter und bis auf die neueste Zeit herab, wo sie namentlich von
Trendelenburg in erneuerter Gestalt wieder aufgenommen worden ist. Unter den unmittelbaren Schülern des
Aristoteles waren Theophrastos von Eresos auf der Insel Lesbos, Eudemos von Rhodus, Aristoxenos, welcher die Aristotelische
Lehre
von der Erkenntnis auf die Musik anwandte, und Dikäarchos von Messene, welcher die Geographie in den wissenschaftlichen Kreis
[* 13] des Peripatetismus einführte, die bedeutendsten.
Der Schüler und Nachfolger des Theophrast, Straton von Lampsakos, sonderte zuerst die Erfahrungswissenschaften
über die Natur von der Philosophie ab und faßte jene als das Material, diese als die Ergebnisse der Erfahrung wissenschaftlich
auf. Neben ihm ist Demetrios aus Phaleron bei Athen
[* 14] zu nennen. Die Nachfolger des Straton im Lykeion waren der Reihe nach: Lykon
aus Troas, Ariston von Keos, Kritolaos aus Phaselis, der zu der rein Aristoteli
schen Lehre zurückkehrte, und
Diodoros von Tyros, in der zweiten Hälfte des 2. Jahrh.
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Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Aristotelische
Philosophie. Das Verhältnis der Philosophie des Aristoteles zu der seiner Vorgänger hat man damit zu bezeichnen versucht, daß Aristoteles den Sokratischen Wesensbegriff, die Platonische Idee fortgebildet habe zu dem ihm eigentümlichen Begriff der substantiellen Form oder der Entelechie, d. h. daß er wie jene das Wesen des Erscheinenden suchte und zwar wie sie es suchte im Begriff, im Gesetz, nur im Unterschied von jenen in einem solchen Gesetz, das unmittelbar in den Erscheinungen, nämlich als Princip ihrer innern Entwicklung nachgewiesen werden kann; oder daß er die übersinnlichen, von aller Erfahrung abgesonderten Ideen in das Reich des Werdens und der Erfahrung wieder einführte, das An-sich der Erscheinungen nicht mehr getrennt von ihnen, sondern in ihnen selbst als Princip des Werdens zu erkennen strebte.
Ohne Zweifel ist das die Stellung, die Aristoteles gegen Plato einnimmt, und die Umbildung seiner Lehre, die er sich zur Aufgabe stellt. Allein es ist nicht zu leugnen, daß er einerseits im Platonischen Apriorismus weit mehr, als seiner eigenen Absicht entspricht, befangen geblieben ist, andererseits vielfach die tiefsten und wahrsten Motive dieser Lehre verkannt und nur deswegen sie verlassen hat. Aristoteles ist, verglichen mit Plato, entschieden Dogmatiker, d. h. er glaubt im wesentlichen die wahren Gegenstände gegeben in den Einzeldingen der vulgären Auffassung, die nur noch der gehörigen begrifflichen Verarbeitung bedürfe, um die vollkommen sichern Grundlagen der Wissenschaft zu ergeben. Es fehlt ihm also eine haltbare kritische Grundlegung, und damit eine streng folgerichtige Stellung in den Grundfragen der Philosophie. So hat er viel Sinn für die konkrete Thatsächlichkeit und streitet mit gutem Grunde (namentlich in den biologischen Wissenschaften) gegen ein abstrakt «logisches» Verfahren.
Aber er unterschätzt dabei den Wert des wissenschaftlichen Instruments der Mathematik und gelangt dadurch, wie auch aus Mangel einer tiefern Kritik der Sinnlichkeit, zu durchaus falschen Grundsätzen der theoretischen Physik, wie die Wissenschaft seit Galilei klar erkannt hat. Andererseits weiß seine Logik das Ideal der deduktiven Wissenschaft gut zu entwickeln; allein er befindet sich in Unsicherheit bezüglich der Herkunft der letzten Voraussetzungen aller Deduktion. Er meint sie, im Widerspruch mit seinen eigenen Grundsätzen, der Erfahrung entnehmen zu können; in Wirklichkeit ist der Weg, auf dem er sie gewinnt, eigentlich der einer in ihrer Art großartigen Analyse und Systematisierung des in der Sprache [* 15] niedergelegten Schatzes primitiver Erkenntnis.
