Anastasius Grün
15 Wörter, 125 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Anastasius
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Anastasius
Grün, schriftstellerisches Pseudonym von Anton Alex. Graf von Auersperg (s. d.).
ein nach der Überlieferung im 11. Jahrh. aus Schwaben nach Krain [* 4] eingewandertes Adelsgeschlecht, das angeblich um 1020 sich auch in Friaul niederließ, im 13. Jahrh. im Dienst- und Lehnsverhältnis zu den Herzögen Kärntens, zu den Grafen von Gonz und Patriarchen Aquilejas stand, in lange, heftige Fehden mit den Grafen von Ortenburg verwickelt war, weitverzweigte Verwandtschaften einging, die wichtigsten krainischen Landesämter bekleidete und seit dem 15. Jahrh. in den beiden Söhnen Theobalds v. Auersperg, Volkhard VI. (geb. 1401, gest. 1451) und Engelhard I. (gest. 1466), die Gründer der beiden Hauptlinien, der Volkhard-Schönbergschen und Engelhardschen, besaß, deren letztere als überlebende die spätern zahlreichen Geschlechtszweige entwickelte. - Der bedeutendste Vertreter der Volkhard-Schönbergschen Linie ist Andreas, geb. 1556 als der jüngste Sohn Wolfgang Engelberts (gest. 1580), der, schon 1583 zum kaiserlichen Obersten ernannt, 1589 an der Stelle des Grafen Joseph von Thurn den Oberbefehl über die kroatische und Petriniaer Grenze erhielt und durch seine Tapferkeit gegen die Türken den ehrenden Beinamen »der christliche Achilles« sich erwarb.
Seine rühmlichste, auch von dem zeitgenössischen Pater Abraham a Santa Clara in seiner »Redlichen Red für die krainerische Nation« gepriesene Waffenthat war der Sieg über das sechsmal stärkere Türkenheer unter dem gefürchteten Pascha Hassan von Bosnien [* 5] an der Kulpa, wodurch Sissek gerettet wurde. Andreas starb unvermählt 1594. Seine Linie erlosch 1604.
Vgl. Radics, Die Schlacht bei Sissek (eine Denkschrift, Laib. 1861).
Der Engelhardschen Linie entsprossen zwei Hauptzweige: der Pankrazische oder krainische und der Volkhard-österreichische. Die hervorragendsten Mitglieder des erstern waren:
1) Herbard VIII., geb. zu Wien, [* 6] der, am fürstlich klevischen Hof [* 7] ausgebildet, seine Laufbahn als Kriegsmann 1546 unter dem damaligen Generalissimus der windischen Grenzen, [* 8] Hans v. Lenković, begann; er wurde 1548 Hauptmann der Uskokenstadt Zengg und hielt sich wacker gegen die Türken, so besonders in der Schlacht bei Novi (1566). Eine höchst wichtige und schwierige Lebensstellung wurde ihm durch Verleihung der Krainer Landeshauptmannschaft zu teil, welche er 1566-72 bekleidete.
Von Jugend auf der evangelischen Lehre [* 9] befreundet, begünstigte Auersperg auch in Krain die insbesondere von Primus Teuber in Angriff genommene Reformation, begegnete den antiprotestantischen Maßregeln der katholischen Hierarchie mit würdiger, fester Haltung und unterstützte auch den zweiten Schöpfer einer slowenischen Litteratur, Magister Georg Dalmatin, den Herausgeber des windischen Bibelwerks. Außerdem war aber Auersperg auch die Seele der innern kroatischen Grenzverteidigung. Schon 1569 war er Feldoberster oder Generalissimus allda und genoß allgemeines Vertrauen. Am erlag er jedoch bei Budaski der erdrückenden Übermacht der Türken und fiel als tapferer Vorkämpfer.
Vgl. Radics, Herbard VIII., Freiherr zu Auersperg (Wien 1862).
2) Johannes Weickhard, Graf, dann erster Fürst von Auersperg, geb. erwarb sich als Diplomat und Hofmann die volle Gunst Kaiser Ferdinands III., welcher ihn zum Erzieher seines (1654 verstorbenen) Thronfolgers Ferdinand IV. machte, zum ersten Staats- und Konferenzminister ernannte, mit dem Orden [* 10] des Goldenen Vlieses bedachte und in den Reichsfürstenstand erhob. Auersperg erscheint 1654 auch als Herzog von Münsterberg [* 11] und Frankenstein in Schlesien [* 12] und infolge der Schenkung der großen Herrschaft Wels in Oberösterreich auch als oberösterreichischer Herrenstand. Im Gütererwerben sehr glücklich, führte er auch die Titel: gefürsteter Graf zu Thengen und Graf zu Gottschee und Wels.
