Reblaus.
[* 2] Dem energischen Vorgehen gegen die Reblaus
gefahr auf
Grund internationaler
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Vereinbarungen ist es zuzuschreiben, daß wenigstens in einigen Ländern die Reblaus
nur sporadisch vorkommt und ihre Verbreitung
keine größern Dimensionen annimmt, so daß die Hoffnung auftauchen kann, des Feindes allmählich gänzlich Herr zu werden.
Im ganzen freilich ist unleugbar ein Fortschreiten in der Verseuchung der europäischen Weinberge zu konstatieren. In
Bezug auf die Verseuchung der Weinberge zeigt Deutschland
[* 4] die günstigsten Resultate, indem fast stets bei den jährlich durch
Sachverständige vorgenommenen Untersuchungen die ältern desinfizierten Herde reblausfrei
gefunden und neue Herde meist nur
in geringerm Umfang nachgewiesen werden. Am Ende der Jahre 1888 und 1889 lagen in Deutschland die Verhältnisse folgendermaßen,
woraus zugleich der Erfolg der Vernichtungsarbeiten ersichtlich ist: In der preußischen Rheinprovinz
[* 5] 1888: 46 Herde mit 467 Stöcken,
1889: 18 neue Herde mit 249 Stöcken, die vorjährigen Herde wurden reblausfrei
gefunden;
Hessen-Nassau [* 6] 1888: 12 Herde mit 69 Stöcken, 1889 keine neuen Herde;
Provinz Sachsen
[* 7] 1888: 89 Herde mit je 1-10 Stöcken, 1889: die alten Herde reblausfrei
, aber 156 neue
Herde mit 3920 Stöcken;
Königreich Sachsen 1888: 28 Herde mit 396 Stöcken, 1889: alte Herde reblausfrei
, 8 neue Herde mit 397 Stöcken;
Württemberg
[* 8] 1888: 34 Herde mit 547 Stöcken, 1889: alte Herde reblausfrei
, 25 neue Herde mit 181 Stöcken;
Reichslande 1888: 6 Herde
mit 490 Stöcken, 1889: alte Herde reblausfrei
, 24 neue Herde mit 849 Stöcken.
Die meisten neuen Herde fanden sich in der Nähe
der alten, da zum Teil der Sicherheitsgürtel zu klein bemessen worden war; einigemal konnte auch Verschleppung des Insekts
durch die Winzer konstatiert werden, mehrfach auch Infektion durch die geflügelte Form. Vollständig reblausfrei
waren demnach am Schluß 1889 von größern Weinbaugebieten Bayern,
[* 9] Baden
[* 10] und die Rheinpfalz. In Frankreich galten Ende 1887 für
reblausfrei
nur noch die Departements Meurthe-et-Moselle, Meuse, Vosges, Ober-Saône, Marne, Aisne, Aube, Eure-et-Loire und Sarthe;
gleichwohl besaß Frankreich zu dieser Zeit noch 1,944,150 Hektar ertragsfähiges Weinland;
während der
Jahre 1888 und 1889 hat die Reblaus
von diesen Departements auch Aube, Ober-Saône und Sarthe ergriffen;
die Bekämpfung der Reblaus
erfolgte
auf einer Fläche von nahezu 100,000 Hektar. In Algerien
[* 11] sind im ganzen seit 1885 der Reblaus
rund 144 Hektar zum Opfer gefallen. In
Spanien
[* 12] waren 1888: 80,000 Hektar Rebland zerstört, namentlich die Provinzen Malaga
[* 13] und Granada
[* 14] leiden unter
dem rapiden Rückgang ihrer Weinproduktion, was eine vermehrte Auswanderung der Bewohner zur Folge hat;
in Portugal sind 134,000
Hektar, ungefähr die Hälfte des gesamten Weinlandes, ergriffen, besonders die nördlichen Provinzen haben unter den Angriffen
der Reblaus
zu leiden, der Süden ist schon vielfach zerstört.
