[* ] Republik (Republica Argentina) früher Vereinigte Staaten des Rio de la Plata; hierzu
die Karte »Argentinische Republik,
[* ] Bolivia, Chile etc.«),
ein südamerikan. Staatenbund, der sich aus den südlichen Teilen des
ehemaligen spanischen Vizekönigreichs La Plata gebildet hat. Das Gebiet desselben erstreckt sich von 22° südl. Br. bis zur
Südspitze des Kontinents und von 56 bis 69½° westl. L. und grenzt im O. an den Atlantischen Ozean, an
Uruguay und Brasilien, im N. an Paraguay und Bolivia, im W. an Chile, im ganz schmalen Süden an das chilenische Patagonien und das
südliche Polarmeer. Nachdem durch einen 1881 mit Chile abgeschlossenen Grenzvertrag der östlich von den Anden belegene Teil
von Patagonien und die östliche Hälfte des Feuerlands mit der Staateninsel argentinisches Gebiet geworden
sind, beziffert sich das Gesamtareal nach offizieller Angabe auf 3,919,856 qkm (nach Behm und Wagner 2,835,970, nach Burmeister
2,495,960 qkm). Argentinische zerfällt in 14 Provinzen und 4 Territorien, auf welche sich Areal und Bevölkerung verteilen wie folgt:
Provinzen
Areal in QKilometer
Bewohner
nach Behm u. Wagner
offiziell
1882
Buenos Ayres
198104
215264
907000
Santa Fé
99713
117259
187000
Entre Rios
66974
113789
188000
Corrientes
58022
125265
204000
Cordova
143912
217019
320000
San Luis
60674
126890
76000
Santiago
80403
108933
158000
Mendoza
88193
155745
99000
San Juan
86204
103998
91000
Rioja
89685
110786
87000
Catamarca
109247
242309
102000
Tucuman
31166
62259
178000
Salta
84215
155847
167000
Jujuy
62332
93905
66000
Territorien:
Gran Chaco
325422
539968
45000
Misiones
61337
53996
22000
Pampas
497331
431974
21000
Patagonien
693035
944650
24000
Zusammen
2835970
3919856
2942000
[Physische Verhältnisse.]
Der Bodengestaltung nach ist der westliche Teil des Gebiets gebirgig, indem hier die Kordilleren, die
auf ihren höhern Piks ewigen Schnee tragen, die Grenze gegen Chile bilden. Östlich daran stößt ein Hochland, dessen Breite
allmählich
Maßstab 1:12.000000
Die Schweiz im Maßstab der Hauptkarte.
Zum
Artikel »Argentinische Republik«.
mehr
gegen S. abnimmt; es besteht, soweit es erforscht ist, aus ausgedehnten, bis auf oasenartig zerstreute und bewässerte Stellen
großenteils wüsten Ebenen, die von hohen, bis in die Schneeregion reichenden Gebirgsketten (Sierra de Famatina, Piks Palo, de
Gualampaja, von Tucuman und Catamarca) durchzogen werden, und geht nördlich in das Hochland von Bolivia
über. Die Sierra de Cordova und die Sierra de San Luis im SO. liegen getrennt davon und von Ebenen umgeben. Den charakteristischen
Hauptzug des Gebiets bilden große Tiefebenen, die sich nach dem Atlantischen Ozean hin immer mehr verflachen.
Diese weit ausgedehnten Flächen (Pampas), wahre Steppen mit Mangel an Wasser, trocknem Sandboden und vielen
Salz- und Salpeterstrichen, erstrecken sich zwischen dem Atlantischen Ozean, dem Rio Dolce und dem Colorado und noch weiter bis
nach Patagonien hinein bei einer Ausdehnung von 1100 km in die Länge und 670 km in die Breite. Zum Teil sind sie mit Klee und
Disteln bewachsen, die eine Höhe von 3-3,5 m erreichen und im Sommer einen undurchdringlichen Wald bilden;
zum Teil bringen sie bloß Gras hervor.
Gegen die Abhänge der Kordilleren hin sind große Striche mit niedrigen Bäumen und Sträuchern bewachsen, ein nicht geringer
Teil ist öde und wüst. Doch gibt es in den La Plata-Staaten auch sehr fruchtbare Gegenden, namentlich
auf der Ostseite des Parana und in den Gebirgsstrichen des nordwestlichen Teils, wo eine reiche, üppige Vegetation herrscht.
So zieht sich westlich vom Rio Salado eine von NW. nach SO. abfallende Ebene hin, deren nördlicher, mehr hügeliger Teil, die
Ebene von Tucuman, einer der schönsten und fruchtbarsten Landstriche Südamerikas ist, während die südlich
davon gelegene Strecke zwischen dem Rio Salado und dem Rio Dulce bis zum Parana hin eine fast vegetationslose Wüste bildet. Westlich
davon breitet sich bis zum Fuß der Anden eine heiße Salzsteppe aus, Las Salinas genannt, welche außer Salz und Salzpflanzen
fast nichts hervorbringt und, obgleich 1100 km vom Meer entfernt, kaum 700 m über dessen Spiegel liegt.
In geognostischer Hinsicht sind Sandsteine und Konglomerate die häufigsten Gebilde, auf welche man in den La Plata-Staaten stößt.
Dieselben gehören namentlich der kambrischen und silurischen Formation, dem Rät, der Jura- und ganz besonders
der Tertiärformation an, welche einen ungeheuern Flächenraum einnimmt. Zu den Sandsteinen gesellen sich lockere Sande, Mergel
und Kalksteine, welche zahllose charakteristische Petrefakten umschließen. In fast ununterbrochener Entwickelung aber breitet
sich über diesen ältern Schichten vom Atlantischen Ozean bis an den Fuß der Kordilleren eine Lehmdecke aus, welche, ihrer
Bildung nach der Diluvialzeit entstammend, nach dem Vorgang von d'Orbigny als Pampasformation bezeichnet
wird (s. Pampas). Der gegenwärtigen Periode der Erdgeschichte endlich gehören die Meeresablagerungen und Flußablagerungen
an der Küste, die mächtigen Geröllansammlungen an den Gehängen und am Fuß der Gebirge sowie endlich die Salzlager der Salinas
an. Das Zentralbergland enthält Granit, Gneis und Glimmerschiefer, auch Kalksteine und Trachyt; das Gebirgsland
im NW. gehört der primären Formationsreihe an.
Die Hauptflüsse des Landes sind der Parana, Paraguay und Uruguay, welche den La Plata bilden, und die westlichen Nebenflüsse
der beiden erstern: Rio Pilcomayo, Rio Vermejo, Rio Salado und Rio Tercero. Vom Standpunkt ihrer Benutzung
betrachtet, zeigen dieselben drei hinderliche
Eigenschaften, denn alle haben ein breites und deshalb flaches Bett, sind wasserarm
und beschreiben zahlreiche Windungen während ihres Laufs durch die Ebene. Andre verlieren sich, ohne den Hauptstrom zu erreichen,
in Lagunen, z. B. der Rio Dolce in die große Laguna de los Porongos, und auch die von den Abhängen der
südlichen Kordilleren kommenden Flüsse fallen in große, durch Kanäle verbundene Salzseen (Guanacache, Silvero, Bebedero,
Laguna Amarga u. a.). Von geringerer Bedeutung sind die gegen O. und SO.
dem Ozean zuströmenden Flüsse Rio Colorado (Gobu Leubu) und Rio Negro (Curru Leubu).
Das Klima ist in dem so weit von N. nach S. ausgedehnten Land natürlich verschieden, im allgemeinen
aber gesund. In den nordöstlichsten Teilen herrscht das Tropenklima; die Regenzeit fällt hier in die Sommerzeit, während
der Winter ganz regenlos ist. Die südlichsten Striche reichen bereits in die antarktische Zone; in der Küstenregion herrscht
ein mildes Küstenklima mit verhältnismäßig geringen Temperaturwechseln. Im Mittel entspricht das Klima
dem des südlichen Europa.
Buenos Ayres hat bei einer mittlern Jahrestemperatur von 17,2° C. eine Julitemperatur von
10,4 und eine Januarwärme von 24,3° C. Regen ist im ganzen im Frühling am häufigsten, im Winter am seltensten; die mittlere
Regenmenge beträgt bei Buenos Ayres jährlich 870 mm. Schnee fällt sehr selten, und wenn es drei oder
vier Tage nacheinander friert, so heißt der Winter streng. Die Winde sind heftiger als in den nördlichen Gegenden, besonders
häufig wehen die heißen Nordwinde (Viento Norte, Zonda). Die von den Kordilleren über die Pampas streichenden Südwestwinde
(Pamperos) treten zwar nicht selten als furchtbare Orkane auf, kühlen aber die Luft ab und üben einen wohlthätigen Einfluß
auf die Gesundheit. In den Gebirgen wechselt das Klima nach der Erhebung.
Das Tierreich ist charakterisiert durch die ungeheure Menge von Rindvieh, Pferden und Schafen, welche die Pampas auf ihren unermeßlichen
Grasflächen ernähren, von Maultieren und andern europäischen Haustieren; an einheimischen Tieren durch viele Nagetiere (namentlich
die Viscacha und Meerschweinchen), dagegen weniger durch Raubtiere (darunter der Jaguar im O. und der Kuguar mehr im S., W. und
NW. des Landes), einige Wiederkäuer (wie das Guanako), einige Pachydermen und Phoken, mancherlei Geflügel
(besonders viele Schwäne und Rebhühner, die in den Pampas sehr häufig sind), südamerikanische Strauße, den Kondor und andre
Raubvögel, Papageien (Lori), Fische, Bienen, Ameisen, Schlangen etc. Aus dem Pflanzenreich sind als Hauptprodukte hervorzuheben:
europäische Getreide- und Gemüsearten, Kartoffeln, Melonen und Kürbisse, Flachs, Hanf, Bataten, Obst, Pfirsiche, edle Südfrüchte,
Oliven, Wein in den Thälern der Gebirgsgegenden, Mimosen, Kaktusarten etc. In einigen Gegenden finden sich
große Waldungen, in andern ist Mangel an Baumwuchs; so gibt es in den eigentlichen Pampas, südlich vom La Plata nach Patagonien
hin, außer an den Flüssen weder Baum noch Strauch. An Mineralien ist das Land ungemein reich. In den gebirgigen
Teilen finden sich Gold und Silber (namentlich in den Provinzen Cordova, San Luis, Rioja, San Juan, Mendoza, Catamarca), viel Kupfer
(besonders in Catamarca), Eisen (in San Juan), Blei und Nickel, in den Ebenen Salpeter, viel Koch- und Natronsalz, teils in Salzseen
und Sümpfen (Salinas), teils in dem Boden der Pampas. Steinkohlen sind allerdings im
mehr
argentinischen Territorium nachgewiesen, doch ist ihre Abbauwürdigkeit noch nicht sichergestellt.
[Bevölkerung.]
Die Zahl der Einwohner wurde 1882 offiziell auf 2,942,000 Seelen geschätzt (inkl. Patagoniens), ohne die unabhängigen
Indianer, deren Zahl nur gegen 90,000 betragen soll; die Zählung von 1869 ergab für die 14 Provinzen und die 3 Territorien
1,812,490 Seelen. Die Bevölkerung besteht aus Weißen, meist von romanischer Abkunft, Kreolen, Mestizen,
Mulatten, wenigen Negern und sowohl zivilisierten und zum Christentum bekehrten als auch freien Indianern, welche vorzüglich
in Chaco und in den Pampas leben und öfters feindliche Einfälle in die angrenzenden Distrikte machen.
Die Gauchos, welche als Viehhirten in den Pampas leben, sind aus der Vermischung der Spanier mit Indianerinnen
entstanden. Die Indianer zerfallen in die nördlichen, die zu der großen brasilisch-guayanischen Gruppe gehören, und die
südlichen, die von den Kolonisten gefürchteten sogen. Pampasindianer, die den Araukanern Chiles stammverwandt sind. Das Element
der Weißen ist im letzten Jahrzehnt durch Einwanderer bedeutend verstärkt worden. Die 419,000 Fremden
verteilten sich 1880 nach dem Heimatsland in folgender Weise: Italien 154,000, Spanien 73,200, Frankreich 69,400, Großbritannien
und Irland 23,000, Schweiz 12,100, Deutschland 10,000 etc. Diese Einwanderung, welche von der Regierung als für die Zukunft des
Landes von größter Wichtigkeit auf alle Weise begünstigt wird, betrug 1863-67 durchschnittlich 14,000
Köpfe, 1870: 39,667, 1873: 76,332, 1874: 68,277, 1875: 42,066, 1876: 30,965, 1877: 28,798, 1878: 35,876, 1879: 50,205,
1880: 41,615, 1881: 47,489, 1882: 59,843 und 1883: 73,210 Köpfe. Von diesen Einwanderern befinden sich die den romanischen
Nationen angehörigen meist in untergeordneten oder unselbständigen Stellungen. Dagegen sind die Deutschen,
Engländer und Schweizer Großhändler, Handwerker, Ackerbauer. Die Auswanderung stieg 1875 auf 21,578, ist 1877 auf 12,630 zurückgegangen,
dann aber wieder gestiegen und belief sich 1880 auf 25,311 und 1881 auf 22,374 Personen.
[Erwerbszweige.]
Die ist argentinische Republikist einer der wenigen südamerikanischen Staaten, in welchen sich feste und geordnete Zustände
zu bilden begonnen haben, und die in einer gedeihlichen Entwickelung begriffen sind. Unter den Erwerbszweigen der Einwohner
wird der Feldbau in jährlich zunehmendem Maß betrieben, so daß seit 1877 an die Stelle der Einfuhr eine Ausfuhr (1883 für
4,724,511 Pesos) getreten ist. Diese Ausfuhr besteht in Weizen, Mais, Mehl und Leinsamen und geht nicht allein
nach Brasilien, auch schon nach Europa. Am meisten werden Mais (bis 2500 m Höhe, in den niedrigen Landstrichen oft mit 200-300fältigem
Ertrag) und Weizen (bis 2800 m Höhe) gebaut, Maniok und Reis nur in einzelnen Gegenden; von Gartengewächsen zieht man besonders
Gurken, Melonen und spanischen Pfeffer. In Tucuman, Salta, Jujuy und Santiago gedeiht das Zuckerrohr vortrefflich,
in Salta, Corrientes, im Chaco und im Missionsgebiet die Baumwollstaude.
Wein wird bereits jetzt in ausgedehnten Gebieten produziert und dürfte in der Zukunft eine große Wichtigkeit erlangen.
Der Obstbau hat seinen Hauptsitz in den Provinzen Mendoza, San Juan, Rioja und Tucuman;
hier gedeihen besonders
Feigen, Oliven und Südfrüchte;
Quitten und Granatäpfel gibt es, die Pampas ausgenommen, überall;
auch zieht man viel europäisches
Obst. In Tucuman, Corrientes etc. baut man Tabak;
Santiago liefert Indigo und Kochenille.
Die Waldprodukte sind
bis jetzt von keiner
Bedeutung. Unter den zahlreichen neuentstandenen Ackerbaukolonien, deren man 1880: 69 mit 58,000 Bewohnern
zählte, sind die von Schweizern, Deutschen und Engländern gebildeten Ansiedelungen (z. B. Esperanza, nordwestlich von Santa Fé,
Baradero und San Pedro am Parana, Belleville oder Frayle muerto in Cordova) am blühendsten;
ein Vordringen der Kolonisten nach
den äußersten Grenzen wird bis jetzt noch durch die Indianereinfälle verhindert.
Ungleich größere
Bedeutung als der Landbau besitzt die Viehzucht, der die Naturverhältnisse des Landes außerordentlich günstig sind, und auf
der noch gegenwärtig hauptsächlich der Nationalwohlstand des Landes beruht. Zur Zeit der Entdeckung desselben hatten die
Eingebornen, namentlich in den Kordilleren, kein andres Haustier als das Lama oder Guanako. Mendoza führte 1536 das
Pferd ein;
1550 kamen die Ziege und das Schaf aus Peru herüber;
endlich 1553 wurde auch Rindvieh aus den brasilischen Küstenländern
nach La Plata gebracht;
es waren acht Kühe nebst einem Stier.
Diese Rasse, eine südspanische, hat sich merkwürdig konstant
erhalten. Die Herden bringen das ganze Jahr im Freien zu und sind, unter Aufsicht von berittenen Hirten,
an den Aufenthalt auf dem Terrain ihrer Estancia (Viehgut) gewöhnt. Fast sämtliche Rinder (1882: 14,206,499) sind gegenwärtig
mit der Brandmarke ihres Besitzers versehen, und herrenloses Rindvieh kommt kaum mehr vor. Es gibt Estancias mit 12-20 und
mehr Tausend Rindern. Die Hauptnutzung des Rindviehs besteht außer für den großen eignen Bedarf im Verkauf
von Schlachtvieh für den Konsum der Städte und für die Saladeros, die großen Schlachthäuser, in denen alle Teile des Viehs
zum Export verwertet werden.
Die Ausfuhr von Rinderhäuten hat bedeutend abgenommen, eine Folge des Aufschwungs der einheimischen Gerbereien;
doch wurden 1883 immer noch gegen 2 Mill. Stück exportiert. Neben der Rindviehzucht wird die Pferdezucht stark betrieben.