Darauf beruht zum großen Teile das Geheimnis des Einflusses seiner Philosophie; sie stützt sich eigentlich auf die natürliche Vorstellungsweise der Dinge, die sie nur, mit einer ungemeinen Energie der Logik, in wissenschaftliche Formen zwingt. Allein solches Verfahren ist dem der wahren Wissenschaft gerade entgegengesetzt; die moderne Forschung ging vielmehr kritisch vernichtend gegen die mit Aristoteles bewaffnete, in seiner Philosophie gleichsam inventarisierte gemeine Vorstellungswelt zu Werke; sie mußte die Grundbegriffe der Wissenschaft, soweit sie nicht der Mathematik angehören, neu erzeugen.
Von den einzelnen Disciplinen erfreut sich die Logik des Aristoteles noch immer einer Anerkennung, die, nach ihrer vollständigen thatsächlichen Überwindung seit Galilei und Kant, kaum mehr verständlich ist. Aristoteles nimmt eigentlich die Begriffe als gegeben, und abstrahiert ebenso die Grundformen des Urteils von der Sprachform des Satzes. Er überträgt dann sorglos seine mangelhaft abgeleiteten logischen Grundauffassungen auf die Dinge, indem ihm in den Begriffen zugleich die Dinge als gegeben gelten. Sein Kategoriensystem ist, wenn auch nicht direkt aus den grammatischen Wortklassen, doch aus einer logischen Analyse der Bestandteile der ¶
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Aussage abgeleitet und weit entfernt von einer aus der Tiefe gegriffenen Theorie der Konstitution des Gegenstandes in der Erkenntnis,
wie Kants Kategoriensystem sie jedenfalls anstrebt. Besser begründet ist die Aristotelische
Theorie des Beweisverfahrens,
die wesentlich dem Verfahren der Euklidischen Geometrie abgelauscht ist; doch empfindet man seit lange ihre völlige Unbrauchbarkeit
zu einem wirklichen Erkenntnisfortschritt; sie erscheint mehr bestimmt und geeignet, der Erkenntnis, die man schon hat, eine
lehrhafte Form zu geben, als den Weg zu irgend einer neuen Erkenntnis zu weisen. Die Theorie der Induktion
[* 17] ist höchst unentwickelt,
vom Experiment hat Aristoteles kaum einen Begriff.
Seine Metaphysik (Fundamentalphilosophie
) geht aus von einer ziemlich ungerechten Beurteilung der Platonischen
Ideenleere, der gegenüber er das Verhältnis des Einzelnen und Allgemeinen richtiger zu bestimmen glaubt, während er wirklich
in dieser allerfundamentalsten Frage sich in einem offenbaren Widerspruch bewegt. Einerseits sollen die Einzeldinge die wahren
«Substanzen», die erstgegebenen Dinge und natürlichen Subjekte jeder Aussage sein; andererseits aber alle
wahre Erkenntnis doch auf dem Allgemeinen beruhen.
Die richtige Bemerkung, daß das Allgemeine nur im Einzelnen seine Existenz hat (nur das Allgemeine des Einzelnen ist), löst
den Widerspruch nicht, da andererseits auch das Einzelne nur durch allgemeine Bestimmungen für uns erkennbar, nur das Einzelne
des Allgemeinen ist. Auch kommt Aristoteles wesentlich doch auf einen ähnlichen Weg wie Plato zurück,
indem er die «Form», die in vielen Beziehungen der Platonischen «Idee» entspricht und eigentlich der Aristotelische
Ausdruck
des Gesetzes ist, zum letzten Princip aller Erklärung erhebt.
Dabei überwindet er die im Platonismus angelegte Teleologie nicht, sondern erhebt sie, in viel bedenklicherer Form als jener, zum Princip. Die Form bedeutet das, was ein Ding seinem «Wesen» nach ist, aber sie bedeutet zugleich den Zweck und die bewegende Ursache, das, wozu es sich gestalten soll und was es zugleich (als wirkender Zweck) dazu gestaltet. Ihre Ergänzung ist der Stoff, der die «Möglichkeit» ebendessen ausdrückt, was in der «Verwirklichung» die Form ist. In jedem, was zu irgend etwas werden soll, ist also schon die Möglichkeit («Potenz»),
ebendies zu werden, voraus gegeben, und das Werden ist dann nur die Entfaltung von der Potenz zur Aktualität (Verwirklichung des voraus bloß Möglichen, Energeia oder Entelecheia). Die Form ist somit dem Stoff immanent. Damit ist die Teleologie, in noch ganz anderm Maße als bei Plato, zum Princip gemacht. Andererseits ist auch die Immanenz nicht streng durchgeführt, da schließlich doch eine Form ohne Stoff, eine reine Energie behauptet wird. So gelangt Aristoteles, trotz der ursprünglich immanenten Anlage seines Systems, zu einem transcendenten Gott, denn die stofflose Form soll zugleich eins sein mit dem sich selbst denkenden Geist, für welchen Denken und Gedachtes völlig Eins ist; ein Begriff, der eigentlich überschwenglicher ist als alles, was Plato in seiner Ideenwelt sich geträumt haben mag.
