Netstal
oder Netstall
(Kt. Glarus).
471 m. Gem. und grosses Pfarrdorf, am linken Ufer der
Linth, am O.-Fuss des
Wiggis und an der
Strasse
Glarus-Näfels; 2,5 km n. Glarus.
Station der Linien
Zürich-Wädenswil-Glarus u.
Weesen-Glarus. Postbureau,
Telegraph, Telephon. Gemeinde, mit dem kleinen
Weiler
Leuzingen: 405
Häuser, 2003 Ew. (wovon 1352 Reformierte und 649 Katholiken);
Dorf: 399 Häuser, 1950 Ew. (1318 Reformierte und 629 Katholiken).
Reform. und kathol. Kirchgemeinde. Das Dorf dehnt sich mitten in der Thalebene der Linth und am linken Ufer des Löntsch, der 1,5 km weiter s. aus dem Klönthal heraustritt, auf eine Länge von 1,5 km in der Richtung von SW. nach NO. als gedrängt gebaute, unregelmässige Häusermasse aus. Eine kleine Häusergruppe mit einigen hübschen Villen liegt am rechten oder S.-Ufer des Löntsch. Teils im Innern des Dorfes, teils in seiner Umgebung erheben sich mehrere 10-20 m hohe kegelförmige Hügel über die ebene Thalsohle als Ueberreste eines grossartigen Bergsturzes, der sich in der Glazialzeit von der N.-Seite des Glärnisch abgelöst hat.
Charakteristisch für das
Bild von Netstal
sind jedoch vor allem die gewaltigen Felsmauern des
Wiggis,
die blos 500-600 m vom W.-Rande des Dorfes entfernt und mehr als 1800 m hoch sind, sowie mit einer durchschnittlichen Böschung
von 51° unvermittelt aus der Linthebene aufsteigen. Ueber diese Felswände stürzen jedes Frühjahr grosse Grundlawinen.
Die Staublawinen, die sich dort nach starkem Schneefall loslösen, fegen oft über das Dorf hinweg bis
an die gegenüberliegende Bergwand.
Der sie begleitende Luftdruck hat an den Hausdächern, Obstbäumen und Wäldern öfters erheblichen Schaden angerichtet. Im Jahr 1817 hob eine solche Staublawine viele Hausdächer weg und beraubte z. B. auch das Schulhaus des Daches und der Treppe, so dass die Schulkinder vermittels Leitern herausgeholt werden mussten. Zum Schutze gegen diese Lawinen reicht bei manchen Häusern die gegen den Wiggis gekehrte Mauer über das Dach empor. Hauswasserversorgung und Hydrantennetz, elektrische Beleuchtung; Elektrizitätswerk, dem die Quellen des Klönthals die Kraft liefern.
Sekundarschule. Die Bürgergemeinde besitzt ausgedehnte Alpweiden, Wiesengüter und Wälder, und Viehzucht,
Alpwirtschaft und Waldwirtschaft sind wichtige Erwerbszweige der Einwohner. Von noch grösserer Bedeutung ist jedoch die
Industrie. Netstal
ist wie Glarus
und
Ennenda ein Hauptsitz der glarnerischen Baumwolldruckerei, leidet jedoch stark unter der Krisis,
von der diese Industrie seit längerer Zeit betroffen ist; zwei grosse Etablissemente sind in den letzten Jahren
geschlossen worden. Es bestehen hier noch zwei Baumwolldruckereien, ferner
eine Baumwollspinnerei, zwei Baumwollwebereien,
eine Giesserei, eine Papierfabrik, zwei Ziegerfabriken und eine grosse Kalkbrennerei, die den Troskalk (Tithon) des
Elggis
(Felsvorsprung am rechten Ufer der
Linth) ausbeutet. Im 18. Jahrhundert betrieb die Bevölkerung einen lebhaften Handel mit
den Produkten der Viehzucht und Alpwirtschaft, hauptsächlich nach Holland, und in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts gründeten manche Bürger Netstals
industrielle Etablissemente und Handelshäuser im Ausland, namentlich
in Russland. Im Jahr 1420 liess Landammann Mathias Netstaller
, der reichste
Glarner und einer der reichsten
Eidgenossen seiner
Zeit, in Netstal
auf seine eigenen Kosten eine
Kapelle bauen.
Diese verblieb nach der Reformation den Katholiken und wurde 1708 durch eine neue
Kapelle ersetzt, die 1876 zur katholischen
Pfarrkirche erhoben wurde. Die reformierte Bevölkerung trennte sich erst 1698 von der Pfarrgemeinde Glarus;
ihre gegenwärtige Kirche
stammt aus dem Jahr 1813. Der
Löntsch, der heute durchaus ungefährlich erscheint, richtete im 18. Jahrhundert
im Dorf wiederholt grossen Schaden an. 1762 und 1764 floss er mitten durch den
Ort und riss mehrere
Häuser weg. Netstal
hatte
auch schwer unter den Kriegsnöten des Jahres 1799 zu leiden, als wochenlang tausende von fremden Soldaten im Dorf und seiner
Umgebung lagen. Am fand hier ein heftiges Gefecht zwischen den Franzosen und den Oesterreichern
statt, und am 30. September und 1. Oktober ereigneten sich Kämpfe zwischen den Russen unter Suwarow und den Franzosen unter Molitor.