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über die
Entfernung auf die scheinbare
Größe der Gegenstände, d. h. auf den
Sehwinkel, unter dem sie uns erscheinen. Die
Bewegung eines
Objekts beurteilen wir bei unbewegtem
Auge
[* 3] daraus, ob dasselbe seine
Stellung im Gesicht
sfeld wechselt, d. h.
ob sein Netzhautbild auf der
Netzhaut seine
Lage verändert.
Fixieren wir dagegen ein bewegtes
Objekt fortgesetzt,
und folgen wir ihm mit unserm
Auge, so ändert zwar das Netzhautbild seine
Lage nicht, aber wir schließen aus der
Größe der
von uns zum
Zweck der fortgesetzten
Fixation ausgeführten
Bewegungen des
Auges, bez. des
Kopfes und des ganzen
Körpers auf die
Geschwindigkeit des
Objekts.
Körperliches Sehen. [* 4] Da die beiden Augen eine etwas verschiedene Lage einnehmen, so betrachten wir die Außenwelt gewissermaßen von zwei verschiedenen Standpunkten aus. Es entspricht z. B., wenn wir eine abgestumpfte Pyramide [* 1] (Fig. 7 A) vor uns sehen, das in das rechte Auge fallende Bild derselben der [* 1] Figur R, das in das linke fallende der [* 1] Figur L. Diese verschiedenen perspektivischen Bilder werden nun in der Vorstellung zu Einem Bild vereinigt, in welchem wir neben den zwei Dimensionen der Länge und Breite [* 5] auch die dritte Dimension, [* 6] die Tiefe, wahrnehmen. Auf dieser Fähigkeit beruht das körperliche Sehen. S. hierüber auch Stereoskop. [* 7]
Sehschärfe. Da sich das Bild auf der Netzhaut mosaikartig aus kleinen Punkten zusammensetzt, so ist die Genauigkeit der Wahrnehmung von der Fähigkeit abhängig, sehr nahe bei einander liegende Punkte voneinander zu unterscheiden. Nun steht es fest, daß wir die Eindrücke von zwei nebeneinander liegenden Elementen der Netzhaut nicht zu unterscheiden vermögen, daß diese vielmehr zu Einer Wahrnehmung verschmelzen. Sollen deshalb zwei Lichtempfindungen auf räumlich getrennte Objekte als Ursachen bezogen werden, so muß mindestens ein ruhendes Element der Netzhaut zwischen den beiden gereizten liegen.
Experimentell konnte man feststellen, daß der Dickendurchmesser eines einzelnen Zapfens thatsächlich annähernd mit der Sehschärfe übereinstimmt. Es beträgt nämlich dieser Durchmesser an der Stelle des deutlichsten Sehens (am gelben Fleck) ca. 0,0025 mm, die kleinste Distanz der Netzhaut, innerhalb welcher zwei Eindrücke getrennt wahrgenommen werden, ca. 0,003 mm. Ein einzelnes Objekt braucht natürlich nicht die ganze Breite eines Zapfens einzunehmen, um wahrgenommen zu werden, vorausgesetzt, daß es genügende Lichtstärke besitzt.
Für das
Facettenauge der
Insekten
[* 8] und
Krebse gibt es keinen
Nahpunkt, d. h. keine
Distanz, über welche hinaus
ein betrachteter Gegenstand dem
Auge nicht genähert werden darf, wenn er noch deutlich gesehen werden soll. Je näher im
Gegenteil ein
Objekt dem Arthropodenauge ist, um so deutlicher wird es gesehen; je weiter es davon entfernt
ist, um so undeutlicher wird es gesehen, und zwar nimmt die Deutlichkeit der Gesicht
swahrnehmung mit dem
Quadrat der
Entfernung
des betrachteten
Objekts, also äußerst rapid, ab. Die Vergleichung des Sehvermögens des menschlichen
Auges mit dem des
Facettenauges
ergibt, daß ein Gegenstand dem
Facettenauge außerordentlich (ungefähr bis auf 1
mm) genähert werden
muß, um mit der nämlichen Deutlichkeit gesehen zu werden, mit der
ihn das menschliche
Auge zu unterscheiden im stande ist.
Nähert man den Gegenstand dem
Auge noch mehr, so wird er vom
Facettenauge aber viel deutlicher erkannt, und wenn sein
Abstand
vom
Auge verschwindend klein wird, so kann er vom Insektenauge bis fünfmal deutlicher gesehen werden,
als wenn er vom menschlichen
Auge am deutlichsten erkannt wird. Das
Facettenauge ist also im höchsten
Grad kurzsichtig. Setzen
wir die Deutlichkeit, mit der ein Gegenstand im
Nahpunkt des menschlichen
Auges gesehen wird, gleich 1, so sinkt die Deutlichkeit
der Gesicht
swahrnehmung beim
Facettenauge schon bis auf 1/10 herab, wenn der Gegenstand nur auf etwa ½-1
cm von ihm entfernt wird.
Das musivische Sehen des Facettenauges besteht darin, daß jede einzelne Facette nur einen bestimmten Teil des Horizonts sieht und das Gesamtbild durch Kombination der Eindrücke sämtlicher Elementarbestandteile zu stande kommt. Die Distanz, in der ein Gegenstand nicht mehr deutlich erkannt werden kann, schwankt bei den einzelnen Spezies zwischen 15 und 90 cm, ist also außerordentlich klein. Im Hinblick auf diese Thatsache erscheint es unmöglich, daß die Insekten und Krebse ihre außerordentlich entwickelte Fähigkeit der raschen Orientierung im Raum dem Unterscheidungsvermögen der Facettenaugen verdanken.
Vgl.: Helmholtz, Physiologische Optik (2. Aufl., Leipz. 1886);
Aubert, Physiologie der Netzhaut (Bresl. 1864);
Bernstein, [* 9] Die fünf Sinne des Menschen (Leipz. 1875);
Classen, Physiologie des Gesichtssinns (Braunschw. 1876);
Wundt, Physiologische Psychologie (2. Aufl., Leipz. 1880, 2 Bde.);
Hering, Zur Lehre [* 10] vom Lichtsinn (Wien [* 11] 1878);
Fick (Dioptrik und Lichtempfindungen), Kühne (Chemische [* 12] Vorgänge in der Netzhaut), Hering (Der Raumsinn und die Bewegungen des Auges) in Hermanns »Handbuch der Physiologie«, Bd. 3 (Leipz. 1879).