Das argentinische Pferd ist klein und von grobem Bau, aber gelehrig, schnell, sehr ausdauernd und steht allgemein im Gebrauch;
wild kommt es ebenfalls nur noch in kleinen Trupps im S. vor. Die Herden bestehen zumeist aus Stuten (zur
Züchtung) und aus jungen Pferden, die im 3. oder 4. Jahr mit dem Lasso eingefangen und zugeritten werden.
Von den Stuten werden viele um ihrer Haut und ihres Fettes willen getötet, aus dem man ein Brennöl (Potro) bereitet. Die
Zahl sämtlicher Pferde beträgt nahezu 4 Mill., die der ausgeführten Häute 1883: 259,367 Stück, dazu
1,535,247 kg Pferdehaare. Die Maultierzucht ist hauptsächlich in den bergigen Gegenden (in den Provinzen Mendoza, Cordova, Tucuman)
bedeutend, wo sie einen Haupterwerbszweig ausmacht. Die Tiere werden in ganzen Herden nach Chile und Peru geführt.
Man gebraucht die Esel fast ausschließlich zu dieser Zucht. Die Zahl der Esel und Maulesel beläuft sich
auf etwa 200,000. Die Schafzucht treibt man erst seit neuerer Zeit (besonders seit Einführung von französischen Merinos
und neuerdings von feinwolligen Schafen aus Deutschland) mit größerm Eifer und mit solchem Erfolg, daß sie schon jetzt weitaus
den Hauptzweig der volkswirtschaftlichen Thätigkeit des Landes bildet. Die Wolle ist fein, aber nur von
mittlerer Stärke und, weil mit den stachligen Früchten einer sehr häufigen Pampaspflanze vermischt, schwer zu reinigen.
Die Reinigung geschieht gewöhnlich in Europa. Der Wollexport, welcher 1853 etwa 8 Mill. kg betrug, hatte 1883: 118,403,668
kg erreicht, wovon ein äußerst
mehr
beträchtlicher Teil nach Deutschland ausgeführt wird. Die Zahl der Schafe betrug 1882: 72,683,045, davon 57,838,073 in der
Provinz Buenos Ayres. Die außerordentliche Vermehrung des Viehstands liegt in der Veredelung der Rassen und der damit Hand in
Hand gehenden Verringerung der Abschlachtungen, daher auch der Export von Talg auf weniger als die Hälfte
zurückging (1883: 15,814,636 kg). Auch Ziegen werden in einigen Teilen häufig (nahezu 3 Mill. Stück), von Schweinen 1882 nur
266,583 gezogen.
Der Bergbau ist durch die Revolution sehr in Verfall geraten, und seinem Aufblühen stehen mancherlei Hindernisse entgegen.
Der große Reichtum an Metallen hat zwar schon seit längerer Zeit einen ziemlich regen Bergbau auf Gold,
Silber, Kupfer, Blei und Nickel entstehen lassen; indessen hat derselbe noch bei weitem nicht die Ausdehnung und Bedeutung gewonnen,
welche ihm angesichts der vorhandenen, zum Teil außerordentlich reichen Erze gebühren. In neuester Zeit ist jedoch durch
englisches Kapital ein regeres Leben in den Bergwerksbetrieb gekommen. Die Ausbeute an Gold beträgt gegenwärtig
aber nur 90,000, die an Silber 50-60,000 Pesos, die aller Mineralien und Metalle 600,000 Pesos im Jahr. Die neuentdeckten Kohlenfelder
werden nur in kleinem Maßstab abgebaut.
Von einer eigentlichen Industrie kann noch kaum die Rede sein. Seit 1876 befindet sich ein Schutzzollgesetz
in Kraft, das zum Zweck hat, die in Argentinien vorhandenen Anfänge einer einheimischen Industrie zu stärken und zu fördern.
Am bedeutendsten ist die schon erwähnte Zubereitung der Viehzuchtprodukte für die Ausfuhr in den Saladeros, von denen acht
in Entre Rios Einrichtungen mit einem Gesamtaufwand von 6 Mill. Pesos getroffen haben, so daß sie jährlich
480,000 Stück Rindvieh schlachten können.
Der Exportwert von Vieh und Fleisch beziffert sich jetzt jährlich auf 4,9-5,2 Mill. Pesos. Ein großer Teil des Exports, bei
dem seit kurzem die Verschiffung lebender Rinder und Schafe eine große Rolle spielt, geht nach Europa, das gesalzene und getrocknete
Fleisch aber (tasajo und charque) meist nach Westindien und Brasilien, wo es ein Hauptnahrungsmittel der
Arbeiterbevölkerung bildet. Alle übrigen Industriezweige werden nur im kleinen und gewöhnlich nur für den Bedarf betrieben;
von schnell zunehmender Bedeutung sind die Gerbereien (in Tucuman), die Zuckersiedereien, in neuester Zeit Brauereien, die Bereitung
von getrockneten Früchten, Wein, Branntwein etc. -
Der Handel war zur Zeit der spanischen Herrschaft sehr beschränkt und selbst der mit Peru durch schwere Zölle belastet; erst 1778 wurde
der Handel mit dem Mutterland freigegeben. Seit der Unabhängigkeit der La Plata-Staaten von der spanischen Herrschaft dürfen
alle Völker am Handel teilnehmen, und seitdem hat sich derselbe, besonders der Seehandel, außerordentlich
gehoben. Letzterer konzentriert sich in Buenos Ayres, dem Hauptstapelplatz des Landes; doch haben neben demselben auch andre
Hafenorte, wie Rosario, Corrientes, San Nicolas, Gualeguaychu etc., direkten überseeischen Verkehr, und man berechnet die Summe
der Handelsbewegung dieser kleinern Häfen auf etwa 30 Proz. von jener der
Hauptstadt.
Die Hauptartikel der Ausfuhr sind die bereits genannten, aus Viehzucht, Ackerbau und Bergbau gewonnenen Produkte, zu denen noch
Knochen, Hörner, Straußfedern, Hirschfelle u. a. kommen. Eingeführt werden aus England Baumwollwaren, sodann Woll-, Seiden-
und Leinenwaren, Eisen und Eisenwaren, Kleidungsstücke, Bier, Glas- und Porzellanwaren;
aus Frankreich besonders Spirituosen,
Woll- und Seidengewebe, Kurzwaren, Parfümerien und Gebrauchsgegenstände;
aus
Deutschland: Woll- und Baumwollzeuge,
Eisenwaren und andre Fabrikate;
außerdem Zucker (roh aus Brasilien, raffiniert aus Belgien etc.), Maté-Thee (aus Paraguay und
Brasilien), Wein (besonders aus Spanien), Tabak, Holz und Mehl (aus Nordamerika), Papier, Steinkohlen etc. Zu Lande geht der Handel
vorzugsweise nach Chile und Bolivia, dann nach Paraguay und Brasilien;
über die Kordilleren werden die Waren
teils in schwerfälligen, mit Ochsen bespannten Wagen, teils auf Maultieren und Eseln geschafft.
Die Hauptwege nach Chile sind
der Paß von Uspallata und der Portillopaß, der aber nur im Sommer benutzt werden kann. Die gesamte Einfuhr ward 1883 zu
80,4 Mill., die Ausfuhr zu 60,2 Mill. Pesos fuertes berechnet, während sich noch 1862 die erstere auf nur 16,60 Mill., die
letztere auf 10,17 Mill. Pesos fuertes belief. Die Hauptverkehrsländer waren dabei in folgender Weise beteiligt:
Einfuhr
Ausfuhr
England
30.7 Mill. Pesos
5.9 Mill. Pesos
Frankreich
15.4 - -
21.0 - -
Belgien
3.3 - -
12.1 - -
Deutschland
7.0 - -
4.8 - -
Vereinigte Staaten
4.9 - -
3.5 - -
Italien
3.5 - -
1.6 - -
Spanien
3.8 - -
1.3 - -
Außerdem Brasilien, Uruguay, Paraguay, die Antillen. Ein großer Teil des deutschen Handels wird durch Belgien,
England und Frankreich vermittelt. Die Zahl der in sämtlichen argentinischen Häfen eingelaufenen Schiffe betrug 7071 mit 1,954,088
Ton., davon 3626 Dampfer mit 1,437,018 T.; es liefen aus 5435 Schiffe mit 1,742,325 T., davon 3172 Dampfer mit 1,318,200 T. Der
Handel im Land selbst hat sich ebenfalls bedeutend gehoben, seit regelmäßige Dampfbootlinien auf
den großen Strömen eingerichtet sind (1882 waren im binnenländischen Stromverkehr 43,934 Schiffe mit 3,628,804 T. thätig)
und zugleich die Herstellung von Straßen und Brücken im Innern ernstlich in Angriff genommen wird.
Auch der Bau von Eisenbahnen wird eifrig betrieben; im Juli 1884 waren bereits 3910 km in Betrieb. Die
Hauptlinien sind von Buenos Ayres nach Altamiramo, Azul, Bahia Blanca, Dolores und Tandil 1016 km und nach Lobos, Ferrari und Temperley
691, von Rosario nach Cordova 396, von Villa Maria nach Mendoza 599 und von Cordova nach Tucuman 546 km. Im Bau begriffen sind 1042 km,
projektiert ist eine große Zahl von Linien, darunter die transandinische Bahn von Mendoza nach Chile, wohin der Telegraph bereits
seit 1872 reicht.
Die gesamte Telegraphenlänge betrug 1884: 15,664 km Linien und 26,036 km Drähte, im Bau begriffen waren 1660 km;
die Zahl
der Depeschen 1883: 487,726;
ein submariner Telegraph führt seit 1866 von Buenos Ayres nach Montevideo.
An Briefen wurden 1882: 9,799,210, an Drucksachen, Zeitungen etc. 15,745,797 befördert.
Als einheitliche Münze gilt seit dem
Gesetz vom der Peso nacional (25 g Silber) im Wert von 4 Mk., zu 100 Centavos; es werden geprägt 50-, 20-,
10-, 5-Centavostück ein Silber, 1 und 2-Centavos in Kupfer, und in Gold Argentinos (5 Pesos) und halbe Argentinos. Doch läuft
außerordentlich viel altes und neues Papiergeld, namentlich Scheidemünze, um, obschon seit die 1864 gegründete
Nationalbank das alleinige Recht hat, Papiergeld im Betrag von 6 Mill. Pesos auszugeben. Maße und Gewichte
sind gesetzlich die metrischen, doch bedient man sich meist noch der spanischen.
mehr
[Staatliche Verhältnisse.]
Die Verfassung, zu Santa Fé gegeben (reformiert bei der Wiedervereinigung mit Buenos Ayres
und ganz der der Vereinigten Staaten von Nordamerika nachgebildet, will den Kultus der römisch-katholischen Kirche aufrecht
erhalten wissen, obschon Freiheit des Bekenntnisses besteht; sie duldet keine Sklaverei und erkennt überhaupt
keine Bevorzugung des Bluts oder der Geburt, auch keine persönlichen Privilegien und Adelstitel an, setzt gleiche Verteilung
der Steuern und öffentlichen Lasten fest und gewährleistet Freiheit der Presse, der Association, des Unterrichts etc. Die gesetzgebende Gewalt
übt ein Kongreß, der aus zwei Kammern, einer aus den Deputierten der Nation (von 86 Mitgliedern) und einer
aus Senatoren gebildeten (von 30 Mitgliedern), besteht und alle die öffentliche Wohlfahrt betreffenden Verhältnisse regelt.
Die vollziehende Gewalt übt ein Präsident, dem ein Vizepräsident zur Seite steht. Beide müssen römisch-katholisch und
innerhalb des argentinischen Gebiets geboren oder Söhne innerhalb desselben geborner Bürger sein; sie werden
auf sechs Jahre gewählt und können erst nach Ablauf einer ebenso langen Frist wieder gewählt werden. Unter den Präsidenten
stehen Minister dem Innern, dem Auswärtigen, den Finanzen, der Justiz und dem Kriegs- und Marinewesen vor.
Ein aus fünf Richtern und einem Generalprokurator zusammengesetzter oberster Gerichtshof hat in der Hauptstadt seinen
Sitz; Bundesuntergerichte setzt der Kongreß im Gebiet der Konföderation ein. Die kirchlichen Angelegenheiten der Nation leitet
der Erzbischof von Buenos Ayres, unter dem die Bischöfe von Cordova, Cuyo (San Juan), Mendoza, Salta und Parana stehen. Die ehemals
reiche Kirche ist während der Revolution aller ihrer Güter beraubt worden; die Bischöfe und ihre Kapitel
erhalten ihre sehr mäßigen Einkünfte gegenwärtig durch den Staat (Nationalregierung), und die Pfarrer sind meist auf die
Stolgebühren und die Einkünfte aus den noch zahlreich gefeierten Kirchenfesten angewiesen.
Die verschiedenen Mönchsorden sind nur spärlich vertreten; dagegen gibt es eine Anzahl Nonnenklöster. Verschiedene Missionen
bestehen an der Indianergrenze. Dissidenten finden sich nur unter den Eingewanderten. Für Bildungszwecke
ist neuerdings viel gethan worden; es bestehen 2 Universitäten (Buenos Ayres und Cordova), 14 höhere Schulen (in jeder Provinzialhauptstadt), 1 Ingenieurschule,
Handelsschule, Kadettenhaus und Marineschule, 1 Schule für Ackerbau und 1 für Bergbau.
Außerdem existiert eine Seekadettenschule, eine Matrosenschule wird demnächst installiert werden. Die
gelehrten Gesellschaften: Academia nacional, Zoologische wie Geographische Gesellschaft, veröffentlichen Abhandlungen. Außerdem
erscheinen 153 Zeitschriften. Offizielle Sprache ist die spanische; die Eingebornen jedoch reden drei verschiedene Hauptsprachen.
Die finanzielle Lage der Republik ist keine ungünstige. In gewöhnlichen Zeiten decken die Einnahmen die Ausgaben, außerordentliche
werden durch Anleihen oder Papiergeld bestritten.
Dazu sind die Hilfsquellen des Staats in stetem Zunehmen begriffen. Während sich die Einnahmen 1863 erst auf 6,450,286 Pesos
fuertes beliefen, weist das Budget für 1883 eine Totaleinnahme von 33,770,333 Pesos (darunter 21,3 Mill. Einfuhr- und 3,6
Mill. Ausfuhrzölle) und dem gegenüber eine Totalausgabe von 34,053,484 Pesos auf. Die Staatsschuld betrug
124,112,684 Pesos, wovon 58,035,600 Pesos
auf die äußere Schuld (im wesentlichen drei englische Anleihen) und 36,530,187 Pesos
auf die innere Schuld entfallen.
Jeder einzelne Staat der Republik hat außer dem allgemeinen noch sein eignes Budget. Das Bundesmilitär zählte 1884 (offiziell) 7312 Mann,
nämlich 3704 Mann Infanterie, 2576 Mann Kavallerie und 1032 Mann Artillerie, mit im ganzen 1088 Offizieren,
darunter 28 Generale. Die Nationalgarde bestand aus 322,962 Mann. Die Kriegsflotte zählt 27 Dampf- und 12 Segelschiffe (darunter 3 Panzerfahrzeuge, 6 Kanonenboote
und 7 Torpedodampfer) mit im ganzen 55 Kanonen, 12,630 Tons Gehalt und 8865 indizierten Pferdekräften.
Die Marinedivision umfaßte 1366 Mann, das Marinebataillon 971, die Torpedodivision 137 Mann. In Zarate befindet sich ein
größeres Arsenal im Bau. Das Wappen bildet ein in zwei Felder geteilter Schild, darüber die aufgehende Sonne; im untern Feld
zwei verschlungene Hände, einen Stab mit der Freiheitsmütze haltend. Die Flagge ist blau-weiß-blau gestreift
(s. die »Flaggenkarte«). Bundeshauptstadt ist
Buenos Ayres (1884: 283,758 Einw.); sie wurde Anfang 1881 föderalisiert und zum beständigen
Sitz der Nationalregierung erklärt. Von den übrigen Städten hatten 1882: Cordova 39,651 Einw., Rosario 32,204, Tucuman 24,237,
Salta 11,716, Corrientes 11,218, Santa Fé 10,670 Einw.
Vgl. Napp, Die argentinische Republik (Buenos Ayres 1876);
Burmeister, Physische Beschreibung der Argentinischen Republik (das.
1875, Bd. 1);
von ältern Werken: Martin de Moussy, Description géographique et statistique de la conféderation Argentine
(Par. 1860-64, 3 Bde.);
Andree, Buenos Ayres und die argentinischen Provinzen (3. Aufl., Leipz. 1874);
Page, La Plata, the Argentine
Confederation etc. (neue Ausg., New York 1867);
Latham, The states of the River Plate, their industries and
commerce etc. (2. Aufl., Lond. 1868);
Mulhall, Handbook of the River Plate Republics (5. Aufl. 1885);
H. Burmeister, Reise durch
die La Plata-Staaten (Halle 1861);
Tschudi, Reisen durch Südamerika, Bd. 5 (Leipz. 1869);
Friedrich, Die La Plata-Länder (Hamb. 1884);
Zöller, Pampas und Anden (Stuttg. 1884);
speziell für Auswanderer
die Schriften von Beck-Bernard (Bern
1874 u. Leipz. 1883), Greger (Basel
1884), Latzina (Leipz. 1884). -
Karten von Petermann (Gotha 1875), Seelstrang und Tourmente (Hamb. 1879).
Geschichte.
