Humus
(lat.), die braune oder schwarze
Masse, in welche
Pflanzen oder Pflanzenteile nach dem
Absterben zerfallen, und
welche, oft in starker
Schicht, den
Boden der
Wälder und
Wiesen bedeckt, häufiger noch, mit mineralischen
Substanzen vermischt,
im Ackerboden sich befindet und dann die
Dammerde bildet.
Torf, durch
Vermoderung zerfallenes
Holz,
[* 2] vermoderte
Baumrinde bestehen zum größten Teil aus Humus.
Der Humus besitzt keine bestimmte
Zusammensetzung; immer aber findet man darin einige
wenige
Verbindungen, welche ihm eigentümlich sind und seine
Eigenschaften bedingen.
Diese
Körper bestehen aus
Cellulose,
Stärke,
[* 3]
Zucker
[* 4] und ähnlich zusammengesetzten, im
Pflanzenreich überall verbreiteten
Substanzen, aus welchen man sie auch beim
Verdampfen wässeriger Pflanzenauszüge, durch längere Einwirkung von
Säuren oder
Alkalien etc. darstellen kann. Ob alle diese braunen und schwarzen
Substanzen identisch sind, ist sehr fraglich, und der in der
Natur entstehende Humus
ist jedenfalls ein sehr kompliziertes Gemisch, welchem sich Zersetzungsprodukte aller
übrigen Pflanzenbestandteile und animalische
Substanzen beimengen.
Der Humus
entsteht durch
Gärungs-,
Fäulnis- und Verwesungsprozesse; er hat die organische
Struktur so gut wie vollständig verloren,
ist in
Wasser unlöslich, zieht dasselbe aber mit großer
Begierde an und zerfließt, wenn er sich damit sättigen kann, zu
einem Brei, welcher wieder zu einer
Masse eintrocknet, die in lauter scharfkantige, glänzende Stückchen
mit muscheligem
Bruch zerfällt. Wird der Brei dagegen starkem
Frost ausgesetzt, so trocknet er später
zu einem lockern
Pulver
ein, welches sich etwa wie
Kohle verhält.
Man unterscheidet im H. die braunen und die schwarzen Humus
stoffe, die
Ulmin- und die
Huminstoffe. Die
Bildung
der braunen Ulminstoffe erfolgt unter
Aufnahme von
Sauerstoff und
Entwickelung von
Kohlensäure und
Wasser, und dabei wird die
zurückbleibende
Masse relativ reicher an
Kohlenstoff;
Ulmin enthält mehr
Kohlenstoff als
Cellulose und mehr
Wasserstoff, als
nötig wäre, um mit seinem
Sauerstoff
Wasser zu bilden. Das
Ulmin bildet sich besonders bei trockner Umgebung,
während bei Gegenwart von vielem
Wasser schwarze
Huminstoffe entstehen. In
Torfmooren und in der
Ackerkrume fehlen die Ulminstoffe
bisweilen gänzlich, aber
Holz, welches an der
Luft vermodert, wird niemals schwarz, stets nur braun; trocken gehaltene
Lauberde
besitzt eine braune, feucht gehaltene eine schwarze
Farbe.
Die braunen Stoffe können in die schwarzen übergehen, wobei dann wieder Sauerstoff aufgenommen und Kohlensäure und Wasser abgeschieden werden. Die schwarzen Stoffe enthalten nur so viel Wasserstoff, als nötig ist, um mit ihrem Sauerstoff Wasser zu bilden. Ulmin- und Huminstoffe geben an Wasser nichts Lösliches ab; wenn man sie aber mit Ammoniak oder kohlensaurem Kali behandelt, so zerfallen sie in einen löslichen und einen unlöslichen Teil; es bildet sich ulmin- oder huminsaures Salz, [* 5] aus dessen brauner Lösung die Säure durch eine Mineralsäure gefällt werden kann.
Ulminsäure und
Huminsäure sind zuerst in beträchtlicher
Menge in
Wasser löslich, verlieren diese
Eigenschaft aber durch
Trocknen.
Hieraus erklärt es sich, weshalb ein sehr humus
reicher
Boden doch nicht sauer reagiert: die Humus
säuren
verhalten sich erst dann wie
Säuren, wenn sie mit
Alkalien verbunden waren. Was durch
Kali oder
Ammoniak aus den braunen oder
schwarzen
Stoffen nicht gelöst wird, nennt man
Ulmin und
Humin. Kommt einer der genannten vier
Stoffe mit
einer in chemischer Umsetzung begriffenen
Substanz in Berührung, so bildet sich die in
Wasser leicht lösliche braune
Apokrensäure
oder
Quellsatzsäure. Neben letzterer findet sich im H. stets eine weiße, gelatinöse
Substanz, die
Krensäure oder
Quellsäure,
welche durch
Reduktion aus
Apokrensäure entsteht und durch
Oxydation wieder in dieselbe übergeführt werden kann.
Läßt man mit
Wasser vollständig ausgelaugten Humus
längere Zeit feucht an der
Luft stehen, so zieht er
Ammoniak an; es entsteht
ein humus
saures
Ammoniaksalz, welches durch
Wasser ausgezogen werden kann.
