1) aus
Chios,
Mathematiker, lebte im 5. Jahrh.
v. Chr. und lehrte in
Athen
[* 2] die
Geometrie, ward aber,
weil er sich bezahlen ließ,
von den Pythagoreern ausgestoßen. Nach ihm wird noch eine von ihm gefundene geometrische
[* 1]
Figur
zur
Quadratur desKreises genannt (lunula Hippocratis), mittels deren er zuerst die
Gleichheit einer von krummen
Linien eingeschlossenen
Fläche mit einer von geraden begrenzten entdeckte. Er schrieb zuerst ein
System der
Geometrie hinter dem
Titel: »Stoicheia«,
das aber verloren ist, und löste zuerst das
»Delische Problem« (s. d.). Genaueres über Hippokrates, besonders
auch die wörtliche Übersetzung eines Teils seines Werkes, findet man bei
Bretschneider, Die
Geometrie und die
Geometer vor
Euklides (Leipz. 1872).
Seine anatomischen
Kenntnisse sind allerdings noch sehr mangelhaft, Leichenuntersuchungen hat er, wie es scheint, nicht vorgenommen, den Sitz
der seelischen Thätigkeit verlegte er in das
Herz; vom
Gehirn
[* 4] heißt es, es sezerniere
Schleim, der aus der
Nase
[* 5] heraustrete,
auch zumHerzen gelangen könne; im
Gehirn soll auch der
Same bereitet werden, der durch das
Rückenmark
in die
Hoden gelange. Aus den vier Elementarqualitäten der alten Naturphilosophen entwickelte er seine vier Kardinalsäfte:
Schleim,
Blut, gelbe und schwarze
Galle, und die
Krankheiten entstehen nach ihm aus den
Abnormitäten der
Beschaffenheit und Mischungsverhältnissen
dieser Säfte.
Die
Symptome dokumentieren das Bestreben der
Natur, die kranken Säfte durch einen Kochprozeß (pepsis) unschädlich zu machen,
sie darauf durch die
Krise auszustoßen, welche vorzugsweise an gewissen ungleichen Krankheitstagen, den sogen.
kritischen
Tagen, eintritt. Die Hippokratische
Therapie verhält sich infolge dieser Auffassung zu Anfang der
Krankheit sehr
vorsichtig, abwartend; es gilt, die Vorbereitungen der
Natur nicht zu stören. Deshalb wendet er auch
im ersten
Stadium der
Krankheit eine außerordentlich strenge
Diät an. Nur da, wo ihn die
Notwendigkeit zwingt, unterstützt
er die vis medicatrix naturae, und hier sucht
er denIndikationen durch seine Hauptmittel: emetica, laxantia und revulsiva,
zu genügen.
Namentlich sucht Hippokrates durch die
Revulsion und
Derivation zu wirken, d. h.
Ableitung der krankmachenden Säfte; dies that er bei
Affektionen oberhalb des
Zwerchfelles durch den
Aderlaß, unterhalb desselben durch Laxantien. Trotz aller Veränderungen der
pathogenetischen
Anschauungen ist die Hippokratische
Therapie bis in unsre
Tage hinein aufrecht erhalten worden und
ist in ihren Hauptzügen noch gleich kurant und gleich beliebt. In seinem ganzen ärztlichen
Verfahren stellte übrigens Hippokrates die
Diagnostik als Grundlage auf und erklärte die objektiven
Symptome für zuverlässiger als die subjektiven.
Die
Auskultation
[* 6] war ihm schon bekannt, wenn auch nur in den Anfängen, und wir können nicht genug die
Feinheit und Überlegenheit der
Beobachtungen bewundern und den edlen und schönen
Geist, der alle seine
Schriften durchweht.
Dafür zeugt schon allein der Hippokratische
Eid, in welchem der griechische
Arzt gelobt, »in
Keuschheit und
Frömmigkeit sein
Leben zu führen und seine
Kunst zu bewahren«.
Ausgaben der
Schriften des Hippokrates erschienen griechisch
Venedig
[* 7] 1526, Basel
[* 8] 1538;
mit lateinischer Übersetzung
Venedig 1588, vonKühn (Leipz. 1826-27, 3 Bde.),
von Ermerius
(Utrecht
[* 9] 1859-64, 3 Bde.), von
Reinhold
(Athen 1864-67, 2 Bde.);
in lateinischer Übersetzung vonHaller
(Laus. 1769-71);
in deutscher von
Grimm (Altenb. 1781-92, 4 Bde.,
unvollendet; neue Ausg. von Lilienhain, Glog. 1837-39, 2
Tle.), von Upmann (Berl. 1847);
in französischer
von
Littré (Par. 1839-1861, 10 Bde.).
genannt der Zweite oder der Große, der berühmteste Arzt des Altertums und der erste,
der eine wissenschaftliche Begründung der Heilkunde versuchte, war der Sohn des Asklepiaden (s. d.) Heraklides, eines Priesterarztes
auf der Insel Kos, und der Phänarete, welche ihre Abstammung von Herakles
[* 10] herleitete. Geboren wurde er wahrscheinlich um 460 v. Chr.
