Erst als unter den Nachfolgern desselben sich zeigte, wie eng die politische mit der religiösen
Freiheit verbunden sei, wurde
im
Kampf mit politischer
Willkür der englische Volksgeist eng an den
Protestantismus gekettet. Vorbereitet war zwar auch hier
dieReformation, teils durch Wiclef und die Lollarden, teils durch die Humanisten. Gleichwohl mußte jede
reformatorische
Bewegung so lange vergeblich bleiben, als nicht die politische
Gewalt des
Staats sich mit ihr verbunden hatte.
Heinrich VIII., der das
Band
[* 4] mit
Rom zerriß, war seiner ganzen Denkweise nach der römischen Lehrauffassung völlig zugethan,
wie er denn nicht
allein die protestantisch Gesinnten in seinem Land verfolgt, sondern auch durch eine
Streitschrift gegen
Luther sich den Ehrentitel eines Beschützers des
Glaubens erworben hatte. Erst als der
Papst seine
Ehe mit
Katharina von
Aragonien nicht auflösen wollte, ließ der König vom
Parlament die bisherigen
Rechte desPapstes
vernichten und schloß 1532 ohne päpstliche
Dispensation seine
Ehe mit
AnnaBoleyn.
Zwar wurden fortwährend durch
Cranmer einzelne
Mißbräuche abgeschafft, aber noch 1547 erneuerte der König das Verbot der
Bibel.
[* 6] Erst unterEduard VI., der von
Cranmer erzogen war, und unter dem der
Reformation günstigen
Herzog
von
Somerset durften die unter
Heinrich Verbannten zurückkehren. Auch wurden ausländische
Gelehrte, wie
MartinBucer u. a.,
berufen, unter deren
Beihilfe die
Liturgie geändert ward. Im J. 1549 wurde das
Abendmahl unter beiderlei Gestalt eingeführt
und die Priesterehe gestattet; ein von
Cranmer verfaßtes Homilienbuch trug zur
Reform des
Gottesdienstes
im evangelischen
Sinn viel bei.
Land das mit dem politischen Absolutismus verbundene Prälatentum in Willkür und Despotismus ausartete und durch ein ausgebildetes
Zeremonienwesen Anstoß gab, rief der Versuch, die bischöfliche Kirche in Schottland einzuführen, dort 1637 eine Empörung
hervor. Auch in England wurde 1643 der Presbyterianismus zur herrschenden Kirche bis zur Wiederherstellung der Staatskirche
durch die neue Uniformitätsakte von 1662 (s. Dissenters).
Die Bischöfe, die meisten Dekane und viele der andern Würdenträger werden von der Krone ernannt. Die
Bischöfe beziehen einen Gehalt von 2000-15,000 Pfd. Sterl. jährlich, die Dekane durchschnittlich 715 (350-1250) Pfd. Sterl.
Die Pfarreien (benefices, livings) werden von Patronatsherren besetzt. Dieses Besetzungsrecht (advowson) wird in den meisten
Fällen von Privatpersonen ausgeübt, doch wird der Kandidat nur dann vom Bischof in sein Amt eingeführt, wenn
er die nötige Qualifikation besitzt.
Die Pfründner (incumbents) sind entweder rectors, wenn sie im Vollgenuß des Zehnten und des Ertrags des Pfarrlandes (glebe)
stehen, Vicars, wenn sie nur den »kleinen« Zehnten beziehen, oder perpetual curates, die in dotierten Filialkirchen den Dienst
versehen. In größern Gemeinden wird der Pfarrherr durch Hilfsgeistliche (stipendiary curates) unterstützt.
Die Gesetzgebung sorgt dafür, daß die Pfründner wenigstens einen Teil des Jahrs selbst den Gottesdienst versehen.
