Marmor
in
Griechenland.
[* 2] Das
Wort ist griechisch und bedeutet ursprünglich nur ein Felsstück ohne Rücksicht auf die
Gesteinsart.
Da aber
Griechenland hauptsächlich das
Land des sogen.
Marmors ist, war es natürlich, daß
der allgemeine
Name auf das am häufigsten vorkommende
Gestein angewandt wurde, so daß allmählich aus dem allgemeinen
Worte
die Bezeichnung einer besondern Gesteinsart wurde und in dieser Gestalt zu andern Völkern überging. Über den griechischen
Marmor
sind wir in neuerer Zeit durch R.
Lepsius' Untersuchungen
(»Griechische Marmor
studien«, 1890) aufs beste
belehrt worden. Am reichsten ausgestattet mit ist
Attika.
Das pentelische
Gebirge, der hohe
Rücken des
Hymettos, ein großer Teil der Laurischen
Bergwerke bestehen aus Marmor
, zum größern
Teile aus dem ältern, weißen, zum kleinern aus dem geologisch jüngern, bläulichen
Steine. Aus dem
pentelischen
Steine sind die
Tempel
[* 3]
Athens gebaut. Der Skulpturenschmuck ist jedoch zum Teil aus dem noch bessern parischen
Marmor
verfertigt. Nur die Perikleischen Bauten bestehen ganz aus pentelischem Marmor, weil die parischen
Brüche so große Marmor
massen
in so kurzer Zeit, als die plastische Ausschmückung des
Parthenon in Anspruch nahm, nicht liefern konnten.
Der pentelische Marmor
zeichnet sich vor andern griechischen
Marmoren durch seinen Eisengehalt aus: die schöne goldbraune
Patina
auf den
Säulen
[* 4] und Werkstücken des
Parthenon, der
Propyläen, des Theseion, des
Olympieion und aller andern, dem
Wetter
[* 5] ausgesetzten
Bauwerke und
Denkmäler von pentelischem Marmor
rührt davon her, daß bei der Anwitterung der Gesteinsoberfläche
der
Kalk des
Marmors vom Regenwasser aufgelöst und fortgeführt wird, dagegen der Eisengehalt des
Marmors umgesetzt wird in
Brauneisen
(Eisenhydroxyd), dessen intensiv braune Färbung auch bei Gegenwart von nur sehr kleinen
Quantitäten deutlich zu
Tage tritt.
Die chemische
Analyse gibt beim pentelischen Marmor
einen verhältnismäßig hohen
Gehalt von
Eisen,
[* 6] nämlich:
Kalkerde | 56,000 Proz. kohlensaurer Kalk in Form von Kalkspat |
Kohlensäure | 44,002 Proz. kohlensaurer Kalk in Form von Kalkspat |
Eisenoxyd | 0.122 Proz. |
: | 100,124 Proz. |
Daß die Säulenreihe auf dem Südkap von
Attika, auf
Sunion, schneeweiß erscheint, obwohl der Marmor
stärker
verwittert ist als derjenige auf der
Akropolis
[* 7] von
Athen,
[* 8] kommt nur daher, daß der Marmor
von
Sunion nach der chemischen
Analyse
kaum
Spuren von
Eisen in feiner Gesteinsmasse enthält.
Für das Verständnis der
Verwitterung der
Skulpturen des
Parthenon ist es wichtig, die
Schichtung und den
Abbau des pentelischen
Steines zu kennen. Er ist stets deutlich geschichtet, daher können die Marmor
platten parallel den Schichtflächen
leichter als nach der andern
Richtung aus der anstehenden
Bank herausgebrochen werden.
In den modernen, viel ausgebeuteten
Brüchen
am
Pentelikon benutzt auch der
Arbeiter die
Schichtung des
Marmors, um lagerhafte
Stücke zu gewinnen.
Die Alten aber haben sich selten nach der
Schichtung gerichtet, sondern häufig die
Blöcke schief zur
Schichtung aus dem
Anstehenden herausgehauen; die
Schichten fallen meist schief in den
Berg hinein, während die Alten den
Berg
stets in senkrechten, resp. horizontalen
Flächen einschnitten. Wir sehen daher bei den Werkstücken antiker Bauten, die aus
dem ältern, weißen, pentelischen Marmor
gearbeitet wurden, die
Schichtung meist quer durch die Säulentrommeln,
Architrave und Marmorquadern hindurchlaufen, nicht zum Vorteil der Haltbarkeit dieser
Stücke; denn wir sehen zugleich, daß
das Regenwasser in diese Schichtenfugen und Glimmerdurchgänge eindringt und von ihnen aus den Marmor zernagt und
anwittert; parallel den Schichtfugen blättern z. B. häufig
Schalen und
Platten von den Säulentrommeln
des
Parthenon oder des
Olympieion ab.
Der hymettische, blaugraue Marmor war mehr noch als bei den Griechen in späterer Zeit bei den Römern beliebt, die ihn zur Kaiserzeit in zahlreichen und großen Werkstücken, besonders aber in Säulenmonolithen (Säulen aus einem Stück) nach Rom [* 9] gebracht haben. Die graue Färbung rührt von einer Masse sehr kleiner Kohlenstoffpartikelchen her. Ebenso tragen kleine schwarze Eisenkörnchen zu der grauen Färbung bei.