Der spanische Reichspilot Juan Diaz de Solis kam 1515 als der erste Europäer an die Mündung des La Plata-Stroms,
der nach ihm lange Zeit Rio de Solis genannt wurde; er ward an der Küste von Eingebornen erschlagen. Magelhaens berührte die
Mündung Anfang 1520. Im J. 1527 segelte Sebastian Cabot, gleichfalls spanischer Reichspilot, den La Plata hinauf und erbaute
unter 34° südl. Br. am Parana das Fort San Espiritu, mußte aber 1528 umkehren. Pedro de Mendoza gründete
als erster Adelantado (Zivil- und Militärgouverneur) Buenos Ayres.
Der eigentliche Eroberer des La Plata-Landes ist aber Martinez de Irala, der, 1555 zum Adelantado ernannt, sowie sein Nachfolger
Ortiz de Zarate eine Ansiedelung nach der andern gründete. Juan de Garay, 1576 zum Generalkapitän ernannt,
baute 1580 das von den Indianern zerstörte Buenos Ayres wieder. Dem vierten Adelantado, Juan de Torres Vera y Aragon (1587-91),
unter welchem Corrientes (1588) gegründet ward, folgten bis 1620 zehn Gouverneure. Um 1610 begann die erfolgreiche Thätigkeit
der
mehr
Jesuiten am obern Parana, aus deren Missionen nach und nach ein merkwürdiges politisches Gemeinwesen erwuchs, welches trotz
vielfacher Anfeindung bis zum Sturz des Ordens fortbestand. Unter Philipp III. wurden 1620 die Länder südlich vom Zusammenfluß
des Parana und Paraguay als Gobierno del Rio de la Plata unter eine besondere Regierung gestellt und dann
in drei Provinzen, Tucuman, Buenos Ayres und Paraguay, geteilt. Ein drückendes Monopolsystem machte ein Gedeihen dieser Kolonien
unmöglich, und ein maßloser Schleichhandel als Folge desselben und besonders von den Portugiesen betrieben, die 1680 Buenos Ayres
gegenüber die Kolonie von Sacramento gegründet hatten, brachte die Spanier um die beabsichtigten Handelsvorteile.
Nach der gewaltsamen Vertreibung der Jesuiten verfielen ihre blühenden Niederlassungen, und die von ihnen erzogenen und bevormundeten
indianischen Insassen versanken in Elend und Verwilderung. Die Ämter waren im Alleinbesitz der Spanier, welche das Land mit
rücksichtslosem Eigennutz ausbeuteten und es verkommen ließen. Im J. 1776 wurde aus den La Plata-Ländern
ein besonderes spanisches Vizekönigreich, mit der Hauptstadt Buenos Ayres, gebildet, welches bis Feuerland herab und von den
Anden bis an die Quellen des Paraguay, Parana und Uruguay reichte, also das jetzige Bolivia, Paraguay, Uruguay und Argentinien umfaßte.
Nach Vertreibung der Portugiesen aus der Nachbarschaft (seit November 1776) nahm man ein liberales Handelssystem
an, infolge dessen besonders Buenos Ayres aufblühte. 1782 wurde das Vizekönigreich in acht Intendanzen geteilt.
Als die Engländer unter Popham infolge der spanisch-französischen Allianz, von einigen Einwohnern aufgefordert, Buenos Ayres
einnahmen, erboten sie sich, die Einwohner zu unterstützen, wenn dieselben sich von Spanien unabhängig
machen wollten. Dieses Anerbieten fand aber damals wenig Anklang, vielmehr wurden die Engländer 12. Aug. von der Bevölkerung
selbst wieder vertrieben und auch ein neuer Angriff abgeschlagen. Erst die Veränderung der Lage der Dinge in Spanien
durch die französische Invasion machte die nationale Partei der Kreolen, an deren Spitze Mariano Moreno stand,
der spanischen Herrschaft abgeneigt. Im J. 1809 schickte die spanische Zentraljunta von Sevilla an Stelle des franzosenfreundlichen
Vizekönigs Liniers einen neuen, Cisneros, nach Buenos Ayres.
Dieser regierte aber so unklug und willkürlich, daß die Einwohner von Buenos Ayres, bei denen nach und nach die
revolutionären Ideen durch die Einflüsterungen englischer Kaufleute Eingang gefunden hatten, die Einberufung eines Kongresses
verlangten, der den Vizekönig nach Europa zurückschickte. Am bildete sich unter Cornelio Saavedra eine provisorische
Junta, welche die Geschäfte leiten sollte, bis die Abgeordneten aus den Provinzen eintreffen würden. Damit war das Signal
zum Abfall von Spanien gegeben, welch letzteres alle Vermittelungsvorschläge verblendet zurückwies. Liniers ward in den Schlachten
bei Cotagaita (24. Okt.) und bei Tupiza geschlagen und bald darauf in Buenos Ayres erschossen. Im J. 1811 wurde auch
in Paraguay der spanische Gouverneur vertrieben, und die Schlachten von Tucuman und Salta
befreiten das ganze Gebiet der La Plata-Provinzen von spanischen Truppen.
Nach Auflösung der Junta
trat eine konstituierende Versammlung zusammen, um mehr Regelmäßigkeit und
Nachdruck in die Staatsverwaltung zu bringen. Doch kam es zu keiner geordneten Regierung, und keine der
berufenen obersten Behörden vermochte sich allgemeine Anerkennung zu verschaffen, da Buenos Ayres die oberste Leitung allein
an sich riß, dem aber die Provinzen widerstrebten; überhaupt machte sich der Gegensatz zwischen den europäisch gebildeten
Portenos (Einwohnern der Hauptstadt) und den rohen, halbwilden Gauchos, welche von den Resten der gotischen
(spanischen) Partei aufgereizt wurden, mehr und mehr bemerkbar. Da die Herrschsucht der Portenos den Abfall der Banda Oriental
(Uruguays) und Paraguays zur Folge hatte, auch Oberperu an die Spanier verloren ging und die Zerrüttung in den Provinzen aufs
höchste stieg, gab endlich Buenos Ayres seine Zustimmung zur Berufung einer neuen Nationalversammlung nach
Tucuman, um den Provinzen ein Zugeständnis zu machen.
Diese erklärte die Unabhängigkeit der vereinigten Provinzen des Rio de La Plata, und ward ein provisorisches
Grundgesetz bekannt gemacht. Ein nachfolgender Kongreß in Buenos Ayres gab aber eine Verfassung nach
dem Muster der nordamerikanischen. Regierungen folgten nun wieder auf Regierungen in schnellem Wechsel. In diesem Gewirr traten
besonders zwei Parteien hervor, die Unitarier oder Zentralisten, die eine starke Zentralgewalt einführen wollten, und die Föderalisten,
die für die Aufrechthaltung der Unabhängigkeit der einzelnen Provinzen waren und nur für gemeinschaftliche Interessen und
für auswärtige Verhältnisse eine Verbindung wollten. Der Parteikampf führte zu einer völligen Auflösung der La Plata-Länder
in so viele Staaten, als Provinzen waren, und ermutigte die Monarchisten zu gefährlichen Anschlägen.
Endlich vereinigte sich der Föderalist Rodriguez mit dem Unitarier Rivadavia zu einer gemeinschaftlichen Regierung, welche sich
zunächst auf Buenos Ayres beschränkte und für diese eine Volksvertretung berief, die jene
Männer in ihrem Reformwerk und in der festen Begründung der Republik wirksam unterstützte. Darauf schloß Buenos Ayres mit
den Provinzen Corrientes, Entre Rios und Santa Fé den sogen. »vierseitigen Vertrag« vom und lud die übrigen
Provinzen zu einer Offensiv- und Defensivallianz ein.
Ende Dezember 1824 trat ein neuer Generalkongreß in Buenos Ayres zusammen; die Provinzen hatten eingesehen, daß sie ohne die
Hauptstadt, welche den einzigen Hafen bildete, alle Zölle einnahm und Handel und Verkehr beherrschte, nichts bedeuteten. Die
einzelnen unter einer Union sich vereinigenden Föderativstaaten waren nun: Buenos Ayres, Entre Rios, Corrientes,
Gran Chaco (freie Indianer), Salta, Tucuman, Rioja, Santiago de Estero, Cordova, Santa Fé, San Juan della Frontera, Mendoza und San Luis.
Am bestimmte ein vorläufiges Grundgesetz die Verhältnisse der Konföderation genauer;
Buenos Ayres ward mit der
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten beauftragt.
Den Unitariern gelang es, die Konstitution vom zu
stande zu bringen, durch welche eine starke Zentralregierung eingesetzt wurde und Rivadavia als Generalkapitän von Buenos Ayres
zur Präsidentschaft der Föderation gelangte. Da aber die Unruhen im Innern fortdauerten, indem mehrere Provinzen sich weigerten,
dem
mehr
Unionssystem beizutreten, so dankte dieser schon wieder ab, der erste und einzige Präsident dieser Konstitution.
Ein Umschwung der Dinge zu gunsten der Föderalisten erfolgte 1829, als der Estanciero und Gauchoshäuptling Don Juan Manuel
de Rosas sich an ihre Spitze stellte und ihren Waffen das Übergewicht verschaffte. Ende 1829 wurde derselbe
zum Gouverneur von Buenos Ayres sowie zum Haupte der Konföderation erwählt und im August 1830 mit diktatorischer Gewalt bekleidet.
Der Krieg zwischen den Unitariern und Föderalisten endigte mit der Niederlage der erstern, welche nun gänzlich unterdrückt
wurden. Die Majorität des Repräsentantenhauses war eifrig föderalistisch und ein gefügiges Werkzeug
in der Hand des Machthabers Rosas. Die Einzelregierungen der Provinzen wurden nach dem Föderativsystem geordnet, die Finanzverhältnisse
fingen an, sich nach und nach zu bessern, und der Handel hob sich.
Nach außen wußte Rosas die Würde des Staats geschickt zu wahren. Im Innern aber artete seine Herrschaft immer mehr
in grausamen Terrorismus aus, besonders nachdem er 1835 durch die wiederholte Weigerung, die ihm angetragene Präsidentschaft
anzunehmen, es durchgesetzt hatte, daß er zum Präsidenten mit unumschränkter Vollmacht gewählt wurde. Während er nun alle
seine Gegner nach und nach zu Grunde richtete, wußte er sich auch seiner Parteigenossen zu entledigen, sobald
sie seinen Absichten in den Weg traten oder zu Macht und Ansehen gelangten.
Die Haupthebel seiner Regierung waren Kerker, Vermögenskonfiskationen, Hinrichtungen und Meuchelmord. Besonders aber war es
auf alle höher Gebildeten abgesehen, unter denen man von selbst Unitarier vermutete. Im J. 1840 organisierte Rosas die berüchtigte
Mashorkagesellschaft, die sich die Aufgabe stellte, den argentinischen Boden von den Unitariern zu säubern,
und vom Diktator allemal losgelassen ward, um zu plündern und zu morden, wenn es galt, den Gegnern Furcht und Schrecken einzujagen.
Dabei führte aber Rosas selbst ein straffes unitarisches Regiment, denn alle Provinzen mußten sich unter seine Gewalt beugen.
Aber gerade sein vollständiger Sieg bereitete ihm eine Reihe von Verlegenheiten, denen er zuletzt unterlag.
Paraguay wollte er nicht für einen unabhängigen Staat, sondern nur für eine Provinz der Argentinischen Republik gelten lassen,
weil es ebenfalls früher zu Buenos Ayres gehört habe. Auch mit Brasilien stand er auf gespanntem Fuß, weil
hier flüchtige Unitarier Aufnahme gefunden hatten. Den Hauptgegenstand des Zwistes bildete aber Uruguay, mit dessen Unabhängigkeit
es weder Brasilien noch Rosas ehrlich meinte.
Hier unterstützte er mit bewaffnetem Beistand den Präsidenten Oribe gegen seinen Rivalen Ribera, für den Frankreich und England
eintraten. Diese Mächte stellten endlich dem Diktator Rosas' ein Ultimatum, worin sie Einstellung
des Kriegs mit Uruguay und Anerkennung der Unabhängigkeit dieses Staats forderten. Die abweisende Antwort Rosas' führte zum
Krieg mit England und Frankreich, zu welch beiden Mächten sich noch Uruguay, Paraguay und Brasilien gegen Rosas gesellten.
Zunächst wurde das argentinische Geschwader vor Montevideo von dem englisch-französischen genommen.
Am 23. Sept. begann die Blockade der Häfen und Küsten von Buenos Ayres, worauf die englisch-französische Flotte den Uruguay hinaufsegelte,
um sich mit General Paz zu verbinden, der mit 5-6000 Mann in
Corrientes stand, und so gegen Oribe zu agieren. Zwar brachte Rosas mit
England und mit Frankreich einen Friedensvertrag zu stande, die beide für die argentinische Republik günstig genug waren;
indes nun fiel der Gouverneur von Entre Rios, Don Juste José de Urquiza, ein früherer Gauchoshäuptling, von Rosas ab, und unter
seiner Leitung trennten sich die Provinzen Entre Rios und Corrientes von der Argentinischen Republik. Am schlossen
die Regierung von Brasilien, der Präsident von Uruguay, Don Joaquin Suarez, und Urquiza einen geheimen Vertrag gegen Rosas und Oribe,
infolge dessen Urquiza nach Besiegung Oribes an der Spitze von 28,000 Mann den Parana überschritt.
Die Provinz Santa Fé erklärte sich für ihn, worauf Urquiza gerade auf Buenos Ayres losging. Am gerieten
die argentinischen Vortruppen, 6000 Reiter, mit der Reiterei Urquizas in Kampf, welch letztere die so gefürchtete Gauchosreiterei
im ersten Anprall niederritt. Auch die Hauptschlacht bei Monte Caceros 3. Febr., endete mit der Niederlage der
Argentiner. Rosas wartete das Ende nicht ab; er floh nach Buenos Ayres und gelangte von da auf ein englisches Schiff, das ihn
nach Europa brachte.
Der in Buenos Ayres zurückgelassene General Mancilla übergab diese Stadt, und alle Staaten fügten sich darauf der von den
Siegern eingesetzten provisorischen Regierung. An der Spitze derselben stand Vicente Lopez. Urquiza ward Oberbefehlshaber
der Argentinischen Republik und Minister des Äußern bei der provisorischen Regierung. Die von ihm zur Feststellung einer neuen
Verfassung nach Santa Fé berufenen Gouverneure der einzelnen Provinzen beschlossen, einen Verfassungsrat einzuberufen, der im
August die neue Verfassung beraten und geben sollte, und bis dahin Urquiza diktatorische Gewalt zu übertragen.
Als die Volksvertretung zu Buenos Ayres, in welcher die Unitarier die Oberhand hatten, sich widersetzte, ward sie von Urquiza 23. Juni aufgelöst.
Kaum aber hatte Urquiza Buenos Ayres verlassen, um sich nach Santa Fé zu begeben, wo die verfassunggebende Versammlung zusammenkommen
sollte, als 12. Sept. seine Anhänger in Buenos Ayres vertrieben wurden, worauf die aufgelöste Volksvertretung wieder zusammentrat
und ihrem Vorsitzenden General Pinto die vollziehende Gewalt übertrug.
Urquiza, dessen Macht zur Unterwerfung von Buenos Ayres nicht hinreichte, zog sich in die Provinz Entre Rios zurück. Der inzwischen
in Santa Fé zusammengetretene Kongreß vollendete die neue Bundesverfassung und ernannte
Urquiza zum konstitutionellen Diktator. Am legte derselbe den Eid als Präsident sämtlicher Staaten der
Argentinischen Republik ab. Am wurde in Parana, welches zum Regierungssitz erhoben ward, bis Buenos Ayres
wieder zum Bund getreten sein würde, die erste gesetzgebende Versammlung nach der neuen Verfassung eröffnet.
Mit Buenos Ayres, wo inzwischen nach Pintos Tod Pastor Obligado an die Spitze der Regierung getreten war, kam endlich ein
Vertrag zu stande, worin sich beide Regierungen gegenseitig die Unverletzlichkeit und Unteilbarkeit ihres
Gebiets gewährleisteten und sich zu gemeinschaftlicher Abwehr verpflichteten, namentlich auch gegen die Indianerstämme.
Die früher allen 13 Provinzen gemeinschaftlich gegebenen Gesetze sollten in Kraft bleiben, beide Staaten eine gemeinschaftliche
mehr
Seeflagge haben, gegenseitige Zollfreiheit bestehen und die Pässe im Namen beider Regierungen ausgefertigt werden.
Aber die Eintracht dauerte nicht lange. Als im Dezember 1855 Bevollmächtigte beider Staaten über eine größere Annäherung
verhandelten, fielen einige argentinische Flüchtlinge von Montevideo aus in Buenos Ayres ein, um die Wiedervereinigung zu
erzwingen. Die Folge hiervon war, daß der Vertrag vom von beiden Seiten für aufgehoben erklärt
wurde. Wiederholte Versuche zur Wiederanknüpfung des gelösten Bandes scheiterten, es entspann sich sogar wieder ein Kampf
zwischen der Konföderation und dem ausgeschiedenen Staat, bis infolge des für Buenos Ayres ungünstigen Treffens bei Cepeda
letzteres durch Vertrag vom sich der Argentinischen Konföderation wieder anschloß
und zum Sitz des Kongresses und der Bundesregierung bestimmt wurde.
