Archimedes
,
Mathematiker und Physiker, geboren zu Syrakus [* 2] wahrscheinlich 287 v. Chr., ein Verwandter des Königs Hieron II., zu dem er in freundschaftlicher Beziehung stand, nach einer andern Angabe aber von niederer Herkunft. Während eines Aufenthalts in Ägypten [* 3] dürfte er mit den alexandrinischen Gelehrten in Beziehung getreten sein. In seine Vaterstadt zurückgekehrt, lebte er den Wissenschaften, suchte dieselben aber auch für die Zwecke der Praxis nützlich zu machen, und gerade seine Leistungen in der praktischen Mechanik haben ihm den meisten Ruhm verschafft.
Nach
Livius waren es nur seine kunstreichen
Kriegsmaschinen, welche zwei Jahre lang alle
Angriffe der
Römer
[* 4] unter
Marcellus auf
Syrakus vereitelten und namentlich der römischen
Flotte die schwersten Verluste beibrachten; nur durch Überrumpelung von der
Landseite aus konnte
Marcellus 212 sich der Stadt bemächtigen, bei welcher Gelegenheit Archimedes
im 75. Altersjahr von einem römischen
Soldaten inmitten geometrischer
Studien erschlagen wurde.
Marcellus ließ ihm ein
Grabmal setzen mit der von Archimedes
selbst für diesen
Zweck angegebenen
[* 1]
Figur, die sich auf den geometrischen
Satz bezog, daß die
Inhalte eines
Kegels, einer
Halbkugel und eines
Cylinders von gleicher
Basis und gleicher
Höhe sich verhalten wie 1:2:3;
¶
mehr
an dieser
[* 5]
Figur erkannte Cicero später das Grabmal wieder, als er 75 als Quästor in Syrakus verweilte. Von seinen im dorischen
Dialekt abgefaßten Schriften sind uns, der wahrscheinlichen Entstehungszeit nach geordnet, folgende erhalten: zwei Bücher
über das Gleichgewicht
[* 6] der Ebenen (mit einer eingeschobenen Abhandlung über die Quadratur der Parabel),
[* 7] zwei
Bücher von der Kugel und vom Cylinder, die Kreismessung, die Schrift über die Spiralen, das Buch von den Konoiden und Sphäroiden,
die Sandrechnung, zwei Bücher von den schwimmenden Körpern (nur in lateinischer Übersetzung erhalten), Lemmata (in arabischer
Übersetzung). Die erste Ausgabe, griechischer Text mit lateinischer Übersetzung nebst Kommentar des Eutokios
von Askalon, besorgte Th. Geschauff, genannt Venatorius (Basel
[* 8] 1544); die vollständigste Textausgabe ist die von Torelli (Oxf. 1792);
eine neue Ausgabe mit lateinischer Übersetzung besorgte Heiberg (Leipz. 1880-81, 3 Bde.),
der auch »Quaestiones Archimedeae« (Kopenh.
1879) veröffentlichte. Eine deutsche Übersetzung lieferte Nizze (Strals. 1825), eine französische
Peyrard (Par. 1808, 2 Bde.).
- Von den geometrischen Leistungen des Archimedes
sind der Nachweis, daß der Kreisumfang zwischen dem 3 1/7 und
dem 3 10/71fachen des Durchmessers liegt, die Quadratur der Parabel und Ellipse,
[* 9] die Untersuchung der Eigenschaften der nach ihm
benannten Spirale sowie die Kubatur der Kugel, des Sphäroids und der Konoide besonders hervorzuheben.
Durch eine sinnreiche Gliederung des dekadischen Zahlensystems wird es ihm in seiner »Sandrechnung« möglich, eine Zahl
anzugeben, welche die Anzahl der Sandkörner, welche die Fixsternsphäre zu fassen vermag, noch übertrifft. Archimedes
hat
ferner die mathematischen Grundlagen für die Statik der festen und tropfbarflüssigen Körper geschaffen: er stellte das
Gesetz für das Gleichgewicht am Hebel
[* 10] auf, ermittelte mit Hilfe desselben die Schwerpunkte ebener Flächen und entdeckte das Gesetz
des hydrostatischen Auftriebs, daß jeder Körper, in eine Flüssigkeit getaucht, so viel an Gewicht verliert, als das Gewicht
der von ihm verdrängten Flüssigkeit beträgt (Archimedisches Prinzip, vgl. Hydrostatik).
[* 11]
Nach dem Bericht des Vitruv hatte Hieron dem den Auftrag erteilt, zu untersuchen, ob eine angeblich aus reinem Gold [* 12] hergestellte Krone Silber enthalte. Während er über diese Aufgabe nachdachte, trat nun in ein Badehaus und bemerkte beim Einsteigen in die Badewanne, daß so viel Wasser ausfloß, als sein Körper verdrängte. Dadurch auf den richtigen Gedanken gebracht, soll er mit dem Freudenruf: »Heureka« (»ich hab's gefunden !«) nach Hause geeilt sein, wo er mit Kugeln von reinem Gold und reinem Silber weitere Versuche anstellte.
Über die darauf bezügliche Rechnung, sogen. »Kronenrechnung«, vgl. Alligationsrechnung. Für die Leistungen des in der praktischen Mechanik spricht die von Proklos berichtete Thatsache, daß er eine Vorrichtung herstellte, mit deren Hilfe der König Hieron allein ein schweres Schiff [* 13] vom Stapel lassen konnte; wahrscheinlich bediente er sich dazu eines Flaschenzugs. Von dem hohen Vertrauen in die Leistungsfähigkeit seiner Maschinen zeugt auch der stolze Ausspruch: »Gib mir, wohin ich gehe, und ich bewege die ganze Erde«.
Die gewaltigen Kriegsmaschinen, mit denen Archimedes
seine Vaterstadt verteidigte, waren nach dem Zeugnis des Livius und Polybios Wurfmaschinen;
daß er durch Brennspiegel die feindlichen Schiffe
[* 14] in Brand gesetzt habe, ist eine Erfindung späterer Zeiten. Dagegen ist die
Verwendung der Schraube zum Wasserheben (archimedische Schraube) wahrscheinlich seine
Erfindung. Über den
dem Archimedes
zugeschriebenen, vielleicht durch Wasser bewegten Himmelsglobus vgl. Hultsch in Schlömilchs »Zeitschrift für Mathematik
und Physik«, 22. Jahrg. (1877), histor.-litt. Abt., S. 106; über die in Distichen abgefaßte Aufgabe, die unter dem Namen des
Archimedischen Rinderproblems bekannt ist, vgl. Krumbiegel und Amthor in
derselben Zeitschrift, 25. Jahrg. (1880), S. 121 u. 155.