Gliederung
der Kontinente oder auch kleinerer Länderräume nennt man nach dem Vorgange Karl Ritters, der diesen Begriff 1826 in seinem Vortrage «Über geogr. Stellung und horizontale Ausbreitung der Erdteile» eingeführt hat, die mehr oder weniger unregelmäßige Umrißgestalt der betreffenden Landmassen, die dem Umstande ihre Entstehung verdankt, daß an einen durch Meereseinschnitte in seinem Zusammenhang nicht unterbrochenen «Rumpf» sich größere oder kleinerer «Glieder» in Gestalt von Halbinseln und Landzungen ansetzen.
Den Gliedern werden auch nahe Festlandsinseln, die durch Meereseingriff aus Halbinseln hervorgingen, zugezählt. Diese horizontale Gliederung wird auch Küstenentwicklung genannt. Die Betrachtung der Karte zeigt ohne weiteres, daß hinsichtlich der Gliederung die Erdteile in der Reihenfolge Europa, Asien, Amerika, Australien, Afrika aufeinander folgen, oder daß z. B. die Balkanhalbinsel wesentlich stärker gegliedert ist als die Iberische. (S. Erde, Bd. 6, S. 252 b.) Als mathem.
Ausdruck der Gliederung benutzte man zuerst das Verhältnis des Küstenumfangs zum Flächeninhalt. Dem Mißstande, daß hier Größen erster und zweiter Dimension verglichen werden, suchte man abzuhelfen, indem die Küstenlänge zur Quadratwurzel aus dem Flächeninhalt in Beziehung gesetzt wurde, oder indem man Umfang und Inhalt mit den entsprechenden Werten eines flächengleichen Kreises oder einer flächengleichen Kugelkalotte als den Flächen kleinsten Inhalts beigegebenen Umfang verglich.
Da aber bei einer bestimmten Länge die Einzelgestaltung der Küste sehr verschieden sein kann, und da das Messen der Küstenlänge je nach dem Kartenmaßstab zu sehr ungleichen Zahlenwerten führt, so haben all die so gewonnenen Zahlenausdrücke für die Größe der Gliederung wenig Wert. Innerlich berechtigter und auch anschaulicher sind die Methoden zur Bestimmung der Gliederung, bei welchen die Flächeninhalte des Rumpfes und der Glieder zueinander in Beziehung gesetzt werden, was in verschiedener Weise geschehen kann; allein hier macht oftmals die Abgrenzung des Rumpfes gegen die Halbinselglieder Schwierigkeit. Trotzdem finden sich diese Methoden neuerdings mehrfach angewandt, auch nachdem jüngst der Begriff des mittlern Küstenabstandes und der Prozentanteil des flächengleichen Minimalküstenabstandes an der ganzen Fläche für die Zwecke der Gliederungsbestimmung verwendet worden ist. –
Vgl. Precht, Untersuchungen über horizontale (in der «Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie», 1. Ergänzungsheft, Weim. 1889) mit vollständiger Litteraturangabe; Rohrbach, Über mittlere Grenzabstände (in Petermanns «Geogr. Mitteilungen», 1890);
Ehrenberg, Studien zur Messung der horizontalen Gliederung (Würzb. 1891).
– Unter vertikaler Gliederung eines Länderraums versteht man in der modernen Geographie seinen Aufbau aus den verschiedenen Formen von Ebenheiten und Unebenheiten, die Übersicht der räumlichen Anordnung von Tief- und Hochländern und Gebirgen. Ihre Veranschaulichung läßt sich höchstens durch die Werte orometrisch ermittelter Größen (s. Gebirge) geben; besser dienen dazu Höhenschichtenkarten und Profile.