Senat
(Senatus), der
Rat der Alten, welcher in den
Republiken des
Altertums den ausführenden Behörden
und den
Volksversammlungen als beratendes und leitendes
Institut zur Seite stand. Von dergleichen Ratsversammlungen sind im
Altertum besonders die zu
Sparta
(Gerusia),
Athen
[* 2]
(Bulé) und
Karthago
[* 3] (s. d., S. 566) zu nennen. Der römische S. ist der
Überlieferung
nach von dem ersten König,
Romulus, eingesetzt und bestand ursprünglich aus 100 dem
Stamm der
Ramnes (s. d.)
angehörigen Mitgliedern (senatores
oder patres genannt), wurde aber nachher aus den beiden andern
Stämmen der
Tities und
Luceres bis zu 300 Mitgliedern vermehrt. Er wurde von den
Königen bei wichtigern öffentlichen Angelegenheiten zu
Rate gezogen.
Unter dem letzten, despotisch regierenden König Tarquinius Superbus wurde die Mitgliederzahl durch dessen Gewaltmaßregeln und dadurch, daß die durch natürlichen Tod zur Erledigung gelangenden Stellen nicht wieder besetzt wurden, auf weniger als die Hälfte herabgebracht und sein Einfluß so gut wie völlig vernichtet. Nach Vertreibung der Könige wurde indes die Normalzahl durch Hinzunahme neuer Mitglieder aus dem Plebejerstand wiederhergestellt (die neu aufgenommenen Mitglieder hießen Conscripti und die Anrede von dem gesamten S. lautete daher von nun an patres conscripti), und nun gewann der S. von selbst einen weitern, gesichertern Wirkungskreis, da die jährlich wechselnden Konsuln, welche an die Stelle der Könige traten, wie die übrigen Magistrate ihm nur als die ausführenden Behörden zur Seite standen.
Daher lagen
Krieg und
Frieden,
Verträge,
Gesetze, ferner die
Verfügung über den
Staatsschatz, über die
Verwaltung der
Provinzen
und überhaupt alle wichtigern öffentlichen Angelegenheiten hauptsächlich in seiner
Hand,
[* 4] soweit nicht
seine Beschlüsse
der Bestätigung durch die
Volksversammlungen bedurften. Im letzten
Jahrhundert der
Republik wurde diese
Gewalt dem S. von der
Volkspartei bestritten, und es entstand ein heftiger
Kampf zwischen dieser und der Senat
spartei (s.
Römisches Reich,
Geschichte, S. 945). Die
Aufnahme in den S. stand, wie früher den
Königen, so unter der
Republik den
Konsuln und, nachdem die
Zensoren eingesetzt waren (443
v. Chr.), diesen zu, welche bei dem in der
Regel alle 5 Jahre wiederkehrenden
Zensus
(Schätzung) des
Volkes das für die nächste Zeit gültige Verzeichnis der
Senatoren
(Album senat
orium) aufstellten; dabei
wurde jedoch als
Regel festgehalten, daß die sogen. kurulischen, d. h. höhern,
Magistrate von der Quästur an aufwärts
Aufnahme fanden, weshalb auch, nachdem durch
Sulla die Zahl der
Quästoren auf 20 erhöht worden, der
Eintritt überwiegend durch die Bekleidung eines kurulischen
Amtes erfolgte.
Die Zahl der
Senatoren war zur Zeit der
Republik wechselnd, sie belief sich in dem letzten
Jahrhundert der
Republik auf 400-500
und stieg unter und durch
Cäsar sogar bis zu 900, wurde aber durch
Augustus auf eine geringere Zahl, zunächst
auf 600, herabgebracht. Die
Berufung des Senats
zu einer Versammlung geschah in der ältesten Zeit durch die
Könige, dann
durch die
Konsuln oder die unter besondern Umständen deren
Stelle vertretenden höchsten
Magistrate, d. h. durch
Diktatoren,
Prätoren, Zwischenkönige, die
Dezemvirn und die
Militärtribunen mit konsularischer
Gewalt;
diese hatten auch das Recht, Anträge zu stellen und zur Abstimmung zu bringen;
die Abstimmung erfolgte nach einer bestimmten Rangordnung, die sich nach dem Rang des von einem jeden bekleideten Amtes richtete;
eine besondere
Ehre war mit dem
Rechte der ersten
Stimme
verknüpft, welches in der
Regel für das ganze Jahr von dem vorsitzenden
Konsul einem der
Senatoren, in der
ältesten Zeit dem ältesten Konsularen, später gewöhnlich dem für das nächste Jahr designierten
Konsul, verliehen wurde,
wodurch derselbe den
Titel und das Ansehen des
Princeps senatus
erlangte.
Unter den Kaisern blieb der S. der Form nach ebenso wie zur Zeit der Republik bestehen, jedoch mit bedeutend verringerter Macht, da der Kaiser alle amtliche Gewalt und namentlich die Verfügung über die Heere dem Wesen nach in seiner Hand vereinigte. Nun waren es die Kaiser, welche fast immer und seit Domitian (81-96 n. Chr.) ohne Ausnahme nicht nur über die Aufnahme in den S., sondern auch über den Rang der Aufzunehmenden verfügten;
sie waren es, welche nach Belieben Anträge im S. stellten;
wie Augustus, so wurde auch den übrigen Kaisern sofort nach ihrem Regierungsantritt das Recht der ersten Stimme für immer verliehen;
kurz, der S. war nur das, was die Kaiser ihm zu sein gestatteten, indem die einen ihm eine größere, die andern eine geringere Freiheit der Bewegung gewährten.
Deshalb wurde auch der S. nach und nach aus einer politischen Institution eine bloße Rangklasse, an der nicht allein die Senatoren selbst, sondern auch ihre Angehörigen teilnahmen, wenn sie die unter Augustus festgesetzte Bedingung eines Vermögens von 1 Mill. Sesterzien und die sonstigen mehr oder weniger von der Willkür der Kaiser abhängigen Bedingungen erfüllten. Neben ihm und gewissermaßen statt seiner wurde schon von Augustus ein aus einer beschränkten Zahl von Vertrauensmännern bestehender engerer Rat errichtet, Consilium, später Consistorium principis genannt, der nach und nach immer mehr Einfluß gewann.
Vgl.
Willems, Le
[* 5] sénat
de la république romaine
¶
mehr
(Löwen [* 7] 1878-85, 3 Bde.);
Bloch, Les origines du sénat
romain (Par. 1883). -
Nach dem Beispiel Roms nannte man seit dem Mittelalter die Magistratskollegien der bedeutendern Städte, namentlich der Reichsstädte,
Senate
, ebenso aber auch andre höhere Kollegien mit obrigkeitlichen Befugnissen (Universitätssenat, Gerichtssenat etc.).
So zerfallen z. B. nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz das Reichsgericht und ebenso die Oberlandesgerichte
in Zivil- und Strafsenate. In manchen konstitutionellen Staaten und Republiken der Neuzeit, z. B. in der nordamerikanischen Union
und ebenso in Frankreich, wird die das föderalistische oder konservativere Element vertretende Erste Kammer S. genannt, während
in den freien deutschen Hansestädten der S. zugleich gesetzgebender Körper und Regierungskollegium, in
Rußland endlich bloß Regierungskollegium ist.