In den 16 ergriffenen Kreisen wurden 1887: 194,564
hl geerntet, vor dem Eindringen der Reblaus
dagegen 410,828 hl. In der Schweiz
[* 15] fanden sich im Kanton Zürich
[* 16] 1887: 492 Infektionsherde, die sich
aber bis 1888 um den dritten Teil verminderten;
im Kanton Neuenburg sank die Zahl der infizierten Stellen 1887-88 von 626 auf 438;
Kanton Genf besaß 1887: 111,1888: 99 infizierte Stellen mit zusammen 13,279 verseuchten Reben;
im Kanton Waadt
fanden sich 1888: 10 Herde mit 128 Stöcken.
In Italien
[* 17] waren 1887 als verseucht bekannt 152 Gemeinden mit 85,000 Hektar Gesamtweinland, die 1888 neu aufgefundenen
Reblaus
herde nahmen eine Fläche von rund 72 Hektar ein. In Österreich
[* 18] hat die Reblaus
krankheit 1888
beträchtliche Fortschritte
gemacht;
es wurde das Vorhandensein der Reblaus amtlich festgestellt in Niederösterreich in 61 Ortsgemeinden auf einer Fläche von 4975 Hektar (1888 neu verseucht 26 Gemeinden), in Krain [* 19] in 26 Gemeinden auf 5443 Hektar (1888 neu verseucht 13 Gemeinden), in Steiermark [* 20] in 39 Gemeinden auf 4000 Hektar (1888 neu verseucht 14 Gemeinden), im Küstenland (Istrien, Triest, [* 21] Görz) [* 22] in 13 Gemeinden auf 8358 Hektar (1888 neu verseucht 6 Gemeinden), somit betrug die bis Ende 1888 in Österreich heimgesuchte Gesamtfläche 22,776 Hektar. In Ungarn [* 23] hatte die Reblaus bis Ende 1887: 810 Gemeinden in 38 Departements ergriffen;
das infizierte Terrain umfaßte 76,102 Hektar, wovon zu dieser Zeit bereits 31,978 Hektar vollkommen zerstört waren;
bis Ende 1888 war die Zahl der versuchten Gemeinden um 452, beinahe 55 Proz., gestiegen. Im Rußland wurden nur verstreute, sofort der Vernichtung unterworfene kleine Herde aufgefunden, nur im kaukasischen Gouvernement Kutais zeigt das Übel größere Ausdehnung. [* 24] In Kleinasien wurde die in der Umgegend von Smyrna aufgefunden, und die Verheerung greift dort immer mehr um sich. In Afrika [* 25] wurde die Reblaus zuerst 1886 am Kap amtlich nachgewiesen, das Insekt tritt hier ebenso verheerend auf wie in Europa; [* 26]
die Verbreitung durch das geflügelte Insekt ist am Kap weit erheblicher als in nördlichen Gegenden, da die Flugzeit daselbst vier Monate dauert. In Amerika [* 27] ist in Südamerika [* 28] die Provinz Buenos Ayres [* 29] von der Reblaus ergriffen, in Nordamerika [* 30] nimmt die Verbreitung der in Kalifornien an Ausdehnung zu, und auch hier richtet das Insekt große Verheerungen an. In Australien [* 31] wurden bis Ende 1887 in der Kolonie Victoria [* 32] zur Verhinderung der Verbreitung der Reblauskrankheit die Reben auf einer Fläche von 873 Acker vernichtet, 1888 wurde in der Kolonie Neusüdwales ein Reblausherd entdeckt.
Die Bekämpfung der Reblaus geschieht in allen zur Reblauskonvention gehörigen Ländern nach denselben Grundzügen, und die Verschiedenheiten in der Ausführung sind untergeordneter und lokaler Natur. Werden Reblausherde aufgefunden, so erfolgt die Vernichtung der befallenen und nächststehenden Stöcke mittels Verbrennung und eine Desinfektion [* 33] des Bodens mit Insektengiften zur Tötung der in dem Boden und an den nicht ausgegrabenen Wurzeln befindlichen Rebläuse und deren Eier; [* 34] die Tiefe der hierzu gebohrten Löcher, ihr gegenseitiger Abstand, die Natur des angewandten Giftes und die zur Verwendung kommende Menge ist nach den einzelnen Methoden verschieden. In erster Linie kommen als Insektengifte Schwefelkohlenstoff und Petroleum zur Anwendung, letzteres dient auch zum Überbrausen der Bodenoberfläche und zur Desinfektion der bei der Arbeit gebrauchten Geräte und des Schuhwerks wie der Kleidung der Arbeiter selbst.
