New
Orleans (spr. nju orlíhns oder órrlĭäns), die bedeutendste Stadt im S.
der
Vereinigten Staaten
[* 2] und Hauptstadt von
Louisiana, liegt am östlichen
Ufer des
Mississippi, 150 km von seiner Mündung, auf
einer
Ebene, die bei
Hochwasser zwischen 0,6 und 1,2 m unter der Oberfläche des Flußwassers
liegt. Wie günstig auch immer die Handelslage von New Orleans
sein mag, so erfreut es sich doch
keines gesunden
Klimas und wird fast jährlich während der Sommermonate (Juli bis
September) vom gelben
Fieber heimgesucht.
Doch sind in dieser Beziehung die in jüngerer Zeit getroffenen gesundheitlichen Maßregeln nicht ohne günstige
Wirkung geblieben
(Sterblichkeit 1884: 26,62
pro Mille für die
Weißen, 47,15
pro Mille für die
Farbigen). Um die Stadt gegen
Überschwemmungen zu schützen, hat
man einen 4,3 m hohen und 4,6
m breiten
Damm
(Levée) aufgeführt, der sich bis 190 km oberhalb der Stadt, bis Plaquemines, und 68 km weit unterhalb derselben
hinzieht und für New Orleans
eine reizende
Promenade bildet.
Der älteste Teil der Stadt liegt an einer halbmondförmigen Biegung des Flusses (daher der Beiname Crescent City). In ihm findet man noch viele mit Balkonen gezierte Häuser (nach Art der ältern spanischen und französischen Städte), wogegen in den neuern Stadtteilen die Straßen breit und teilweise von fünf- bis sechsstöckigen modernen Gebäuden eingefaßt sind. Die Mehrzahl der Häuser ist indes niedrig und in Backsteinen aufgeführt. In den Vorstädten aber sind viele von ihnen mit geräumigen Gärten umgeben, in denen Orangen-, Zitronen-, Magnolia- und andre Zierbäume wachsen.
Die schönste Straße ist die Canal Street, über 3 km lang und 58 m breit, mit einer schönen Anlage in der Mitte, in der ein Standbild Clays steht. Unter den zahlreichen öffentlichen Plätzen sind zu erwähnen: Jackson Square, parkähnlich angelegt, mit einem Denkmal des Generals Jackson, an dem die alte Kathedrale von St. Louis (1792-94 erbaut) und die Gerichtshöfe liegen; Lafayette Square mit einem Standbild B. Franklins, dem marmornen Rathaus, der größten Kirche der Presbyterianer und der Halle [* 3] der Odd Fellows, und Circus Place, früher Congo Park genannt, der Tummelplatz der Neger. Der neue City Park, 62 Hektar groß, liegt im NO. der Stadt. Interessant sind auch die Marktplätze, namentlich der französische Markt am Hafen, der am Morgen, wenn er von Käufern und Verkäufern aller Farben wimmelt, ein eigentümliches Bild bietet. Einzig sind auch die zwölf Friedhöfe der Stadt, in welchen die
[* 1]
^[Abb.:
Situationsplan von New Orleans.]
¶
mehr
Leichen in überirdischen Gewölben beigesetzt werden. Nur die Armen begräbt man im sogen. Töpferfeld.
Unter den kirchlichen Gebäuden der Stadt sind die katholischen Kirchen und Klöster die hervorragendsten. Außer der bereits erwähnten Kathedrale von St. Louis sind hier noch zu nennen: die neue Kathedrale von St. Patrick (eine Miniaturausgabe des Münsters von York), mit 55 m hohem Turm, [* 5] und die Jesuitenkirche von der unbedeckten Empfängnis, 1852-57 aufgeführt. Die bedeutendsten öffentlichen Gebäude der Stadt sind: das riesige Zollhaus, welches 4950 qkm bedeckt, die alte Münze und das schöne Rathaus.
Das Staatenhaus von Louisiana war bis 1874 ein Hotel. New Orleans
hatte 1870: 191,418, 1880 aber 216,090 Einw.
(darunter 57,617 Schwarze und Mulatten). Seine Bevölkerung
[* 6] hat einen kosmopolitischen Anstrich, denn neben Kreolen (den Nachkommen
der alten französischen und spanischen Ansiedler) findet man Amerikaner, Deutsche
[* 7] (1880: 34,051), Iren (14,228) und fast
alle andern Völker Europas vertreten. Die Industrie der Stadt ist für ihre Größe nicht eben bedeutend,
und sämtliche 915 gewerbliche Anstalten mit 9504 Arbeitern stellten 1880 nur Produkte im Wert von 19 Mill. Dollar her. Am
wichtigsten waren 7 Öl- und Ölkuchenfabriken, 33 Kleiderfabriken, 20 Gießereien und Maschinenbaustätten, 4 Zuckersiedereien, 6 Anstalten
für Reinigung von Reis, 99 Bäckereien, 19 Anstalten für das Verpacken von Baumwolle,
[* 8] 25 Druckereien, 55 Tabaks-
und Zigarrenfabriken (1175 Arbeiter).
