Titel
Luxemburg
,
[* 2] 1) ein 1815-66 zum Deutschen Bund gehöriges, seit 1867 unabhängiges und neutrales Großherzogtum, grenzt im O. an Rheinpreußen (durch die Our, Sauer und Mosel davon geschieden), im S. an Deutsch-Lothringen und Frankreich, im W. und N. an die belgische Provinz und hat ein Areal von 2587 qkm (46,99 QM.). Das Land ist ein waldreiches, von vielen Thälern durchzogenes Plateau, das den Übergang vom lothringischen Bergland und den Ardennen zur Eifel bildet und in einzelnen Erhebungen bis 552 m Höhe ansteigt.
Der südliche Teil, das fruchtbare »Gutland«, gehört der
Trias- (Buntsandstein-), der
Jura- und jüngern
Formationen an, während
im unfruchtbaren
Norden
[* 3] die devonischen
Gesteine
[* 4] oft bis an die Oberfläche herantreten. An
Steinkohlen ist völliger Mangel.
Luxemburg
gehört zum größten Teil dem Gebiet der
Sauer (Nebenfluß der
Mosel) an, die es in westöstlichster
Richtung durchfließt und von S. her die
Alzette aufnimmt. Die
Bevölkerung
[* 5] beträgt (1885) 213,283
Seelen (82 auf 1 qkm). Die
Einwohner sind deutschen
Stammes (doch ist
Französisch die Umgangssprache der Gebildeten).
Der Konfession nach sind sie bis auf 1141 Protestanten und 866 Juden durchaus Katholiken, und das Land bildet seit 1873 ein eignes Bistum. Das Klima [* 6] ist rauher als in Belgien, und die Temperaturdifferenzen zwischen dem wärmsten und kältesten Monat sind um 4° höher als dort; die Niederschläge haben sich seit der weitern Ausdehnung [* 7] des Ackerbaues vermindert. Fast die Hälfte des reichbewässerten Bodens (1246 qkm) nimmt Getreide-, Flachs-, Hanf- und Rübsamenbau ein; auf Wald und Lohhecken kommen 775 qkm, auf Weideland 407 qkm. Weinbau wird vorzugsweise an der Mosel und Sauer auf 876 Hektar betrieben und erträgt in guten Jahren bis 60,000 hl. Die Viehzucht [* 8] liefert gute Rinder [* 9] und Pferde [* 10] zur Ausfuhr. 1883 zählte man 18,766 Pferde, 82,395 Rinder, 37,439 Schafe, [* 11] 80,288 Schweine, [* 12] 11,792 Ziegen.
Daneben beschäftigt sich die Bevölkerung vorzugsweise mit der Gewinnung und Verarbeitung von Eisenerzen. Das Oolitheisenerz im obern Lias, die sogen. Minette, liegt 2½-4 m mächtig in zwei Flözen im Becken von Esch-Rümlingen und bis 10 m mächtig in einem Flöz im Becken von Beles-Differdingen-Rodingen; die ganze Ablagerung nimmt 3800 Hektar ein, von denen über die Hälfte durch Tagbau zu gewinnen ist. 1880 wurden von 3656 Arbeitern 2,173,463 Ton. Eisenerz im Wert von 6,5 Mill. Frank gefördert und 260,666 T. Roheisen im Wert von 14,5 Mill. Fr. produziert. Im ganzen waren 15 Hochöfen im Betrieb.
Von den nicht im Land verarbeiteten Erzen wird der größere Teil nach Belgien, der Rest nach Preußen [* 13] ausgeführt. Neben der Eisenindustrie wird noch Fabrikation von Leder, Handschuhen, Fayence, [* 14] Papier, Tuch, Strickwaren (Trikots), Zucker, [* 15] Bier und Essig betrieben. Den Hauptbestandteil der Einfuhr bilden Koks, Steinkohlen und Cerealien. Das Großherzogtum bildet noch gegenwärtig ein Glied [* 16] des Deutschen Zollvereins; es wird von der Wilhelm-Luxemburger Bahn (171 km), unter der Verwaltung der Elsaß-Lothringer Bahnen, und der Prinz Heinrich-Bahn (150 km) durchzogen; außerdem gibt es noch 41 km Sekundärbahnen. Seit 1881 ist der Schulbesuch obligatorisch. An ¶
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Unterrichtsanstalten besitzt Luxemburg
2 Normalschulen (zur Bildung von Lehrern), 2 Progymnasien (zu Diekirch und Echternach), eine Ackerbauschule
(zu Ettelbrück), ein Athenäum und ein Priesterseminar (zu Luxemburg
) und 705 Volksschulen. Das Großherzogtum bildet, wie
erwähnt, ein selbständiges neutrales Gebiet unter der Oberhoheit des Hauses Oranien-Nassau (jetziger Großherzog ist also der
König der Niederlande,
[* 18] Wilhelm III.) und wird durch einen vom Großherzog eingesetzten Statthalter nach
eigner Verfassung regiert.