Unter Kaiser Leopold I. erster Minister, brachte er mit Lobkowitz den Geheimvertrag Frankreichs und Österreichs über die eventuelle Erbschaft Habsburg-Spaniens vom zu stande. Dies und der Plan, eine Tripelallianz der drei katholischen Hauptmächte: Österreich, [* 13] Frankreich und Spanien, [* 14] zu stiften, fällt in den Schluß seiner ministeriellen Laufbahn. Denn als er sich durch Frankreichs Vermittelung hinter dem Rücken des Kaisers sogar den Kardinalshut [* 15] erwerben wollte, wurde sein Verhältnis zu jener Macht aufgedeckt und sein Sturz entschieden. Er wurde als Majestätsverbrecher verurteilt, dann aber zur Internierung begnadigt und schloß seine Lebenstage in Laibach, [* 16] wo er starb.
1) Anton Alexander, Graf von, als Dichter unter dem Namen Anastasius Grün berühmt, geb. zu Laibach als der Sproß eines uralten Adelsgeschlechts, das seit Kaiser Friedrich II. das Oberst-Erblandmarsch allsamt in Krain und der Windischen Mark innehat. Er erhielt seine Jugendbildung im elterlichen Haus und auf dem Theresianum zu Wien, trat dann in die Ingenieurakademie über und studierte Philosophie und Rechtswissenschaft in Graz [* 17] und Wien. Nach Vollendung seiner Universitätsstudien machte ¶
er Reisen durch Italien, [* 19] Frankreich und England, übernahm 1831 die Verwaltung der ererbten Güter, verheiratete sich 1839 mit der Reichsgräfin Maria v. Attems und lebte, ohne ein öffentliches Amt zu bekleiden, abwechselnd auf seiner Besitzung Gurkfeld und in Wien. Wegen der liberalen Haltung seiner Gedichte zu den Führern der freisinnigen Partei Österreichs gerechnet, ward er im April 1848 in das deutsche Vorparlament und bald darauf vom Kreis [* 20] Laibach in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt, aus der er jedoch schon zu Ende September wieder ausschied.
Erst nach dem Sturz des Ministeriums Bach (1859) erschien Auersperg wieder im öffentlichen Leben und wandte sich nun, als Österreich in konstitutionelle Bahnen einlenkte, entschieden der Politik zu. Er wurde 1860 von der Krone in den »verstärkten Reichsrat« für Krain berufen und 1861 unter Schmerlings Ministerium zum lebenslänglichen Mitglied des Herrenhauses ernannt, wo er in allen Fragen der Gesetzgebung auf liberaler Seite, in allen Verfassungsdebatten auf seiten der entschiedensten Gegner des Föderalismus stand und insbesondere als regelmäßiger Berichterstatter und Verfasser der Adressen eine ebenso glänzende wie einflußreiche Thätigkeit entwickelte.
Nicht geringer war seine Wirksamkeit im Krainer Landtag 1861-67, indem er hier mit seinen wuchtigen Reden für die Verfassung und das deutsche Element eintrat, aber dadurch auch die Wut der Gegner dermaßen erregte, daß er es vorzog, sich 1867 in den steiermärkischen Landtag (Graz) wählen zu lassen. Die Stadt Wien ernannte Auersperg zum Ehrenbürger, die Wiener Universität zum Doktor, der Kaiser Franz Joseph (1863) zum Geheimrat. Er starb in Graz. Als Dichter ist Auersperg eine hochbegabte und eigentümliche Erscheinung. Er ist vorzugsweise »Gedankenpoet«, d. h. er läßt die Reflexion [* 21] in seinen Dichtungen vorwalten und liebt die Häufung glänzender Bilder und Metaphern, wobei es ihm nicht immer auf Kongruenz des Gedankens und des Bildes ankommt.
Aber auch von dem schillernden Prunk entkleidet, erweisen sich seine Gedanken als klar, tief und kraftvoll, und oft brechen auch die Innigkeit und Wärme [* 22] echt dichterischer Begeisterung hervor. Noch besonders zeichnen Auersperg ein inniges und gemütvolles Verhältnis zur Natur und reinste Sittlichkeit aus. Der Hauptinhalt seiner Dichtungen ist die Ahnung einer neuen und freien Zeit, als deren Prophet er mit feuriger Begeisterung auftritt, und der feste Glaube daran läßt nirgends eine dauernde schmerzliche Stimmung in ihm aufkommen. Nachdem er, wie die übrigen österreichischen Dichter, seine Schule in den Almanachen etc. durchgemacht hatte, trat er zuerst mit erotischen Liedern (»Blätter der Liebe«, Stuttg. 1830) hervor, die Heinesche Manier verraten, aber bei ihrem keuschern und edlern Geiste die Leichtigkeit ihres Vorbildes vermissen lassen.