Auch die früher übliche Vereinigung von vielen Pfründen in einer Hand
[* 8] (plurality) ist eingeschränkt worden. Daß indes
bei obwaltenden Verhältnissen das Recht der Besetzung (noch bei Lebzeiten eines Pfründners) an den Meistbietenden
versteigert werden kann, und daß viele reichdotierte Pfarreien als Ausstattung in den Besitz der jüngern Söhne der großen
Gutsherren und der bischöflichen Verwandten gelangen, ist wohl selbstverständlich. Die sämtlichen 13,728 Pfründen haben
einen Jahreswert von 4,525,395 Pfd. Sterl. Das Besetzungsrecht üben in 960 Fällen die Krone, in 3465 Fällen die
Bischöfe und ihr Kapitel, in 882 Fällen die Universitäten und die Kollegien von Eton und Winchester und in 8521 FällenPrivatpersonen
oder Korporationen von Laien aus. Den Bischöfen liegt die gesamte innere Verwaltung der Kirche ob, auch stehen ihnen die Disziplin
und die Gerichtsbarkeit zu. Jedes der beiden Erzbistümer hat sein House of Convocation, in welchem die
Bischöfe, die Dekane und Vertreter der Kapitel und niedern Geistlichkeit (proctors) Sitz und Stimme haben. Das Laienelement ist
ausgeschlossen. Für Bildung der Geistlichkeit sorgen außer den Universitäten noch 18 theologische Seminare.
Man schätzt die Gesamteinnahme der anglikanischenKirche auf 8 Mill. Pfd. Sterl. Dieselbe entspringt
dem Zehnten (wobei zu bemerken, daß ein großer Teil des Landes zehntfrei ist), liegenden Gütern, angelegtem Kapital, Stolgebühren,
Kirchstuhlmieten und freiwilligen Gaben. Die Kirchensteuer (church rate) ist
seit 1868 abgeschafft. Die Dotierung der Bischöfe
und Kapitel wird durch eine 1842 ernannte Ecclesiastical Commission verwaltet, in welcher neben den Bischöfen
noch 5 Staatsminister, 3 Richter, 3 Dekane und 12 Laien Sitz und Stimme haben.
Der Ertrag übersteigt 1 Mill. Pfd. Sterl., und die Überschüsse, die sich nach Zahlung der vom Parlament festgesetzten Gehalte
etc. ergeben, werden für allgemeine Kirchenzwecke verwendet. Auch die Annaten (first fruits) werden von der Krone verwaltet
und dienen namentlich dazu, um als QueenAnne's Bounty (weil diese Bestimmung zur Zeit der KöniginAnna
getroffen wurde) die Einnahmen gering dotierter Pfründen zu erhöhen. Der Zehnte ist seit 1836 in einen Erbzins verwandelt worden,
dessen Betrag von sieben zu sieben Jahren festgesetzt wird. Sehr bedeutend sind auch die freiwilligen
Beisteuern zu kirchlichen Zwecken. So haben die 24 Gesellschaften für äußere Mission eine Jahreseinnahme von über 500,000
Pfd. Sterl.
Der Gottesdienst ist durch das allgemeine Gebetbuch (s. Common Prayer Book) genau geregelt und zeichnet sich durch liturgischen
Reichtum unter allen evangelischen Kulten aus. Die Predigt tritt hinter der Liturgie zurück. Dem Katholizismus
nahestehend in Verfassung und Ritus, ist die in der anglikanische Kirchein der Lehre durchaus protestantisch; denn die 39 Artikel, das eigentliche Glaubenssymbol,
auf welches alle Geistlichen verpflichtet werden, stimmen zum Teil wörtlich mit den deutschen evangelischen, insbesondere
reformierten, Bekenntnisschriften überein.
Die rein juristische formelle Anwendung der 39 Artikel bei der Bemessung der Lehrfreiheit der Geistlichen
hindert aber nicht, daß auch in der anglikanischenKirche die verschiedensten Richtungen sich geltend machen und der Streit
zwischen diesen so weit geht, daß sie sich gegenseitig die Anerkennung verweigern. Man pflegt drei Parteien zu unterscheiden:
Die hochkirchliche Partei (HighChurch party) hält vor allem an der Verfassung und dem allgemeinen Gebetbuch
fest.
In der Partei der sogen. Breitkirchlichen (BroadChurch party) ringt eine freiere, von deutscher Wissenschaft angeregte Theologie
nach kirchlicher Anerkennung; zu ihr gehörten Männer wie Arnold, Colenso, P. Stanley. Die a. K. beschränkt
sich als Staatskirche nur auf England, Wales und die Insel Man; doch sind aus derselben mehrere Tochterkirchen hervorgegangen.