Letztere ist monarchisch-konstitutionell und datiert vom Die Ständeversammlung besteht nach dem Wahlgesetz vom aus 42 Abgeordneten, welche von den Kantonen direkt auf sechs Jahre gewählt und zur Hälfte alle drei Jahre erneuert werden. Sie hat vollständige Mitwirkung bei der Gesetzgebung und das Recht der Steuerverweigerung. Der Präsident der Regierung ist der Staatsminister; neben demselben stehen die Generaldirektoren der Finanzen, der Justiz und des Innern.
Der Rechnungsabschluß für 1884 ergab 8,433,418 Fr. Einnahme und 6,517,530 Fr. Ausgabe, mithin einen Überschuß
von 1,915,888 Fr.; das Budget für 1886: 8,110,964 Fr. Einnahme gegen 6,947,097 Fr. Ausgabe. Die lediglich im Interesse von Eisenbahnbauten
kontrahierte Staatsschuld beläuft sich auf 16,2 Mill. Fr. Das Militär besteht aus 2 Kompanien (aus Freiwilligen und Gendarmen
gebildet) und zählt 300 Mann mit 7-9 Offizieren. Für die Rechtspflege ist der Code Napoléon maßgebend.
Ein oberster Gerichtshof befindet sich in der Hauptstadt, daneben bestehen zwei Arrondissementstribunale; jeder Kanton
[* 19] hat
ein Friedensgericht. Seit 1841 besteht der Orden
[* 20] der Eichenkrone in vier Klassen. Eingeteilt ist Luxemburg
in die Stadt und die drei
Distrikte: Diekirch, Grevenmacher und Luxemburg
mit 12 Kantonen und 129 Gemeinden.
2) Belg. Provinz, bis 1839 der westliche Teil des gleichnamigen Großherzogtums, bildet jetzt die südöstlichste Ecke des Königreichs
Belgien, im O. vom Großherzogtum Luxemburg
, im S. von Frankreich, im W. von der belgischen Provinz Namur,
[* 21] im N. von Lüttich
[* 22] begrenzt,
und hat 4418,36 qkm (80,23 QM.) Flächeninhalt.
Die Provinz ist zum größten Teil waldiges und rauhes Plateau, das von den nördlichen Ausläufern der Ardennen durchzogen und
von den in tief eingeschnittenen und vielfach gewundenen Thälern strömenden Flüssen Semoy (im S.) und Ourthe (im N.) bewässert
wird.
Die Bevölkerung betrug Ende 1885: 214,760 Seelen, nur 48 auf 1 qkm. Das Ackerland umfaßte 1880: 2643,6 qkm, die Waldungen 1540,3 qkm; damals zählte man 21,829 Pferde, 141,723 Rinder, 74,730 Schafe und 60,309 Schweine. Am fruchtbarsten ist der nordwestliche Teil; in den übrigen Gegenden sind ergiebige Eisengruben im Betrieb. Außer Eisen [* 23] und Eisenwaren produziert man Leder, Tuch, Thonpfeifen und bringt Vieh und geräucherte Fleischwaren zur Ausfuhr. Städte und größere Orte besitzt die Provinz, welche in die Arrondissements Arlon, Bastogne, Marche, Neufchâteau und Virton zerfällt und von der Bahnlinie Grand Luxembourg (Brüssel-Arlon-Sterpenich) mit Zweigbahnen nach Longwy, Lüttich u. a. durchzogen wird, sehr wenige. An höhern Unterrichtsanstalten bestehen nur ein Athenäum, 4 Staats- und eine Kommunalschule für Knaben. Hauptstadt ist Arlon. S. Karte »Belgien«.
[Geschichte.]
Der Name Luxemburg
stammt von der alten Burg Lucilinburch oder Lützelburg im Methingau, woraus die jetzige Stadt Luxemburg
entstand.