Die Physik des Aristoteles beruht nun ganz auf jenen Grundbegriffen von Form und Stoff, Möglichkeit und Verwirklichung, durch die er das Problem des Werdens, das die ältere griech. Philosophie so tief bewegte, zu überwinden glaubt. Seine «Materie» ist eigentlich nur ein anderer Ausdruck der Potenz, welche die Formbestimmung dem Keime nach in sich trägt. So hat es Aristoteles leicht, alle Veränderungen aus dem Wesen des sich Verändernden herzuleiten. Diese Auffassung führt zu merkwürdigen Konsequenzen.
Naturwesen sind Dinge, die das Princip ihrer Bewegung in sich haben; das Muster eines solchen ist der organisierte, kraft seiner Organisation die Möglichkeit und Zweckbestimmung zu mancherlei Bewegungen und Veränderungen von Haus aus in sich tragende Körper. Nach gleicher Analogie baut Aristoteles aber auch die ganze unorganische Natur auf. Nicht bloß daß die qualitative Veränderung gleichwertig neben der Ortsveränderung steht, daß z. B. die Verdichtung und Verdünnung, die der Atomismus bereits überwand, restituiert wird; daß er die tief wissenschaftlichen Probleme der Unendlichkeit und Stetigkeit durch sein Universalmittel, die Unterscheidung von «Möglichkeit» und «Verwirklichung», sich aus dem Wege räumt und mit dem Atom und dem Leeren ebenso leicht fertig wird; schlimmer ist seine Unterscheidung der Urkörper nach einer rohen Einteilung der möglichen Bewegungen, indem jeder ursprünglichen Bewegung ein ursprünglicher Körper zugeteilt wird.
Der einfachen Bewegungen sind drei, die kreisförmig in sich selbst zurücklaufende, welche die absolut vollkommene, weil gegensatzlose ist, außerdem die Bewegung ins Centrum und vom Centrum. Jene kommt den «schweren», diese den «leichten» Körpern zu, welche, so wie diese Bewegungen einander entgegengesetzt sind, auch unter sich von entgegengesetzter Beschaffenheit sein müssen. Der absolut schwere Körper ist die Erde, der absolut leichte das Feuer, zwischen beide schiebt Aristoteles, Empedokles folgend, noch zwei mittlere, Wasser und Luft, ein; zu diesen vier elementaren oder sublunaren Stoffen kommt als fünfter, reinster, der Stoff der Gestirnwelt, Äther benannt, dem die Kreisbewegung zufällt.
Mit dieser Einteilung der ursprünglichen Körper und Bewegungen hängt auch das Weltsystem des Aristoteles
zusammen, welches auf Grund derselben bis auf Kopernikus für a priori bewiesen galt. Das Centrum nimmt natürlich die Erde
ein, ihre Höhlungen füllt das Wasser, darum lagert sich die Luft und ferner ein Feuerkreis, die zusammen die Atmosphäre
bilden, der Himmel umfaßt das Ganze und dreht sich täglich um die Erde von Ost nach West. Die Aristotelische
Theorie der Sphären ist verwandt der des Eudoxus (s. d.), doch komplizierter, eine Zwischenstufe
zwischen dieser und der Ptolemäischen. Das sublunare Gebiet ist die Region der Unvollkommenheit, droben herrscht absolute
Vollkommenheit. Die Gestirne sind beseelt und Götter. Das Weltall ist eine geschlossene Kugel, Aristoteles
ist Gegner aller Unendlichkeiten. Die Bewegung des Himmels hängt in letzter Linie ab von dem transcendenten «unbewegten
Beweger», Gott.
