Kunstakademien
,
Kunstschulen höherer Art, auf denen alles, was zum technischen und praktischen Unterricht des bildenden Künstlers notwendig ist, gelehrt und vermittelst der jeder Kunstschule unentbehrlichen technischen Hilfsmittel (Vorzeichnungen, Gipsabgüsse etc.) geübt wird. Die Kunstschulen neuerer Art entstanden, nachdem die Werkstätten und Meisterateliers, welche besonders im 16. Jahrh. blühten, allmählich eingegangen waren. Am frühsten finden sich solche Kunstschulen, als Tradition der alten Malerschulen, in Italien [* 2] und zwar als Congregationes, d. h. freie Vereinigungen von Künstlern zum Zweck gegenseitiger Förderung und Ausbildung.
Zwar
gab es in
Italien schon im 13. Jahrh. eine Malervereinigung zu einem solchen
Zweck, wie die Kunstakademien
gegenwärtig sich ihn setzen,
nämlich die in
Venedig
[* 3] 1290 statutenmäßig begründete
Zunft des heil.
Lukas; doch führte sie ebensowenig
wie die um 1339 zu
Florenz
[* 4] gestiftete und 1386 ebenfalls statutenmäßig begründete Malergesellschaft des heil.
Lukas den
Namen einer
Akademie.
Diesen
Namen erhielt sie erst 1571 unter
Cosimo I. Die Begründung der
Akademie zu
Mailand,
[* 5] als deren
Stifter
Leonardo da
Vinci genannt wird, fand um das Jahr 1494 unter dem
Herzog
Lodovico
Sforza statt.
Die Accademia di
San
Luca zu
Rom
[* 6] stammt aus der Zeit
Gregors XIII., welcher der alten
Universität der schönen
Künste diesen
Titel gab. Federigo Zucchero schrieb eine Geschichte derselben (1604), worauf drei Jahre später neue
Statuten entworfen
wurden, die von
Gregor XV. (1621) und
Urban VIII. (1627) reformiert wurden.
Napoleon I. wies ihr bestimmte Einkünfte an. Die
Kunstakademien
zu
Bologna,
Parma,
[* 7]
Padua,
[* 8]
Mantua,
[* 9]
Turin,
[* 10]
Ravenna,
Verona,
[* 11]
Neapel,
[* 12]
Genua,
[* 13]
Carrara,
Pisa
[* 14] u. a. sind neuern Ursprungs und haben nie
die Bedeutung erlangen können, die solchen Anstalten in Hauptstädten größerer
Reiche zufällt, wo
wichtige Werke aller Art die
Kräfte anregen und den
Genius wecken.
Eine andre Bedeutung als die einer Lehranstalt für angehende Künstler hat die 1648 gestiftete Akademie zu Paris. [* 15] Sie ist lediglich (analog den Akademien der Wissenschaften) eine Vereinigung von bedeutenden Künstlern, die zu »Akademikern« ernannt werden. Neben derselben besteht daher noch unter dem Titel einer École des beaux-arts eine Kunstschule im Sinn der deutschen Akademien. Die Pariser Akademie bestand zuerst aus Malern, Colbert dehnte sie auch auf Architekten aus.
Ein
Zweig der
Pariser
Akademie ist die französische
Akademie zu
Rom in der
Villa
Medici, in welcher sich die
mit dem römischen
Preis ausgezeichneten
Künstler, auch
Musiker, vier Jahre lang zum
Studium unter
Aufsicht eines
Direktors aufhalten
dürfen. In
Deutschland
[* 16] wurde die erste Kunstakademie
von
Sandrart 1662 zu
Nürnberg
[* 17] gestiftet. Sie gelangte durch die Künstlerfamilie
Preißler zu neuem
Ruf, erhielt sich aber aus Mangel an
Mitteln nur mühsam und wurde deshalb 1818 in eine
Provinzialkunstschule umgewandelt. Die
Akademie zu
Berlin
[* 18] wurde 1694 gestiftet und 1786, 1875 und 1882 neu organisiert,
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die zu Dresden
[* 20] 1705 als Malerschule gestiftet und 1764 auf Bildhauer, Architekten und Kupferstecher erweitert. Die Kunstakademie
zu Kassel
[* 21] wurde 1774 von Landgraf Friedrich II. gestiftet und 1879 neu organisiert. Die Kunstakademie
zu Leipzig
[* 22] wurde 1764 gegründet
und 1871 mit Ausdehnung
[* 23] auf das Kunstgewerbe reorganisiert. Die Kunstakademie
in Königsberg
[* 24] wurde 1845 gegründet.