Größere Teilnahme erwarb ihm »Der letzte Ritter« (Stuttg. 1830; 8. Aufl., Berl. 1860), ein Romanzencyklus im Nibelungenversmaß, der den ritterlichen Kaiser Maximilian I. feiert und den Untergang des Mittelalters zeigt, dem die neue Zeit mit ihren Geisteskämpfen folgt. Sodann erschienen (anonym) die »Spaziergänge eines Wiener Poeten« (Hamb. 1831; 7. Aufl., Berl. 1876), worin Auersperg einen poetischen Ton für die politische Lyrik anschlug, den man bis dahin noch nicht vernommen hatte.
Diese Lieder, eine Reihe großartiger Metaphern auf den Sieg des Frühlings und des Lichts, bald blumenreich, spielend, fast tändelnd, bald ernst und feierlich, voll Glut und Begeisterung, machten ungemeines Aufsehen und waren in ihrem Ankämpfen gegen die Hemmnisse des Geisteslebens im damaligen (Metternichschen) Österreich ein bedeutsames Zeichen der Zeit. Tiefsinniger in der Anlage sind die folgenden Dichtungen: »Schutt« (Leipz. 1836; 13. Aufl., Berl. 1877), allegorische Schilderungen von glänzendem Kolorit, worin der Dichter den provinziellen Boden verläßt und unter den Trümmern einer zerfallenden Welt die Keime einer neuen sucht, die ihm in Amerika [* 23] aufzublühen scheint, und deren Morgenrot ihm weder Kerker noch Kloster verdecken kann. Auch seine kleinern Dichtungen, die gesammelt als »Gedichte« (Leipz. 1837; 15. Aufl., Berl. 1877) erschienen, durchklingt der nämliche Grundton wie die größern Werke; dabei enthalten sie manche köstliche humoristische Gabe, prächtige Naturschilderungen und sinnige Naturdeutungen. Auersperg wurde so das Haupt der modernen österreichischen Dichterschule und ein Vorläufer der spätern politischen Lyriker, obschon er deren radikale Tendenzen niemals geteilt hat.
Nach längerer Pause erschienen die »Nibelungen im Frack« (Leipz. 1843; 2. Aufl., Berl. 1853),
eine humoristische Dichtung, welche den Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Merseburg (1688-1731) und dessen Leidenschaft für die Baßgeige zum Gegenstand hat; endlich das ländliche Gedicht »Der Pfaff vom Kahlenberg« (das. 1850, 3. Aufl. 1877),
das sich an eine alte geschichtliche Volkssage anlehnt und namentlich in der idyllischen Schilderung der Feste, der Jahreszeiten [* 24] und des Volkslebens von großem poetischen Wert ist. Auersperg ließ noch »Volkslieder aus Krain« (Leipz. 1850) und »Robin Hood« (Stuttg. 1864) erscheinen, letzteres eine vortreffliche Bearbeitung der englischen Volksballaden. Auch besorgte er die Herausgabe von Lenaus »Nachlaß« (Stuttg. 1852). Nach seinem Tod erschien: »In der Veranda. Eine dichterische Nachlese« (Berl. 1876). Seine »Gesammelten Werke« wurden von L. Auersperg Frankl (Berl. 1877, 5 Bde.) herausgegeben.
Vgl. Radics, Auersperg G. und seine Heimat (Stuttg. 1876);
Derselbe, Anastasius Grün.
Verschollenes und Vergilbtes aus dessen Leben und Wirken (Leipz. 1878).
2) Karlos (Karl Wilhelm), Fürst, österreich. Staatsmann, geb. Haupt der fürstlichen Linie des Hauses Auersperg, lebte, durch Studium und Reisen trefflich gebildet, nachdem er eine Zeitlang im Militärdienst gestanden, auf seinen Gütern seinen ästhetischen und litterarischen Neigungen. 1846-47 schloß er sich im böhmischen Landtag der deutsch-böhmischen Fortschrittspartei des Adels an. Das neue politische Leben, das in Österreich mit der Februarverfassung begann, nahm auch Auersperg seit 1861 in Anspruch.
Der Ministerpräsident Schmerling, der ihn einmal den »ersten österreichischen Kavalier« nannte, berief ihn zum erblichen Mitglied und Präsidenten des Herrenhauses, in welcher Stellung er ebenso wie im böhmischen Landtag sich als unerschütterlicher, gewandter und schlagfertiger, dabei edler und ritterlicher Vorkämpfer der Verfassung und der Staatseinheit erwies, namentlich aber seinen feudalen Standesgenossen und den Anmaßungen der Tschechen mit Festigkeit [* 25] entgegentrat.
