Keuchhusten
(blauer Schafs-, Stick-, Krampfhusten, Tussis convulsiva, Pertussis, franz. Coqueluche), eine epidemische Kinderkrankheit, welche aus periodisch wiederkehrenden krampfhaften Hustenanfällen besteht. Als Vorstadium der Erkrankung zeigen die meisten Kinder die Symptome eines Schnupfens, zu welchem sich bald Kehlkopf-, Luftröhren- und Bronchialkatarrh gesellen. Sie haben dabei leichtes Fieber, thränende Augen, eine etwas heisere Stimme, leichten, trocknen Husten, der besonders des Nachts sich einstellt, unruhigen Schlaf und leiden an gestörter Verdauung, daher die Zunge belegt, der Stuhl erschwert oder durchfällig ist.
Dieser Zustand kann schon nach 6-8 Tagen in den eigentlichen Krampfhusten übergehen, aber auch mehrere Wochen anhalten. Der eigentliche Krampfhusten ist charakterisiert durch Hustenanfälle von eigentümlicher Art, die sich anfangs nur dadurch bemerklich machen, daß der Husten einen gewissen scharfen, trocknen Ton annimmt, in gehäuftern Stößen erfolgt und den Kranken mehr erschüttert als der gewöhnliche Husten etwa beim Katarrh, bald aber ihre charakteristische Form annehmen.
Die erste Inspiration geht gewöhnlich noch mit Leichtigkeit in die Hustenstöße über; aber schon nach der zweiten Inspiration tritt oft ein heftiger Krampf der Stimmritze ein, der unter unsäglicher Angst und bei sichtlicher Erstickungsnot nur mühsam durch Anstrengung aller Brustmuskeln überwunden wird. Es erfolgen zahlreiche Hustenstöße, oft wird gleichzeitig der Inhalt des Magens erbrochen, zuweilen werden auch Urin und Stuhl entleert. So folgen sich Hustenstöße und gewaltsame Atemzüge noch einigemal, bis endlich die Gewalt nachläßt, die Inspirationen ruhiger geschehen und mit dem Husten eine meist nicht beträchtliche Menge zähen Schleims entleert wird.
Das Kind ist im höchsten Grad erschöpft und erholt sich erst nach einigen Minuten allmählich wieder. Zuweilen treten in einem heftigen Anfall auch Blutungen aus Mund, Nase [* 2] und Lungen ein. Die Dauer eines solchen Anfalls ist ½-2 Minuten, selten länger. Die Zahl der Anfälle innerhalb eines Tags ist gleichfalls sehr verschieden; auf der Höhe der Krankheit kommen gewöhnlich 20-40 Paroxysmen auf 24 Stunden. Die Anfälle sind nicht an eine bestimmte Zeit gebunden, doch abends und nachts häufiger, besonders auf der Höhe der Krankheit.
Die Dauer der heftigen Anfälle und des Höhestadiums der Krankheit währt von 14 Tagen bis zu 2 Monaten und noch länger. Meist werden 10-14 Tage lang die Anfälle immer heftiger und häufiger, dann aber erhält sich die Heftigkeit derselben eine Zeitlang auf der gleichen Höhe. Schon nach den ersten Wochen sind die katarrhalischen Erscheinungen gewöhnlich vollständig zurückgetreten; das Kind fiebert nicht mehr, befindet sich, solange es keinen Anfall hat, vollständig wohl oder ist nur müde und angegriffen.
Die Anfälle treten meist ohne alle Veranlassung ein; doch kann jede kleine Veranlassung, namentlich aber
Weinen und
Ärger,
sie hervorrufen. Zu schnelles
Schlingen, kalte
Luft,
Rauch und ein Hustenanfall bei einem andern
Kind bringt
sie gleichfalls leicht hervor. Nachdem die Anfälle längere oder kürzere Zeit sich auf der
Höhe erhalten haben, fangen
sie unmerklich an, sowohl seltener zu werden, als von ihrer krampfhaften Art und Heftigkeit zu verlieren. So löst sich die
Krankheit allmählich und geht nach
ca. 8-12
Wochen unter immer leichter vor sich gehendem
Auswurf in den
Normalzustand über. Am häufigsten wird der Keuchhusten
vom zweiten bis fünften, seltener im ersten Lebensjahr sowie
vom fünften bis siebenten beobachtet.