Diese Burg brachte Graf Siegfried, Urenkel des in Lothringen reichbegüterten Markgrafen
Eberhard von Friaul, 963 durch Tausch an sich
und vereinigte sie mit seiner Grafschaft im Moselgau. Erst sein Ururenkel nannte sich nach dieser Burg
»Graf von Lützelburg«. Mit Konrad II. starb 1136 das Geschlecht Siegfrieds aus. Doch hatte er seine Muhme Ermesindis, die mit
dem Grafen Gottfried von Namur vermählt war, zur Erbin eingesetzt.
Von dieser ging die Grafschaft an ihren Sohn Heinrich I., den Blinden, Grafen von Namur, über, von diesem 1190 auf
seine Tochter Ermesindis und deren zweiten Gemahl, Waleram IV., Herzog von Limburg
[* 24] und Markgrafen von Arlon. Ihr ältester Sohn,
Heinrich II., erbte Lützelburg, die von seiner Mutter erworbene hennegauische Lehnsherrschaft La Roche sowie die Markgrafschaft
Arlon und wurde der Stifter der zweiten luxemburg
ischen Linie (gest. 1272). Sein Sohn Heinrich III. erhob Ansprüche auf Limburg
und fiel bei Woringen (unweit Köln)
[* 25] gegen Johann von Burgund, der nun Limburg in Besitz nahm.
Graf Heinrich IV. wurde nach des Königs Albrecht I. Ermordung im November 1308 als Heinrich VII. zum deutschen
König gewählt. Er übertrug vor seinem Zug
nach Italien
[* 26] 1310 die Grafschaft an seinen Sohn Johann von Böhmen.
[* 27] Dieser vergrößerte
dieselbe durch Kauf, kümmerte sich sonst aber wenig um deren Verwaltung. Unter seinem Sohn Wenzel wurde die Grafschaft Luxemburg
1354 von
Kaiser Karl IV. zu einem Herzogtum erhoben. Durch seine Vermählung mit der Prinzessin Johanna von Brabant
wurde Wenzel 1355 auch Herzog von Brabant und Limburg, welche Länder bei seinem Tod jedoch wieder verloren gingen.
Wenzel hinterließ sein Herzogtum, da er kinderlos starb, 1383 seinem Neffen, Karls IV. ältestem Sohn, dem König Wenzel von
Böhmen, der 1378 zum deutschen König erwählt wurde. Dieser verpfändete es 1388 an seinen Vetter Jobst von Mähren, löste
es 1410 aus und schenkte es 1411 seiner Nichte Elisabeth von Görlitz.
[* 28] Ihr Gemahl Anton von Burgund fiel 1415 bei Azincourt. Vergebens
bemühte sich König Albrecht II. nach dem Erlöschen des luxemburg
ischen Herrscherhauses mit Kaiser Siegmund
(1437) um die Nachfolge in Luxemburg
Elisabeth trat 1441 alle ihre Rechte auf das Herzogtum Luxemburg
an den Herzog Philipp den Guten von Burgund
ab. So ward Luxemburg 1444 mit Burgund vereinigt.
Durch die Vermählung Marias, der Erbin von Burgund, mit dem Erzherzog Maximilian I. (1477) kam Luxemburg an das Haus Habsburg-Österreich, 1555 an Spanien, [* 29] wurde aber als ein Teil des burgundischen Kreises zum Deutschen Reiche gerechnet. In dem Pyrenäischen Frieden von 1659 mußte jedoch Spanien den südlichen Teil von Luxemburg, nämlich Thionville (Diedenhofen), [* 30] Montmédy etc., an Frankreich abtreten. Infolge des Utrechter Friedens von 1713 kam das spanische Luxemburg wieder an Österreich. [* 31] 1795 wurde es von den Franzosen erobert und im Frieden zu Campo Formio von 1797 an Frankreich abgetreten und das Departement des Forêts daraus gebildet.
