Turnier
,
im Mittelalter übliches kriegerisches Kampfspiel, das nicht allein bei festlichen Gelegenheiten an fürstl.
Höfen, sondern auch sonst von zusammenkommenden Rittern viel häufiger veranstaltet wurde, als man früher anzunehmen
geneigt war. Die Turnier
haben ibren Ursprung unzweifelhaft in den Waffen- und Reiterspielen der Alten, welche die
Ritter durch neu eingeführte Ordnungen, Regeln und Gebräuche zu einem schönen Feste gestalteten, an dem auch die
Damen
großen Anteil hatten, vor denen die Ritter ihre Gewandtheit zeigen, sich Ansehen, Ruhm, Ehrenstellen, die angebetete
Dame
und irdische
Güter erringen konnten.
Der erste, der Turnier
gesetze niedergeschrieben und die Verfeinerung der alten Kampfspiele herbeigeführt
hat, war der
Franzose
Gottfried von Preuilly (gest. 1066). In
Deutschland
[* 2] wird zuerst 1127 ein Turnier
(torneamentum) erwähnt, das
zu
Würzburg
[* 3] gehalten wurde. Das Turnier
war seinem eigentlichen Zwecke nach nur eine
Übung in den Waffen
[* 4] während des Friedens,
namentlich der Ritter. Es sollte die Körperkraft stählen, die Gewandtheit im Gebrauche der Waffen weiter
ausbilden und wie unsere heutigen Manöver für den
Krieg vorbereiten.
Später kamen zwar auch Fußkämpfe auf, doch blieben die Kämpfe zu
Pferde
[* 5] immer die Hauptsache. Anfangs wurden Turnier
nur von
einzelnen Fürsten und Herren bei besondern Gelegenheiten veranstaltet; später bildeten sicb sog.
Turnier
gesellschaften, die zu bestimmten
Zeiten diese Kampfspiele abhielten. In
Frankreich waren die Turnier
zahlreicher
als in
Deutschland. Zur
Teilnahme an den Turnier
wurden Einladungen versandt, jedoch nur Ritter zugelassen, die eine gewisse, in
einzelnen
Ländern und zu verschiedenen
Zeiten besonders festgesetzte Anzahl von
Ahnen ausweisen konnten.
Die Turnier
fähigkeit der einzelnen Ritter wurde durch den Herold mittels einer besonders vorzunehmenden
Wappen- und Helmschau untersucht. Zu dieser Schau wurden auf einem besonders bestimmten Platze Schild
[* 6] und
Helm eines jeden
zum Turnier
gekommenen Ritters aufgestellt. Öffentlicher Aufruf durch den Herold, der die aufgestellten Schilde und
Helme
[* 7] geprüft hatte, entschied dann über die Unbescholtenheit der Ritterwürde der Einzelnen. Diese
Aufstellung der Schilde und
Helme zur Feststellung der Turnier
fähigkeit ist der
Grund für die
Bildung der Wappen,
[* 8] wie sie noch
gegenwärtig bestehen.
Vor Beginn der Turnier
wurden durch die Herolde die allgemeinen Gesetze und speciellen Bestimmungen vorgetragen und
die Waffen der Kämpfenden untersucht. Der Platz, wo das Kampfspiel abgehalten wurde, hieß Turnier
platz;
die
Einfriedigung nannte man Schranken. Die Aufseher des Kampfplatzes hießen Grieswärtel, deren Pflicht hauptsächlich
darin bestand, die Kämpfenden in den Grenzen
[* 9] des
Spiels zu halten und, falls sie sich ernstlich angriffen, Frieden zu stiften
und die Gefährdeten zu schützen.
Au den Seiten der Schranken waren
Tribünen errichtet, teils für
Damen, deren eine gewöhnlich die Preise
an die
Sieger verteilte, teils für die Zuschauer und die nicht teilnehmenden Ritter. Die Waffen bei dem Turnier
bestanden
in der Lanze und dem Schilde. Der Kampf war wieder sehr verschieden, z. B. über eine Schranke;
aber allgemein durfte der
Stoß nur nach dem
Kopfe oder der
Brust geführt werden.
In den verschiedenen
Arten
suchte man entweder den Gegner aus dem Sattel zu heben oder den
Spieß zu zerstoßen, oder auch die besonders konstruierte
Tartsche des Gegners abfliegen zu lassen.
Öffnete einer das Visier, so war der Kampf beendigt.
Außer dem Kampfe mit der Lanze war auch der Fußkampf
gebräuchlich, aber seltener; hier wurden Schwert und
Streitaxt gebraucht. Später arteten die Turnier
vielfach aus. Aber schon
in früher Zeit mußten viele Ritter bei diesem im Gegensatz zum
Buhurt (s. d.) immerhin gefährlichen
Spiele mit dem
Tode büßen,
und es erfolgten Verbote gegen die Turnier
von geistlichen und weltlichen Fürsten. Papst Innocenz
II. verbot sogar das ehrliche
Begräbnis der in einem Turnier
gefallenen Ritter.
Allein die Turnier
dauerten fort, namentlich in
Frankreich, wo erst der auf eine im T. erhaltene Wunde erfolgte
Tod
Heinrichs II.
eine
Abnahme dieser
Spiele herbeiführte. Der letzte allgemeine Turnierhof wurde in
Deutschland von der
rhein. Ritterschaft 1487 nach Worms
[* 10] gelegt. An die
Stelle der früher maßgebenden vier Turniergesellschaften,
Bayern,
[* 11]
Schwaben,
Franken und am Rhein, traten einzelne Fürsten, welche das an ihren
Höfen pflegten. Durch die schnell beliebt werdenden Ringelrennen
oder Karussells (s. d.) und die
Entwicklung der Feuerwaffen verschwanden allmählich die Turnier. In
Deutschland
brachte sie
Kaiser Maximilian I. auf kurze Zeit zu neuer
Blüte
[* 12] (vgl. Freydal, Des
Kaisers Maximilian I. Turnier und Mummereien,
hg. von Leitner,
Wien
[* 13] 1880-82, mit 255 Heliogravüren). -
Vgl. Schultz, Das höfische Leben (2 Bde., Lpz. 1880);
Niedner, Das deutsche Turnier im 12. und 13. Jahrh. (Berl. 1881).
Von den Turnierbüchern ist noch zu nennen: Turnierbuch Herzog Wilhelms IV. von ¶
mehr
Bayern 1510-45, in Steindruck von Senefelder, mit Erklärungen von Schlichtegroll (Münch. 1818-29). Durch des bayr. Herolds Georg Rürners Turnierbuch (2. Ausg. 1532), das eine Reihe erfundener Angaben enthält, ist große Verwirrung in die Geschichte der deutschen Turnier gebracht worden, die sich bis heute noch fühlbar macht.