Jedoch die Ansprüche der Hauptstadt auf die politische Suprematie und eine exzeptionelle Stellung in Bezug auf Zollgesetze
und Bundesaufgaben riefen schon 1861 einen neuen Kampf hervor, in welchem die Truppen von Buenos Ayres unter
der Führung des Generals Bartolomeo Mitre 17. Sept. bei Pavon siegten. Infolge dieses Siegs legte der damalige Präsident der Argentinischen Republik,
Santiago Derqui, seine Stelle nieder, und der Kongreß von Parana löste sich auf. Hierauf wurde Mitre im September 1862 zum Präsidenten
der Konföderation erwählt.
Buenos Ayres wurde für die nächsten fünf Jahre zum Sitz der Zentralbehörden bestimmt, aber zugleich der Fortbestand der
autonomen Stellung dieses Landes und aller seiner besondern Rechte gesichert. An innern Unruhen fehlte es der Argentinischen Republik
indes auch jetzt nicht. In mehreren Provinzen, namentlich Rioja, Santiago del Estero, San Luis, Cordova, Catamarca,
regten sich anarchische Gelüste und zogen sich teilweise auch in das Jahr 1864 hinein.
Dazu kamen Streifzüge der Indianerstämme, welche sich der Zentralregierung in Buenos Ayres nicht fügen wollten, und denen
während der vorangegangenen politischen Wirren der Mut erheblich gewachsen war. Ein weiteres Hemmnis einer
ruhigen, gedeihlichen Entwickelung bildete die schlechte Finanzlage; die nur provisorischen Festsetzungen über die Zentralgewalt
schwächten deren Ansehen, wozu noch der mißliche Umstand kam daß zwei legislative Versammlungen, die der Konföderation
und die des Staats, gleichzeitig nebeneinander in Buenos Ayres tagten.
Gleichwohl gelang es Mitre, durch Förderung der allgemeinen Wohlfahrt, durch zweckmäßige Bank- und Finanzgesetze,
Begünstigung der europäischen Einwanderung u. a. sein Ansehen zu befestigen. Nur ließ er sich ebenfalls auf eine Einmischung
in die innern Verhältnisse Uruguays ein und leistete der aufständischen Partei daselbst, den Colorados (Liberalen) unter General
Flores, wirksamen Beistand. Als darauf Truppen von Uruguay argentinisches Gebiet verletzten, verweigerte
die Regierung jede Genugthuung. In ihrem weitern Verlauf führten diese Zwistigkeiten zu einer Konstellation, welche die an argentinische Republik
die Seite Brasiliens stellte und in einen langwierigen Kampf hineinzog, dessen nächste Folge der Sturz der konservativen Regierung
in Uruguay, die Erhebung des Generals Flores zum Gouverneur der dortigen Republik und die Tripelallianz vom
Mai 1865 zwischen der Argentinischen Republik, Brasilien und Uruguay gegen den Diktator Lopez von Paraguay war.
Veranlassung zum Streit zwischen der Argentinischen Republik und
Paraguay war, daß Lopez im Interesse seines Landes nicht dulden
wollte, daß die argentinische Republik die Insel Martin-Garcia besetzt hielt und dadurch die Mündung des für den Handel
Paraguays so wichtigen La Plata ganz in seiner Gewalt hatte. Lopez, im Begriff, einen Einfall in Uruguay zu machen, verlangte die
Erlaubnis des Durchmarsches durch die argentinische Provinz Corrientes, und als dies abgeschlagen wurde, erklärte er den Krieg,
nahm zwei argentinische Dampfer weg, besetzte die Stadt Corrientes, drang mit zwei Heerhaufen
vorwärts und schlug die argentinischen Truppen zurück, sah sich aber, von drei Seiten angegriffen, bald auf die Defensive
beschränkt.
Präsident Mitre verließ Buenos Ayres, um mit seinen Truppen zu denen der beiden Alliierten zu stoßen und, obgleich
er keine strategischen Kenntnisse besaß, den Oberbefehl über die gesamten Streitkräfte zu übernehmen.
In den Schlachten am Paso de la Patria am Estero Bellaco und bei Curupaity 22. Sept. fochten die Argentiner
mit mehr Ruhm als Erfolg. Erst als Mitre Anfang 1868 den Oberbefehl niederlegte, da nach dem Tode des Vizepräsidenten
Marcos Paz seine Anwesenheit in Buenos Ayres notwendig ward, und der brasilische Marschall Caxias das Kommando über die alliierten
Truppen übernahm, wurde der Krieg planmäßiger und energischer geführt, wenngleich es auch jetzt noch mehr als zwei Jahre
brauchte, um die Entscheidung herbeizuführen. Erst 1870, nach dem Tod Lopez', war der fünfjährige Krieg
zu Ende, der definitive Friede mit Paraguay kam zu stande. Aber dieser Krieg hatte der schlecht bevölkerten Argentinischen Republik
40-50,000 Mann und 40 Mill. Doll. gekostet, ganz abgesehen von den noch zahlreichern Menschenverlusten, welche die durch den
Krieg ins Land eingeschleppte Cholera verursachte.
Mitres Amtsperiode war im Oktober 1868 abgelaufen, und wurde trotz seiner Ränke der damalige argentinische Gesandte
in Washington, Domingo Faustino Sarmiento, ein durch gründliche Bildung ausgezeichneter Mann und gemäßigter Föderalist, zum
Präsidenten gewählt. Derselbe suchte den Volksunterricht auszudehnen und zu heben, Ackerbau und Handel
zu fördern und durch Einwanderung dem Land neue Kräfte zuzuführen. Nach Ablauf der sechsjährigen Amtsperiode Sarmientos
ward 1874 Avellaneda, ebenfalls Föderalist, zum Präsidenten erwählt.
Mitre versuchte einen Aufstand, um sich an die Spitze des Staats zu bringen, wurde aber bei La Verde von den Regierungstreuen
geschlagen und gefangen genommen. Als 1880 ein neuer Präsident gewählt werden sollte und Avellaneda die
Kandidatur des Generals Roca begünstigte, erhoben sich Buenos Ayres und die Partei der Nationalisten (die alten Unitarier), denen
sich auch die Provinz Corrientes anschloß, dagegen und erklärten, sich der Wahl Rocas nicht unterwerfen zu wollen.
Als in der Hauptstadt Unruhen ausbrachen, verlegte Avellaneda seine Residenz nach Belgrano, ließ Buenos Ayres
blockieren und zwang durch wenige Gefechte im Juni die Nationalisten zur Unterwerfung, Roca wurde zum Präsidenten gewählt
und trat sein Amt an. Buenos Ayres wurde zur Hauptstadt der Republik gemacht und föderalisiert, d. h.
der Verwaltung der Nationalregierung direkt unterstellt; zum Sitz der Provinzialregierung von Buenos Ayres ward Ensenada bestimmt.
Der Streit mit Chile über die Grenze in Patagonien wurde durch Vertrag vom geschlichtet.
mehr
Vgl. Dominguez, Historia Argentina (Buenos Ayres 1861; in engl. Übersetzung, das. 1865);
Kennedy, La Plata, Brazil and Paraguay
during the present war (Lond. 1869);
L. Schneider, Der Krieg der Tripelallianz gegen die Republik Paraguay (Berl. 1871-75, 3 Bde.);
die »Revista de Buenos Ayres, Periodico mensual etc.«
[* ] Republik. Die Bevölkerung kann man mindestens zu 3 ½ Mill. Seelen annehmen, und sie vermehrt sich rasch
infolge lebhafter Einwanderung, namentlich aus Italien. 1887 kamen 142,783 Einw. an, 1888:189,993 und während der ersten vier
Monate des Jahrs 1889: 96,300. Die 3227 Volksschulen wurden 1888 von 254,608 Kindern besucht. Von der gesamten
Oberfläche waren 1888: 2,359,000 Hektar bebaut, 832,000 mit Mais, 379,000 mit Alsula oder Luzerne und 121,500 mit Zucker.
Den Viehstand schätzte man auf 22.869,000 Rinder, 4,398,000 Pferde und 70,453,000 Schafe im Gesamtwert von 369,561,000 Pesos.
Ein Zollgesetz von 1889 beseitigte alle Ausfuhrzölle und setzte ad valorem Zölle, gewöhnlich zu 25 Proz.,
auf alle Einfuhrartikel fest. Nur Werke der Kunst, Bücher, Schiffe, Steinkohlen, Pflüge, Telegraphendraht, Fische, Südfrüchte,
Tiere und Eisenbahnmaterial werden frei zugelassen. Die Einfuhr belief sich 1887 auf 117,347,000, 1888 auf 127,607,860
Pesos, die Ausfuhr bez. auf 84,419,000 und 99,556,377 Pesos, einschließlich von Edelmetallen.
Bei der Einfuhr 1888 beteiligte sich England mit 43,682,086 Pesos, bei der Ausfuhr mit 17,014,215 Pesos. 1887 kommen
von der Einfuhr 34,779,000 Pesos auf England, 22,743,000 Pesos auf Frankreich, 12,108,000 auf Deutschland und 11,004,000 auf die
Vereinigten Staaten; von der Ausfuhr gingen 17,085,000 nach England, 24,871,000 nach Frankreich, 12,111,000 nach Belgien und
9,835,000 nach Deutschland. Hauptartikel der Einfuhr waren Baumwollstoffe (9,516,613 Pesos), wollene Stoffe,
Eisenwaren, Kleider, Eisenbahnmaterial, Steinkohlen, Maschinen, Glas- und Töpferwaren. Von der Ausfuhr kamen auf Wolle (32,749,315
Pesos), Häute, Vliese, Rinder, Fleisch u. andre tierische Produkte 56,263,493 Pesos, auf Produkte des Feldbaues (Weizen, Mais) 21,068,141
Pesos. Eisenbahnen von 7706 km sind im Betrieb und 4790 km im Bau. Der Bau einer Bahn über den Uspallatapaß
nach Chile ist gesichert. Die Einnahmen der Republik betrugen 1888: 57,651,000 Pesos, die Ausgaben 50,801,000 Pesos. Die Staatsschuld
belief sich auf 343 Mill. Pesos, wovon 87 Mill. auf ausländische Gläubiger kamen und 119 Mill. keine
Zinsen tragen. Papiergeld im Betrag von 151 Mill. Pesos war im Umlauf, während das Gold etc. im Schatzamt einen Wert von 182 Mill.
Pesos hatte. Trotz dieser anscheinend günstigen Finanzlage gilt aber der Papierpeso nur 3 Mk.
Geschichte. Nach Ablauf der Amtszeit des Präsidenten Roca, welcher sechs Jahre fast unumschränkt, aber
mit Erfolg regiert und nur die Schuldenlast des Staats durch allzu viele Anleihen sehr vermehrt hatte, ging die Präsidentschaft
der Republik auf dessen Schwager Miguel Juarez Celman über, der dieselben politischen Grundsätze und Ziele hatte wie
Roca und die Regierung ganz in dessen Sinn fortführte. Auch er erstrebte vor allem eine Verstärkung der
Bundesgewalt auf Kosten der allzu großen Selbständigkeit der Provinzen, besonders der Provinz Buenos Ayres.- Neuere Litteratur:
Daireaux, La Vie et les moeurs à La Plata (Par. 1887);
Derselbe, République Argentine;
les lois et la constitution (das. 1889, 2 Bde.);
van Bruyssel, La République Argentine, ses ressources naturelles, ses colonies agricoles, etc. (Brüss.
1888);
Latzina, L'agriculture et l'élevage dans la République Argentine (Par. 1889);
v. Lopez, Historia de la Republica Argentina
(Buenos Ayres 1883, 2 Bde.);
Karte von Brackebusch (6 Blätter, 1:1,000,000, Hamb. 1885).
[* ] Republik. Die Bevölkerung ist seit 1869 nicht gezählt worden. Sie betrug damals 1,830,214 Seelen, wurde
für Ende 1886 von Latzina auf 3,203,720 Köpfe geschätzt und war bis Anfang 1891 wohl auf 4 Mill. angewachsen. Die größten
Städte sind Buenos Ayres mit 561,160 Einw. Cordova mit 66,247 Einw. im J. 1887 und La Plata
mit 50,803 Einw. im J. 1888. Die Einwanderung ist in den jüngsten Jahren rasch gestiegen. Es wanderten ein und aus:
Einw.
Ausw.
1871-75:
244640
84993
1876-80:
207054
90770
1881-85:
358761
69633
1886:
93116
13907
1887:
120842
-
1888:
155632
12796
1889:
260909
40649
1440954
-
Unter den 256,451 Einwanderern, die 1889 in Buenos Ayres und Rosario landeten, zählte man 91,855 Italiener, 86,610 Spanier,
31,959 Franzosen, 6781 Engländer und nur 2769 Deutsche. Die Landwirtschaft hat sich während der letzten Jahrzehnte, namentlich
auch infolge der Einwanderung, rasch entwickelt, und während noch 1878 die Getreideproduktion kaum den
eignen Bedarf deckte, kommen jetzt immer größere Mengen Getreides zur Ausfuhr. Bei einer Gesamtfläche von 2,780,400 qkm waren
1887: 2,422,995 Hektar, 1889 aber 2,960,000 Hektar bebaut, und schätzte man in letzterm Jahre die landwirtschaftlichen Produkte
auf 400 Mill. Mk. Von dieser bebauten Fläche kamen 34 Proz. auf Weizen, 33 Proz. auf Mais, 16 Proz. auf
Luzerne, 5 Proz. auf
mehr
Leinsaat. Wichtig sind ferner noch Gerste, Weinreben, Zuckerrohr, Kartoffeln, Tabak und alle Arten Gemüse. Unter den Obstbäumen
sind die Pfirsichbäume am häufigsten, und nächst ihnen die Orangen. Etwa 500,000 Hektar sind künstlich bewässert. Den Viehstand
schätzte man 1888 auf 66,701,097 Schafe, 21,963,930 Rinder, 4,262,917 Pferde, 430,940 Esel und Maultiere, 1,969,765
Ziegen, 403,203 Schweine, 47,738 Lamas und 177,075 Strauße. Diese Zahlen sind eher zu niedrig als zu hoch, die Anzahl der Schafe
soll sich in Wirklichkeit auf 80 Mill. belaufen.
Die Einfuhr belief sich 1888 auf 128,412,000 Pesos, 1889 auf 164,570,000 Pesos; die Ausfuhr in den gleichen Jahren auf bez.
100,112,000 und 122,815,000 Pesos, einschließlich von Edelmetallen. Bei der Einfuhr (1889) beteiligte
sich England mit 56,820,000 Pesos, Frankreich mit 30,237,000, die Vereinigten Staaten mit 16,802,000, Deutschland mit 15,478,000
und Belgien mit 13,958,000 Pesos. Dagegen kamen an der Ausfuhr 38,264,000 Pesos auf Frankreich, 17,121,000 auf Deutschland, 16,326,000
auf Belgien und 7,727,000 Pesos auf die Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Den Warengattungen nach bestanden 19,6 Proz. der Einfuhr aus
landwirtschaftlichen Produkten, 64,2 Proz. aus Manufakturwaren, während bei der Ausfuhr
die Produkte der Viehzucht mit 85,1 Proz., die des Ackerbaues mit 14,9 Proz. vertreten waren. Hauptartikel der Ausfuhr
waren: Wolle (56,710,000 Pesos), Häute (27,353,000 Pesos), Getreide (14,651,000 Pesos), Fleisch und Fleischwaren
(7,677,000 Pesos), Vieh (3,693,000) und Fett (3,297,000 Pesos). An Einfuhrzöllen wurden 1889: 56,516,477 Pesos bezahlt.
Die Ausfuhrzölle sind in diesem Jahre aufgehoben worden. Es liefen 1889 im Verkehr mit dem Ausland 14,445 Schiffe von 6,711,686
Ton. Gehalt ein. Die Eisenbahnen haben sich fast ausschließlich mit Hilfe englischen Kapitals rasch entwickelt.
Ende 1889 waren 8113 km Eisenbahnen im Betrieb (im Oktober 1890: 10,045 km) und 9713 km im Bau. In diesen Eisenbahnen war ein
Kapital von 250 Mill. Pesos angelegt, und die Regierung zahlte 1889: 2,731,309 Pesos in Gold infolge der von ihr geleisteten Garantien.
Die transandinische Bahn von Mendoza über den Uspallatapaß ist im Bau und geht rasch der Vollendung entgegen. Postämter gab es
1888: 659 und wurden 63 Mill. Gegenstände befördert. Die Telegraphen hatten im gleichen Jahre eine Länge von 29,576 km.
Die Staatseinnahmen für das Jahr 1890 schätzt man auf 72,903,756 Pesos (Einfuhrzölle 46,610,018, Stempelgebühren
4,380,202, Aktien der Nationalbank 3,612,003, direkte Steuern 3,147,404 Pesos). Dagegen ergab der Rechnungsabschluß für das
Jahr 1887 eine Einnahme von 57,306,305 Pesos, eine Ausgabe von 54,098,227 Pesos. Die Bundesschuld belief sich auf 307,476,177
Pesos, wovon 192,846,798 Pesos auf auswärtige Gläubiger kommen. Dagegen schätzt ein Korrespondent der
»Times« die Staatsschuld wie folgt: äußere Schuld 131,199,050 Pesos, innere Schuld 192,061,053 Pesos (davon 29,140,900 Pesos in
den Händen europäischer Gläubiger), schwebende Schuld 5 Mill. Pesos, zusammen 328,260,103 Pesos. Da 69 Mill. Pesos der innern
Schuld keine Zinsen tragen, genügen jährlich 8,912,175 Pesos zur Zinsenzahlung. Dazu kommen aber noch
die für den Bau von Eisenbahnen geleisteten Garantien im Betrag von 5,609,500 Pesos, außerdem die im Sept. 1890 ausgegebenen
Schatzscheine und Cedulas im Betrag von 75 Mill. Pesos.
