Naturreligion
(wohl zu unterscheiden von natürlicher
Religion) nennt
man in erster
Linie im
Gegensatz zur Kulturreligion
die
Religion der sogen. Naturvölker, welche noch keine wirkliche Geschichte haben. Da keins
dieser
Völker mehr den wirklichen Urzustand der Menschheit veranschaulicht, ihr gegenwärtiger Zustand vielmehr häufig als
Entartung und Verwilderung erscheint, so sind die Untersuchungen über die unzähligen
Formen der Naturreligion
mit
großen Schwierigkeiten verknüpft. In zweiter
Linie aber und im
Gegensatz zur ethischen
Religion muß der
Komplex aller vorzugsweise
mythologischen
Religionen als Naturreligion
bezeichnet werden.
Ihr Geheimnis besteht im Mythus, d. h. in dichterischer Personifikation der Naturkräfte und darauf beruhender Dramatisierung der Naturvorgänge, insonderheit der Himmelserscheinungen. Erst die ethische Religion erhebt diese Vorgänge und jene Kräfte in den Bereich des Geistes, indem sie die Figuren der Mythologie zu Vertretern sittlicher Mächte und das sich ergebende Drama zu einer Darstellung der sittlichen Grunderfahrungen der Menschen, ja der Menschheitsgeschichte selbst unter dem Gesichtspunkt der Erreichbarkeit der ihr gestellten sittlichen Aufgaben umbildet.
Alle Naturreligion
ist bedingt durch den lokalen
Gesichtspunkt, von welchem aus die
Naturkräfte und
Erscheinungen in
Sicht genommen werden;
sie umfaßt daher polydämonistisch-magische Stammreligionen und polytheistische Volksreligionen; alle ethischen
Religionen
schreiten in ihrer
Entwickelung über die
Volks- und Sprachgrenzen hinweg, weil sie in unvermeidlichen
Erlebnissen des persönlichen
Bewußtseins wurzeln und die wahren
Güter des persönlichen
Lebens schützen wollen. Beide
Stufen
der
Religion sind in fließendem Übergang begriffen, und die Naturreligion
setzt sich bis zu einem gewissen
Grad auch in jede ethische
Religion hinein fort.