Die Aristotelische
Psychologie ist eigentlich eine allgemeine Biologie, denn sie handelt nicht von den Bewußtseinsfunktionen
allein, sondern von den Lebensfunktionen überhaupt. Seele bedeutet eigentlich die wirkliche Lebendigkeit
des kraft seiner Organisation lebensfähigen Körpers. Seele und Leib sind eins wie Form und Stoss, wie das Auge
[* 18] und die Sehkraft.
Natürlich ist die Seele wie die Form und bewegende Kraft
[* 19] so der Zweck des leiblichen Organismus; die Zweckvorstellung wird
von Aristoteles auf dem organischen Gebiet, wo sie ja ihre sehr verständliche Bedeutung hat, am strengsten
durchgeführt. Die
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organischen Funktionen gliedern sich in drei Stufen: die vegetativen (Ernährung und Fortpflanzung, die den Tieren mit den Pflanzen gemein sind), die sensitiven (die den Tieren allein) und die vernünftige (die nur dem Menschen zukommt). Die höhern Funktionen sind nicht denkbar ohne die niedern, die niedern wohl ohne die höhern. Für die Sinnesempfindung nimmt Aristoteles eine genaue Korrespondenz zwischen der Wahrnehmung und dem äußern Objekt an; die sinnlichen Qualitäten (Farben, Töne u. s. w.) sind in dieser Gestalt zwar nur da für das wahrnehmende Organ, aber sie haben dennoch ihren Grund im Objekt, sie sind vor der wirklichen Wahrnehmung ebenso «der Möglichkeit nach» im Objekt, wie im Subjekt die Möglichkeit ihrer Wahrnehmung voraus gegeben ist, wieder eine künstliche Umgehung des Problems.
Wertvoll ist der Aristotelische
Begriff des «Gemeinsinns», dem alle solche Funktionen zugeschrieben
werden, die nicht aus der einzelnen Wahrnehmung, sondern aus der Kombination derselben oder ihrer Beziehung auf das allen gemeinsam
zum Grunde liegende Bewußtsein hervorgehen. Die Vernunft oder der Geist (nûs) ist das Vermögen des Allgemeinen,
der Principien oder Gesetze. Der Geist als reine Form ist vom Stoff trennbar und bedarf an sich nicht des körperlichen Organs,
er ist reine Denkenergie.
Doch nimmt Aristoteles noch einen Geist in der Potenz, eine «leidende» Vernunft im Unterschied von der «thätigen» an, welche an den sinnlichen Stoff gebunden und mit dem Organismus sterblich ist. Um diese Doppelbedeutung des Nus entstand endloser Streit. Klar ist, daß der Geist als reine stofflose Energie eigentlich nur der göttliche sein kann, mithin der menschliche Geist einfach sterblich ist, wie denn auch die konsequentern Aristoteliker annehmen.
Die Ethik des Aristoteles stellt als Endziel des Willens nicht das Gute schlechtweg, sondern das durch menschliche Thätigkeit erreichbare Gute hin, eine sehr charakteristische Bestimmung, nicht nur sofern ein außer den Grenzen [* 21] des menschlich Erreichbaren liegendes Ideal damit grundsätzlich abgelehnt ist, sondern auch sofern auf die Thätigkeit, nicht auf das zu erreichende Ziel der Hauptnachdruck fällt. In der Thätigkeit liegt zugleich die Glückseligkeit, die somit nicht der Lohn der Tugend, sondern mit ihr eins ist.
Die Aristotelische
Moral ist demnach eigentlich egocentrisch, der sittlich Handelnde sucht im sittlichen Handeln nur die eigene
Vollendung, er erhebt sich nicht zu dem Gedanken eines ewig und an sich Guten. Auch hier hat Aristoteles
das Tiefste der Platonischen «Idee» nicht gewürdigt, er kennt das Gute nicht als unpersönliches
Gesetz, als unbedingtes Soll, sondern nur als Vortrefflichkeit der Person, als das Gute Jemandes. Am greifbarsten tritt das
hervor in der Überspannung des Wertes der reinen Theorie. Auch kann man nicht sagen, daß nach Aristoteles
das Gute in der Gesinnung liege; es liegt im Charakter, in der bleibenden Willensbeschaffenheit, aber nicht sofern sie auf dem
Bewußtsein eines Princips so zu handeln beruht; sein Ideal ist, daß das Wollen des Guten zur andern Natur
werde und keines Grundsatzes mehr bedürfe. Die besondere Tugendlehre, die auf dem Begriff des gesunden Mittelmaßes beruht,
ist dadurch wenig tief begründet. - Von der natürlichen wie sittlichen Notwendigkeit des Staatslebens hat Aristoteles das
stärkste Bewußtsein, auch hält er die sittliche Zweckbestimmung des Staates ziemlich in Platos Sinn fest.