Das stehende Heer zählt 1890: 1291 Offiziere und 6514 Mann,
außer einer Nationalgarde von 390,000 Mann. Die Kriegsflotte besteht
aus 38 Schiffen mit 73 Geschützen, 16,613 Ton. Gehalt und 13,055 Pferdekräften. Darunter sind 3 kleine Panzerboote, 4 Kreuzer, 4 Kanonenboote
und 7 Torpedoboote. Bemannt ist diese Flotte mit 1966 Mann.
Geschichte. Der scheinbare wirtschaftliche Aufschwung des Landes seit der Präsidentschaft Rocas verführte die Minister des
Präsidenten Celman (seit 1886) zu einer so unvernünftigen Übereilung und Übertreibung in allen staatswirtschaftlichen
und geschäftlichen Unternehmungen, daß die aufgenommenen Staatsschulden die Kräfte des Landes bei weitem überstiegen und
die Zahlung der Zinsen immer schwieriger wurde. Die Regierung ließ daher heimlich immer mehr Noten ausgeben, bis die Höhe der
Ausgabe 220 Mill. erreichte.
Dazu kamen die Unredlichkeit der Beamten und die Spekulationswut der herrschenden Gesellschaftsklassen,
welche Aktiengesellschaften und Banken in Masse errichteten. Namentlich beliehen die Hypothekenbanken den Grundbesitz in so leichtsinniger
Weise, daß ihre Pfandbriefe (cedulas) plötzlich stark im Kurse sanken, öfter auf weniger als die Hälfte des Goldwerts. Das
Goldaufgeld stieg so hoch, daß man 300 Pesos Papier für 100 Pesos Gold bezahlen mußte. Obwohl der Präsident
Celman selbst auf Kosten des Landes sich nicht bereichert hatte, so hatte er doch gegen die eigennützigen Umtriebe seiner Beamten
große Schwäche gezeigt und daher den allgemeinen Unwillen auf sich gezogen.
Da es im Juli 1890 auch unter den Truppen gärte, ließ der Präsident mehrere verdächtige Bataillone durch
die Polizei überwachen, was die Wut der Soldaten erregte. Dies benutzte die Union Civica, ein der alten Partei der Portenos
nahestehender Verein, in Buenos Ayres einen Aufstand ins Werk zu setzen. Sie gewann den General Campos und
mehrere Regimenter für sich, bot die Nationalgarde der Hauptstadt auf und bemächtigte sich nach blutigem Kampfe 27. Juli der
wichtigsten Punkte der Stadt.
Den Regierungspalast behaupteten die treu gebliebenen Truppen, doch floh der Präsident Celman nach Rosario. Die Aufständischen,
denen sich auch die im Hafen von Buenos Ayres liegenden argentinischen Kriegsschiffe anschlossen, riefen
den Vorsitzenden der Union Civica, Leandro Allem, zum Präsidenten und Romero zum Finanzminister aus. Die Regierungstruppen
baten um einen Waffenstillstand, der bis 28. Juli gewährt wurde, und die Vertreter der fremden Mächte bemühten sich, einen
friedlichen Ausgleich zu stande zu bringen.
Doch 28. Juli kehrte Celman mit 1000 Mann und 46 Geschützen nach Buenos Ayres zurück und verlangte die Verabschiedung
aller Offiziere, die sich mit der Union Civica verbunden hatten, während die Aufständischen die Abdankung Celmans forderten.
Daher entbrannte der Kampf aufs neue, und die Kriegsschiffe bombardierten die von den Regierungstruppen besetzten Stadtteile.
Die Aufständischen hatten darauf gerechnet, in den Munitionsschuppen Vorräte von Patronen zu finden,
doch waren infolge Unterschleifs der Verwaltung alle Kisten leer, und da die Aufständischen keine Munition mehr besaßen, wurden
sie von General Roca nach zweitägigem Kampfe überwältigt; auch die Kriegsschiffe unterwarfen sich. Der Aufstand kostete 1000 Mann
an Toten und 5000 Mann an Verwundeten. Der Präsident Celman erließ zwar für alle, welche am Aufstand teilgenommen
hatten, eine Amnestie, trat aber anfangs sehr selbstbewußt als Sieger auf. Doch war der Haß gegen ihn,
mehr
in welchem man die Mißwirtschaft verkörpert sah, so groß, daß Celman, nachdem es ihm nicht gelungen war, ein neues Ministerium
zu bilden, 6. Aug. seine Entlassung einreichte, die von den Kammern angenommen wurde. Der bisherige Vizepräsident Pellegrini
wurde zum Präsidenten gewählt und General Roca mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt, das
aus den verschiedenen Parteien zusammengesetzt wurde. Der neue Finanzminister Vicente F. Lopez beantragte sofort die Ausgabe
von 60 Mill. Schatzscheinen und die Ausnahme einer auswärtigen Anleihe von 20 Mill. Pesos Gold, um die fälligen Schuldenzinsen
bis Ende 1891 voll bezahlen zu können. Dafür versprach er, im Budget beträchtliche Ersparnisse durchzuführen
und die Einnahmen durch hohe Schutzzölle zu steigern. Der Kongreß genehmigte seine Vorschläge. Der Wohlstand des Landes hatte
einen schweren Schlag erlitten, die Einwanderung und der Schiffsverkehr gingen stark zurück.
Neuere Litteratur: Latzina, Géographie de la République Argentine (Par. 1890);
Lehmann, Die Rechtsverhältnisse der Fremden
in Argentinien (Hamb. 1890);
Alcorta, La Republica Argentina en la Esposicion universal de Paris de 1889 (Par.
1890);
G. Modrich, Repubblica Argentina, note di viaggio da Buenos Aires alla Terra del fuoco (Mail. 1890);
Karte von Argentinien
von Duclout, Karte der Provinz Buenos Ayres von demselben (beide Hamb. 1890).
[* ] Republik, Geschichte. Die Verwirrung, welche die Korruption der Regierung des Präsidenten Celman im Staate
angerichtet hatte, und die Folgen der Revolution im Juli 1890 lasteten schwer auf den wirtschaftlichen
Verhältnissen des Landes. Die Einwanderung aus Europa, für welche der Staat erhebliche Aufwendungen gemacht hatte, nahm ab,
dagegen die Auswanderung nach Brasilien zu. Um die völlige Stockung von Handel und Verkehr zu verhüten, war die Regierung geneigt,
den dem Bankrott nahen Banken zu Hilfe zu kommen, was aber von der öffentlichen Meinung nicht gebilligt
wurde, da ein solches Einschreiten den Staat zum schweren Nachteil des Volkes belaste.
In der Rede, mit welcher der Präsident Pellegrini den argentinischen Kongreß eröffnete, wußte er auch nichts
zu sagen, als daß die Regierung jeder neuen Ausgabe von Papiergeld entschieden abgeneigt sei und eine eingehende
Untersuchung der thatsächlichen Lage der Banken vorschlage, um sowohl ohne Einschreiten der Regierung als ohne Auflösung der
Banken eine Neugestaltung derselben zu ermöglichen; infolge der Einführung des Silbers als Münzfuß würden wichtige Änderungen
in der Organisation des Finanzwesens notwendig sein. Gleichwohl beschloß der Kongreß im September mit großer
Mehrheit die Ausgabe von 45 Mill. Papiergeld und die Einführung des Zwangskurses. Um das Unglück voll zu machen, wurde Argentinien 1891 auch
noch von einer verheerenden Heuschreckenplage heimgesucht. Bereits im Oktober sah sich der Kongreß genötigt, seine Beschlüsse
zurückzunehmen, um den Staatskredit nicht völlig zu untergraben.
Republik (Republica Argentina) oder Argentinische Konföderation (confederacion Argentina), auch bloß
Argentina oder Argentinien genannt, Staat im SO. von Südamerika. (S. Karte: La Plata-Staaten, Chile und Patagonien.)
Lage und Grenzen. Die A.R. liegt zwischen 22° und 54° 30' südl. Br. und 56° 20' und 70° 20' westl.
L. von Greenwich, umfaßt etwa 2 894000, nach andern 2 789 400 qkm und grenzt im O. an den Atlantischen Ocean und die Staaten
Uruguay und Brasilien, im N. an Paraguay und Bolivia, im W. an Chile, im S. an Chile und das Eismeer. Die Grenze
gegen Paraguay in dem zwischen beiden Republiken streitig gewesenen Gran-Chaco bildet nach dem Schiedsspruch des Präsidenten
der Vereinigten Staaten von Amerika vom der Pilcomayo.
Außerdem aber beanspruchte die Argentinische Republik seit 1843 auch Patagonien gegen Chile, bis ein zwischen beiden Regierungen getroffenes
Übereinkommen die West- und Südgrenze folgendermaßen festsetzte: Bis zum 52. Breitengrade bildet die
Wasserscheide der Cordilleren die Grenze; die Südgrenze läuft vom Kap Dungeneß (Virgenes) im O. der Magalhãesstraße bis
zum Durchschnitt des 70.° westl. L. von Greenwich und des 52. Breitengrades und folgt dann letzterm
bis zur Wasserscheide der Anden. Außerdem gehören zur Argentinische Republik die Osthälfte Feuerlands und alle im Atlantischen
Ocean an der Ostküste Feuerlands und Patagoniens gelegenen Inseln, während Chile alle Inseln im E. des Beaglekanals bis zum
Kap Hoorn und im W. des Feuerlands zuerkannt wurden. Die Magalhãesstraße ward auf immer für neutrales Gebiet erklärt und
die Schiffahrt durch sie allen Nationen freigegeben.
Oberflächengestaltung. Die ganze Ländermasse zerfällt in folgende 6 natürliche Regionen:
1) Das westl. Grenzgebiet gegen Chile in seiner ganzen Erstreckung erfüllen die Cordilleren (s. d.) oder
Anden. Sie ziehen von S. bis 41° südl. Br. als Grenze in einer Kette (bis 2400 m Höhe), senden nördlich
des Lago Nahuel Queräste nach O. (Palau Mahuida 3340 m) und erreichen dann größere, meist vulkanische Höhen (Tupungato 6178 m,
Aconcagua 6970
m, Cerro del Cobre 5580 m, Copiapo 6000 m). Von Übergängen ist der wichtigste der Cumbrepaß (33°) westlich
von Mendoza in 3900 m Höhe.
Von hier ab nordwärts verzweigt sich das Gebirgssystem und läßt auf argentin. Gebiete ausgedehnten
Plateaus von etwa 4000 m Höhe und zahlreichen Vorketten Raum, die den nordwestl. Teil des Landes erfüllen. Von den einzelnen
Ketten sind die Züge der Sierren Ancaste, Ambato und (unter 23° südl. Br.) Aconquija (bis 4650 m Höhe), die
der Sierra Famatina (6020 m) und Gulumpaja wichtig. Beide Züge vereinigen sich zu einer fruchtbaren und dicht bevölkerten
Hochfläche, der fast quadratischen 180 km breiten Puna de Jujuy mit Gipfeln bis 6000 m. 2) Östlich von diesem Hochland der
Andenregion dehnt sich, im N. über den Pilcomayo nach Bolivia übergreifend, im S. von dem Rio Juramento
oder Salado scharf begrenzt, der Gran Chaco (s. d.) aus, das Jagdgebiet der Indianer. Nördlich vom Rio Vermejo, der das Plateau
von Jujuy entwässert, der Chaco Central, ein 300 m hohes feuchtes Wald- und Weideland, südlich von ihm der Chaco Austral,
ein wasserarmer sumpfreicher Landstrich.
3) Im O. grenzt an dieses Gebiet das Zwischenstromland, einem leicht gewellten Alluvionsboden zwischen dem Parana (Paraguay
im N.) und dem Uruguay (s. d. und La Plata), das reichlich bewässert, fruchtbar und an den
Flußufern sowie in der Sierra Central de las Misiones im NO. (250 m) dicht bewaldet ist.
4) Die Region in der Mitte des Landes wird charakterisiert durch ein in drei geschlossenen Zügen von N.
nach S. ziehendes, alleinstehendes Gebirge aus Granit, Gneis und Quarz, die Sierra de Cordoba (bis 2350 m hoch), der sich im
W. die Sierra S. Luis vorlagert. Dieser Gebirgszug ist rings von unwirtlichen Salzwüsten und Lagunen
umgeben: im O. liegt z. B. das Mar Chiquita, die Laguna de los Porongos und Laguna Barrosa,
im NW., W. und S. dehnen sich, von Travesias (Sandwüsten) oder Medanos (wandernden Dünen) unterbrochen, die Salinas Grandes
(196 m), die Pampa de las Salinas (350 m) zwischen Sierra S. Luis und Sierra de la Huerta und die Laguna
Bebedero über gewaltige Flächen aus. Von den zahlreichen Flußläufen, z. B. Rio Atuel und Salado in Mendoza, Rio Vermejo in
San Juan, Saladillo in Santiago erreichen nur zwei, der Rio Tercero und Rio Cuarto oder Carcarañal, an der Ostseite der Sierra
de Cordoba, den Parana. Gänzlich wasserlos sind im S. von S. Luis die Travesia Grande und Travesia Puntana.
5) Allmählich geht diese Region nach S. zu, und zwar im O. rascher als im W., in die grasreichen Landschaften der Pampas
(s. d.) über. Diese ist mit unzähligen kleinen Lagunen bedeckt, die nur in der
Nähe der Küste kleinen Flußläufen Raum gewähren.
6) Von den Andenströmen Rio Colorado oder Rio Negro südlich (etwa 39° südl. Br.) beginnt das große Gebiet von Patagonien
(s. d.). Seine von dem Gebirgskamme nach O. sanft geneigten tertiären Kiesterrassen
werden von wenigen Flüssen (darunter der Chubut) zum Atlantischen Ocean entwässert.
Klimatische Verhältnisse. Der Norden des Landes wird von der Isotherme vom 22.° geschnitten, während Feuerland nur 6° mittlere
Jahrestemperatur hat. Außerdem nimmt die Wärme nicht regelmäßig von Norden gegen Süden, sondern mehr gegen Südosten
ab, und ebenso wird das Klima von Osten nach Westen extremer, so daß namentlich die
mehr
Ebenen am Ostfuße der Anden ein hohes Klima haben (San Luis: Januar 24,7°, Juli 7,9°). In der Tiefebene findet sich ein Küstenklima,
in dem das Thermometer selten über +35° C. steigt und selten einige Grad unter Null fällt. In Buenos-Aires ist die mittlere
Temperatur des wärmsten Monats 24°, des kältesten 10°. Die Sonnenhitze ist anhaltend; der Frost dauert
nur ganz kurze Zeit. Nach den häufigen Gewittern und dem Süd- und Süwestwinde ändert sich die Temperatur in der Regel plötzlich,
so daß Temperaturwechsel von 20° in einem Tage nicht selten sind. Da der Winter so milde ist, kann man eigentlich nur
eine warme und eine kühle Jahreszeit unterscheiden, erstere von Oktober bis Mai, letztere von Mai bis September dauernd.
Die wegen der starken und anhaltenden Winde unangenehmsten Monate sind September und Oktober. Auf die heißen Tage folgen, auch
im Sommer, stets kühle Nächte; nur in den nördl. Gegenden wird die Wärme
ermattend, und im Chaco steigt die Temperatur wochenlang am Tage über 37°, ohne daß die Nächte hinreichende Abkühlung gewähren.
Der Herbst ist sehr gleichmäßig warm und ziemlich feucht. Im Juli bis August, also im Winter, schwankt das Thermometer zwischen 9 und
14° C. Selten ist die Luft still. So z. B. weht im Ästuar des La Plata
der Südostwind sieben Monate hindurch.
Virazon nennt man in den La Plata-Gegenden den während der zweiten Hälfte der Nacht wehenden Landwind und den während der
zweiten Hälfte des Tages wehenden Seewind. Der Pampero, ein kalter aus den Anden kommender Südwestwind, ist äußerst trocken,
und ihm schreibt man das außerordentlich gesunde Klima der La Plata-Gegenden zu. Wird der Südost sehr
stark und bringt er Gewitter, so heißt er Suestadas; heftige Regen begleiten ihn. Die Monate Januar bis März ausgenommen,
fällt das ganze Jahr hindurch starker Tau.
Äußerst unregelmäßig ist die Regenverteilung; die jährliche Regenmenge zu Buenos-Aires schwankt zwischen 455 und 1394 mm,
ebenso ist die Verteilung auf die verschiedenen Jahreszeiten sehr ungleich. Der meiste Regen fällt beim Wechsel der warmen
und kühlen Jahreszeit. Nachts regnet es häufiger als am Tage, und zuweilen fallen ungeheure Wassermengen. Die Gewitter sind
dann und wann von sehr starken Hagelschlägen begleitet. Je weiter nach Norden, desto trockner wird der
Winter, und desto reichlicher fallen die Sommerregen.
