Titel
Hillebrand
,
1) Joseph, Litterarhistoriker und philosoph. Schriftsteller, geb. 1788 zu Großdüngen bei Hildesheim, [* 2] trat, ursprünglich für den katholisch-geistlichen Stand erzogen, später zum Protestantismus über, erhielt nach Hegels Abgang von Heidelberg [* 3] 1818 eine ordentliche Professur der Philosophie daselbst, 1822 eine solche zu Gießen, [* 4] war 1848 Präsident der hessischen Zweiten Kammer und wurde 1850 seiner Opposition halber in den Ruhestand versetzt. Er starb in Soden.
Als Litterarhistoriker hat Hillebrand
durch sein
Buch »Die deutsche
Nationallitteratur seit dem Anfang des 18.
Jahrhunderts«
(Hamb. u. Gotha
[* 5] 1845-46, 3 Bde.; 3. Aufl.,
hrsg. von seinem Sohn
Karl Hillebrand
, 1875, 3 Bde.) verdienten
Ruf erlangt;
seine minder bedeutende philosophische Thätigkeit, in welcher er Hinneigung zu Jacobi verrät, umfaßt folgende Schriften: »Anthropologie als Wissenschaft« (Mainz [* 6] 1822-23, 3 Tle.);
»Lehrbuch der theoretischen Philosophie und philosophischen Propädeutik« (das. 1826);
»Lehrbuch der Litterarästhetik« (das. 1827, 2 Bde.);
»Aesthetica litteraria antiqua critica« (das. 1828);
»Universalphilosophische Prolegomena« (das. 1830);
»Der Organismus der philosophischen Idee« (Leipz. 1842).
In seinem synkretistischen Hauptwerk, der »Philosophie des Geistes« (Heidelb. 1835, 2 Tle.), hat er eine Vermittelung zwischen Hegel und Leibniz versucht.
2) Karl, Schriftsteller, Sohn des vorigen, geb. zu Gießen, studierte daselbst und in Heidelberg die Rechte, nahm 1849 am badischen Maiaufstand teil, ward in Rastatt [* 7] gefangen, entkam aber nach drei Monaten aus den Kasematten und lebte dann als Flüchtling in Straßburg, [* 8] Paris [* 9] und Bordeaux, [* 10] wo er die verschiedenen akademischen Grade der Université de France erlangte. Nachdem er in Paris an der Sorbonne promoviert hatte, ward er 1863 Lehrer der deutschen Sprache [* 11] an der Militärschule von St.-Cyr, noch in demselben Jahr aber als ordentlicher Professor der fremden Litteraturen an ¶
mehr
die philosophische Fakultät zu Douai berufen. Nach der Kriegserklärung im Juli 1870 reichte er seine Entlassung ein, nahm
als Korrespondent der »Times« an der italienischen Expedition nach Rom
[* 13] teil und privatisierte seitdem in Florenz,
[* 14] wo er das Sammelwerk
»Italia« (Leipz. 1874-77, 4 Bde.)
herausgab und starb. Außer zahlreichen Essays in französischen, englischen, italienischen
und deutschen Zeitschriften veröffentlichte Hillebrand
in französischer Sprache: »Dino Compagni« (Par. 1862);
die gekrönte Preisschrift »De la bonne comédie« (das. 1863);
eine Übersetzung von O. Müllers »Griechischer Litteraturgeschichte« (2. Aufl., das. 1866);
»La Prusse contemporaine« (das. 1867);
»Études italiennes« (das. 1868);
»De la réforme de l'enseignement supérieur« (das. 1868).
Eine Sammlung deutscher Aufsätze erschien in 7 Bänden unter dem Titel: »Zeiten, Völker und Menschen« (Bd. 1: »Frankreich und die Franzosen«, 3. Aufl., Berl. 1879; Bd. 2: »Welsches und Deutsches«, 1875; Bd. 3: »Aus und über England«, 1876; Bd. 4: »Profile«, 1878; Bd. 5: »Aus dem Jahrhundert der Revolution«, 1881; Bd. 6: »Zeitgenossen und Zeitgenössisches«, 1882; Bd. 7: »Kulturgeschichtliches«, 1885). Von seiner für die Heeren-Ukert-Giesebrechtsche Staatengeschichte übernommenen »Geschichte Frankreichs von der Thronbesteigung Ludwig Philipps bis zum Fall Napoleons III.« sind die beiden ersten Bände (Gotha 1877 u. 1879) erschienen. Noch sind die »Lectures on German thought during the last two hundred years« (Vorlesungen an der Royal Institution, Lond. 1880) zu erwähnen.