Der Wiener Kongreß erhob Luxemburg als Großherzogtum zu einem besondern deutschen Bundesstaat und teilte es dem König der Niederlande, Wilhelm I., als Entschädigung für den Verlust seiner nassauischen Erblande zu; doch sollte die Stadt eine deutsche Bundesfestung sein. Für die Erbfolge blieb der Erbverein des Hauses Oranien-Nassau, der die kognatische Succession ausschloß und dem Haus Nassau die Erbfolge zusicherte, maßgebend. Zugleich wurden nach Abtretung einiger Orte an Preußen als östliche Grenzlinie des Großherzogtums die Flüsse [* 32] Mosel, Sauer und Oure bestimmt und dasselbe durch Bouillon und einen Teil von Lüttich ¶
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vergrößert. Nach dem Ausbruch der belgischen Revolution von 1830 schloß sich ganz Luxemburg, mit Ausnahme der Bundesfestung und ihres Rayons, der Bewegung an und ward auch von der provisorischen Regierung zu Brüssel [* 34] für einen Bestandteil Belgiens erklärt. Doch blieb nur der westliche französische Teil mit Arlon belgisch. Durch den Londoner Traktat kam der deutsche Teil des Großherzogtums wieder an den König der Niederlande, sollte jedoch nicht mit den Niederlanden vereinigt, sondern als selbständiger Staat verwaltet werden und ein Staat des Deutschen Bundes bleiben.
Auch schloß sich Luxemburg 1842 dem Zollverein an. Wilhelm II. oktroyierte eine ständische Verfassung, welche jedoch einer neuen, der belgischen Konstitution nachgebildeten Platz machen mußte. Letztere wurde wiederum beseitigt durch die von Wilhelm III. verliehene Verfassung, worin der Kammer nur ein Zustimmungsrecht in der Gesetzgebung gelassen wurde. Die Wahl war indirekt, die Zahl der Abgeordneten 31 und wurde alle drei Jahre zur Hälfte erneuert.
Während der deutschen Kämpfe im Sommer 1866 bewahrte Luxemburg Neutralität, blieb aber im Zollverein und die Festung [* 35] in den Händen Preußens. [* 36] Dieses wünschte zwar den Eintritt des Ländchens in den Norddeutschen Bund durchaus nicht; ebensowenig wollte es Luxemburg an Frankreich überlassen und dem Vertrag vom zustimmen, durch welchen der König der Niederlande Luxemburg an Napoleon III. verkauft hatte. Es betrachtete sein Besatzungsrecht in Luxemburg durch das Ausscheiden des Landes aus dem Deutschen Bund nicht als erloschen.
Indes trug Bismarck auch Bedenken, dieses Rechts wegen es auf einen Krieg mit Frankreich ankommen zu lassen. Als daher 15. April die französische Regierung auf die Erwerbung Luxemburgs verzichtete, wenn Preußen die Festung räume, erklärte sich Preußen mit dem von Rußland gemachten Vorschlag einer Konferenz einverstanden (26. April). Diese trat 7. Mai London [* 37] zusammen; außer den Großmächten nahmen Holland und Belgien daran teil. Schon 11. Mai wurde der Londoner Vertrag unterzeichnet, welcher die Neutralität Luxemburgs aussprach und dieselbe unter die kollektive Garantie der unterzeichnenden Mächte stellte, anderseits die Räumung der Festung Luxemburg seitens der preußischen Truppen und die Schleifung der Werke festsetzte. Am 9. Sept. verließen die letzten preußischen Truppen die Festung; länger ließ die Demolierung der Werke auf sich warten, die erst 1872 ausgeführt wurde. Während des deutsch-französischen Kriegs war Luxemburg neutral, jedoch den Franzosen geneigt und mußte durch eine energische Note des Grafen Bismarck zur gewissenhaften Beobachtung der Neutralität ermahnt werden. Am übernahm Deutschland [* 38] die Eisenbahnen von auf 40 Jahre in Pacht, und damit ward die Französische Ostbahngesellschaft aus dem Land verdrängt.
Das Militär wurde 1881 abgeschafft und nur ein kleines Gendarmeriekorps errichtet. Beim bevorstehenden Erlöschen des oranischen Mannesstamms in den Niederlanden wird Luxemburg von denselben getrennt werden und an das herzoglich nassauische Haus fallen.
Vgl. Grövig, Luxemburg, Land und Volk (Luxemb. 1867);
Schotter, Geschichte des Luxemburger Landes (das. 1882);
Gläsener, Le [* 39] grand-duché de Luxemburg (das. 1885);
van Werveke, Beiträge zur Geschichte des Luxemburger Landes (das. 1886 ff.);
»Das Luxemburger Land«, Organ für vaterländische Geschichte etc. (das. 1882 ff.).