Stockhorn
oder Thuner Stockhorn
(Kt. Bern,
Amtsbez. Nieder
Simmenthal). 2192 m. Berühmter Aussichtsberg des
Berner
Oberlandes;
bildet einen charakteristisch geformten, massigen Felszahn sw. über
Thun.
Höchster Gipfel der nach ihm benannten Stockhorn
kette,
die das untere
Simmenthal auf der linken, nördl.
Seite begleitet und über den
Ochsen und die
Scheibe sich
mit der
Kaiseregg verknüpft.
Die Aussicht, die im besondern das Becken des
Thunersees und die
Berner
Hochalpen umfasst, gleicht derjenigen vom
Niesen, übertrifft
sie aber an Ausdehnung und zeigt mehr den Charakter einer eigentlichen Rundsicht. Die Besteigung bietet
trotz der steilen Gipfelpartie keinerlei Schwierigkeit und wird oft unternommen; doch ist das Stockhorn
noch nicht derart
Modeberg wie der benachbarte
Niesen. Am
S.-Hang steht nahe unter dem Gipfel ein im Sommer geöffnetes Gasthaus.
Aufstieg: von
Thun über
Ober Stocken und die
Hütten der Alp Aelpithal, sowie von
Blumenstein über den
Krümmeweg in je 5½ Stunden, von
Weissenburg oder von
Erlenbach her in je 4½ Stunden. Das Stockhorn
gehört zu denjenigen
Bergen, die die Aufmerksamkeit der Naturforscher und der Liebhaber schöner Landschaftsbilder schon sehr frühzeitig
auf sich gelenkt haben. So bestieg den Berg schon 1536 der
Berner Professor Joh. Rhellicanus (Müller
von
Rellikon), ein Freund Zwinglis, der seinen Ausflug in einem in lateinischen Hexametern verfassten Poem unter dem Titel
«Stockhornias»
qua Stockhornus
, mons altissimus in Bernensium Helvetiorum
agro, versibus heroicis describitur geschildert hat.
Diese Beschreibung ist als
Anhang zu einer von Rhellicanus besorgten Uebersetzung der Vita Homeri des
Plutarch zum erstenmal 1537 in Basel
erschienen, dann mit der Descriptio
Montis Fracti des Konrad Gessner
1555 in Zürich
neu gedruckt und 1716 in
J. J. Scheuchzer's
Helvetiae Stoicheiographia, Orographia et Oreographia neuerdings veröffentlicht worden. (Vergl. E. Bähler:
Eine Stockhorn
besteigung vom Jahre 1536 in den Blättern für bernische Geschichte, Kunst und Altertumskunde.
II, 1906). Die dem Pfarrer Peter Kunz in Bern
gewidmete «Stockhorn
iade» bietet
hinsichtlich der Geschichte des Alpinismus und der Gefühle, die das Gebirge auf seine Bewunderer damals schon auszulösen
vermochte, ein grosses Interesse.
Die nämliche Besteigung ist dann 1557 oder 1558 vom Naturforscher Benedikt Marti wiederholt und ebenfalls
beschrieben worden. (Vergl. über diese beiden ersten Besteigungen W.
A. B. Coolidge's Josias
Simler et les origines de l'Alpinisme
jusqu'en 1600. Grenoble 1904). Von weitern Stockhorn
fahrten älterer Zeit erwähnen wir noch diejenigen von K. Spazier 1790,
der deren Schwierigkeiten übertreibt, von Studer und
Wagner 1777 (vergl. die
Alpenrosen 1816) und des
Dichters Friedrich von Matthisson 1794. Der erste der zahlreichen Unglücksfälle, die sich heute noch sozusagen jedes Jahr
wiederholen, datiert aus 1789. Bernhard Studer fasste unter der Bezeichnung
«Stockhornalpen» das gesamte Präalpengebiet zusammen,
das wir heute als
Saanen- und
Simmengruppe zu bezeichnen pflegen.
Das Stockhorn
bildet den ö. Eckpunkt der Kette des
Vanil Noir, die aus einer Juramulde mit Neokom- und
oberm Kreidekalkkern («rote Kreide») besteht. Beiderseits lagert dieser
Mulde je ein Gewölbe an, die aber im topographischen Relief nicht stark hervortreten. Den Stockhorn
gipfel selbst bildet
oberer Jurakalk oder Malm, der sog. «Stockhorn
kalk», in saigerer Lage der
Schichten. Von N. her gesehen, gleicht der Gipfel einem
Turm, von O. her einem spitzen Felszahn. An den aus weichern Kreidekalken
und Dogger bestehenden Gehängen liegen Alpweiden. Vergl. Räbmann, Hans Rudolf. Ein neues Poetisch Gastmahl und Gespräch
zweier
Bergen dess
Niesens und Stockhorns. Bern
1606 und 1620. - Matthisson, Frdr. von. Wanderung nach dem Stockhorn 1794. Zürich
1810. -
Spazier, K. Wanderungen durch die
Schweiz. Gotha 1790. - S.
Wagner in den
Alpenrosen 1816 und A. Meissner ebenda 1822.