Der starke, anhaltende Nordwind, Zonda genannt, ist in den Ebenen der Samum der Travesias oder Wüsten. Dagegen hat die innere
Ebene ein sehr trocknes Klima mit Temperaturextremen von +32 und -4°. Die überreichen Regen, die im Oktober
und November in Tucuman und Santiago del Estero fallen, veranlassen die großen Überschwemmungen des Dulce, Juramento, Vermejo
und Pilcomayo. Dort fällt im November wohl doppelt soviel Regen als im ganzen übrigen Jahre. Die größten Regenmengen haben
die nördl. und nordöstl. Gebiete, die geringsten von nur 100 bis 200 mm jährlich der Ostfuß der Anden,
die Gegend von Mendoza. Ganz allgemein nimmt die Regenmenge von den Anden gegen die Küste zu ab, im südl. Teile des Landes in
derselben Richtung aber zu; die Grenze beider Gebiete bildet der Rio Colorado.
Mineralien. Von den Produkten des Mineralreichs werden Achate, Karneole, Jaspis u. s. w. vom obern Uruguay
in Menge ausgeführt. Kochsalz und schwefelsaure Salze sind in der innern Ebene verbreitet;
auch an nutzbaren Thonarten fehlt
es nicht. Das Gebirge von Cordoba ist reich an Marmorarten und Bleiglanz. In dem Gebirge von San Luis wird Gold gewaschen; auch
Eisen, Blei, Kupfer und Antimon finden sich hier. Man gewinnt Kupfer im südl. Mendoza im Payengebirge und
in den Paramillos, Salz beim Fort San Rafael.
Hier sind auch reiche Lager von Bergkrystall, Achaten, Chalcedonen, Karneolen, Amethysten, buntem Marmor u. s. w. vorhanden. Die
Sierras von Gualilan und Cachi führen Gold, das sich auch bei Jachal findet. Die Anden von Rioja, die metallreichsten,
enthalten Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Nickel, Zinn, Blei und Bergkrystall in Menge. Ebenso die Sierra von Belen. Im Atajo werden
reiche Kupferminen abgebaut. Auch die Ketten von Jujuy und Salta sind metallreich; Gold und Silber finden sich sehr häufig.
Die Sierra del Alumbre enthält Alaun und eine reiche Erdölquelle. Doch ist die Ausbeutung der mineralischen
Schätze noch gering.
Pflanzenwelt. Die argentin. Flora wird nach Professor Lorentz in Cordoba in neun verschiedene Abteilungen geteilt: Formation
der antarktischen Hölzer, patagon. Formation, Pampasformation, Chañarformation, subtropische Formation, Punaformation,
Chacoformation, Paraguay- und mesopotamische Formation. Erstere Formation reicht etwa bis zum 39.° nördl.
Br., wahrscheinlich bis dahin, wo das Festland nach N. hin sich verbreitert, und ist gekennzeichnet durch Buchenwälder.
Die Hügel, die dem Winde ausgesetzt sind, tragen nur Brombeergesträuch und Gestrüpp. Die patagon. Formation ist eine Mischung
von Kräutern, Stauden und Bäumen. Die Pampasformation ist der Gegensatz zu der vorigen, sowohl in petrographischer
als phytologischer Hinsicht. Die Gräser herrschen vor, und holzartige, dem Gebiete eigentümliche Pflanzen fehlen vollständig.
Diese Formation ist mehr vom Regen begünstigt als die Chañarformation, die sich der patagon. durch ihre Trockenheit und
das Vorherrschen holziger Pflanzen nähert und die den Provinzen Cordoba, Santiago, Catamarca, La Rioja,
San Juan, Mendoza und San Luis eigen ist.
Sie besteht besonders aus Brombeeren, Gehölz und Gestrüpp. Nach den Dornengewächsen heißt sie auch Espinalregion. Diese
Espinales verlieren jenseit des 40.° südl. Br. allmählich ihren immerhin noch mannigfaltigen Wuchs und laufen in die Geröllflächen
Patagoniens (s. d.) aus, die so gut wie ganz der Kulturansiedelungen
entbehren in solchen Breiten, wo der Norden Amerikas seine reichen Gefilde von Oregon und Neuengland ausbreitet, und der Süden
an der andern Küste durch den Waldreichtum Valdiviens ausgezeichnet ist.
Die subtropische Formation bildet den Garten der Argentinische Republik durch die Pracht ihrer Ländereien und ihre erstaunliche Fruchtbarkeit.
Man unterscheidet mehrere Zonen, nämlich die des subtropischen Waldes, die in den untern Gebirgsstrichen herrscht;
die des
Parklandes, dort wo die Berge in die Ebene übergehen;
die der Akazien in der Ebene selbst;
die des Quebracho Colorado (LoxopterygiumLorenzii Griseb.) in noch tiefern Gegenden, so
genannt nach einem prächtigen Baume mit dichtbuschiger Krone, dessen Holz für die Industrie hochwichtig
ist;
die der Erle und der Quiñoa, einer Rosacee, in den Bergen und über diesen die Zone alpiner Prärien.
Die Punaformation
finden wir über letzterer Zone in den Cordilleren-Regionen,
mehr
eine ärmliche Flora, zusammengesetzt aus Gebüschen von riesigen Actäen und kümmerlicher Kräutervegetation. Wenig östlich
von den Cordilleren beginnt die Chacoformation. An Stelle der subtropischen Büsche treten Bäume von geringer Höhe, das Gestrüpp
ist höher. Gehölz und Gestrüpp wechselt ab mit Grasflächen. Die Paraguayformation breitet sich im Norden der Provinz Corrientes
und auf dem Territorium der Missionen aus und ist wenig bekannt. Gehölze, ähnlich denen der subtropischen Formation, bedecken
diese Gebiete.
In den Provinzen Corrientes und Entre-Rios herrscht die mesopotamische Formation, die von den Pampas durch eine große Anzahl
von Bäumen und Büschen abweicht. Gehölze und Gestrüpp fehlen nicht. Der Ackerbau ist noch wenig entwickelt,
da die Viehwirtschaft besser lohnt als die Bodenkultur. Nur wenige Bodenprodukte kommen in den Handel, doch ist der Getreidebau
im Zunehmen. Die Grundlagen der Kultur oder der Gewinnung wildwachsender Produkte sind naturgemäß nach den fünf unterschiedenen
Regionen sehr verschiedenartig. In Entre-Rios bestehen noch die Kulturbedingungen des südl. Brasilien,
und die von Ilexarten herstammenden Yerba-Mateblätter des sog. Paraguaythees werden gesammelt. In den Pampas ist unter Bewässerung
Gemüse- und Getreidebau lohnend; die subtropische Waldregion zieht Mandioca und Bananen, in den Anden die Cocablätter (von
Erythroxylon Coca Lam.),
die obere Puna die Quiñoa oder nordisches Getreide. Insofern ist der Wert des Landes in der Argentinische Republik sehr
ungleich, und große Strecken sind außerdem durch die Salzwüsten dauernd kulturunfähig.
Tierwelt. Belebt werden die Pampas durch zahlreiche Herden verwilderter Rinder und Pferde, Hirsche und Strauße (Avestruz genannt).
Hauptsächliche Säugetiere der Argentinische Republik sind sieben Fledermausarten, der Jaguar oder die Unze in den Wäldern
an den großen Strömen, der Pumalöwe, die überall verbreitete Felis Geoffroyi Gerc., der große rote Wolf oder Aguara (Canis
jubatus Desm.),
der große Fuchs oder Culpeus (Canis magellanicus Gray) und der Zorro (Canis Azarae Wied. und gracilis Gray), der Huron (Galictisvittata Bell.), das Chincha (Mephites patagonicus Lichtenst.).
Ferner: ein Fischotter, die Comadrija (Didelphys Azarae Rengg.), Ratten- und Mäusearten, Pampashasen (Dolichotis patagonica
Wagn.), Iguanas und Viscachas, Meerschweinchen, Gürteltiere, Lamas und Vicuñas u. s. w. An Vögeln sind hervorzuheben: verschiedene
Kolibri- und Papageienarten, der häufig vorkommende Rohrhordenvogel (Agelaeus thilius Molin), der Tordo (Icterus sericeus
Wied.), der häufigste Vogel des Landes, u. s. w. Auch finden sich mehrere Schildkröten, Saurier-,
Schlangen- (auch Klapperschlangen) und Froscharten. Mosquitos und Sandflöhe (Nigua) sind Insekten, die hier den Menschen äußerst
lästig werden.
Das Nutzvieh, dessen Zucht für das Land von so großer Wichtigkeit ist, haben erst die Spanier eingeführt, und zwar zunächst
das Pferd, sodann 1553 die ersten Rinder. Von diesen eingeführten Tieren stammen die unermeßlichen Herden
der Pampas, in denen sich das Vieh seit Anfang des 17. Jahrh. verbreitete. Gegen die Mitte
des 18. Jahrh. wurde schon 1 Mill. Häute aus den La Plata-Gegenden ausgeführt; damals tötete man die wild in den Ebenen
umherschweifenden Tiere nur wegen ihres Felles.
Jetzt trägt der größte Teil des Viehs das Zeichen seines Besitzers und
wird unter den Augen behalten. Die Zahl der Pferde,
von denen ehemals ebenfalls ganze Herden verwildert waren, hat sehr abgenommen. Dieselben schweifen noch setzt, wie das Rindvieh,
frei umher, bis man sie einfängt, um sie zu gebrauchen. Der Gaucho fängt die Pferde mittels des Lasso
oder der Bolas. Der Esel ist für die Zucht der Maultiere von Bedeutung, die als Lasttiere von den Estancias nach den verschiedensten
Seiten hin in Menge ausgeführt werden.
Mit der Zucht der Schafe beschäftigt man sich erst in neuerer Zeit ernstlicher. Ziegen sind sehr verbreitet,
namentlich beim armen Volke. Das sich schnell vermehrende Lama ist in den Anden Haus- und Lasttier. Schweine zieht man wenig,
Federvieh überall. Auch Bienen-, Seiden- und Cochenillezucht findet sich hier und da. Zu den Ausfuhrartikeln aus dem Tierreiche
gehören die Felle des Fischotters und des Chinchilla, erstere namentlich aus der Laguna de los Porongos,
letztere aus den Anden auf der boliv. Grenze, sodann Straußfedern, Wachs und Honig. Die großartigste Ausbeute aber liefert
die Rindviehzucht. Es giebt Saladeros oder Schlachthäuser, die täglich 400 Stück Vieh schlachten. 1893 gab es in der Argentinische Republik etwa 80000000
Schafe, 1 960000 Ziegen, 22000000 Rinder, 5 200000 Pferde, 450000 Esel und Maultiere, 405000 Schweine u. s. w.
Am stärksten ist die Viehzucht in den Provinzen Entre-Rios, Buenos-Aires, Santa Fé, Corrientes, Cordoba.
Bevölkerung. Der Census vom Dez. 1869 ergab 1 812 490 E., mit Ausschluß der Indianer, deren Zahl man in Chaco und in
Patagonien zusammen auf etwa 80000 rechnete. Die Einwohnerzahl wurde amtlich (1888) auf 3 807 530,
von Latzina (1889) auf 3 874000 geschätzt, darunter 400000 Italiener, 150000 Spanier, 150000 Franzosen, 35000 Engländer, 25000 Deutsche
und 300000 Mischlinge. 1892 berechnete man schon 4 257000 E. Am dichtesten bevölkert (über 50 E. auf 1 qkm)
ist die Umgebung der Hauptstadt Buenos-Aires; viel geringer die Umgebungen der übrigen Städte mit 20-30 E. auf 1 qkm, dann
die Landschaften an den großen Strömen, sowie die Provinzen San Luis, Cordoba, La Rioja, Mendoza, Santiago und besonders Tucuman,
Jujuy, Salta. Dagegen sind der Chaco, die Pampas und Patagonien so schwach bevölkert, daß auf dieselben
weniger als ein Bewohner auf 10 qkm kommt. - Von einheimischen Indianerstämmen hausen im Becken des La Plata im NO., im Territorio
de Misiones Occidentales, zwischen den Flüssen Uruguay und Parana, die sehr friedlichen Guayana und die Tupi, die Reste der alten
Tupinamba Brasiliens und der Guarani.
Im N. am Paraguay wohnen die Guato, die auf den Flüssen leben und fast alle portugiesisch sprechen; ferner die Guana und die
mit diesen eng verbundenen Mbaya. Im Chaco schweifen zwischen dem Pilcomayo und dem Paraguay die verwandten Stämme der Guaycuru,
Lengua und Toba, volkreiche aber wilde Stämme, die noch in jüngster Zeit durch die Ermordung des Reisenden
Creveaux sich einen traurigen Namen gemacht haben. Südlich vom Pilcomayo am Rio Vermejo leben die unberittenen Stämme der
Lule und der Vilela und die Mataco, die auch nach den Pflanzungen auf Arbeit ziehen. Die Chiriguano, ein zur großen
Guaranfamilie gehöriger Stamm, wohnen auf den östl. Abhängen der Anden und im Chaco. Diese Indianer, in Bolivia Camba genannt,
sind in Viehzucht und Ackerbau sehr vorgeschritten. Die immer
mehr
mit den Toba im Kriege lebenden, aber wenig zahlreichen Mbocovi hausten (bis 1884/85) im Innern des Chaco, ebenso die jetzt
nahezu verschwundenen Abiponer und Calchinen. In den Anden finden sich Quichuastamme, die Christen und Landbauer sind. Die kriegerischen
Stämme, die sich unabhängig erhalten haben, werden mit dem Gesamtnamen Indios bravos bezeichnet.
Die südlichen sog. Pampasindianer bilden eine Menge kleiner Horden, die aber sämtlich drei
großen Gruppen angehören, den Puelche, das sind die eigentlichen Pampasindianer, die sich auch Auca nennen, und den Tehuelche
und Ranqueles, die den Araukanern verwandt sind und Patagonien bis zur Magalhãesstraße in Anspruch nehmen.
Seit 1881 sind sie über den Rio-Negro zurückgedrängt worden. Alle unabhängigen Indianerstämme im
N. wie im S. haben den kolonisierten Teil des Landes fortwährend durch ihre Einfälle beunruhigt, namentlich in Zeiten, wo
die Kräfte des Landes durch Bürgerkriege in Anspruch genommen waren. Ihre Zahl beträgt jetzt noch etwa 100000. Die ehemaligen
Missionen der Jesuiten, später der Franziskaner, bestanden in La-Guayra, in Paraguay und in Corrientes.
Kurz vor Vertreibung der Jesuiten waren hinzugekommen die Missionen zu San Estanislao, San Joaquin und Belen, die die Verbindung
mit den Niederlassungen bei den Mojo und Chiquito herstellen sollten. Von 1810 an wurden die seßhaften Indianer gezwungen,
in die Armee einzutreten, und infolgedessen zerstörte man 1817 die 15 indian. Ortschaften in
den noch bestehenden Missionen des Uruguay gänzlich. Seit 1853 sind die Indianer ihren Dörfern wiedergegeben, und ihre Civilisierung
ist ins Auge gefaßt. Die Missionen sind aufs neue eingerichtet, und schon sind einem Teile der Indianer die Produkte
der europ. Industrie unentbehrlich geworden.
Die weiße Bevölkerung besteht zunächst aus den Nachkommen der ursprünglichen span. Eroberer, den
Argentinos, dann aus den zahlreichen eingewanderten Kaufleuten, Handwerkern, Abenteurern und Flüchtlingen der verschiedensten
Länder Europas. Diesen schließen sich an die von den Weißen mit indian. Frauen erzeugten Mischlinge, im N. Cholo und
in den Küstenstaaten Chino genannt. Seit 1702 kamen hierzu noch die als Sklaven eingeführten afrik. Neger, deren mit Weißen
erzeugten Mischlinge Mulatten, mit Indianern erzeugte Zambo genannt werden.
Die Einwanderung von Kolonisten wurde erst nach 1820 von Bedeutung, eigentlich erst von 1830 an. Von 1843 bis 1852 hörte
die Einwanderung fast ganz auf. Buenos-Aires ist seit 1848 der eigentliche Ort der Einwanderung; die Zahl
der Einwanderer betrug 1883: 63 213, 1890: 138 407, 1891: 73 597, 1803: 84 420, meist Italiener, daneben Spanier, Franzosen
u. s. w.;
unmittelbar nach Buenos-Aires kamen 1890: 77 815, 1893: 52 067 Personen, darunter 37 977 Italiener, 2012 Franzosen, 7100 Spanier, 685 Österreicher, 748 Deutsche, 906 Russen
und 1979 andere.
Dagegen wanderten aus 1879: 23 690, 1890: 82 981, 1891: 90 936, 1893: 48 794 Personen. Die innern Staaten
werden erst seit 1854 von den Einwanderern aufgesucht, und den meisten ist es dort gelungen, sich eine leidliche,
zum Teil gute Lebenslage zu schaffen. Seit 1853 sind die Farbigen ganz unter die weiße Bevölkerung gemischt als Handwerker,
Arbeiter, Ackerbauer, auch als Eigentümer, meist aber als Dienstboten.
Handel
und Verkehrswesen. Der Handel hat besonders infolge der von Engländern und Deutschen in großartigem Maßstabe eingeführten
Schafzucht einen lebhaften Aufschwung genommen. Die Wollausfuhr betrug 1879: 919 511 t im Werte von 88 601000
M., 1889 gar 226 840000, 1891: 177 304000 M. Jedoch wurde, wie das bei einem noch verhältnismäßig jungen Kulturlande natürlich
ist, die Ausfuhr bis vor kurzem von der Einfuhr überwogen. Die im Anfang 1890 eingetretene Handelskrisis und
die infolge dieser eingetretene starke Entwertung des Geldes hat zu zahlreichen Bankrotterklärungen geführt
und auch die beteiligten Firmen des Auslandes schwer geschädigt.