Dagegen ist der Handel von ungemeiner Bedeutung. Die größten Seedampfer können jetzt, seit der Beseitigung der Sandbarre
an der Mündung des Mississippi (s. d.), bis zu den Kais der Stadt gelangen, die außerdem durch zwei Kanäle mit dem See Pontchartrain
und durch Eisenbahnen mit der ganzen Union (einschließlich Kaliforniens) in Verbindung steht. New Orleans
ist Hauptstapelplatz
für Baumwolle, Zucker,
[* 9] Tabak
[* 10] und Mehl,
[* 11] welche Produkte ihm der Mississippi trotz der Konkurrenz massenweise zuführt.
Von den Schlägen, die New Orleans
durch den Bürgerkrieg und die Befreiung der Sklaven versetzt wurden, hat sich die Stadt noch
nicht erholt; denn ihre Ausfuhr, die 1860: 108,200,000 Doll. betrug, belief sich noch im J. 1886-87 auf nur 79,519,909 Doll.,
während die Einfuhr im gleichen Zeitraum von 23 Mill. Doll. auf 9,652,135 Doll. gefallen ist. Der sehr ausgedehnte Küstenhandel
sowohl als der Verkehr mit dem Inland ist hierbei ausgeschlossen. Hauptartikel der Ausfuhr ist die Baumwolle
(1885-86: 335 Mill kg im Wert von 72,245,000 Doll.). Zum Hafen gehörten 1886: 477 Schiffe
[* 12] von 63,377 Ton. Gehalt, und es liefen
1886-87: 758 Schiffe von 720,404 T. vom Ausland ein.
Einen Beweis für den aufblühende Wohlstand der Stadt sollte die 1883-84 gehaltene Ausstellung bieten,
deren Hauptbau 15,400 qkm bedeckte, und die außerdem ein Gewächshaus (183 m lang, 59 m breit) und eine Kunstgalerie umfaßte.
New Orleans
ist Sitz eines deutschen Konsuls. Unter den zahlreichen Wohlthätigkeitsanstalten der Stadt gebührt der vornehmste Rang
der Charitee, einem 1812-14 erbauten Hospital mit 450 Betten. Im Maison-Dieu werden Patienten gegen billige
Zahlung aufgenommen.
Außerdem hat die Stadt ein Irrenhaus, eine Rettungsanstalt für Knaben und Mädchen, Waisenhäuser etc. Das ehemalige Maison de Santé (ein Hospital) und das Marinehospital der Vereinigten Staaten stehen zur Zeit (Anfang 1888) leer. Von Bildungsanstalten sind zu nennen: die Universität von Louisiana, 1849 gegründet, mit juristischer und medizinischer Fakultät, Straights Universität für Farbige, eine medizinische Schule und der Arbeiterbildungsverein (Mechanic's Institute).
Auch die permanente Exposition Hall
[* 13] oder Ausstellungshalle ist hier zu nennen. Für Unterhaltung sorgen fünf größere Theater,
[* 14] unter denen ein französisches Opernhaus. Klubs sind zahlreich, und auch die Freimaurer und Odd Fellows besitzen großartige
Hallen mit Konzertsälen. Wettrennen werden auf dem Metarie Race Track, auf dem Weg zum Pontchartrainsee,
abgehalten. Der Karneval wird jährlich durch einen Umzug unter Vorgang des »Bœuf gras«
und des »Rex« (Prinz Karneval) gefeiert. New Orleans
gegenüber liegt die Vorstadt Algiers (s. d.); 8 km unterhalb der Stadt das Schlachtfeld,
auf dem General Jackson 1815 die Engländer besiegte (s. unten), mit Denkmal. Der Weg dahin führt an einem
großen Ursulinerinnenkloster vorbei. Noch weiter flußabwärts verteidigen die Forts St. Philip und Jackson den Zugang zur Stadt.
New Orleans
wurde 1718 von Bienville (dessen Haus, die Casa blanca, noch gezeigt wird) gegründet und nach dem Herzog von
Orléans,
[* 15] dem damaligen Regenten von Frankreich, benannt. 1723 hatte es ungefähr 100 Hütten
[* 16] und eine Bevölkerung von nicht
mehr als 200 Seelen. 1763 kam New Orleans
mit ganz Louisiana im W. des Mississippi an Spanien,
[* 17] 1800 aber an Frankreich zurück, und 1803 wurde
es mit dem übrigen Louisiana an die Vereinigten Staaten verkauft. Damals zählte New Orleans
ungefähr 8000 Einw. 1804 wurde
es zum Einfuhrhafen erklärt und 1805 als City einverleibt. 1810 hatte es erst eine Bevölkerung von 17,242 Seelen. Am machte
General Pakenham, Kommandant der englischen Streitmacht, einen Angriff auf die Stadt, wurde aber von den Amerikanern unter
General Jackson geschlagen. Seit jener Zeit entwickelte sich der Handel der Stadt immer rascher, und New Orleans
wurde bald das einzige
Emporium für den Handel des unermeßlichen Mississippibeckens. Im April 1862 erzwang sich der Unionsadmiral Farragut mit 44 Schiffen
den Zugang zur Stadt, und nach wütendem Kampf mit der Panzerflotte der Konföderierten und den Batterien
mußte sich dieselbe 1. Mai ergeben.