Erwachsene befällt er nur ausnahmsweise. Mädchen oder krankhaft reizbare, zarte
Kinder sind demselben mehr
unterworfen als
Knaben und kräftige
Kinder.
Höchst selten befällt der Keuchhusten
zum zweitenmal dasselbe
Individuum. Meist herrscht
der in wahren
Epidemien; auch wo er sporadisch vorkommt, sind immer mehrere
Kinder zu gleicher Zeit befallen. Die
Epidemien
treten am häufigsten am Ende des
Winters und im ersten Frühjahr, etwas seltener im
Herbst und
Winter,
am seltensten im
Sommer auf.
Viele unleugbare
Thatsachen machen eine kontagiöse Verbreitung in hohem
Grad wahrscheinlich, wenn nicht gewiß; doch scheint
die
Ansteckung meist nur in der
Nähe stattzufinden. Die höchste
Intensität der Ansteckungsfähigkeit fällt mit der
Höhe
der
Krankheit zusammen. Obwohl der
an sich meist wenig gefährlich ist, wird er es in hohem
Grade durch
gewisse
Komplikationen und Nachkrankheiten. Die häufigsten
Komplikationen sind entzündliche
Affektionen der feinern
Bronchien
und des Lungengewebes (katarrhalische
Lungenentzündung), welche häufig zur
Lungenschwindsucht führen. Bei sehr langer Dauer
des Keuchhustens
verfallen schwächliche
Kinder zuletzt nicht selten in einen Zustand von
Abzehrung und
Marasmus, aus dem sie sich schwer oder gar nicht wieder erholen. Oft wird
¶
mehr
auch durch lange andauernden Keuchhusten
und durch die davon abhängige Schwächung die Disposition zu verschiedenen chronischen Kinderkrankheiten
geweckt oder begründet.
Was die Behandlung anlangt, so gibt es unter der großen Zahl der versuchten und empfohlenen Mittel kein einziges bewährtes.
Doch ist zur Erleichterung und Abkürzung des Übels und zur Verhütung der gefahrbringenden Komplikationen
ärztliche Überwachung und Behandlung dringend nötig. Herrscht eine Keuchhuste
nepidemie, so muß jeder Brustkatarrh bei
Kindern mit verdoppelter Vorsicht behandelt werden; man schütze die Kinder sorgfältigst vor jeder Erkältung, namentlich aber
beuge man jedem Verkehr derselben mit am Keuchhusten
leidenden Kindern vor.
Ist ein Kind aber vom Keuchhusten
befallen, so lasse man es, wenn nicht ganz warme und milde Witterung ist, gar nicht
ins Freie. Bei Hustenanfällen komme man dem Patienten mit Verabreichen warmer schleimiger Getränke (Thee aus präpariertem
Leinmehl, Althee mit Süßholz, Milch mit Selterwasser, warmes Zuckerwasser) zu Hilfe. Durch Klystiere, Manna, gebackenes Obst etc.
sorge man für gehörige Leibesöffnung. Dabei suche man den Patienten durch Verabreichung nahrhafter,
aber reizloser Kost (ungewürzte Bouillonsuppe mit Ei,
[* 4] Milch etc.) bei Kräften zu erhalten, ihn auch vor jeder gemütlichen
oder körperlichen Aufregung zu Bewahren.
Bei heftigen Hustenanfällen richte man ihn auf, unterstütze den Kopf, entferne den zähen Schleim aus dem Mund. Größere und kräftigere Kinder halte man dazu an, daß sie den Husten soviel wie möglich unterdrücken, da jeder Hustenstoß die Kehlkopfschleimhaut von neuem reizt und dadurch zu neuen Anfällen führt. Günstig und oft überraschend schnell wirkt ein Ortswechsel; namentlich ist der Aufenthalt auf dem Land in sonniger, trockner Lage und eine Milchkur sehr anzuempfehlen.