Die Einfuhr betrug in Tausenden Pesos nacionales (1 Peso = 4 M.) ohne die Edelmetalle: 1886: 95 409, 1888: 128 412, 1890: 142 241, 1891 nur 67 207,
1892: 97 899, 1893;
Die wichtigsten Handelsartikel waren 1893 (in Tausenden Pesos):
Einfuhr:
Gewebe und Kleider
32509
Nahrungsmittel
10724
Eisen und Eisenwaren
13055
Getränke
8341
Holz und Holzwaren
4889
Eisenbahnmaterial
3279
Papier und Papierwaren
3127
Metalle
1555
Töpfer- u. Glaswaren
2360
Chemikalien
4095
Kohlen, Koks, Öl
6868
Verschiedenes
5297
Ausfuhr:
Tiere u. tierische Produkte
52997
Landwirtschaftliche Erzeugnisse
29017
Manufakturen
4769
Walderzeugnisse
2251
Mineralien
362
Verschiedenes
3305
Von den Hauptartikeln entfielen (1893) in Prozenten auf:
Warengruppen
Einfuhr
Ausfuhr
Nahrungs- und Genußmittel
16,9
42,5
Tiere
---
6,5
Rohstoffe
16,2
51,0
Fabrikate
66,9
Gold wurde (1891) 8,88, Silber 0,37 Mill. Pesos eingeführt, während nur 1,18 bez. 0,51 Mill. zur Ausfuhr gelangten. 1893 betrug
die Einfuhr von Edelmetallen 4,68, die Ausfuhr 0,81 Mill. Pesos.
Infolge der Hebung des Handels ist auch die Schiffahrt zur Blüte gelangt, doch zeigt sich auch hier seit
der Handelskrisis ein Rückgang.
Den auswärtigen Schiffsverkehr aller argentin. Häfen stellt folgende Tabelle dar:
Segler
Davon beladen
Dampfer
Schiffe
Tonnen
Schiffe
Tonnen
Schiffe
Tonnen
Eingelaufen 1889
8222
1675345
7641
1642863
6223
5036341
-"-
1893
3036
763764
2225
620958
7731
5641254
Ausgelaufen 1889
5479
1264755
1665
309393
5990
4578217
-"-
1893
2820
681585
1487
499102
7940
5751737
mehr
Im J. 1888 bestanden 24 Dampferlinien nach Europa (9 engl., 6 ital., 5 franz., 3 deutsche, 1 holl.)
und eine nach Nordamerika. Eine argentin. Linie versieht den Dienst zwischen Buenos-Aires und den atlantischen Häfen bis
Kap Hoorn, drei Linien bestehen auf den Flüssen und nach Montevideo. Der Paraguay wird bis Asuncion befahren,
von wo paraguaysche und brasil. Dampfer Cuyaba (s. d.) erreichen. Seedampfer kommen bis Rosario herauf.
Außerdem vermitteln auch verschiedene Eisenbahnen den Verkehr mit dem Innern des Landes. Am waren im ganzen 12 353 km
im Betrieb, deren Herstellung bisher rund 1800 Mill. M. erforderte. Auf 100 qkm Flächeninhalt des Landes
kommen 0,4 km, und auf je 10000 E. entfallen 30,4 km Bahnen. Ungefähr 2500 km befinden sich im Bau und Linien in einer Ausdehnung
von etwa 8000 km waren zum Bau in Aussicht genommen. Die überwiegende Mehrzahl der Bahnen gehört Privatgesellschaften, 555 km
der Provinz Sta. Fé.
Das der Provinz Buenos-Aires gehörige Bahnnetz von 1209 km hat dieselbe auf Grund des Gesetzen vom im Wege der öffentlichen
Versteigerung an die (engl.) Buenos-Aires-Westbahngesellschaft für 104 Mill. M. veräußert.
Die Gesellschaft betreibt nur die Hauptbahn La Plata-Buenos-Aires-Trenque-Lauquen (526 km) selbst, während sie die Zweigbahnen
wieder veräußert oder für die Konzessionsdauer verpachtet hat. Die argentin. Eisenbahnen besaßen 880 Lokomotiven, 1128 Personenwagen, 143 Schlaf-, 679 Gepäck-
und 24260 Güterwagen.
Befördert wurden 1891: 10 820000 Reisende und 4 690000 t Güter. Das Anlagekapital verzinste sich durchschnitllich mit 1,3
Proz. gegen 1,6 Proz. im Vorjahre; einzelne Bahnen ergaben zum Teil erheblich höhere Renten, doch zahlen
die meisten Bahnen jetzt gar nichts mehr. Die wichtigsten Bahnen sind (1892): die Central-Nortebahn von Cordoba nach Chilcas
(884 km), die Andinobahn von Villa Maria nach San Juan (255 km), die Buenos-Aires-Pacificbahn von Buenos-Aires nach Villa Mercedes
(684,60 km), die Südbahn von Buenos-Aires nach Bahia-Blanca (1352 km) u. s. w. Die 1226 km lange Linie
(im Bau) von Buenos-Aires zum Anschluß an das chilen. Eisenbahnnetz bei Yambel (südamerik. Überlandbahn) wird nach Fertigstellung
eine direkte Verbindung zwischen der chilen. Hafenstadt Concepcion und Buenos-Aires herstellen.
Durch eine weitere, ebenfalls noch im Bau befindliche Linie nach dem chilen. Eisenbahnnetz wird ein fast
gerader Schienenweg von Buenos-Aires über Mercedes, San Luis und Mendoza nach Valparaiso genommen werden. Die auf argentin.
Gebiete belegene 1039 km lange Strecke Buenos-Aires-Mendoza ist bereits seit März 1888 im Betriebe. Der Bau der Fortsetzung
(Andenbahn) wurde 1888 begonnen und sollte 1893 vollendet sein, doch dürfte die Fertigstellung der Tunnelsektion
kaum vor 1896 zu erwarten sein. 1891 erlitten die Arbeiten Verzögerungen durch den chilen. Bürgerkrieg und die argentin.
Finanzverlegenheiten. Auf argentin. Seite sind schon 120 km fertiggestellt, die Arbeiten für die Strecke bis zum Gipfel (125
km) sind im Gange. Von der chilen. Thalstrecke sind 37 km bis Juncal vollendet.
Die steilen Abhänge der Anden auf der argentin. Seite erfordern die größten Opfer von Zeit und Arbeit. Bis zum Fuße des
Gipfels müssen 6 Tunnels von über 700 m Länge gebohrt und 7 Brücken mit 75 und 45 m Spannweite gelegt werden. Die
Bahn
windet sich aus beiden Seiten des Gipfels zu einem 5065 m langen Tunnel, der 3140 m ü.d. M. liegt, also etwa 2½ mal höher
als der St. Gotthardtunnel (s. Gotthardbahn). Insgesamt sind zur Überschreitung des Gipfels 7 Tunnel mit 16 km Gesamtlänge
nötig. Die Spurweite der Andenbahn beträgt 1 m, während auf argentin. Seite die dortige Weitspur (1,676 m)
und auf chilen. Seite die gewöhnliche Vollspur (1,435 m) anschließt.
Der Postverkehr wird durch (1892) 1384 Bureaus vermittelt. Die Zahl der beförderten gewöhnlichen Briefe betrug (1888) 32 233 932,
der eingeschriebenen Briefe 1 310 909, Postkarten 526 595, Drucksachen 27 974 999, Warenproben 165 195,
amtliche Schreiben 616 189, zusammen 62 827 819; die Zahl der Postpakete betrug 20 876.
Im Telegraphenverkehr betrug die Gesamtlänge der Linien (1888) 29 576, der Drähte 68 651, der Kabel 159 km, die Zahl der Bureaus
der Staatstelegraphen 162. Die Einnahmen der Staatstelegraphen betrugen (1888) 696 859 Pesos, die Ausgaben 1 666 473 Pesos.
In der Provinz Buenos-Aires wurden befördert: 485 738 private, 23 888 Staats-, 370 515 dienstliche, zusammen 880 141 Depeschen.
Die Eisenbahntelegraphen beförderten 218 570, 1194 und 1 020 002, zusammen 1 239 766 Depeschen.
Verwaltung und Verfassung. Die Republik zerfällt in 14 Provinzen oder Staaten, die sich in vier Gruppen
ordnen. Zur ersten Gruppe, den Küsten- und Stromuferprovinzen, gehören Buenos-Aires (Ende 1892 nach der Schätzung Latzinas 1 020000
E.), Santa Fé (Zählung 1887: 220 332, nach Schätzung für 1892 fast 300000 E.), Entre-Rios (nach Latzina 300000 E.) und
Corrientes (216000 E.). Die zweite Gruppe der Andenprovinzen bilden La Rioja (nach Latzina 86000 E.),
Catamarca (118000 E.), San Juan (110000 E.) und Mendoza (150000 E.).
Die dritte Gruppe der Centralprovinzen umfaßt Cordoba (380000 E.), San Luis (105000 E.), Santiago del Estero (225000 E.) und
Tucuman (225000 E.). Zu der vierten Gruppe, den Nordprovinzen, gehören Salta (162000 E.) und Jujuy
(60000 E.). Hierzu kommen noch die neun Gobernaciones (Territorios nacionales) Formosa (Chaco central), Chaco (Chaco Austral),
Misioneo, Pampa, Neuquen, Rio Negro, Chubut, Santa Cruz und Tierra del Fuego mit zusammen 250000 E. Bundeshauptstadt ist seit 1880 Buenos-Aires.
Die Verfassung vom (revidiert ist im wesentlichen der Konstitution der Vereinigten Staaten
von Amerika nachgebildet. An der Spitze steht ein Präsident, auf 6 Jahre durch 133 Repräsentanten der 14 Provinzen gewählt.
Die gesetzgebende Gewalt üben ein Senat und eine Deputiertenkammer, von denen ersterer 30, die letztere 86 Glieder zählt.
Ein Vicepräsident wird auf dieselbe Weise und zu derselben Zeit wie der erste Präsident gewählt. Der
Präsident ist Oberbefehlshaber der Truppen und vergiebt die Civil-, Militär- und richterlichen Ämter. Doch bleibt er, wie
auch seine Minister, deren es fünf (Inneres, Auswärtige Angelegenheiten, Finanzen, Justiz, Kultus und Unterricht, Krieg und
Marine) giebt, dem Senate und Repräsentantenhause verantwortlich.
Die Einnahmen betrugen (in Tausenden Pesos) 1886: 46 762, 1887: 57 306, 1888: 51 640, 1890: 72 900, 1891: 73 150, 1894: 34 193 in
Gold und 20 280 in Papier;
über die Ausgaben sind Abrechnungen für 1886: 46 695 und für 1887: 54 098 vorhanden.
mehr
Die Staatsschuld betrug argentinische äußere Schuld: 208,883 Mill. Pesos Gold; d. innere Schuld: 194,378 Mill. Gold und 43,520
Mill. Papier;
c. schwebende Schuld: 13,517 Mill. Gold und 20,460 Mill. Pesos Papier. Es kommt demnach auf den Kopf der Bevölkerung
eine Schuld von 330 M.
Das Wappen der Republik ist ein quergeteilter Schild;
das obere Feld blau, das untere silbern;
im untern
halten zwei verschlungene Hände einen Stab mit der in das obere Feld hineinragenden roten Freiheitsmütze;
hinter dem obern
Schildrande eine aufgehende goldene Sonne.
Den Schild umschließt ein Eichen- und ein Lorbeerzweig. Die Flagge ist blau-weiß-blau
horizontal gestreift, mit einer Sonne in dem mittlern Streifen. (S. Tafel: Flaggen der Seestaaten.)
Heerwesen. Die Armee zählt 1590 Offiziere und 6498 Mann. Die Nationalgarde ist etwa 480000 Mann stark. Militärisch ausgebildet
sind höchstens 65000 Mann. - Die Flotte besteht aus 47 Schiffen, darunter 6 Panzerschiffe, 7 Kanonenboote, 24 Torpedofahrzeuge;
zusammen mit 223 Kanonen armiert und einer Besatzung von 2190 Mann.
Geistige Kultur. Das ganze Unterrichtswesen wurde seit 1868, dem Regierungsantritte des Präsidenten Sarmiento, einer wirksamen
Reorganisation unterworfen. So erhielt die Universität Cordoba, die bis dahin unter jesuitischer Leitung äußerst wenig
in den Naturwissenschaften geleistet hatte, auf Betrieb des Präsidenten mehrere Professoren aus Deutschland
für Chemie, Physik, Botanik u. s. w. und auch einen namhaften Astronomen aus Nordamerika. Neben den beiden
Universitäten Buenos-Aires und Cordoba bestehen gegenwärtig noch 14 Kollegien, an denen ebenfalls vielfach deutsche Lehrer
angestellt sind.
Diese Anstalten gleichen ihrem Unterrichtsplane nach etwa unsern höhern Industrieschulen. Namentlich um das Elementarschulwesen
hat sich die Regierung Sarmientos und vor allem sein Unterrichtsminister Avellaneda große Verdienste erworben. 1875 genossen
in der Republik 125 150 Schüler Unterricht; es bestanden 1896 Primärschulen. In der Argentinische Republik ist, ebenso wie in Brasilien und
Chile, allen christl. Konfessionen freier Kultus und Gründung von Schulen gestattet.
Doch bekennen sich fast sämtliche eingeborene Weiße und die bekehrten Indianer zum Katholicismus. Ein
Erzbischof hat seinen Sitz in Buenos-Aires, und unter ihm stehen vier Bischöfe zu Parana, Cordoba, San Juan (Cuyo) und Salta.
Sprache der Regierung wie des Landes ist das Spanische; doch ist unter den Gebildeten das Französische, in den
Seestädten das Englische sehr verbreitet, während in den innern Provinzen noch vielfach die Guaranisprache herrscht.
Geschichte. Der La Plata-Strom wurde 1512 durch den span. Großpiloten Juan Diaz de Solis aufgefunden und auf einer zweiten
Reise 1515 bis zur Mündung des Uruguay befahren. 1527 erreichte Sebastian Caboto den La Plata und baute
am Parana das Fort Santo Espiritu, die erste span. Niederlassung. Dann legte Pedro de Mendoza als erster Adelantado (Civil- und
Militärgouverneur) den Grund zur Stadt Buenos-Aires, aber die von ihm bei seiner Rückkehr nach Europa 1537 zurückgelassenen
Spanier gaben die Niederlassung auf, gingen
den Paraguay aufwärts und gründeten Asuncion.
Der zweite Adelantado, Alvaro Nufiez Cabeza de Vaca, landete an der brasil. Küste bei der Insel Santa Catarina und ging zu
Lande nach Asuncion, während die Schiffe den La Plata dorthin hinaufsegelten. Diesem folgte in der Würde 1555 Martinez de
Irala, der eigentliche Eroberer der La Plata-Gegend. Unter ihm und seinem Nachfolger (1569) Ortiz de
Zarata entstanden viele Ansiedelungen. Der 1576 zum Generalkapitän ernannte Juan de Garay baute 1580 Buenos-Aires wieder auf,
und damit war die Eroberung des La Plata-Gebietes abgeschlossen.
Unter Juan de Torres Vera y Aragon, 1587-91, wurde (1588) Corrientes gegründet. Um 1610 begannen die Jesuiten
ihre folgenreiche Missionsthätigkeit am obern Parana (s. Paraguay). Unter Philipp III. wurde 1620 eine besondere Regierung
(Gobierno del Rio de la Plata) für die Länder südlich vom Zusammenfluß des Parana und Paraguay gebildet, und das Land in
drei Provinzen geteilt: Tucuman, Buenos-Aires und Paraguay. Ein drückendes Monopolsystem hemmte aber das
Aufblühen dieser Provinzen und es entwickelte sich ein maßloser Schleichhandel, besonders von den Portugiesen betrieben,
die 1680 gegenüber von Buenos-Aires die Colonia del Sacramento mit Genehmigung der Spanier gegründet hatten. Dadurch kamen
die Spanier in ganz Südamerika um die beabsichtigten Handelsvorteile. 1726 erfolgte die Gründung von Montevideo. Nach der
Vertreibung der Jesuiten 1767 aus den La Plata-Ländern gerieten ihre zahlreichen und blühenden Niederlassungen in Verfall,
und die indian. Bevölkerung sank in Elend und Verwilderung.
Bis 1776 gehörten die La Plata-Länder zum Vicekönigreich Peru, dann wurde aus ihnen ein besonderes span. Vicekönigtum
mit der Hauptstadt Buenos-Aires gebildet, zu dem die Provinzen Buenos-Aires, Paraguay und Tucuman, die Präsidentschaft
Charcas, das Territorium Cuyo und die Patagonische Küste gehörten. Nachdem 1776 die Portugiesen aus der Nachbarschaft vertrieben
waren, wurde ein vernünftigeres Handelssystem angenommen; schon seit 1774 durften alle span.
Kolonien untereinander Handel treiben. Unter dem zweiten Vicekönige wurde 1782 das Reich in acht Intendanzen
geteilt, von denen vier (La Paz, Cochabamba, Charcas und Potosi) das spätere Oberperu, vier andere Salta, Cordoba, Buenos-Aires
und die Missionen «Argentina» bildeten.
