Titel
Tempel
[* 2] (lat. templum, ursprünglich der vom röm.
Augur durch seinen
Stab
[* 3] in vorgeschriebener feierlicher
Weise am Himmel
[* 4] und auf der Erde abgegrenzte Raum), zunächst bei den
Römern Bezeichnung für ein für gottesdienstliche Zwecke bestimmtes
Gebäude, die dann von ihnen auch für die Heiligtümer und heiligen
Gebäude anderer
Völker, namentlich der Griechen, in Gebrauch
genommen worden ist. Der Tempel
des klassischen
Altertums, insbesondere der griechische Tempel
, stand auf einem
Unterbau mit mehrern
Stufen. (S.
Tafel:
Griechische Kunst I,
[* 1]
Fig. 8.) Er hatte gewöhnlich einen rechteckig oblongen
Grnndriß und war an seinen Schmalseiten mit Giebeln (ursprünglich einem
Vorrecht des Tempel
, welches keinem Profanbau zukam)
versehen.
Auf der Ostseite gelangte man durch eine auf
Säulen
[* 5] ruhende Vorhalle (pronaos) in die Cella (naos), an deren Westwand das
Götterbild sich befand.
Größere Tempel
hatten gewöhnlich noch eine hintere
Halle
[* 6] (ophistodomos). Oft war
die Cella mit ihren Vorhallen noch von allen Seiten mit einer Säulenhalle, seltener auch mit einer doppelten Säulenstellung
umgeben. Beleuchtet wurde das
Innere der Tempel
durch die Cellathür (s.
Hypäthraltempel). Man unterscheidet außer den sog. Rundtempeln
nach der rechteckigen Plananlage eines Tempel:
Antentempel
[* 1]
(Fig. 1),
Prostylos
[* 1]
(Fig. 2),
Amphiprostylos
[* 1]
(Fig.
3), Peripteros
[* 1]
(Fig. 4
u. 5),
Dipteros
[* 1]
(Fig. 6) u. s. w. (S. die betreffenden
Artikel; ferner
Griechische Kunst,
Römische Kunst,
[* 7] Etruskische Kunst nebst den dazu gehörigen
Tafeln.)
Über die Tempel
der Ägypter s.
Ägypten
[* 8]
(Alte Kultur. Kunst), über die der
Inder s.
Indische Kunst nebst
Tafeln:
Ägyptische Kunst I
u. II und
Indische Kunst II
u. III.
Im ältesten Israel gab es zahlreiche Heiligtümer, die, ursprünglich kanaanitisch, im Alten
Testament auf die
Patriarchen
und Heroen als
Stifter zurückgeführt werden. Im Nordreich Israel blieben
Bethel,
Dan,
Gilgal,
Beërseba
bis zum assyr. Exil die angesehensten Kultorte. In
Juda ward der
Berg
Zion zuerst von
David durch Überführung der alten
Stiftshütte
(s. d.) zum Residenzheiligtum ausersehen. Salomo (s. d.)
erbaute mit Hilfe phöniz. Künstler für die
Bundeslade einen Tempel
, der im Zusammenhange mit der Königsburg stand.
Der gesamte heilige Raum war umschlossen von einer
Mauer, durch deren
Thore man von
Osten zunächst in einen
großen
Vorhof gelangte, in dessen Hintergrunde der
Altar
[* 9] (Brandopferaltar) stand. Hier sammelte sich das
Volk, um dem am
Altar
sich vollziehenden Kulte beizuwohnen. Hinter dem
Altare stieß man auf die nach
Osten gerichtete Vorhalle des eigentlichen
Tempel
hauses, an deren Eingang zwei bronzene Kolossalsäulen (Jachin [s. d.]
und Boas) standen. Die
Halle nebst dem Hause lagen höher. Das Hauptgebäude war auf drei Seiten von
¶
mehr
einem Seitenbau umgeben, der dreistöckig den Tempel
bis zur halben Höhe umschloß. Das Innere des Tempel
zerfiel 1) in einen größern
Vorderraum, das Heilige, wo der Tisch für die Schaubrote (s. d.), nach späterer unwahrscheinlicher
Hinzufügung auch 10 goldene Leuchter und ein Räucheraltar standen, und 2) in einen niedrigern und kleinern
dunklen Hinterraum, das Allerheiligste (s. d.) genannt. In diesem stand die Bundeslade (s. d.) und als symbolische Hüter derselben
zwei geflügelte Cherube.
Getrennt waren beide Räume durch eine Cederwand. Die spätern judäischen Könige änderten und verschönerten das Tempelhaus
und seine Umgebung unablässig. Der Vorhof wurde in zwei Abteilungen zerlegt. Der erstere diente zur Aufnahme
der Massen, in den zweiten traten die Opfernden und es funktionierten in ihm die Priester. (Vgl. Stade,
[* 11] Geschichte des Volkes
Israel, Bd. 1, Berl. 1887, S. 325-343;
Benzinger, Hebr. Archäologie, Freib. i. Br. 1894, S. 233 fg., 383 fg.; schwerlich richtig sind
die Konstruktionen von Th. Friedrich, Tempel und Palast Salomos, Innsbr. 1887, und O. Wolff, Der Tempel von Jerusalem,
[* 12] Graz
[* 13] 1887.) Dieser Tempel wurde 587 v. Chr. von den Chaldäern zerstört.
Eine ideale Rekonstruktion desselben giebt der Prophet Ezechiel, Kap. 40-43. Die wirkliche Erneuerung des Tempel nach dem Exil durch Serubabel 516 v. Chr. blieb weit hinter diesen Vorbildern zurück. Herodes d. Gr. baute den Tempel ganz um. Er vergrößerte die Grundfläche des Tempelplatzes um das Doppelte. Auf allen vier Seiten liefen neben den Umfassungsmauern prächtige Säulenhallen, deren großartigste auf der Südseite dreischiffig war. Die beiden Vorhöfe wurden jetzt vollständig durch Mauern geschieden; vom äußern Vorhof stieg man auf 45 Stufen zum innern hinauf. Dieser war wieder durch eine Quermauer in zwei Hälften geteilt. Die östliche war auch Frauen zugänglich (Vorhof der Frauen), die westliche, noch etwas höher liegende, war der Raum, wo die Priester ihr Amt verrichteten und in den sonst nur die Opfernden eintreten durften. Dieser Herodianische Tempel, bei dem der griech. Baustil maßgebend war, ward im J. 69 v. Chr. durch Titus zerstört. -
Vgl. Rosen, Das Haram von Jerusalem (Gotha [* 14] 1866);
F. Spies, Das Jerusalem des Josephus (Berl. 1881);
Schick, Die Stiftshütte, der in Jerusalem und der Tempelplatz der Jetztzeit (ebd. 1896). -
In der neuern Baukunst [* 15] heißen Tempel die Gotteshäuser der Juden. (S. Synagoge.)