Solaröl hat sich als dem Petroleum ungefähr gleichwertig und gleichwirkend gezeigt. Versuche mit Kaliumsulfocarbonat lassen dieses Mittel weniger sicher erscheinen und seine Anwendung nur da empfehlen, wo bei sehr schwerem, undurchlassendem Thonboden und bei sehr nasser Witterung eine Desinfektion mit Schwefelkohlenstoff nur einen mangelhaften Erfolg ver. spricht; außerdem bedingt die Anwendung des Kaliumsulfocarbonats große Quantitäten Wasser. Die Beimengung kleiner Quecksilbermengen in die die Wurzel [* 35] umgebende Erde hat sich als nutzlos erwiesen. Während in manchen Ländern die Wurzeln sorgfältig ausgegraben und verbrannt werden, werden in andern statt dessen neue Schwefelkohlenstoffinjektionen ¶
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in hoher Dosis gemacht. Eine für größere Strecken versuchten Landes besonders in Frankreich viel angewandte, aber den lokalen Bedingungen nach nur selten mögliche Methode ist das Unterwassersetzen der Weinanlagen, wobei das Wasser wenigstens 30 Tage lang ca. 8 cm hoch über der Erde stehen soll. In frankreich wurden 1889 von 100,000 Hektar 58,000 Hektar mit Schwefelkohlenstoff, 9000 Hektar mit Sulfocarbonaten behandelt und 30,000 Hektar unter Wasser gesetzt. In Frankreich und Ungarn werden zahlreiche Weinpflanzungen in Sandboden angelegt, da sich ergeben hat, daß der Sandboden der Reblaus feindlich ist. In Ländereien, wo die Verseuchung eine solche Ausdehnung angenommen, daß die Weinberge aufgegeben werden mußten, wie vielfach in Portugal, Italien, Frankreich und Ungarn, hat in großem Maßstab [* 37] die Anpflanzungen amerikanischer Reben stattgefunden, die sich bis jetzt als reblausfest erwiesen haben;
am besten widerstehen von diesen der Krankheit die zu den Arten Vitis rotundifolia, V. aestivalis, V. cordifolia, V. riparia, V. cinerea und V. Berlandieri gehörigen Sorten;
da aber der Wein dieser Sorten von geringerer Qualität ist, werden sie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit einheimischen Sorten veredelt. In Portugal hält die Bepflanzung mit amerikanischen Reben mit der Verwüstung durch die Reblaus völlig gleichen Schritt;
die amerikanischen Reben werden meist gegen geringe Entschädigungen von staatlichen Rebschulen den Weinbauern geliefert. In Frankreich waren 1889 schon 299,801 Hektar in 44 Departements mit amerikanischen Reben bepflanzt, von denen der größte Teil mit französischen Reben veredelt wurde. In Ungarn wurden neben den von den ungarischen Rebschulen gelieferten Reben außerdem noch durch Vermittelung der Regierung von 1881 bis 1888 aus Frankreich 6,296,097 amerikanische Schnittlinge eingeführt.
Diese Methode der Reblausbekämpfung wird übrigens erschwert durch die Schwierigkeit, für jeden Boden und jedes Klima [* 38] eine amerikanische Rebe zu finden, die sich mit wünschenswerter Leichtigkeit akklimatisiert, ohne an Ertragsfähigkeit zu verlieren. Neben den direkt zur Bekämpfung der Reblaus getroffenen Maßregeln haben sich ferner alle Staaten gegen das schädliche Insekt durch Gesetze zu schützen gesucht, welche sich auf die Einfuhr von Pflanzen und Pflanzenteilen aus reblauskranken oder reblausverdächtigen Gegenden beziehen. Als natürliche Feinde der Reblaus, die jedoch derselben bisher nur wenig nachweisbaren Schaden zu thun vermochten, werden angeführt eine kleine Thrips, welche die Eier frißt, Coccinella septempunctata, Anthacoris nemorum, die Larve eines Hemerobius, Trombidium sericeum, die Larve eines Syrphus und des Scymnus biverrucatus.
Vgl. die amtlichen »Denkschriften, betreffend die Bekämpfung der Reblaus« (Berl.).