Proudhon
(spr. prudóng), Pierre Joseph, franz. Sozialist, geb. zu Besançon [* 2] als Sohn eines armen Handwerkers. Ursprünglich Schriftsetzer, bildete er sich autodidaktisch weiter. Nachdem er 1837 für eine Schrift: »Essai de grammaire générale«, von der Akademie zu Besançon ein Stipendium auf drei Jahre erhalten, gründete er 1839 in seiner Vaterstadt eine eigne Druckerei. Doch wurde ihm das Stipendium wieder entzogen, als er in der Schrift »Qu'est-ce que la propriété?« (Besanç. 1840; deutsch, Bern [* 3] 1844) diese Frage mit dem bereits von Brissot 1780 ausgesprochenen Gedanken »Eigentum ist Diebstahl« beantwortete.
Von da ab veröffentlichte eine große Anzahl von
Schriften über soziale Gegenstände. Die wichtigste derselben ist das
»Système
des contradictions économiques, ou
Philosophie de la misère« (Par. 1846 u. öfter, 2 Bde.;
deutsch von K.
Grün, Darmst. 1847). In dieser
Schrift liefert Proudhon
, welcher vorzüglich
Kant und
Hegel studiert
hatte und sich die Hegelsche
Dialektik anzueignen versuchte, eine
Kritik rechtsphilosophischer und nationalökonomischer
Grundbegriffe.
Er bekämpft den
Sozialismus und insbesondere den
Kommunismus ebensowohl wie die herrschende
Volkswirtschaftslehre, ohne jedoch
selbst eine
Lösung der
Widersprüche zu bieten.
Die
Gesellschaft sollte nach Proudhon
auf dem
System der
Gerechtigkeit und der billigen Gegenseitigkeit (daher
Mutualismus, s. d.) aufgebaut werden, an
Stelle der Zwangsgewalt des
Staats sollte eine einfache staatenlose
Regierung der
Vernunft
(Anarchie) treten. Bei einer allzu bizarren Darstellungsweise ergeht sich Proudhon
gern in sophistischen Schlußfolgerungen,
indem er unter anderm häufig ein und dasselbe
Wort zur Bezeichnung verschiedener
Begriffe verwendet. Die
erwähnte
Schrift gab K.
Marx (s. d.) Veranlassung zur Veröffentlichung einer
Schrift, betitelt: »Das
Elend der
Philosophie«
(1847). Im J. 1848 wurde Proudhon
, der sich eifrig der
Politik zugewandt hatte, zum Abgeordneten des Seinedepartements gewählt,
ohne jedoch den von ihm gehegten Erwartungen zu entsprechen. Er
widmete sich deshalb wieder mehr der
schriftstellerischen Thätigkeit, gab je für kurze Zeit hintereinander vier verschiedene
Journale heraus, gründete 1849 eine
Volksbank, durch welche der
Kredit unter Beseitigung des
Zinses und mit
Ausgabe von Kreditscheinen auf Gegenseitigkeit organisiert
werden sollte, ein
Ziel, das, weil unerreichbar, auch nicht erreicht wurde. 1850 wegen
Preßvergehen zu
drei
Jahren Gefängnis verurteilt, entzog sich Proudhon
anfänglich der
Strafe durch die
Flucht, stellte sich aber später wieder;
bald darauf abermals verurteilt, entfloh er nach
Belgien,
[* 4] kehrte 1860 als Amnestierter nach
Paris
[* 5] zurück und starb in
Passy. Seine Werke erschienen gesammelt in 33
Bänden (Par. 1868-76), darunter 7
Bände nachgelassener
Schriften;
seine »Correspondance« veröffentlichte Langlois (das.
1874, 14 Bde.).
Vgl.
Sainte-Beuve, Proudhon
, sa vie et sa correspondance 1838-48 (Par. 1872);
v.
Putlitz, Proudhon
, sein
Leben und seine
positiven
Ideen (Berl. 1881).