Von den auf den griechischen Inseln vorhandenen Marmorarten ist der Marmor von Karystos auf Euböa wegen der zahlreichen Glimmerlager schon Kalkglimmerschiefer oder eigentlich Marmorglimmerschiefer zu nennen. Der weiße, hellgraue, auch gelbliche und rötliche, körnige Marmor wird parallell ^[richtig: parallel] der deutlich hervortretenden Schichtung von vielen Streifen grauer, auch silberweißer Glimmerblättchen durchzogen. Die geschliffenen und polierten Flächen dieses dünnschichtigen Marmors zeigen eine schöne Maserung durch die vielfach wechselnden farbigen Zonen und Streifen. Im griechischen und römischen Altertum war dies Gestein als karystischer Marmor berühmt; in Italien [* 10] nennt man ihn Cipollino (Zwiebelmarmor), indem man die dünnen Schichten des farbigen Gesteins mit den vielfach übereinander liegenden Schalen der Zwiebel (cipolla) vergleicht. Dieser Marmor von Karystos wurde während der Kaiserzeit in Rom bei den Prachtbauten zu Säulen, Stufen, für Wandbekleidung in großen Werkstücken verwendet. ¶
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Die Marmore von den Inseln Paros und Naxos, die, nahe bei einander gelegen in der Mitte der Cykladen, sich in ihrer geologischen Beschaffenheit gleichen, sind an dem gröbern Kalkspatkorn von den attischen Marmoren zu unterscheiden. Ferner ist keine dichte oder feinkörnige Grundmasse zwischen den deutlich erkennbaren einzelnen Kalkspatkristallen übriggeblieben, sondern die ganze Gesteinsmasse ist zu einem körnigen oder grobkörnigen Mosaik von Kalkspatkristallen auskristallisiert; hierdurch kann man den besten parischen, den verhältnismäßig nicht so grobkörnigen Lychnites-Lithos, von dem besten, gut auskristallisierten pentelischen Marmor unterscheiden.
Dieser Lychnites-Lithos (Lampenstein) war der berühmteste Statuenmarmor des Altertums; z. B. ist aus ihm der Hermes [* 12] des Praxiteles gemeißelt. Dieser Marmor stand nicht zu Tage, sondern er wurde in unterirdischen Gruben gewonnen, weil die nur 2-4 m dicke Schicht des besten Statuenmarmors mit Winkeln von 5-70° nach O. zu in den Berg einfällt; schief nach unten eindringende Schleppschächte führen von mehreren Eingängen, die in einer Höhe von ca. 200 m über dem Meere stehen, durch ausgedehnte Höhlungen und Grotten (alle künstlich in den Felsen gehauen) bis zu einer Tiefe von ca. 140-120 m ü. M. hinab.
Durch die Arbeiten einer neuern Gesellschaft, welche im J. 1879 gegründet und im J. 1884 bankrott wurde, sind die Schuttmassen aus einigen Teilen dieser Gruben so weit entfernt worden, daß man die gute Marmorschicht im Anstehenden auf eine Länge von ca. 300 m längs der Linie verfolgen kann, an welcher an der Peripherie in der Tiefe der Grotten die antiken Arbeiten aufgehört hatten. Die Alten haben von dieser 2-4 m mächtigen Bank besten Statuenmarmors aus diesen Gruben mindestens 30,000 cbm herausgeschafft, nur einen Teil freilich als brauchbare Blöcke, sehr viel auch als Brockenwerk. Die neue Gesellschaft mußte deshalb die Arbeit einstellen, weil ihr nicht gelang, große ganze Blöcke des Statuenmarmors aus der zerklüfteten Bank herauszuarbeiten und fördern zu lassen. Herr Cordellas in Athen glaubt aber nach neuern Untersuchungen, daß auf der Südostseite der Bank der Marmor weniger brüchig sei, und will deshalb die Arbeiten von einer neuen Gesellschaft wieder aufnehmen lassen.
Die Struktur dieses Lychnites, des bei Lampenlicht gewonnenen Steines, charakterisiert sich dadurch, daß die ganze Gesteinsmasse aus Kalkspatkristallen zusammengesetzt ist, ohne daß eine dichte oder feinkörnige Zwischenmasse zwischen den Kristallen zu bemerken ist; dieser Marmor hat daher die Struktur wie etwa unser sogen. Kolonialzucker, im Gegensatz zu dem feinkörnigern pentelischen oder attischen Marmor, der in seinem Korne unserm gewöhnlichen Rübenzucker gleicht.
Das gröbere, zugleich feste Kristallgefüge verschafft dem Lychnites seine verhältnismäßig große Durchsichtigkeit: das Licht [* 13] dringt in keinen Marmor tiefer ein als in diesen. Der beste pentelische Marmor läßt das Licht nur bis zu Gesteinsdicken von 15 mm, der beste karrarische bis zu 25 mm, der Lychnites aus der Nymphengrotte aber bis zu 35 mm durchscheinen und eindringen. Auf diesem verhältnismäßig tiefen Eindringen des Lichtes beruht zum großen Teil die Schönheit des guten parischen Marmors. Daher kann sicherlich nicht die ganze Statue des Hermes von Olympia bemalt gewesen sein, weil die Farbendecke gerade die beste Eigenschaft dieses kostbaren Marmors, feine relative Durchsichtigkeit, verdeckt haben würde.
Der Peloponnes ist arm an Marmor; dort wurde nur bunter Marmor gebrochen, roter und schwarzer, deren antike Brüche aber erst zum Teil wieder aufgefunden sind. Eigentlicher Statuenmarmor ist sonst nicht vorhanden. Der bunte aber wurde im Altertum namentlich zu Rom viel verarbeitet, besonders der schwarze von Tänaron.