Die protestantisch-bischöfliche Kirche von Irland, 1800 mit der anglikanischenKirche als UnitedChurch of England and Ireland
vereinigt, ist seit 1871 unabhängig und hat die 39 Artikel in wesentlichen Punkten abgeändert. Sie steht
unter 12 Bischöfen und hat eine Synode, in welcher neben den Bischöfen und 208 Vertretern der Geistlichkeit auch 416 Laien Sitz
und Stimme haben. Die Episcopal Church in Scotland sowohl als die American Episcopal Church in Amerika
[* 9] sind
gleichfalls Tochterkirchen, aber mit vollkommen selbständiger Verwaltung. Dahingegen stehen die 60 Bischöfe in den Kolonien, 12 sogen.
Missionsbischöfe in Heidenländern und etwa
¶
mehr
90 unabhängige Gemeinden im Ausland noch in einigem Zusammenhang mit der Mutterkirche, welche ihnen bedeutende Unterstützungen
gewährt. Doch ist in keiner der Kolonien die anglikanische Kirche Staatskirche und betreffs ihrer Erhaltung fast lediglich auf die Beisteuer
der Gemeindemitglieder angewiesen.
Vgl. Bailey, Jurisdiction and mission of the Anglican episcopate (Oxf. 1871);
Kirche, die Staatskirche Großbritanniens (the Established Church, Church of England), die in der Lehre
reformiert, in Kultus und Kirchenverfassung eine Mittelstellung zwischen prot. und kath. Wesen behauptet.
Gegenüber den übrigen reform. Kirchenparteien in England, die sämtlich presbyteriale Ordnungen
haben, heißt sie auch die Bischöfliche (Episkopal-) Kirche. AußerGroßbritannien und den Kolonien zählt
sie
¶
Sein Andenken bahnte den SchriftenLuthers, die seit 1519 in England Eingang fanden, den Weg. Aber die Anfänge einer neuen
Kirchenordnung waren von dieser religiösen Bewegung so gut wie unberührt geblieben: ein Ehehandel König Heinrich Ⅷ., die
vom Papst bekämpfte Heirat mit AnnaBoleyn (s. d.), trieben den König zum Bruche mit Rom, zum Sturz der
päpstl. Herrschaft in England und zur Erhebung des Königs als des obersten Hauptes von Staat und Kirche Als dannThomas Cromwell (s. d.) und Cranmer (s. d.)
durch die Protestantisierung dieser neuen Staatskirche den Wandel vervollständigen wollten, hielt Heinrich
dieselbe beim alten Dogma; in dem harten Kirchengesetz der «Sechs Artikel» (1539) blieb man bei den sieben Sakramenten, Transsubstantiation,
Cölibat, Stillmesse, Ohrenbeichte.
Erst nach HeinrichsTod (1547) unter Eduard Ⅵ. (1547–53) begann der ProtektorSomerset (s. d.) eine prot. Neuordnung der
unter Heinrich Ⅷ. so in der Lehre katholisch gebliebenen anglikan. Staatskirche. Bucer (s. d.) wurde nach
Cambridge, Peter Martyr und Ochino (s. d.) nach Oxford
[* 16] berufen, um das heranwachsende
Theologengeschlecht im reform. Glauben zu erziehen. Die 42 Glaubensartikel von 1542 enthalten schon einen ganz evang. Lehrbegriff.
Nur vorübergehend konnte von einer Zurückführung des Katholicismus unter Maria der Katholischen (1553–58)
die Rede sein, unter ihrer Nachfolgerin Elisabeth (1558–1603) ist dann die auf dem StaatskirchentumHeinrichs Ⅷ. beruhende,
dessen bischöfl. Verfassung und die alten Ceremonien meist beibehaltende, aber in der Lehre protestantische Anglikanische Kirche entstanden.
Die Königin wurde wieder das Haupt dieser Kirche und die aus Cranmers 42 Artikeln umgearbeiteten Neununddreißig
Artikel das Glaubensbekenntnis derselben; ebenso beruhte das neue allgemeine Gebetbuch (Common Prayer-book) auf der Vorarbeit
Cranmers. Die Uniformitätsakte gab der Staatskirche die allgemeine Herrschaft in England.
Aber schon unter Elisabeth erhob sich gegen den Zwang dieser Staatskirche die Opposition der Puritaner (s. d.),
die größere religiöse Freiheit forderten und die Kirche von allen noch in der Verfassung gebliebenen
Resten röm. Götzendienstes «reinigen» wollten.