Noch schneller und in größerer
Menge entsteht dasselbe,
wenn der Humus
z. B. mit
Kreide
[* 6] oder
Ätzkalk gemischt wird. Neben diesem
Prozeß verläuft zugleich ein Oxydationsprozeß:
es wird
Sauerstoff aus der
Luft aufgenommen, und es bildet sich apokrensaures
Salz.
Letzteres kann unter passenden Umständen
(an tiefen
Stellen u. dgl.) zu krensaurem
Salz reduziert werden; bei Berührung mit der
Luft aber wird es oxydiert, und zuletzt
bleibt kohlensaures
Salz zurück. Auf diese
Weise wird der Humus
zersetzt. Die
Zersetzung erfolgt aber viel
schneller bei Gegenwart von
Basen, weshalb der
Torf, welcher meist nur spärliche
Mengen davon enthält, viel beständiger ist
als der Humus
des
Bodens, welcher mit
Basen oder den kohlensauren
Salzen derselben verbunden oder gemengt ist. Kalkboden ist seltener
humus
reich als Sandboden.
Der Humus
ist für den Ackerboden von hoher Bedeutung (s.
Boden, besonders S. 108) und verrichtet hier sehr wichtige
Funktionen.
Indes verdienen nicht sowohl die
¶
mehr
Humus
stoffe als solche die größte Aufmerksamkeit, sondern vielmehr die Gesamtheit der chemischen Prozesse, durch welche sie
entstehen, sich ineinander umwandeln und zersetzt werden. Die Humus
säuren besitzen eine gewisse Beständigkeit, aber sie
gehen aus sehr wandelbaren Stoffen hervor, und durch alle diese Prozesse wird im Boden eine chemische Thätigkeit hervorgerufen,
welche auf die Wurzeln nicht ohne Einfluß sein kann. Die Humus
substanzen gehen besonders unter dem Einfluß
von Alkalien allmählich in Kohlensäure, Wasser und Ammoniak über, und die Kohlensäure ist ein direktes Pflanzennahrungsmittel,
trägt aber besonders auch dazu bei, mineralische Stoffe im Boden zu zersetzen und zu lösen.
Die Oxydation der Humus
stoffe erfolgt nicht immer auf Kosten des atmosphärischen Sauerstoffs; das Vereinigungsstreben
derselben zum Sauerstoff ist vielmehr ein so starkes, daß Metalloxyde reduziert werden können. Eisen
[* 8] würde nicht in die Pflanze
gelangen, wenn das im Boden enthaltene Eisenoxyd, welches durchaus unlöslich ist, nicht durch die Humus
stoffe reduziert werden
könnte. Das gebildete kohlensaure Eisenoxydul gelangt dann leicht in Lösung. Die Humussäuren bewirken
ein Binden und Lösen der anorganischen Stoffe des Bodens, wie dies aus den Eigenschaften ihrer Salze hervorgeht; wenn aber die
Humussäuren in großem Überschuß vorhanden sind, so entstehen saure humussaure Salze, und diese werden vom Regenwasser
allmählich ausgewaschen.
Daher kommt es, daß Torfboden sehr arm und undankbar, ja sogar ganz und gar untauglich für die Vegetation ist. Fast unübertroffen ist das Bindungsvermögen der Humussäuren für Ammoniak; beide Körper sind selbst durch stark wirkende chemische Agenzien nur schwierig zu trennen, und es wird daher niemals ein Verlust an Ammoniak entstehen, wenn nur so viel Humussäuren im Boden vorhanden sind, daß neutrale Ammoniaksalze gebildet werden können. Nicht minder wichtig ist das Vermögen des Humus, große Mengen Wasser zu absorbieren und dadurch einen leicht austrocknenden Boden längere Zeit feucht, einen nassen Boden aber poröser und insofern auch trockner zu machen. 100 Teile Lauberde können 400-480 Teile Wasser zurückhalten.
Die große Hygroskopizität des Humus bewirkt, daß derselbe aus der Luft Feuchtigkeit anzieht und so selbst in regenloser Zeit dem Boden etwas Wasser zuführt. Ebenso bedeutend ist das Aufsaugungsvermögen des Humus für Gase, [* 9] infolgedessen Sauerstoff, Ammoniak und Kohlensäure in verdichtetem Zustand und zwar in viel günstigerm Verhältnis, als dies in der Atmosphäre der Fall ist, im Boden aufgespeichert werden und nun eine energische chemische Wirkung hervorbringen können.
Früher und besonders so lange, als die Bedeutung der Kohlensäure und des Ammoniaks für die Ernährung der Pflanzen noch unbekannt war, glaubte man, die Pflanzen bezögen auch ihre organischen Stoffe nur aus dem Boden, und man hielt besonders die braunen humusartigen Materien für das Material, welches von den Pflanzen als Nahrung aufgenommen würde. Diese Lehre [* 10] (Humustheorie) ist jetzt in dem angedeuteten Sinn vollständig aufgegeben, weil direkte Versuche erwiesen haben, daß Pflanzen in ausgeglühter Erde (welche also frei ist von organischen Substanzen) bei Zufuhr von Ammoniak und Kohlensäure sich entwickeln können, und einfache Berechnungen anderseits lehren, daß der Kohlenstoff, welcher in einer Ernte [* 11] dem Boden entnommen wird, nicht vollständig vom Humus abstammen kann.