Infolge des Bündnisses Spaniens mit Frankreich nahmen im Juni 1806 die Engländer die Stadt Buenos-Aires, wurden aber nach
wenigen Monaten wieder vertrieben. Während des franz. Krieges in Spanien selbst setzten 1810 die Kolonisten
den Vicekönig ab und ernannten 22. Mai im Namen Ferdinands VII. eine provisorische Junta. Da Cordoba, Paraguay und Uruguay aber
diese nicht anerkannten, kam es zu Bürgerkämpfen, bis ein Kongreß zu Tucuman die Unabhängigkeit der «Vereinigten
Staaten von Rio de la Plata» erklärte. Daneben bildeten sich nun Paraguay und Uruguay als besondere Republiken.
Ein Kongreß der 14 konföderierten Republiken bestimmte endlich 1825 das Verhältnis der einzelnen Staaten zueinander und
stellte fest, daß der Staat Buenos-Aires die auswärtigen Angelegenheiten leiten und als oberste
mehr
Verwaltungsbehörde gelten sollte. Aber es fehlte noch ein einigendes Band. Dazu kamen die Umtriebe der Unitarier (Centralisten),
die die Konstitution vom zu stande brachten, gemäß welcher die Konföderation durch eine an Zahl geringe Aristokratie
gebildet wurde. Rivadavia wurde als Generalkapitän von Buenos-Aires Präsident der Konföderation, trat aber zurück.
Der größere Teil des Staates Buenos-Aires erhielt sein Gepräge von den unabhängigen Herdenbesitzern, die ihre Gewalt zu
Gunsten des Föderalismus behaupten wollten. Sie fanden einen Führer in Don Juan Manuel de Rosas (s. d.), der Ende 1821 zum
Gouverneur von Buenos-Aires sowie zum Haupte der Konföderation erwählt wurde. Nachdem er drei Jahre lang
jeden Widerstand unterdrückt hatte, übertrug er 1832 seine Gewalt dem General Balcarce, um gegen die Indianer zu ziehen,
die er über den Rio Colorado zurückdrängte. 1835 übertrug man ihm mehrmals die Diktatur, so daß er bis 1852 unumschränkter
Herrscher von ganz Argentina blieb.
Paraguay erhielt sich unter seinem Diktator Francia unabhängig, während auf Uruguay abwechselnd Argentina
und Brasilien Anspruch machten. Erst 1828 vermittelte England die Unabhängigkeit Uruguays als einer selbständigen Republik.
Dem Vertrage gemäß sollte Argentina die neue Republik beschützen; dies benutzte Rosas, um in die innern Zwiste (s. Uruguay)
zwischen Oribe und Ribera einzugreifen. Während der daraus entstandenen Kämpfe fielen die Staaten Corrientes
und Entre-Rios von Rosas ab, der dann, in der Schlacht von Monte-Caseros durch die Truppen Brasiliens, Uruguays, Paraguays
und der oppositionellen Teile Argentinas geschlagen, sich genötigt sah, nach England zu fliehen.
Eine Versammlung von Abgeordneten der verschiedenen Staaten erwählte Mai 1852 Vincente Lopez zum provisorischen
Gouverneur des Staates Buenos-Aires. Aber schon 23. Juni stellte sich Urquiza, der über die Armee verfügte, als Diktator an die
Spitze, erkannte durch Vertrag die Unabhängigkeit Paraguays an und sicherte durch Verträge die freie Schiffahrt auf allen Nebenflüssen
des La Plata. Am brach jedoch eine Empörung aus, infolge deren Valentin Alsina zum Gouverneur
erwählt wurde.
Bueuos-Aires beschloß jetzt, sich von der Konföderation zu trennen und als selbständigen Staat zu erklären. Die in
Santa Fé versammelten Abgeordneten aller Staaten, Buenos-Aires ausgenommen, entwarfen eine Verfassungsurkunde, die 15. Mai veröffentlicht
wurde. Man hatte in dieser den Staat Buenos-Aires ausdrücklich zum Haupt der Konföderation bestimmt in der Hoffnung, derselbe
werde sich dem Bunde wieder anschließen. Zu Ende 1853 sollte die Konstitution in Wirksamkeit treten. Am wurde Urquiza
zum Präsidenten der Konföderation auf fünf Jahre erwählt; zum Sitz der Regierung bestimmte man das
in der Provinz Entre-Rios gelegene Bajada del Parana.
Inzwischen hatte sich im Januar demselben Jahres auch Buenos-Aires eine Konstitution gegeben, in der ebenfalls die Rückkehr
zur Konföderation vorgesehen war. Am kam ein Vertrag zu stande, demzufolge beide Regierungen unabhängig sein sollten,
aber Unteilbarkeit des Territoriums verbürgt wurde; bei drohender Gefahr von außen sollten die Staaten
einander unterstützen; an den Grenzen sollten keine Pässe gefordert werden und die Schiffe beider Nationen die Nationalflagge
führen, keiner
von beiden Staaten sollte Steuern auf die Produkte des andern legen.
In Buenos-Aires wurde Obligado 1857 auf fünf Jahre zum Präsidenten gewählt. Alle Bemühungen, die alte
Vereinigung vollends herzustellen, erwiesen sich jedoch als erfolglos, ja es wurde sogar infolge neuer Zwistigkeiten
der Vertrag wieder aufgehoben. Nachdem Urquiza die Truppen von Buenos-Aires bei Cepada geschlagen, wurde durch
den Frieden zu San José de Flores und die zu Parana geschlossene Union der Staat Buenos-Aires wieder
mit dem argentin.
Bunde vereinigt. Aber 1861 begannen wegen der Steuerfrage neue Feindseligkeiten; 17. Sept. schlug der General Mitré von Buenos-Aires
die argentin. Truppen zu Pavon. Darauf dankte der Präsident des Bundes, Santiago Derqui, ab, die Nationalregierung
wurde Mitré übertragen und für den nach Buenos-Aires eine Nationalversammlung berufen. Diese nahm eine neue
Konstitution an, nach der die Stadt Buenos-Aires zur Konföderation eine ähnliche Stellung haben sollte wie der Distrikt Columbia
in den Vereinigten Staaten von Amerika. Der erwählte Gouverneur sollte nur den Staat, nicht aber die Hauptstadt
Buenos-Aires regieren; diese Bestimmung aber trat erst 1880 in Wirksamkeit. Mitré wurde der erste Präsident
der nun wieder vereinigten Argentinischen Konföderation.
Die neue Verfassung, nach dem Muster der nordamerikanischen entworfen, war den beiden polit. Hauptparteien des Landes, den Unitariern
und Föderalisten, gleich gerecht geworden. Den Unitariern bot sie eine kräftige Centralgewalt, den gemäßigten
Föderalisten hinreichende Selbständigkeit für die einzelnen Provinzen. Präsident Mitré war zudem ein tüchtiger staatsmännischer
Kopf, der sein Volk kannte und zu leiten verstand. Aber der Übermut des Diktators von Paraguay, Lopez (s. d.), nötigte Brasilien
zum Kriege und zog auch die Argentinische Konföderation mit hinein.
Der vierjährige Krieg gegen Paraguay kostete der Argentinischen Konföderation 40 Mill. Dollars und 40-50000 Mann, abgesehen
von den 200000 Opfern, welche die infolge des Krieges ins Land geschleppte Cholera forderte. Von 1865 bis 1868, während welcher
Zeit Mitré an der Spitze der verbündeten Heere stand, geschah gegen Lopez nichts von entscheidender Bedeutung.
Erst als im Jan. 1868 der Vicepräsident der Argentinischen Konföderation, Marcos Paz, starb und Mitré wieder verfassungsmäßig
die Regierung übernahm, begannen die wirksamen Unternehmungen in Paraguay, die im Frühjahr 1870 mit gänzlicher Vernichtung
der Lopezschen Macht und dessen Tode endigten.
Als im Okt. 1868 Mitré's Amtsdauer ablief, wurde der damalige Gesandte der Konföderation in Nordamerika,
Domingo Faustino Sarmiento, mit großer Mehrheit zum Präsidenten gewählt, der seine Regierung antrat. Von dieser
Zeit an nahm das Land einen mächtigen Aufschwung. Mehrere Aufstände in der Provinz Entre-Rios April 1870 und dann 1873 unter
Lopez Jordan wurden bald unterdrückt. Schlimmer gestaltete sich die Lage, als die Präsidentschaft Sarmientos
sich ihrem Ende näherte. Die Unitarier stellten Mitré abermals als Kandidaten auf, doch wurde Avellaneda, der Kandidat der
Föderalen, gewählt, Mitré 26. Nov. bei La Verde geschlagen und 2. Dez. bei Junin zur Unterwerfung
gebracht. Avellaneda trat die Regierung an. Seiner Energie
mehr
und der Thätigkeit des Finanzministers de la Plaza gelang es, den drohenden Staatsbankrott abzuwenden und den Credit wiederherzustellen.
Der Kriegsminister Adolfo Alsina schob 1876 die Indianergrenze gegen Südwesten vor und gewann so ein bedeutendes Kulturgebiet.
Nach dessen Tod wurde der neue Kriegsminister Julio Roca Kandidat der Föderalen für die bevorstehende
Präsidentenwahl, während die Unitarier den Gouverneur von Buenos-Aires, Dr. Stejedor, aufstellten.
Für letztern erklärten sich die Provinzen Buenos-Aires und Corrientes, während die andern 12 Provinzen für Roca eintraten.
So brach 1880 abermals ein Bürgerkrieg aus. Der Präsident Avellaneda verließ mit der Bundesregierung Buenos-Aires,
und Belgrano wurde provisorischer Regierungssitz. Buenos-Aires wurde eingeschlossen und mußte sich nach
blutigen Gefechten ergeben, worauf Roca 13. Juni gewählt wurde und die Regierung antrat. Unter ihm wurden die Indianer
aus dem Dreieck zwischen Neuquen, Limay und den Anden vertrieben und der Limay als Grenze festgesetzt.
Zugleich erfolgte die Zurückdrängung der Chaco-Indianer und die Umgestaltung dieses Landstrichs für
Ansiedlerzwecke. Am wurde durch Vertrag der Streit mit Chile über die Grenze in Patagonien geschlichtet. Ein Gesetz
über die Gründung einer Nationalbank in Buenos-Aires und Zweigniederlassungen in den Provinzen wurde erlassen, doch begann
schon jetzt das Treiben, das 10 Jahre später zum finanziellen Ruin des Landes führen sollte. Den ersten
Anlaß dazu gaben Landspekulationen in den neu erworbenen Indianerterritorien.
Europäische Kapitalien wurden in großen Beträgen zu Staats- und Provinzialanleihen herangezogen, und eine Gründungsperiode
in Eisenbahnen, Hafenbauten, Ackerbaukolonien u. s. w. begann. Der Handel blühte und schien auf einer soliden Basis zu beruhen,
seitdem Roca 1882 die Goldwährung eingeführt hatte; 1885 sah er sich jedoch bereits infolge des steigenden Goldagios genötigt,
den Noten der Nationalbank Zwangskurs zu verleihen. 1886 konnte der Präsidentenwechsel zum erstenmal ohne Bürgerkrieg vor
sich gehen.
Dr. Miguel Juarez Celman trat 12. Okt. als Präsident ein. Unter ihm nahm die ungesunde Spekulationswut einen
noch erhöhten Aufschwung und brachte es dahin, daß die Staatsschulden eine ungewöhnliche Höhe erreichten und die Bezahlung
der Zinsen immer schwieriger wurde. Die Regierung ließ heimlich Noten bis zu einer Höhe von 220 Millionen ausgeben, so daß
das Papiergeld immer mehr im Kurse sank und man für 100 Pesos Gold 300 Pesos Papiergeld bezahlen mußte.
Es entstand allgemeine Unzufriedenheit, welche die regierungsfeindliche Partei, die Union Civica, benutzte, um in
Buenos-Aires einen Aufstand ins Werk zu setzen.
Die Aufständischen bemächtigten sich nach blutigem Kampfe der wichtigsten Punkte der Stadt und riefen den Vorsitzenden
der Union Civica, Leandro Allem, zum Präsidenten aus. Zwar gelang es dem General Roca schließlich, die
Empörung zu unterdrücken; aber bei der allgemeinen Erbitterung gegen ihn sah sich Celman gezwungen, von der Präsidentschaft
zurückzutreten. Der bisherige Vicepräsident Pellearini führte nun die Präsidentschaft. Mit dem Zusammenbruch der Herrschaft
Celmans war indessen der Bankrott der eine Argentinische Republikeine vollendete Thatsache, die durch die Zahlungseinstellung der
Londoner Firma Baring Brothers & Co., der
Hauptvermittler der argentin.
Finanzgeschäfte, Nov. 1890 hinlänglich dokumentiert wurde. Es wurde ein Komitee aus den bedeutendsten am argentin. Geschäft
beteiligten Kaufleuten unter der Führung Rothschilds gebildet und auf dessen Rat die Zinszahlung der auswärtigen
Schuld auf 3 Jahre sistiert, mit Ausnahme der Anleihe von 1886/87 von 7 Mill. Pfd. St. Die Wirkungen dieser Katastrophe zeigten
sich bald in furchtbarer Weise: Bankbrüche und Zahlungseinstellungen folgten in großer Anzahl, und die Regierung sah sich
gezwungen, eine Notstandsanleihe von 100 Mill. Pesos zu fordern, ohne die Lage zu bessern.
Im Juni 1892 wurde der Vicegouverneur der Provinz Buenos-Aires, Luis Saenz Pena, zum Präsidenten der Argentinische Republik gewählt. 12. Okt. trat
er sein Amt an. Aufständische Bewegungen, die bald darauf die Provinzen Santiago del Estero und Corrientes beunruhigten, wurden
in kurzer Zeit unterdrückt. Größern Umfang nahm jedoch ein Aufruhr an, der durch die Ernennung des radikalen
Kabinetts del Valle (Juli 1893) hervorgerufen wurde und zu einem förmlichen Bürgerkriege führte, infolgedessen das Kabinett
zurücktrat. Als der Kongreß die Amnestierung der in die letzten Revolutionen Verwickelten verlangte, dankte der damit nicht
einverstandene Präsident Saenz Pena im Jan. 1895 ab; an seine Stelle trat der bisherige Vicepräsident
Uriburi.
Litteratur. Burmeister, Reise durch die La Plata-Staaten (2 Bde., Halle 1861);
Dominguez, Historia Argentina (Buenos-Aires 1861);
de Moussy, Description géographique et statistique de la Confédération Argentine (3 Bde., Par. 1860-64);
Beck-Bernard, La République Argentine (Lausanne 1867; deutsch, 2. Aufl., Bern1874);
Tschudi, Reisen durch Südamerika,
Bd. 5 (Lpz. 1869);
Andree, Buenos-Aires und die argentin.
Provinzen (3. Aufl., ebd. 1874); Petermann, Die südamerik. Republiken
Argentina, Chile, Paraguay und Uruguay (Gotha 1878); Mulhall, Handbook of the River Plate Republics (6. Aufl., Lond.
1893); Burmeister, Physik. Beschreibung der Argentinische Republik (Bd.
1, Buenos-Aires 1875; Bd. 2, Par. 1876);
Napp, Die Argentinische Republik (Buenos-Aires 1876);
Aleman, Neueste Mitteilungen über die Argentinische Republik (Biel 1883);
Greger, Die Republik Argentina
(Bas. 1883);
Lopez, Historia de la Republica Argentina (2 Bde., Buenos-Aires 1883);
Latzina, Die Argentinische Republik als Ziel der europ. Auswanderung
(ebd. 1883);
Coni, Die Provinz Buenos-Aires u. s. w. (Zür. 1834);
Stelzner, Beiträge zur Geologie und
Paläontologie der Argentinische Republik, Tl. 1 (Cass. 1885);
Latzina, Geografia de la Republica Argentina (Buenos-Aires 1888; neue Ausgabe 1890);
Anales de la oficina meteorologica de Argentina, jährlich; Clemens, La Plata countries of South America (Philad. 1886): Daireaux,
La vie et les mœrs à La Plata (Par. 1887);
ders., République Argentine (2 Bde., ebd. 1889);
Andrießen,
De Argentijnsche Republiek (Leiden 1889);
Latzina, L'agriculture et l'élevage de la République Argentine (Par. 1889);
ders.,
Geografia de la Republica Argentina (ebd. 1891);
Guilaine, La République Argentine, physique et économique (ebd. 1889): Bovio,
Geografia de la Republica Argentina (Buenos-Aires 1888);
Peyret, Une visite aux colonies de la République
Argentine (Par. 1889);
B. Lehmann, Die Rechtsverhältnisse der Fremden in Argentina (Buenos-Aires 1889);
Modrich, Republica Argentina
(Mail. 1890);
Alcorta, La Republica Argentina en la Exposicion universal
mehr
de Paris de 1889 (2 Bde., Par. 1890);
Kreuth, Aus den La Plata-Staaten (Wien 1891);
Turner, Argentina and the Argentines (Lond. 1892);
Schmitz, Die Finanzen Argentiniens
(Lpz. 1895). -
Karten: Atlas da la Republica Argentina (seit 1886 unter Argentinische Seelstrangs Leitung im Instituto Geografico Argentino erscheinend);
Brackebusch (6 Blätter, Hamb. 1890);
ders., Mapa geologico del interior de la Republica Argentina 1: 1000000
(Gotha 1892).