Vor allem wuchs ihr Widerstand unter den Nachfolgern der Königin, Jakob Ⅰ. (1603–25) und Karl Ⅰ. (1625–49), er übertrug
sich auf das polit. Gebiet und bekämpfte die Alleinherrschaft der Monarchie ebenso wie die von dieser
geschützte Bischofskirche.
Ein Bürgerkrieg brach aus (1642), der Karl Ⅰ. auf das Schafott brachte, in welchem es aber auch zwischen den presbyterianischen
Puritanern und den freiern puritanischen Sekten der Independenten (s. d.) zu offenem Bruch und zur Niederlage der Presbyterianer
kam, nachdem diese noch in der Westminstersynode (1643–49) Kirchenverfassung und Lehre in ihrem Sinne
umgestaltet hatten. Die Herrschaft der Independenten brachte die Republik, schließlich
das Protektorat ihres großen Führers
Oliver Cromwell (s. d.), bis nach dessen Tod mit der Restauration des Königtums unter Karl Ⅱ. (1660–85) auch die Bischofskirche
wieder zur alleinigen Macht kam (neue Uniformitätsakte 1662). Die kath. Restaurationsversuche Jakobs Ⅱ.
(1685–88) führten 1688 zu seiner Vertreibung und zur Erhebung Wilhelms Ⅲ. (s. d.) von Oranien.
Die 1673 vom Parlament erlassene Testakte (s. d.) wurde durch die Toleranzakte von 1682 zu Gunsten der prot.
Dissenters (s. d.) verändert und blieb nur gegen Katholiken und Socinianer (s. d.) in Kraft.
[* 17] Erst durch die Parlamentsakten
vom und wurden die Katholiken ins Parlament und zu den meisten Staatsämtern zugelassen.
Doch dürfen noch heute keine kath. Priester im Parlament sitzen; ausländische Ordensgeistliche
werden ausgewiesen, einheimische unter strenge Aufsicht gestellt, die Führung geistlicher Titel ist bei hohen Geldstrafen verboten.
Diese und andere Vorsichtsmaßregeln haben die geheime oder offene Hinneigung namhafter anglikan. Geistlicher
und hochgestellter Laien zum Katholicismus, ja zahlreiche Übertritte nicht hindern können. Papst Pius Ⅸ. teilte angesichts
der Fortschritte des Katholicismus England in acht Sprengel und ernannte 1850 in Kardinal Wiseman (s. d.), dem 1865 Kardinal
Manning (s. d.) folgte, einen Erzbischof von Westminster und
Primas der kath. Kirche in England; ein Eingriff in die Staatsgesetze, der die öffentliche Meinung gewaltig erregte. ^[]
Die innere Verfassung ist seit der Gesetzgebung von 1689 nur in untergeordneten Punkten geändert worden. Die Bischöfe sitzen
von alters her als Barone des Reichs im Hause der Lords. An ihrer Spitze steht der Erzbischof von Canterbury
als Primas von ganz England und erster Peer des Reichs. Zu seiner Provinz gehören 21 Bistümer in England und 53 in den Kolonien.
Er hat das Vorrecht, den König zu krönen. Ihm zunächst steht der Erzbischof von York, dem 7 Bistümer untergeben sind.
Irland war seit der Church-Temporality-Akte von 1833 in 2 Erzbistümer (Armagh und Dublin)
[* 18] und 12 Bistümer
geteilt; im Parlament saßen für Irland aber stets nur ein Erzbischof und drei Bischöfe. Durch Parlamentsakte vom ist
jedoch die irische Staatskirche, bis dahin ein Zweig der Anglikanische Kirche, aufgehoben, die Zahl der
Bistümer beschränkt und das Recht der in Anglikanische Kirche Irland, Katholiken und Dissenters zu besteuern, aufgehoben worden. Die geistliche
Machtvollkommenheit des höhern Klerus hat sich bis heute ziemlich ungebrochen erhalten. Er besitzt das Recht der Konfirmation,
Ordination, der geistlichen Disciplin und Gerichtsbarkeit.
