Tœdi
(Kt. Glarus
und Graubünden).
Hauptgipfel der
Tödigruppe, in der Hochgebirgskette zwischen dem
Hintergrund des
Linththales und dem Vorderrheinthal,
auf der Grenze zwischen Glarus
und Graubünden
gelegen. Mit der Claridenkette im W. und der
Bifertenstock-Selbsanftkette
im O. bildet
er den imposanten südl. Abschluss des
Linththales. Er bietet, von N. gesehen, den Anblick einer gewaltigen abgestumpften
Pyramide, von deren firngekrönten Scheitelfläche hohe Steilwände nordwestwärts gegen den
Hintergrund der.
Obern
Sandalp,
nordostwärts gegen die wellige Terrasse von Biefertenalpeli und Röti abstürzen. Diese Terrasse umgürtet den N.-Fuss
des Gipfels als ein breites Gesimse, unter dem abermals hohe Steilhänge in den Thalkessel von Hintersand absinken. Auf dem
sanft nach N. sich abdachenden, ganz von Firn bedeckten Scheitelplateau erheben sich drei nur wenig über die Umgebung emporragende
Gipfelpunkte: in der SW.-Ecke der höchste Punkt des Tödi
, der kammförmige
Piz Rusein (3623 m), der
mit Steilwänden westwärts gegen den
Sandgrat und südwärts gegen den
Hintergrund des
Val Rusein abfällt; östl. davon der
rundliche Schneegipfel des
Glarner Tödi (3601 m) und am N.-Rand des Scheitelplateaus der
Sandgipfel (3434 m).
Der vom
Piz Rusein jäh absteigende
W.-Grat trägt am untern Ende das kühn aufragende
Felsenhorn des Klein
Tödi
(3074 m) und setzt sich im
Sandgrat fort, der vom
Sandalppass (2780 m) überschritten wird. Ein zweiter Felsgrat zieht
sich vom
Piz Rusein zunächst nach S. und dann nach O., um sich an den
Bifertenstock anzuschliessen. Er bildet so die westl.
und südl. Einrahmung des
Bifertenfirns. Eine Reihe von
Scharten durchschneiden den westl. Teil dieses
Kammes und senken sich als steile Couloirs ins
Val Rusein ab. Vom
Piz Rusein an folgen sich hier der Reihe nach die
Ruseinpforte,
der
Piz de Dor oder
Bleisas verdas (3424 m), die
Ruseinlücke, der
Piz Mellen (3379 m), die
Porta da Spescha,
der
Stockgron (3418 m), die
Gliemspforte, der
Porphyr (3330 m), der
Piz Urlaun (3371 m) und der Bündner Tödi
(3125 m).
Ein Hauptschmuck des Tödi
sind die
Gletscher, die seinen
Scheitel und seine Flanken bedecken. Der bedeutendste unter ihnen,
der
Bifertenfirn, steigt als prachtvoller, durch zwei Steilstufen in drei Terrassen gegliederter Eisstrom
vom Gipfel aus 4 km weit durch das Thal zwischen Tödi
und
Bifertenstock hinunter. Beträchtliche Ausdehnung besitzen auch
der
Sandfirn, der am W.-Fuss des Tödi
sich ausbreitet und westwärts mit dem
Claridenfirn zusammenhängt, sowie der
Puntaiglasgletscher
und der
Gliemsgletscher, die zu beiden
Seiten des
Piz Urlaun nach S. absteigen. Dagegen sind der Vordere
und der
Hintere Rötifirn, von denen letzterer zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch in den
Bifertenfirn einmündete, heute nur
noch kleine Hängegletscher.
Der Tödi
bildet einen etwa 600 m mächtigen Klotz von normal gelagerten Sedimentgesteinen, der einem breiten Sockel von
steil nach S. einfallenden kristallinen Gesteinen des Aarmassivs aufruht. Die letztern bestehen grösstenteils
aus Serizitschiefer, zum kleinern Teil aus Hornblendeschiefer und Gneis und reichen auf der
N.-Seite bis zum
Grünhorn (etwa 2500 m)
und bis nahe an die
Obere
Sandalp (etwa 1900 m), auf der
S.-Seite bis an den
Sandgrat (2800 m) und hoch an
den
Stockgron hinauf (etwa 3100 m). Unter den Sedimentgesteinen sind ausser dem Hochgebirgskalk (Malm), der hauptsächlich
die Steilwände des Tödi
aufbaut, besonders der Rötidolomit zu erwähnen, der als intensiv rotgelbes, jedem Besucher des
Tödi
gebietes auffallendes Band den untern Rand der grauen Kalkwände umsäumt; ferner die schwarzen
Karbonschiefer, die namentlich am
Ochsenstock und Bifertengrätli zwischen dem Rötidolomit und den kristallinen Schiefern
auftreten und dünne Lagen von Anthrazitkohle und spärliche Reste von fossilen Farnkräutern einschliessen. Rötidolomit,
Dogger und Malm sind zu kleinen, nach N. überliegenden Falten zusammengeschoben, deren spitz geklemmte Mulden zum Teil tief
in die kristallinen Gesteine hineingreifen.
Die nähere Umgebung des Tödi
beherbergt eine sehr hübsche, ziemlich artenreiche Flora. Neben der gewöhnlichen Alpenflora
der
Glarneralpen trifft man auf der
Sandalp eine Reihe von Arten, die aus dem botanisch reichern Gebiet der Bündneralpen über
den Sandpass eingewandert sein mögen. Das Edelweiss, das hier einst in Menge vorkam, ist in den letzten 20 Jahren
infolge der Nachstellungen, denen es von
Seite der Touristen ausgesetzt ist, stark zurückgegangen.
