Justisthal
(Kt. Bern, Amtsbez. Thun). 1716-584 m. 8 km langes Thal; steigt zwischen den beiden Ketten des Sigriswilgrates und Gemmenalphorns mit starkem Gefäll von NO. nach SW. ab und mündet bei Merligen von rechts auf den Thunersee aus. Vom Grönbach durchflossen, der das Thal durch eine steilwandige und bewaldete Erosionsschlucht verlässt. Weiter oben wird das hier 200-300 m breite Thal beiderseitz von hohen Felswänden begleitet. Zu oberst liegen schöne Alpweiden mit den Hütten von Vorderberg (1243 m), Mittelsberg (1308 m) und Hintersberg (1368 m). Von hier kann man auf ziemlich schlechtem Fussweg über die Sichel oder den Sulzistand (1719 m) ins Thal von Eriz oder über die Scharte zwischen der Scheibe und dem Gemmenalphorn ins Habkernthal hinüber gelangen.
Der Thalboden ist mit schönen Wiesen und Alpweiden bestanden, während die Thalgehänge stark felsig sind und der Landschaft einen strengen Charakterzug verleihen. Das w. Gehänge trägt an seinem untern Abschnitt teilweise Wald, das ö. Gehänge aber steigt mit senkrechten Wänden zum Niederhorn, Burgfeldstand und Gemmenalphorn auf. Zahlreiche Gemsen. In den Wänden des Sigriswilgrates, in die man auf schlechten Schafwegen einsteigen kann, findet man zahlreiche Höhlen, Grotten und Löcher, deren bekanntestes das immer mit Eis gefüllte Schafloch ist (s. diesen Art.). Auf der Alpweide Hintersberg entspringt eine Schwefelquelle, in deren Nähe der h. Justus, Begleiter des h. Beatus, als Einsiedler gelebt haben soll.
Das Justisthal
ist ein gut ausgeprägtes Antiklinalthal. Die Ketten des Sigriswilgrates und
Gemmenalphorns
ruhen auf einer mächtigen Unterlage von dunkeln Kalkschiefern, die bis zu den tiefsten
Stellen des
Kammes hinaufreichen. Darauf
folgt graues Neocom in verschiedener Mächtigkeit (setzt an einigen
Stellen, wie an den
Ralligstöcken, ganz aus) und endlich
Nummulitenkalk, der alle Gipfel und
Kämme bildet. Diese Nummulitenschicht besteht aus grauen, marmorähnlichen
Kalken, die über
Ralligen gebrochen werden, aus fossilreichen blauen Mergeln und endlich gelblichen oder weissen Sandsteinen,
die ebenfalls oft Petrefakten einschliessen (so am
Gemmenalphorn). Nahe der Basis der Nummulitenschichten zieht fast überall
ein ganz schmales Band von
Kohlen
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durch, das blos an den Ralligstöcken etwas mächtiger wird. (Vergl. Rütimeyer, Ludw. Ueber das schweizer. Nummulitenterrain,
mit besonderer Berücksichtigung des Gebirges zwischen dem Thunersee und der Emme. Bern
1850.) Von Merligen aus führt ein bequemer
Fussweg thalaufwärts und weiterhin auf die Scheibe, das Sigriswil Rothorn oder auf den Beatenberg. Das
Justisthal
wird zum erstenmal in einer Urkunde von 1253 als Eigentum der Herren von Eschenbach, Edeln von Oberhofen genannt,
die es in diesem Jahre an das Kloster Interlaken verkauften.