Seine Wahl erfolgt der Form nach durch die Kapitel, in Wirklichkeit durch die Krone, die den Kapiteln den
zu Wählenden bezeichnet und sie im Weigerungsfall zur Strafe zieht. Die Bistümer sind wieder in Archidiakonate (archdeaconries)
geteilt. Die niedere Geistlichkeit teilt sich in Kapitel- und Pfarrgeistlichkeit. An der Spitze der erstern, die den Dienst
in den Kathedralkirchen besorgt, steht der Dekan (dean), als Vorsteher des aus 4–6 Kanonikern (canons)
bestehenden Kapitels (chapter). Die Pfarrgeistlichkeit (clergy) zerfällt in Pfarrer (incumbent), Hilfsgeistliche (curate)
und Kapläne (chaplain). Unter den Kirchen unterscheidet man 1) Pfarrkirchen (parish church), die teils die vollen Einkünfte
ihrer Dotation besitzen (rectory), teils
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mehr
nur einen Teil der Einkünfte beziehen und einen (geistlichen oder weltlichen) Eigentümer (appropriator oder rector) über
sich haben (vicarage), teils ohne eigene Dotation vom Patron unterhalten werden (perpetual curacy);
2) Bezirkskirchen, deren Einkünfte aus Stuhlgeldern bestehen (abgetrennte Pfarreien, district church);
3) Kirchen, die im Pfarrverband einer andern Kirche stehen, aber mit getrennter Seelsorge (chapel of ease
and parochial); endlich 4) Hilfskapellen (chapel of ease merely), in denen nur gepredigt wird. Hierzu kommen noch
die Privatkapellen des hohen Adels, der Bischöfe u. s. w., die freien Kapellen (auf königl.
Domänen) und Kapellen im Besitz von Privatpersonen. Das Patronatsrecht ist zu einem Drittel in den Händen
der Krone; die übrigen Stellen werden von Bischöfen, Kapiteln oder Privatpatronen besetzt.
Die Geistlichen werden vom Patron präsentiert, vom Bischof admittiert, worauf die Anstellung und Einführung folgt. Vor der
Anstellung haben sie die 39 Artikel zu unterschreiben und zu geloben, sich beim Gottesdienste streng an die vorgeschriebene
Agende (das Prayer-book, s. Common Prayer, Book of) halten zu wollen. Die Pfarrgemeinden fielen
bis vor kurzem mit den polit. Gemeinden zusammen, daher hinsichtlich der Pflichten und Rechte der Gemeindegenossen nicht darauf
Rücksicht genommen wurde, ob jemand sich persönlich zur Staatskirche oder zu den Dissenters hielt.
Aber durch die Parlamentsakte vom sind die Dissenters von der Kirchensteuer befreit. Die Gemeindeversammlung
(vestry) wählt unter dem Vorsitze des Pfarrers die Gemeindebeamten (hier und da auch die Pfarrer) und besteuert sich selbst.
Zur Annahme der Gemeindeämter, von denen das der Kirchenvorsteher (church-warden), die das Gemeindevermögen verwalten,
und das der Armenpfleger (overseer) die wichtigsten sind, ist jeder prot. Engländer, lediglich mit Ausnahme
der Parlamentsmitglieder, der Ärzte und der Geistlichen, verpflichtet.
Das ursprüngliche Einkommen der Kirche beruhte auf den Zehnten aus den Erzeugnissen des Landes, deren Eintreibung schwere
Mißstände im Gefolge hatte und schon unter Elisabeth und dem Langen Parlament (s. d.)
zu Besserungsversuchen führte. Aber erst 1836 wurde die Ablösung dieser Zehnten durch eine jährliche
Geldzahlung gesetzlich bestimmt und binnen zehn Jahren durchgeführt. Trotz der ungeheuern Einbuße des Kirchenvermögens
seit Heinrichs Ⅷ. Säkularisationen betrug das kirchliche Jahreseinkommen noch 3490497 Pfd. St., von denen allein 435046
Pfd. St. an die Bischöfe und andere höhere Würdenträger abflossen.
Von diesen waren viele nur Sinekureninhaber, während mancher viel beschäftigte Geistliche und Vikar von den großen Summen
kaum das Notwendige zum Leben erhielt. Diese schreiende Ungerechtigkeit zu beseitigen, wurde 1845 eine Kommission eingesetzt,
die eine allgemeine Revision vornahm, die übertriebenen Bezüge verkürzte und mit den übrigbleibenden Geldern die
geringen Einkommen aufbesserte; außerdem nahm man für die schlecht besoldeten Pfarreien einen unter Königin Anna errichteten
Fonds«Queen Anne's bounty» in Anspruch.