Die Humustheorie läßt sich auf den Satz zurückführen, daß es eine gewisse Quantität organischen Stoffes gibt, welche in der Weise zwischen Pflanze und Tierwelt zirkuliert, daß allemal die Produkte, Auswurfstoffe und Leichen des einen Reichs die Nahrung für das andre hergeben. Nun zeigen aber die Thatsachen, daß überall organische Substanz zerstört wird (Fäulnis, Gärung, Verwesung, Verbrennung), und auch die Tiere liefern in ihren Exkrementen viel weniger organische Materie, als sie in den Nahrungsmitteln aufgenommen haben.
Eine ungeheure Menge organischer Substanzen führen die Ströme dem Meer zu. Die Humustheorie fand ihren entschiedensten Bekämpfer in Liebig, welcher so weit ging, den organischen Stoffen des Bodens jeden andern Nutzen für das Pflanzenleben abzusprechen als den, daß sie durch ihre Verwesung Kohlensäure und Ammoniak liefern, welche sowohl als direktes Pflanzennahrungsmittel dienen, wie auch die mineralischen Bestandteile des Bodens löslich machen. Hierüber entbrannte ein heftiger Streit, der sich auf die Ernährung der Pflanzen überhaupt und auf die Düngung erstreckte.
Genauere Untersuchungen über die Rolle, welche der Humus im Boden spielt, lieferte vorzüglich Mulder, und er gelangte zu Resultaten von so großer Bedeutung, daß dieselbe nicht übersehen werden konnte. Die praktischen Landwirte legen daher auf den ein sehr großes Gewicht und sorgen dafür, daß die organische Substanz in ihren Feldern sich nicht vermindere. Um aber verarmten Feldern Humussubstanz zuzuführen, gibt man am besten eine Gründüngung. Dies ist vorteilhafter als eine Düngung mit Torf, weil die Stoffe, indem sie sich in Humus verwandeln, belebend auf den Acker einwirken.
Will man mit Torf düngen, so regt man in demselben zunächst durch Vermischen mit leicht sich zersetzenden organischen Substanzen, namentlich mit tierischen Abfällen, eine Zersetzung an und mischt ihn mit Mergel oder Kalk. Guter Boden enthält durchschnittlich 5-6 Proz. organische Substanz; indes kommen auch bedeutend ärmere und viel reichere Ackererden vor, die doch nicht zu den unfruchtbaren gerechnet werden können. Die Fruchtbarkeit ist also nicht direkt abhängig vom Humusgehalt; jedenfalls genügt eine geringe Menge Humus im Boden, um alle die chemischen Funktionen zu erfüllen, die man vom Humus überhaupt erwarten darf.
Soll der Humus die physikalischen Eigenschaften des Bodens verbessern, so muß er oft in viel größerer Menge vorhanden sein; aber in dieser Beziehung kann er durch gewisse Mischungen mineralischer Substanzen zum Teil ersetzt werden. Von besonderm Interesse ist wegen seiner Ausdehnung, [* 12] Fruchtbarkeit und Zusammensetzung der humusreiche Boden, welcher sich über den südlichen und südwestlichen Teil des europäischen Rußland unter dem Namen Schwarzerde (Tschernosem) erstreckt. Er ist daselbst in solcher Gleichförmigkeit und Mächtigkeit verbreitet, daß er nicht als eine spezielle Lokalbildung, sondern vielmehr als eine durch allgemeine Einflüsse entstandene jüngste Formation der Erdoberfläche angesehen werden muß; er bildet die Grundlage des russischen Reichtums an Bodenerzeugnissen. Wie bedeutend die Humussubstanzen an geologischen Bildungen sich beteiligen, sieht man ferner an den Marschen, wo fein zerteilter kohliger Humus durch Wasserfluten mit erdigem Mineral-, namentlich Lehm- und Thonschlamm innig gemengt ist und mächtige Ablagerungen bildet. Im Torf haben wir den Humus in noch reiner oder fast reiner Gestalt; besondere Verhältnisse begünstigten seine Aufhäufung, und es bedarf dann wieder nur ¶
mehr
äußerer Verhältnisse (Druck, Feuchtigkeit), um eine weitere Zersetzung in der Weise herbeizuführen, daß die Masse immer mehr an Sauerstoff und Wasserstoff verarmt und zuletzt so kohlenstoffreiche Körper zurückbleiben, wie wir sie in der Braunkohle, der Steinkohle und dem Anthracit kennen.
Vgl. Sprengel, Bodenkunde (2. Aufl., Leipz. 1844);
Mulder, Chemie der Ackerkrume (deutsch von Grimm, das. 1862, 2 Bde.);
Senft, Die Humus-, Marsch-, Torf- und Limonitbildungen (das. 1862), und die Schriften von Liebig.