Arends,
Leopold, Schriftsteller und Begründer eines stenographischen Systems, geb. zu Rakishy bei Wilna, studierte seit 1838 in Dorpat, privatisierte darauf in Königsberg und seit 1844 in Berlin, wo er sich besonders mit Paläographie und Stenographie beschäftigte und starb. Bedeutender als seine Dramen (»Libussas Wahl«, 1844; »Demosthenes«, 1848) und die Gedichtsammlung »Eine Festgabe für Gemüt und Verstand« (Berl. 1878) sind sein naturwissenschaftliches Werk »Das Wunderreich der Natur« (das. 1857-58, 3 Bde.) und seine Schrift »Über den Sprachgesang der Vorzeit und die Herstellbarkeit der althebräischen Vokalmusik« (das. 1867). Am bekanntesten wurde sein Name durch die von ihm begründete sogen. rationelle Stenographie, welche 1850 in 6 Tafeln, dann 1860 in dem »Vollständigen Leitfaden« (14. Aufl., Berl. 1883) und 1876 in dem »Vollständigen Lehrbuch der Militärstenographie« (2. Aufl. 1877) von ihm publiziert wurde.
Arends' Stenographiesystem, welches etwa 15 Unterrichtsstunden erfordert, ist sonach das jüngste in der um den Vorrang streitenden Trias: Gabelsberger, Stolze, Arends. Die von Gabelsberger und Stolze angewandte Verschmelzung der Vokal- mit den Konsonantenzeichen und Symbolisierung der Vokale an den letztern benutzte Arends nicht, sondern schlug einen andern Weg ein, der vor ihm schon in dem französischen Stenographiesystem von Fayet (1832) und dem darauf fußenden deutschen von Rahm (1849) betreten war.
Die Vokalzeichen bildete Arends aus dem Auf- oder Haarstrich, die Konsonantenzeichen aus dem Ab- oder Grundstrich. Alle Konsonanten sind am Fuß unausgebildet und unterscheiden sich voneinander durch die verschiedene Gestaltung des Kopfes. Jeder Konsonant hat somit nur ein einziges Erkennungszeichen. Der Stab des Konsonanten ist bildsam, d. h. man kann ihn beliebig verändern und mit Vokalen verbinden, ohne daß man Gefahr läuft, ihn mit andern Zeichen zu verwechseln.
Die Vokale sind in »an«- und »inlautende« geschieden. Die anlautenden Vokale setzen sich an den Kopf, die inlautenden dagegen an den Fuß der Konsonanten an. Die notwendige Kürze erzielt Arends weniger durch Bildung von Siglen für einzelne Wörter, wobei auch dem Alphabet ganz fremde Zeichen benutzt werden, als vielmehr durch Aufstellung von Regeln für ganze Gruppen von Wörtern. Die Schrift wird ohne Rücksicht auf die Stärke des Strichs geschrieben und ist wesentlich phonetisch, doch sind für die buchstäbliche Wiedergabe der Eigennamen vokalische Neben-, Umwandlungs- und Verdoppelungszeichen eingeführt, welche speziell für diesen Zweck (erstere auch zur Herstellung des Rhythmus in der gebundenen Rede) verwendet werden.
Die konsonantischen Neben- oder Hilfszeichen unterscheiden sich von den vokalischen Aufstrichen durch ihre Steilheit. Das System wurde übertragen auf das Spanische von Möller-Ingram (1870), auf das Französische von Grosse (1873), auf das Magyarische von Dohnányi (1877), auf das Schwedische von Bergsten (1881) und auf das Lateinische von Konrad (1884); eine Übertragung auf das Russische hat Arends selbst druckfertig hinterlassen. Werkthätig vertreten wird die Arendssche Stenographie gegenwärtig durch etwa 80 Vereine (der älteste 1860 in Berlin begründet, die bedeutendsten in Berlin und Magdeburg) mit 1300 Mitgliedern, von denen etwa zwei Drittel in 4 Verbänden organisiert sind, und durch 5 Zeitschriften.
Die Stenographiesysteme von Roller und Lehmann fußen wesentlich auf dem Arendsschen.
Vgl. Wendtland, Leopold Arends und seine Schule (Leipz. 1883);
Grosse, Leopold Arends (Berl. 1878);
Spahr und König, Kalender für Arendssche Stenographen (Leipz., seit 1878);
Wendtland, Praktischer Lehrgang der Arendsschen rationellen Kurzschrift (2. Aufl., Halle 1878);
Grosse, Die Pädagogik und die Stenographie (2. Aufl., Berl. 1879);
Kaselitz, Kritische Würdigung der deutschen Kurzschriftsysteme von Stolze, Gabelsberger und Arends (das. 1875);
Möller-Ingram, Gabelsberger und Arends (das. 1864);
Rätzsch, Das System Arends (Dresd. 1884).