Der Hort der deutschen Verfassungspartei, namentlich in Böhmen, [* 26] blieb Auersperg auch während der Sistierungspolitik Belcredis. Nach dem Sturz desselben unterstützte er als Präsident des Herrenhauses anfangs die Beustsche Politik, von der er sich jedoch bald lossagte. Anfang 1868 wurde er Präsident des sogen. Bürgerministeriums Herbst, Giskra, Berger etc., als welcher er mit den Ränken Beusts vielfach zu kämpfen hatte. Als Beust im Januar 1868 nun gar hinter Auerspergs Rücken über einen Ausgleich mit den ¶
Tschechen unterhandelte, zog sich in demonstrativer Weise auf seine Güter zurück und verlangte und erhielt auch im September seine Entlassung. Heftig entbrannte der Kampf zwischen Auersperg und dem Ministerium Potocki 1870, dessen Intrigen zur Beseitigung der ihm nicht gewogenen verfassungstreuen Vertreter des Großgrundbesitzes in Böhmen er im Reichsrat enthüllte, und das er auch sonst mit Energie bekämpfte. Nach Berufung seines jüngern Bruders, Adolf (s. Auersperg 3), an die Spitze des Ministeriums 1871 und 1873 wieder zum Präsidenten des Herrenhauses und 1872 auch zum Oberstlandmarschall des böhmischen Landtags ernannt, unterstützte er mit seinem Einfluß die Politik des Ministeriums, nahm aber nach dessen Rücktritt 1879 seine Entlassung als Präsident des Herrenhauses und 1883 auch als böhmischer Oberstlandmarschall.
3) Adolf, Fürst, Bruder des vorigen, geb. wurde, nachdem er eine treffliche Erziehung genossen und sich durch Reisen weitergebildet hatte, Offizier und stieg bis zum Major in dem Dragonerregiment Prinz Eugen, nahm 1860 seinen Abschied und lebte der Verwaltung seiner Güter. Die neue Ära Österreichs rief ihn 1867 auf die politische Bühne, indem er, von der verfassungstreuen Partei der böhmischen Grundbesitzer gewählt und von der Regierung zu dem ebenso schwierigen wie wichtigen Amt eines böhmischen Landtagsmarschalls berufen, drei Jahre lang die oft so stürmischen Verhandlungen des böhmischen Landtags mit einer Parteilosigkeit, Umsicht und Energie leitete, die selbst seinen Gegnern Achtung abnötigten. Im März 1870 kam Auersperg als Landespräsident nach Salzburg, [* 28] wo er nicht bloß durch seine kraftvolle und dabei wohlwollende Amtsführung allgemeine Liebe sich erwarb, sondern auch durch sein rückhaltloses und mutiges Eintreten für die Verfassung und für die Aufrechterhaltung der Reichseinheit eine politisch höchst bedeutende Rolle spielte, namentlich als gegen Ende 1871 das Ministerium Hohenwart-Schäffle beides zugleich durch die Konzessionen an die Tschechen zu Grunde zu richten drohte.
Der Sturz des Hohenwart-Schäffleschen Ministeriums brachte Auersperg an die Spitze der cisleithanischen Regierung, die er mit vielfachen Schwierigkeiten in streng verfassungsmäßigem Sinn führte. Die dornenvollste Aufgabe, die sich das Ministerium Auersperg aufgeladen, war die Durchführung des Ausgleichs mit Ungarn, [* 29] der, nach langwierigen Verhandlungen 1877 endlich durch die persönliche Intervention des Kaisers zu stande gebracht, nun das Ministerium mit der Majorität des Reichsrats in Konflikt brachte, welche die großen Zugeständnisse an Ungarn und die Erhöhung der Zölle nicht genehmigen wollte. Auersperg bot deswegen seine Entlassung an; dieselbe wurde aber vom Monarchen nicht genehmigt, und es gelang Auersperg im Juni 1878 endlich, auch die letzten Punkte des Ausgleichs gegen die Opposition der meisten Verfassungstreuen mit Hilfe der Polen u. a. zur Annahme zu bringen. Da die Verfassungspartei ihn aber auch in der Orientpolitik im Stiche ließ, forderte von neuem seine Entlassung, erhielt sie Mitte Februar 1879 und wurde zum Präsidenten des obersten Rechnungshofs ernannt. Er starb auf Schloß Goldegg bei St. Pölten.