Antisthĕnes,
von Athen, [* 2] Stifter der cynischen Schule (s. Cyniker), erst Schüler des Gorgias und nachmals Schüler und Freund des Sokrates, geb. 444 v. Chr., Sohn eines athenischen Vaters und einer thrakischen Mutter, daher er seinen Lehrstuhl in dem Gymnasium der unebenbürtigen Athener, Kynosarges, aufschlug, von dem seine Schule die cynische oder, wie ihre Gegner spotteten, die »hündische« (kynes, Hunde) [* 3] genannt wurde. In theoretischer Hinsicht behauptete er, eine sichere Erkenntnis sei nur durch richtige Definitionen und durch identische, d. h. solche Urteile möglich, in welchen das Prädikat mit dem Subjekt einerlei sei, wodurch jeder eigentliche Fortschritt im Erkennen abgeschnitten erscheint. In praktischer Hinsicht, die ihm aus diesem Grund, ebenso wie dem Sokrates, die wichtigere war, gilt ihm als oberstes Ziel des menschlichen Lebens die Tugend.
Was zwischen ihr und der Schlechtigkeit in der Mitte liege, sei gleichgültig (adiaphoron).
Tugend sei
zur
Glückseligkeit ausreichend, womit allerdings eingestanden wird, daß der eigentliche
Zweck des Daseins
Glückseligkeit
und die
Tugend als vornehmste
Quelle
[* 4] derselben von Wert sei. Da nun die Unmöglichkeit, seine Bedürfnisse zu befriedigen,
das Gegenteil der
Glückseligkeit erzeugt, so trachtete Antisthenes
, sowenig als möglich Bedürfnisse zu haben, beschränkte
seine
Kleidung auf einen durchlöcherten
Mantel, seine Gerätschaften auf
Sack,
Stab
[* 5] und Holzbecher, ließ
Haar
[* 6] und
Bart wachsen,
schlief auf der bloßen
Erde und setzte sich über die Anforderungen der konventionellen
Sitte hinaus.
Den Kultus der Götter verwarf er: der Eine Gott werde nicht aus Bildern erkannt;
Tugend allein sei der wahre Gottesdienst.
Die Gedichte Homers, der (nebst Hesiod) den Griechen (nach Herodot) ihre Götter gemacht hatte, deutete er allegorisch im Sinn seiner Philosophie. In der Politik war er Weltbürger. Seine sämtlich verlornen Schriften, unter denen angeblich eine Streitschrift: »Sathon, oder vom Widersprechen« (in 3 Büchern), gegen Platon, mit dem er nicht befreundet, gerichtet war (während er mit Xenophon sehr gut stand),
sollen 10 Bände ausgemacht haben;
zwei
Deklamationen
(abgedruckt in den Sammlungen der attischen Redner von
Aldus,
Stephanus,
Reiske und
Bekker)
sind ebensowenig wie ein
Brief (am
besten abgedruckt bei
Orelli, »Collect. epist. graec.«, Bd.
1, Leipz. 1815) als echte Werke des Antisthenes
anzusehen.
Die Fragmente seiner Schriften wurden herausgegeben von Winckelmann (Zür. 1842).
Vgl. Chappuis, Antisthène
(Par. 1854).