Die ersten bekannten Versuche zur Besteigung des Tödi
wurden von der Bündner
Seite aus durch den Pater Placidus a
Spescha
aus dem Kloster
Disentis gemacht. Er erkletterte gegen Ende des 18. Jahrhunderts zum erstenmal mehrere
Gipfel auf der
S.-Seite des Tödi
, z. B. den
Stockgron und den
Piz Urlaun, erreichte jedoch den Hauptgipfel nicht; dagegen darf
als sicher betrachtet werden, dass seinen zwei Begleitern, den Gemsjägern Placi Curschellas von
Truns und Augustin Bisquolm
von
Disentis, am die erste Besteigung des
Piz Rusein gelang. Kurz vorher, in den Jahren 1819-1822,
hatte der Zürcher Botaniker Hegetschweiler teils vom
Sandgrat, teils vom
Bifertenfirn aus mehrere Versuche zur Besteigung
des Tödi
gemacht. Wenn er auch sein
Ziel nicht erreichte, erwarb er sich doch um die Erforschung des Tödi
gebietes grosse
Verdienste, und die ausführliche Schilderung seiner Versuche weckte ein
¶
mehr
lebhaftes Interesse für diesen Gebirgsstock. Am gelang es drei Hirten aus Linthal, Bernhard Vögeli, Gabriel Vögeli
und Thomas Thut zum erstenmal, von der N.-Seite her über den Bifertenfirn den Tödi
gipfel zu besteigen, und 8 Tage später
wiederholten sie die Tour mit Friedrich von Dürler. Doch noch Jahrzehnte lang blieben die Tödibesteigungen
vereinzelt (1853 Prof. M. Ulrich aus Zürich
mit G. Studer aus Bern
und Antiquar Siegfried aus Zürich;
1859 Hallwyl aus Bern
mit Sprecher von Chur; 1861 Dr.
Th. Simler aus Bern
mit G. Sand von St. Gallen).
Die Besteigungen mehrten sich rasch, als bei der Gründung des Schweizer
Alpenklub im Jahr 1863 das Tödi-Claridengebiet als erstes Exkursionsgebiet des Vereins erklärt und im gleichen Jahr die
Grünhornhütte als erste Schirmhütte in den Schweizeralpen erbaut wurde. Jetzt wird der Gipfel alljährlich von zahlreichen
Partien besucht.
Die Mehrzahl der Tödibesucher übernachtet in der Grünhornhütte oder in der eine Stunde tiefer unten liegenden Fridolinshütte. Man betritt dicht südl. von der Grünhornhütte den Bifertenfirn und wird höher oben durch den zerrissenen Eishang zwischen der mittleren und obern Terrasse des Gletschers gezwungen, in die Schneerunse einzutreten, ein Couloir in der S.-Wand des Tödi, durch welches häufig kleine Eislawinen niedergehen. Man traversiert dann die Gelbe Wand, betritt die obere Terrasse des Bifertenfirns und erreicht das Scheitelplateau des Tödi in der flachen Einsenkung zwischen Piz Rusein und Glarner Tödi.
Der Aufstieg erfordert von Linthal bis zur Grünhornhütte 6½ Stunden, von hier bis auf den Gipfel 4-5 Stunden. Er ist der langen Firnwanderung wegen ziemlich mühsam, bietet jedoch, abgesehen von der Gefahr in der Schneerunse, meistens keine besondern Schwierigkeiten. Um den Marsch durch die durch Eisstürze gefährdete Stelle in der Schneerunse abzukürzen, hat die Sektion Tödi des S. A. C. im Jahr 1907 in der Gelben Wand eine Gallerie aussprengen lassen. Weniger häufig, doch nicht selten, wird der Tödi von S. her bestiegen, wobei man die Couloirs und Scharten benutzt, die in den Grat zwischen Piz Rusein und Piz Urlaun eingeschnitten sind. Am meisten begangen werden die Gliemspforte und die Porta da Spescha, durch welche man aus dem Val Rusein auf den obern Teil des Bifertenfirns und von dort auf den Scheitel des Tödi gelangt. Die 1907 eröffnete, von der Sektion Winterthur des S. A. C. erbaute «Reinharthütte» am untern Rand des Puntaiglasgletschers wird ohne Zweifel dem Besuch des südl. Tödigebietes neuen Aufschwung bringen.
Da weit in der Runde kein Berg den Tödi an Höhe überragt, - der nächste höhere Gipfel, der Dammastock (3633 m), ist 44 km entfernt - ist die Aussicht von diesem Gipfel eine der grossartigsten im ganzen östl. Teil der Schweizeralpen. Nordwärts schweift der Blick über das Mittelland hinweg bis weit nach S.-Deutschland hinein, nach W. überschaut man die Urner-, Berner- und Walliseralpen bis zum Mont Blanc, und nach O. reicht die Aussicht über den Ortler hinaus weit in die Tirolerberge hinein. Von besonderer Schönheit ist der Blick auf die Bündneralpen, deren ganzes Gipfelheer vor den Augen des Beschauers ausgebreitet liegt.
Bibliographie. Hegetschweiler. Reisen in den Gebirgsstock zwischen Glarus und Graubünden. Zürich 1825. - Ulrich, M. Der Tödi (in: Berg- und Gletscherfahrten in den Hochalpen der Schweiz. Bd I). Zürich 1859. - Simler, Th. Der Tödi-Rusein. Bern 1863. - Berichte über die offiziellen Exkursionen des S. A. C. im Jahrbuch des S. A. C. Bd I. - Naef-Blumer. Clubführer durch die Glarneralpen. 1902.