Zusammense
tzung
(Komposition), in der
Grammatik: die Vereinigung zweier oder mehrerer verschieden- oder gleichartiger
Wörter zur Modifizierung der Bedeutung der einfachen
Wörter. Das wichtigste und untrüglichste Kennzeichen dafür, daß eine
Zusammense
tzung stattgefunden hat, bildet die Zusammenfassung der betreffenden
Wörter unter Einem
Accent; denn in manchen
Sprachen, wie z. B. im
Englischen, ist es durchaus nicht allgemein
Regel, daß zusammengesetzte
Wörter als eins geschrieben
werden: man vergleiche z. B. englisch dark blue mit unserm dunkelblau. In ihrer ganzen Bedeutung
für das gesamte Sprachleben ist
die Zusammense
tzung erst von der neuern Sprachwissenschaft erkannt
worden durch die
Entdeckung, daß die meisten grammatischen
Beugungen und Ableitungssilben von
Haus aus selbständige
Wörter
gewesen sind, welche erst durch Zusammense
tzung mit andern Wörtern nach und nach zu reinen Formelementen herabgesunken
sind.
Derselbe Vorgang läßt sich z. B. in der deutschen Sprache [* 2] noch jetzt fortwährend beobachten, z. B. wenn wir »voll« in grauenvoll, wundervoll und ähnlichen Wörtern allmählich zu der Gattung von bloßen Endungen wie »sam« in wundersam, »haft« in grauenhaft herabsinken sehen. Geht man in die ältere Periode der deutschen Sprachgeschichte zurück, so sieht man, daß »sam« und »haft« ursprünglich selbständige Adjektiva waren, welche »gleich« und »behaftet« mit etwas bedeuteten.
Die
Silbe »heit« in
Gesundheit und ähnlichen Wörtern hieß ursprünglich »Art«, »te«
in liebte hieß »that«
(Imperfektum von »thun«). In engerm
Sinn nennt man Zusammense
tzung eine solche
Verbindung mehrerer
Wörter, namentlich
Substantiva, wobei das
Bewußtsein, daß sie nicht einfach, sondern zusammengesetzt sind, sich noch allgemein
lebendig erhalten hat. Insbesondere versteht man darunter zusammengesetzte Substantiva dieser Art. Die Kompositionsfähigkeit
der verschiedenen
Sprachen und Sprachstämme
[* 3] ist eine sehr verschiedene und wechselnde.
Äußerst gering ist sie z. B. in den semitischen
Sprachen, die indogermanischen
Sprachen haben dagegen nicht nur in der Urzeit
durch Zusammense
tzung einen großen
Reichtum an grammatischen
Formen hervorgebracht, sondern sich auch die Fähigkeit
der Zusammense
tzung dauernd bewahrt, wodurch sie im stande sind, ihren Wortschatz in fast unbegrenzter
Weise zu vermehren. Namentlich das
Sanskrit, das
Griechische und die germanische Sprachfamilie sind zur
Komposition in vorzüglichem
Maß befähigt; dagegen gibt
es in
Latein zwar zahlreiche zusammengesetzte Verba, aber wenig substantivische Zusammense
tzungen. Im
Sanskrit ist gerade die Zusammense
tzung der Substantiva bis ins Monströse gesteigert worden, und in der gelehrten
Sprache der Kunstdichter und Kommentatoren kommen
Komposita vor, welche ganze Seiten füllen. Im guten deutschen
Stil werden
jetzt die übermäßig langen
Komposita als pedantisch mit
Recht gemieden.
Bei der Zusammensetzung
im engern
Sinn pflegt man zwischen
Komposita, d. h. einfachen Zusammensetzungen
, und Dekomposita,
d. h. weitern Zusammensetzungen
schon zusammengesetzter
Wörter, zu unterscheiden. Die zusammengesetzten Substantiva teilen
neuere
Grammatiker nach ihrer Bedeutung ein in determinative, z. B. Hauptstadt,
Mitternacht, Mitsklave, wobei das erste
Wort
bloß dazu dient, den
Begriff des zweiten näher zu bestimmen, in attributive, worin zwar auch das zweite
Wort näher bestimmt wird, aber so, daß beide einen neuen
Begriff bilden, der einem dritten
Wort als
Eigenschaft beigelegt wird,
z. B. Langfinger, gleichartig, zehnjährig, in objektive, worin eins der beiden
Wörter vom andern grammatisch regiert wird,
z. B. Hausherr, d. h. der
Herr des
Hauses, ehrliebend, d. h. die
Ehre liebend, und in beiordnende, z. B.
Schwarzweißrot,
Helldunkel.
Vgl.
Justi, Über die Zusammensetzung
der
Nomina in den indogermanischen
Sprachen
(Götting. 1861);
Osthoff, Das Verbum in der Nominalkomposition (Jena [* 4] 1878).