Die große Zahl der neuerrichteten Kirchen wurde aus freiwilligen Beisteuern erbaut und für den Unterhalt ausgestattet, entweder
von einzelnen Privaten oder von wohlthätigen Gesellschaften, die eigens zu diesem Zweck sich bildeten.
Die kirchliche Gesetzgebung ist verfassungsgemäß der sog. Konvokation
oder dem geistlichen
Parlament übertragen. Dies besteht, wie das weltliche Parlament, aus einem Ober- und einem Unterhause; in jenem sitzt die
höhere, in diesem die niedere Geistlichkeit. Seit 1717 wurde die Konvokation nur noch der Form nach zusammenberufen und
sofort wieder vertagt. ^[]
Die geistliche Gerichtsbarkeit, früher sehr ausgedehnt, erstreckt sich jetzt fast nur noch auf Testaments-, Ehe- und Disciplinarsachen.
Die Ehescheidung liegt seit der Parlamentsakte vom in der Hand eines eigenen weltlichen Gerichtshofs. Die Geschiedenen
dürfen wieder heiraten, doch ist kein Geistlicher gezwungen, sie zu trauen. Die Erlaubnis zur Eheschließung
sowie die Trauung liegt noch in den Händen der Geistlichen; doch besteht daneben für Dissenters die Civilehe.
Das geistliche Strafrecht ist jetzt fast ganz auf die Geistlichkeit selbst beschränkt. Exkommunikation und Interdikt sind,
obwohl gesetzlich nicht aufgehoben, längst außer Brauch gekommen. Dagegen üben die bischöfl. Gerichtshöfe
das Recht der Amtssuspension, die erzbischöflichen das Recht, Geistliche wegen sittlicher oder dogmatischer Vergehen abzusetzen
und ihrer Würden zu entkleiden. Bischöfe dürfen zwar abgesetzt werden, behalten aber ihre Würde.
Die kirchlichen Gerichtshöfe sind sehr mannigfaltig; der Instanzenzug geht vom Archidiakonalhofe an den bischöflichen,
von dem bischöflichen an den erzbischöflichen; dagegen ist der oberste Gerichtshof der Gerichtsausschuß
des geheimen Rates, der im Namen der KroneRecht spricht, eine nur aus weltlichen Mitgliedern zusammengesetzte Behörde. Der Kultus,
durch das Prayer-book geregelt, ist reich an liturgischen Bestandteilen, neben denen die Predigt zurücktritt und nähert
sich dadurch dem katholischen.
Das Ordinationsformular erhielt 1662 seine gegenwärtige Gestalt. Der Katechismus von 1570 hat nur kirchliche
Geltung und ist vom Parlament nicht sanktioniert, und dasselbe Verhältnis findet bei einer Menge kirchenrechtlicher Bestimmungen
statt. Mit Ausnahme dieser letzten Fälle stehen sämtliche Einrichtungen der Staatskirche unter dem Schutze des Parlaments,
das daher auch über alle Fragen kirchlicher Gesetzgebung mit zu entscheiden hat.
Die innere theologische Entwicklung ist durch ihre stabile Orthodoxie sprichwörtlich geworden. Es liegt im engl. Nationalcharakter,
dem kirchlichen Leben und seinen Formen ein ungleich größeres Augenmerk zuzuwenden als der Fortbildung der Lehre. Einige
kleinere Parteien, wie die Quäker u. a., abgerechnet, treffen die Unterschiede der verschiedenen
Kirchengemeinschaften fast nur Verfassung und Liturgie. England hat früher als Deutschland
[* 20] seine Aufklärungsperiode
gehabt, doch gingen die Freidenker und Deïsten (s. Deïsmus) lediglich aus dem Laienstande hervor.
Eine von den Latitudinariern (s. d.) versuchte Milderung der Orthodoxie wurde ebenso kirchlich zurückgedrängt, wie andererseits
die Methodisten (s. d.) mit ihrer Lehre vom gewaltsamen Durchbruch der Gnade aus der Staatskirche getrieben
wurden. Eine gewisse praktische Bedeutung erlangte die 1816 gegründete EvangelischeAllianz (s. d.). Die folgenreichste Erscheinung
der Neuzeit in der Anglikanische Kirche ist der Gegensatz der hochkirchlichen und der niederkirchlichen Partei
(der High-church men und der Evangelical- oder Low-church men). Die letztere, die gewöhnlich nach dem
Sitze ihrer Meetings Exeter-Hall
¶