Méhul
(spr- me-ül), Etienne Nicolas, Komponist, geb. zu Givet, zeigte sehr früh ein außerordentliches Talent zur Musik und machte trotz mangelhafter Unterweisung solche Fortschritte, daß er im elften Jahr die Organistenstelle an der Franziskanerkirche zu Givet und darauf eine Alumnenstelle in der Abtei Lavaldieu erhielt. Dort hatte er zeitweilig die Absicht, sich dem geistlichen Stand zu widmen, gab dieselbe jedoch auf, als sich ihm Gelegenheit bot, behufs weiterer künstlerischer Ausbildung nach Paris [* 2] zu gehen.
Hier machte die Bekanntschaft mit der Gluckschen Opernmusik ihn zu deren begeistertem Verehrer und gab seinem
Schaffen die
entsprechende
Richtung; zugleich trat er dem
Meister persönlich nahe, der ihn mit seinen Ratschlägen unterstützte, und unter
dessen Leitung Méhul
drei
Opern:
»Psyche«, »Anacréon« und »Lausus
et
Lydie«, komponierte. Die erste
Oper Mehúls
, welche (1790) zur Aufführung gelangte, war »Euphrosine
et Corradin«; sie machte seinen
Namen rasch bekannt.
Indessen fanden die nachfolgenden Werke (»Adrien« 1793, »La
caverne« 1795 u. a.) nur geringen Beifall, und seine 1797 aufgeführte
Oper »La chasse du jeune
Henri« wurde, nachdem die
Ouvertüre
mit
Begeisterung aufgenommen war, sogar erbarmungslos ausgepfiffen, weil man eine der
Republik feindliche
politische
Gesinnung in ihr zu entdecken glaubte. Auch in den folgenden
Jahren gelang es ihm nicht, die
Aufmerksamkeit des
Pariser
Publikums auf sich zu lenken, weil dasselbe,
Napoleon I. an der
Spitze, der neapolitanischen
Oper der Paesiello,
Zingarelli etc.
einseitig ergeben war. Méhul
rächte sich dafür durch eine Mystifikation, indem er seine im italienischen
Stil gehaltene
Oper
»L'Irato« für das Werk eines Neapolitaners ausgab und in
Szene gehen ließ, das nun den allgemeinsten Beifall erhielt. Es
folgten dann die
Opern: »Une folie« (1801, in
Deutschland
[* 3] bekannt u. d. T.: »Je toller, je besser«),
»Les
aveugles de Tolède« (1806) u. a., die warme
Teilnahme fanden. Seine bedeutendste
Schöpfung ist die 1807 vollendete
Oper
»Joseph«,
die seinen
Ruhm auch für die Nachwelt begründete, indessen anfangs mehr in den französischen
Provinzen und in
Deutschland
(u. d. T.:
»Joseph in
Ägypten«)
[* 4] als in
Paris gewürdigt wurde. Außer den
Symphonien, welche Méhul
für die
Konzerte des
Konservatoriums schrieb, ist noch seiner musikalischen Thätigkeit auf politischem Gebiet zu gedenken. Er war
recht eigentlich der
Komponist der
Revolution.
Auf ihn ist die Melodie des »Chant du départ« von Chénier zurückzuführen, welcher neben der Marseillaise die Soldaten der Revolutionsarmee zur Schlacht begeisterte. Auch der »Chant de victoire«, »Chant de retour« und »Chanson de Roland« errangen Popularität, und die Gelegenheitskompositionen zu den großen republikanischen Festen, z. B. »Le [* 5] pont de Lodi«, die Musik für zwei Chöre und zwei Orchester zur Feier der Schlacht bei Marengo, [* 6] die Musik zu Chéniers »Timoléon«, sowie andre Werke dieser Art fanden enthusiastische Aufnahme.
Daneben widmete sich Méhul
mit
Eifer dem
Unterricht und beteiligte sich namentlich als einer der vier Inspektoren des
Konservatoriums
an der Reorganisation dieser Anstalt von 1795 (dem Jahr ihrer
Eröffnung) bis 1810, wo er, zum
Ritter der
Ehrenlegion ernannt
und mit einem lebenslänglichen Jahresgehalt von 2000
Frank, den man dem
Meister auch nach dem
Sturz
Napoleons
nicht entzog, in den
Ruhestand trat. Mitglied der französischen
Akademie und hochgeehrt als
Künstler sowie als Mann von energischem
Charakter, unwandelbarer Redlichkeit und großer Herzensgüte, starb Méhul
Gründlichkeit, Tiefe,
Charakteristik und
Wahrheit waren die
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mehr
Vorzüge seines Genius. Fünf Jahre nach seinem Tod gelangte die als Manuskript hinterlassene Oper »Valentine de Milan« zur Aufführung, ohne jedoch einen nachhaltigen Eindruck zu machen.