Nachdem
er von seinem Vater in den erblichen Kenntnissen der Asklepiaden unterrichtet worden war, machte
er größere Reisen, die ihn auch zu den Ländern am SchwarzenMeere geführt zu haben scheinen. Er hielt sich lange Zeit auf
der InselThasos, in Abdera und in Thessalienauf und soll, fast göttlich verehrt, in Larissa, wo sein Grabmal
noch zu Galens Zeiten im 2. Jahrh. n. Chr. gezeigt wurde, 377 gestorben
sein.
Die Größe des Hippokrates bestand darin, daß er weder dem Dogmatismus noch der Empirie zu viel huldigte;
daß er aus den von seinen
Vorgängern (besonders in den Tempeln der Asklepiaden) gesammelten Kenntnissen und Lehren
[* 11] das erfahrungsmäßig
Begründetere auszuscheiden wußte;
daß er jeden Krankheitsfall teils als selbständig mit allen dabei vorkommenden Erscheinungen,
teils im Zusammenhange mit der Außenwelt, der Lebensart, dem Klima,
[* 12] der Witterung u. s. w. auffaßte;
daß er das Vorhergehende
ebenso berücksichtigte wie das Gegenwärtige, und daß er erst aus der Zusammenstellung aller dieser
Thatsachen einen Schluß zog, welcher bei seinem weitern Verfahren und bei seinem Urteil über Verlauf und Ausgang der Krankheit
ihm zur Anleitung dienen konnte.
Auf diese Art hat er ohne Kenntnis der pathol. Anatomie und anderer Hilfsmittel unserer Zeit
die Heilkunde wissenschaftlich begründet. Für alle Zeiten hat so Hippokrates ein leuchtendes Vorbild hinterlassen,
wie mit geringen Mitteln eine schlichte, vorurteilsfreie, von Hypothesen sich frei haltende Beobachtung zu einer scharfen und
vielseitigen Einsicht in das Wesen der Krankheiten und zu einer erfolgreichen Behandlung derselben führen kann. Seine Behandlungsweise
der Krankheitenwar in der Regel schonend und mild, vorwiegend diätetisch, sodaß man in spätern Zeiten
oft Ärzte, welche einer solchen zuwartenden, nicht eingreifenden Kurmethode huldigten, deshalb Hippokratiker genannt hat.
Gleich seinem großen Zeitgenossen Sokrates stellte sich aber Hippokrates nicht an die Spitze einer Schule. Von den 72 Schriften in ion.
Dialekt, die dem Hippokrates zugeschrieben werden, sind die meisten nicht sein Eigentum. Am besten
bezeugt sind das «Prognostikon», die «Aphorismen», Buch 1 und 3 der «Epidemien», «Über Luft, Wasser und Orte», «Über Diät in
akuten Krankheiten», «Über die Kopfwunden». Auch die für echt erkannten Schriften des Hippokrates sind höchst wahrscheinlich nicht
frei von den Zusätzen seines Sohnes Thessalus, seines Schwiegersohnes Polybus u. a.; von andern,
wie den «Epidemien», wird ein Teil von ihm, das meiste von andern herrühren.
Ausgaben seiner sämtlichen Werke lieferten in neuerer Zeit Kühn (3 Bde.,
Lpz. 1826‒27), Littré (mit franz. Übersetzung, 10 Bde., Par. 1839‒61)
und Ermerins (3 Bde., Utr. 1859‒65),
auf Grund neuer Vergleichung von Handschriften Kühlewein und Ilberg (Bd.
1, Lpz. 1894); eine musterhafte, aber unvollendete deutsche ÜbersetzungGrimm (4 Bde., Altenb. 1781‒92; 2. Aufl., 2 Bde.,
Glog. 1837‒39) sowie Upman (3 Bde., Berl.
1847). –
Vgl. Ilberg, Studia Pseudippocratea (Lpz. 1883) und «Über das hippokratische Korpus» (Verhandlungen der Philologenversammlung
zu Görlitz,
[* 13] Lpz. 1890).
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"Stoicheia", das aber verloren ist, und löste zuerst das "Delische Problem"
(s. d.). Genaueres über H., besonders auch die wörtliche Übersetzung eines Teils seines Werkes, findet man bei Bretschneider, Die Geometrie und die Geometer vor Euklides (Leipz. 1872)
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