Im übrigen schließt er sich enger an die nationalen Formen des griech. Staatslebens an, rechtfertigt
das Sklaventum, die Ehe, das Privateigentum, gesteht auch der individuellen Freiheit weit mehr zu als Plato. Übrigens ist seine
Staatslehre ebenso aristokratisch zugespitzt wie die Platonische. Der Zweck des Staates liegt in der Tüchtigkeit
der Bürger, zuletzt aber in der Pflege der Wissenschaft. Die Erziehung wird wie bei Plato ganz verstaatlicht. - Wertvoll ist
auch die Poetik und Rhetorik des Aristoteles. Die Universalität seines Geistes nötigt auch dem Gegner die allerhöchste Verwunderung
ab.
Die geschichtliche Fortentwicklung der ist von einer ungeheuren Ausdehnung
[* 22] gewesen. Im Altertum zwar
tritt ihr Einfluß außerhalb der Peripatetischen Philosophie (s. d.) nicht sehr hervor; erst der Neuplatonismus, zu dessen
Hauptlehrsätzen die Identität der Aristotelischen
mit der Platonischen Philosophie gehörte, erhob den Aristoteles zur unantastbare
Autorität und beteiligte sich mit großem Eifer an der von den Peripatetikern selbst (wie namentlich
Alexander von Aphrodisias) schon in weitem Umfang gepflegten Auslegung des Aristoteles; während gleichzeitig die älteste christl.
Philosophie wenigstens das Aristotelische
«Organon» übernahm und festhielt.
Etwa seit dem 8. Jahrh. n. Chr. beschäftigte sich die arab. Philosophie eifrigst mit Aristoteles; die Häupter dieses arab. Aristotelismus sind Avicenna und Averrhoes. Nicht minder fußt die jüd. Philosophie des Mittelalters in ihrer orthodoxern Richtung (Gabirol, Maimonides) auf Aristoteles fast mehr als auf den Neuplatonikern. Im christl. Abendlande waren es zuerst die Übersetzungen und Kommentare des Boethius (s. d.), die einen Teil der logischen Lehren [* 23] des Aristoteles verbreiteten; doch war die Kenntnis seiner gesamten Philosophie eine sehr dürftige, bis seit dem Ende des 12. Jahrh. das Abendland mit den arab. Bearbeitungen des Aristoteles bekannt wurde.
Seit dem 13. Jahrh. wurde seine Autorität seitens der röm. Kirche in allen Fragen weltlicher Wissenschaft anerkannt und bald alleinherrschend; doch kannte man Aristoteles wesentlich in der Gestalt, die er durch die Araber erhalten hatte. Die vollendetste Synthese des Aristotelismus mit der Kirchenlehre vollbrachte Thomas von Aquino, dessen System daher von der kath. Kirche als offizielle Philosophie behauptet wurde und in neuester Zeit mit erneuter Energie behauptet wird.
In den folgenden Jahrhunderten geriet zwar der Aristotelismus mit der Kirchenlehre vielfach in Konflikt, blieb aber dennoch von fast ungeschwächtem Einfluß, und selbst die Renaissancezeit, so sehr sie sich gegen die Scholastik in Opposition befand, führte doch zugleich zu einer Erneuerung der echten, aus den Quellen geschöpften peripatetischen Lehre. Erst Galilei und Descartes machten in der Naturwissenschaft und freiern Philosophie der Herrschaft des Aristoteles ein Ende.
Doch blieb nicht bloß die kath. Kirche bei dem scholastischen Aristotelismus unverändert stehen, sondern auch Melanchthon führte auf den prot. Universitäten Deutschlands [* 24] den Aristoteles in mäßig modernisierter Gestalt wieder ein; noch auf die Philosophie Wolffs im 18. Jahrh. übte er einen großen Einfluß, und erst seit Kant ist er auch in der Philosophie gründlich überwunden, obgleich es noch immer, selbst außerhalb der kath. Restauration, nicht wenige giebt, denen Aristoteles «der» Philosoph ist. Die ¶
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, s. Stoiker. - Summisten.