Neben diesen Kunstakademien
existieren in Deutschland Kunstschulen, die zum Teil auch die Ziele von Kunstgewerbeschulen (s. d.) verfolgen.
Solche Kunstschulen gibt es in Berlin, Breslau,
[* 25] Danzig,
[* 26] Frankfurt
[* 27] a. M., Karlsruhe,
[* 28] Stuttgart
[* 29] und Weimar.
[* 30] Die Akademie zu Wien
[* 31] wurde 1692 von
Kaiser Leopold I. begründet; 1872 erhob sie Kaiser Franz Joseph unter Reorganisation der Statuten zu einer
»Hochschule der Kunst«. Den bedeutendsten Einfluß erlangten die Kunstakademien
zu München
[* 32] und zu Düsseldorf,
[* 33] von denen die erste 1770 gestiftet
und 1808 vom König Maximilian I. neu begründet, die andre 1767 gestiftet und 1822 von Friedrich Wilhelm III. erneuert wurde.
Die Akademie der Malerei zu Madrid
[* 34] entstand 1752, außer ihr befinden sich noch zu Barcelona,
[* 35] Sevilla,
[* 36] Valencia
[* 37] Kunstakademien;
London
[* 38] erhielt eine solche erst 1768, Edinburg
[* 39] bereits 1754. Die Niederlande
[* 40] haben zu Brüssel,
[* 41] Antwerpen,
[* 42] Amsterdam
[* 43] und Brügge
höhere Kunstanstalten; Stockholm
[* 44] hat eine Akademie der schönen Künste seit 1730, Kopenhagen
[* 45] seit 1738. Die zu Petersburg
[* 46] entstand 1757 und
ward 1764 erweitert. Wenn man von der Bedeutung der Kunstakademie als einer aus Meistern (Akademikern) bestehenden Verbindung,
wie die zu Paris, London etc., absieht und nur die hauptsächlich in Deutschland übliche Stellung derselben als höherer Kunstlehranstalt
in Betracht zieht, so ist zu bemerken, daß die Organisation derselben (Lehrplan), bei sonstigen lokalen
Verschiedenheiten, drei Abteilungen enthält, welche wieder in verschiedene Klassen zerfallen, nämlich:
1) die Elementarabteilung, worin hauptsächlich Zeichenunterricht nach Vorlegeblättern gegeben wird;
2) die Vorbereitungsklasse (Gipszeichnen, Zeichnen nach der Natur, Aktzeichnen, Komposition und Gewandung, Anatomie, Perspektive, Ästhetik und Kunstgeschichte);
3) praktische Klasse (Malen, Bildhauen, Kupferstechen). Bei manchen Akademien (Düsseldorf, Wien, Berlin) ist
damit noch eine Klasse für Architektur und (Berlin) für Musik verbunden. In Düsseldorf und Berlin stehen mit den Kunstakademien
Meisterklassen
und -Ateliers in Verbindung. Die meisten deutschen, insbesondere preußischen, Kunstakademien
veranstalten periodische Kunstausstellungen
(s. d.), ganz unabhängig von ihrer Stellung als Lehranstalten, und erteilen Prämien und Medaillen für
die besten Werke derselben.
Die oberste Behörde derselben bildet der Senat, bestehend aus Präsident oder Direktor und Senatsmitgliedern, meist Professoren
der Akademie; außerdem zählen dazu noch Mitglieder (ordentliche und außerordentliche), von denen die erstern eine Art
Kollegium außerhalb des Senats bilden. Kunstakademien
für Musik haben den Spezialtitel Konservatorien (s. d.).
Vgl. R. Springer, Kunsthandbuch für Deutschland, Österreich [* 47] und die Schweiz [* 48] (4. Aufl., Stuttg. 1886);
Woermann, Die alten und
die neuen Kunstakademien
(Düsseld. 1878);
Derselbe, Zur Geschichte der Düsseldorfer Kunstakademie (das. 1880);
v. Lützow, Geschichte der k. k. Akademie der bildenden Künste (Wien 1877);
Nieper, Die königliche Kunstakademie und Kunstgewerbeschule in Leipzig (Leipz. 1881).