Zuckerrübe
,
eine Kulturvarietät der Runkelrübe (s.
Beta), die sich durch großen Zuckerreichtum
auszeichnet. Sie dient als Rohmaterial für die Rübenzuckerproduktion (s. Zuckerfabrikation) und
wird in verschiedenen Züchtungsspielarten angebaut. Gegenwärtig sind die sog. Wanzlebener
Zuckerrübe
und ihre Nachzuchten am meisten beliebt. Das aus dem Samen
[* 2] sich entwickelnde Pflänzchen wächst im ersten
Jahre zur Zuckerrübe
heran. Wird diese im zweiten Jahre wieder ausgepflanzt (Samenrübe), so
trägt sie nun
Früchte und stirbt dann ab. In letzter Zeit ist zur Gewinnung von Samenrüben die ungeschlechtliche
Vermehrung
(das Asexualverfahren) vorgeschlagen worden, welche erlaubt, verhältnismäßig viel Samen von einer (besonders zuckerreichen)
Rübe zu gewinnen, und also für die Erzielung guten Samens von Wichtigkeit werden kann.
Von zweckmäßig ausgewählten Zuckerrübe
werden im
Frühjahr die seitlichen
Augen ausgeschnitten und ausgepflanzt. Im ersten Jahre
wachsen dieselben zu neuen Rüben aus, und im zweiten Jahre bringen diese (wie die aus Samen gewonnenen)
Früchte. Von einer
guten Zuckerrübe
verlangt man, daß sie nicht zu klein ist (1-1-1½ kg schwer) und eine nicht
zu lange, einheitliche
Spitze besitzt. Die
Anordnung der nicht zu zahlreichen dünnen Saugwurzeln in fortlaufende, etwas schraubenförmige
Reihen und mäßig üppige, sich horizontal über den
Boden ausbreitende
Blätter gelten als
Anzeichen von Zuckerreichtum. Die
Zuckerrübe
enthält 10-18 Proz. Zucker,
[* 3] die besten Sorten kommen also
hierin dem
Zuckerrohr gleich. Der Zucker ist fast ausschließlich Rohrzucker (s. Zucker). Der Wert der
Zuckerrübe
ist aber außer dem Zuckergehalt abhängig von
¶
mehr
der Menge der sonst noch vorhandenen, im Saft gelösten Trockensubstanzbestandteile. Je weniger von diesen anwesend sind,
um so besser verarbeitet sich nämlich die Zuckerrübe.
Man bestimmt infolgedessen den Reinheitsquotienten, das ist
die Zahl, die man erhält bei Division der Prozentzahl für Zuckergehalt durch die Prozentzahl für Gesamttrockensubstanz
und Multiplikation mit 100, oder mit andern Worten, man bestimmt den Prozentgehalt der Trockensubstanz
des Saftes an Zucker. Eine gute Zuckerrübe
mich mindestens 12 Proz. Zucker und einen Quotienten
über 75 haben. Der Zuckergehalt wird durch polarimetrische Untersuchung eines alkoholischen Auszuges (früher fälschlicherweise
des ausgepreßten Saftes) bestimmt. Die Trockensubstanz des Saftes wird annähernd aus dem spec. Gewicht
desselben berechnet.
Die Zuckerrübe
gedeiht nur im gemäßigten Klima.
[* 5] In Deutschland
[* 6] (s. Karte der Landwirtschaft
[* 7] im Deutschen Reiche, beim Artikel Deutschland
[und Deutsches Reich]) blüht der Zuckerrübenbau
in Anhalt,
[* 8] Braunschweig,
[* 9] Regierungsbezirk Hildesheim,
[* 10] Provinz Sachsen,
[* 11] Oderbruch,
Schlesien
[* 12] und in neuerer Zeit in Posen
[* 13] und Mecklenburg;
[* 14] in Österreich:
[* 15] in Böhmen,
[* 16] Mähren und Schlesien,
auch stellenweise in Ungarn.
[* 17] In Frankreich wird die Zuckerrübe
besonders in den an Belgien
[* 18] und den Kanal
[* 19] grenzenden Departements, in
Rußland in den südl. Gouvernements angebaut.
Auch in den Vereinigten Staaten
[* 20] wächst der Bau der Zuckerrübe
rasch. Die Kultur verlangt eine intensive Bodenbearbeitung, Anwendung
künstlicher Düngemittel (Superphosphat, Chilesalpeter) und Benutzung von verbesserten Ackergeräten und
Maschinen. Die Aussaat geschieht im April durch Drillen, die aufgelaufenen Pflänzchen werden verzogen (vereinzelt) und bis
zum Heranwachsen der Rübe häufig behackt (und behäufelt). Das Behacken geschieht teils mit der Hand,
[* 21] teils mittels von Tieren
gezogener Maschinen.
Von tierischen Feinden ist der Zuckerrübe
besonders die Rübennematode (s. d.) gefährlich; unter den pflanzlichen
ist in jüngster Zeit ein Pilz,
[* 22] Phoma Betae Frank, festgestellt worden, der, wie es scheint, bei den jungen Rübenpflanzen den
Wurzelbrand und bei der herangewachsenen Rübe die Herzfäule und Trockenfäule hervorruft, verderbliche Krankheiten, welche
sich durch Anfaulen des hypokotylen Gliedes (bei der jungen Pflanze), der Blattkrone und der Rübe selbst
kennzeichnen.
Die Ernte
[* 23] der Zuckerrübe
beginnt Mitte September und beträgt, je nach der Güte des Bodens und der darauf verwendeten Kultur, etwa
30-40000 kg pro Hektar. Über die Aufbewahrung der geernteten Zuckerrübe
s. Rübenaufbewahrung. Man berechnet
die Produktionskosten pro Centner Zuckerrübe
mit 85-120 Pf. (inklusive des Pachtzinses für das Feld). Die Zuckerfabriken
bezahlten bislang den Centner (je nach dem Zuckergehalt) etwa mit 1 M. (gegenwärtig aber weniger) unter unentgeltlicher
Zurückgabe (des größern Teils) der abfallenden Rübenschnitzel (s. Zuckerfabrikation), die ein wichtiges Viehfutter
bilden.
Die aus den Diffuseuren kommenden Schnitzel enthalten nur 4-5 Proz. Trockensubstanz, die gepreßten 9-10
Proz. und zwar etwa 0,9 Proz. Protein, 0,05 Fett, 6,3 stickstofffreie Extraktstoffe, 2,4 Rohfaser und 0,6 Proz. Asche. In manchen
Zuckerfabriken wird gegenwärtig in besondern Trockenanlagen der Wassergehalt der Schnitzel auf etwa 15 Proz.
verringert und dieselben dadurch (ohne zu große Kosten) in ein sehr gedeihliches, haltbares Futter verwandelt.
Die nicht getrockneten Schnitzel werden zwecks Aufbewahrung eingemietet. Auch die bei der Ernte der Zuckerrübe
abzuschneidenden
Köpfe mit Blättern
liefern im frischen und gesäuerten Zustande ein brauchbares Futter. -
Vgl. Buerstenbinder, Die Zuckerrübe
(3.
Aufl., Hamb. 1896);
Werner, Der praktische Zuckerrübenbauer (Bonn [* 24] 1888);
Knauer, Der Rübenbau (7. Aufl., Berl. 1894);
Eisbein, Der Zuckerrübenbau (Stuttg. 1895);
ders., Die kleinen Feinde des Zuckerrübenbaues (2. Aufl.. Berl. 1895);
Briem, Der praktische Rübenbau (Wien [* 25] 1895);
Doering, Die Zuckerrübe und ihr Anbau (Bresl. 1896).