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Bildende Künste: Allgemeines. Antike. Baukunst
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Quellen, Literatur
Band - Seite | Artikel | Autor | Titel | Ausgabe |
---|---|---|---|---|
1.820 | AristotelischePhilosophie | Brandis | Übersicht über das AristotelischeLehrgebäude | ("Geschichte der griechisch-römischen Philosophie", Bd. 3, Abteil. 1, Berl. 1860) |
51.882 | AristotelischePhilosophie | Bonitz | AristotelischeStudien | (Heft 1-5, Wien 1862-67) |
1.820 | AristotelischePhilosophie | Biese | Die Philosophie des Aristoteles | (Berl. 1835-42, 2 Bde.) |
51.882 | AristotelischePhilosophie | Zeller | Philosophie der Griechen, Tl. 2, Abteil. 2 | (3. Aufl., Lpz. 1879) |
1.820 | AristotelischePhilosophie | Schwegler | Geschichte der griechischen Philosophie | (3. Aufl., Freiburg 1881) |
51.882 | AristotelischePhilosophie | Weiteres bei Überweg | Grundriß der Geschichte der Philosophie, Bd. 1 | (7. Aufl., Berl. 1886) |
51.882 | AristotelischePhilosophie | Brandis | Aristoteles | (Berl. 1853-57): |
51.882 | AristotelischePhilosophie | Kappes | Aristoteles-Lexikon | (Paderb. 1894) |
51.882 | AristotelischePhilosophie | Grote | Aristotle | (2 Bde., Lond. 1872; 2. Aufl. 1880) |
51.882 | AristotelischePhilosophie | Prantl | Geschichte der Logik im Abendlande, Bd. 1 | (Lpz. 1855) |
51.882 | AristotelischePhilosophie | Grant | Aristoteles | (deutsch von Imelmann, Berl. 1878) |
51.882 | AristotelischePhilosophie | Lewes | Aristotle | (Lond. 1864; deutsch von Carus, Lpz. 1865) |
51.882 | AristotelischePhilosophie | Heyder | Kritische Darstellung und Vergleichung der Aristotelischen und Hegelschen Dialektik, Bd. 1, Abteil. 1 | (Erlangen 1845) |
66.345 | Villeneuve | Auch bearbeitete er die Kantsche Philosophie als | "Philosophie de Kant, ou principes fondamentaux de la philosophie transcendentale" | (2 Bde., Metz 1802) |
60.239 | Katharsis | Geyer | Die aristotelischeK., erklärt | (Lpz. 1860) |
1.817 | Aristoteles | Bonitz | AristotelischeStudien | (Wien 1862-66, 4 Bde.) |
10.725 | Lessing | Gottschlich | Lessings aristotelischeStudien | (Berl. 1876) |
1.817 | Aristoteles | Eberhard | Die AristotelischeDefinition der Seele | (Berl. 1868) |
1.817 | Aristoteles | Teichmüller | Aristotelische Forschungen | (Halle 1867-69, 2 Bde.; die Poetik und Kunstlehre betreffend) |
63.101 | Philosophie | Cousin | Histoire générale de la philosophie | (11. Aufl., Par., 1893) |
58.369 | Griechische Philosophie | Zeller | Die Philosophie der Griechen | (3 Tle., 5. Aufl., Lpz. 1892 fg.) |
59.798 | Italienische Philosophie | L. Ferri | Essai sur l'histoire de la philosophie en Italie au 19^{e} siècle | (2 Bde., Par. 1869) |
57.187 | Französische Philosophie | . | Essai sur l'histoire de la philosophie en France au XIX^{e} siècle | (2 Bde., ebd. 1846) |
16.34 | Vahlen | "Aristotelische Aufsätze" | (Wien 1872-1874, 3 Tle.) | |
66.154 | Vahlen | "Aristotelische Aufsätze" | (3 Hefte, ebd. 1872-74) | |
15.124 | Spengel | "Aristotelische Studien" | (Münch. 1864-68, 4 Tle.) | |
57.187 | Französische Philosophie | Damiron | Mémoires pour servir à l'histoire de la philosophie au XVIII^{e} siècle | (3 Bde., Par. 1858-64) |
3.196 | Bonitz | "Aristotelische Studien" | (1862-67, 5 Tle.) | |
2.774 | Bernays | "Zwei Abhandlungen über die Aristotelische Theorie des Dramas" | (das. 1880) | |
52.831 | Bernays | "Zwei Abhandlungen über die Aristotelische Theorie des Dramas" | (ebd. 1880) |
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