Gerbsäuren
(Gerbstoffe), eine
Gruppe aus
Kohlenstoff,
Wasserstoff und
Sauerstoff zusammengesetzter
Substanzen, welche im
Pflanzenreich sehr verbreitet sind und sich vorzugsweise in
Holzgewächsen und perennierenden Kräutern, besonders in den
Familien
der
Rosaceen,
Kupuliferen,
Papilionaceen, Ericeen finden. Die Gerbsäuren
sind für das
Leben der
Pflanzen von großer
Bedeutung und finden sich überall in
Geweben, an welche die höchste Lebensthätigkeit geknüpft ist. So enthalten
Bast
[* 2] und
Holz
[* 3] zur Zeit der
Vegetation am meisten, im
Winter am wenigsten Gerbsäuren.
Das
Fruchtfleisch unreifer
Früchte ist reich an
Gerbstoff,
welcher in dem
Maß verschwindet, wie beim
Reifen der Zuckergehalt wächst. Auch zum
Stärkemehl steht der
Gerbstoff in eigentümlicher Beziehung und in vielleicht direkt genetischer zu vielen Pflanzenfarbstoffen. Am reichsten
an Gerbsäuren
sind stets die
Rinden, die
Schalen der
Früchte und
Samen,
[* 4] und sehr reichlich treten sie auch in gewissen pathologischen
Bildungen, namentlich in den
Galläpfeln, auf. - Die Gerbsäuren
sind meist amorph, geruchlos, schmecken herb zusammenziehend,
lösen sich meist leicht in
Wasser, auch in
Alkohol, manche in
Äther, reagieren sauer, bilden unkristallisierbare
Salze und
liefern mit vielen
Metallsalzen mannigfach gefärbte
Niederschläge.
Sie färben und fällen
Eisenoxydsalze schwarzblau oder grün, fällen
Alkaloide,
Eiweiß und
Leim und werden
von geschwellter tierischer
Haut
[* 5] unter
Bildung von
Leder aufgenommen. Man muß aber zwei
Gruppen von Gerbsäuren
unterscheiden: die physiologische,
welche sich in den
Rinden und andern Pflanzenteilen unter normalen Verhältnissen findet, und die pathologische Gerbsäure,
welche besonders in den
Galläpfeln vorkommt. Der Leimniederschlag, welchen diese letztere erzeugt, fault leicht,
während der mit physiologischer Gerbsäure erhaltene
Niederschlag sich nicht zersetzt. Dem entsprechend geben auch nur die
physiologischen Gerbsäuren
haltbares
Leder. In alkalischen
Lösungen färben sich die an der
Luft unter
Aufnahme von
Sauerstoff braun.
Beim
Kochen mit verdünnten
Säuren oder
Alkalien spalten sich viele in
Zucker
[* 6] und eine
Säure (die pathologische
Gerbsäure gibt dabei
Gallussäure) oder in amorphe braune
¶
Quercus graeca (Griechische Eiche).
Frucht. Blüte. [* 8] Knoppern. Valonea. Eichel.
Rhus coriaria (Gerbersumach).
Quercus Prinus (Kastanieneiche).
Tsuga canadensis (Hemlocktanne).
Terminalia Chebula (Myrobalanenbaum).
Blüte. Frucht. Frucht. Querschnitt.
Salix viminalis (Korbweide).
Acacia penninervis (Gold [* 10] wattle).
Blüte. Blütenköpfchen.
Caesalpinia coriaria (Dividivibaum).
Frucht. Querschnitt der Frucht. Blüte.
Acacia decurrens (Black wattle).
Acacia arabica (Arabische Akazie).
Pinus halepensis (Aleppokiefer).
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mehr
Substanzen. Bei trockner Destillation
[* 13] gibt die pathologische Gerbsäure Pyrogallussäure und Kohlensäure, die physiologische
meist Brenzkatechin; mit schmelzendem Kalihydrat liefert erstere ebenfalls Pyrogallussäure, letztere meist Protokatechusäure
und Essigsäure. Das Vorbild aller Gerbsäuren
ist die Galläpfelgerbsäure (Gallusgerbsäure, Tannin). Sie findet sich in den Gallen der
Eichen- und Rhus-Arten (in aleppischen Galläpfeln 55-65, in istrischen 22-26, in chinesischen 65-75, in
japanischen 60-70, in Knoppern 28-33 Proz.). Zur Darstellung derselben extrahiert man Galläpfelpulver mit einem Gemisch aus
Äther, Wasser und Weingeist, schüttelt den sirupartigen gelben Auszug ein- oder zweimal mit dem doppelten Volumen Äther (um
Fett, Harze, Farbstoff aus der Lösung zu entfernen), läßt gut absetzen, wobei sich der Äther wieder von der
Gerbsäurelösung trennt, und verdampft letztere im Wasserbad zur Trockne. Es bildet ein amorphes hellgelbliches, geruchloses
Pulver, schmeckt stark zusammenziehend, ist leicht löslich in Wasser, in 3-4 Teilen Weingeist, weniger in Alkohol, kaum in reinem
Äther; die Tanninlösung wird durch Eisenchloridlösung dunkelblau gefärbt, durch Leimlösung gefällt,
tierische Haut entzieht ihr das Tannin vollständig.
Tannin bildet amorphe Salze, von denen die der Alkalien in Wasser löslich sind und sich unter Braunfärbung an der Luft zersetzen. Durch Fermente, verdünnte Säuren und Alkalien zerfällt Tannin in Gallussäure und Zucker, und diese Zersetzung erleidet es z. B., wenn man Galläpfelpulver mit Wasser anrührt und längere Zeit stehen läßt. Beim Erhitzen auf 210-215° schmilzt es und liefert Kohlensäure, ein Sublimat von Pyrogallussäure und einen Rückstand von Gallhuminsäure.
Die Lösung reduziert viele Metallsalze. Das auf angegebene Weise dargestellte Tannin enthält noch kleine Mengen von Ellagsäure, Gallussäure u. Zucker; vollkommen gereinigt, verwandelt es sich beim Kochen mit verdünnten Säuren oder Alkalien unter Aufnahme von Wasser in 2 Moleküle Gallussäure und kann aus dieser durch Behandeln derselben mit salpetersaurem Silberoxyd künstlich dargestellt werden. Dies reine Tannin ist als Gallusgerbsäure (Digallussäure) C14H10O9 zu betrachten.
In den Galläpfeln scheint dagegen ursprünglich ein leicht zersetzbares Glykosid dieser Digallussäure, C27H22O17 , vorzukommen, welches großenteils auch noch im Tannin sich findet, und von dessen Zersetzung der Zucker herstammt, der bei Behandlung des Tannins mit Säuren auftritt. Man benutzt Tannin als kräftiges adstringierendes Mittel bei profusen Blutflüssen, Schleimflüssen, Durchfällen, Ruhr, Magenkrankheiten, chronischen Katarrhen, Keuchhusten, Diabetes, Albuminurie etc., äußerlich bei Blutungen, Eiterungen, Wundsein, übermäßigem Hautschweiß (bei Fußschweiß als Einstreupulver in die Strümpfe), dann zur Reinigung von Trinkwasser, zum Klären von Bier und Wein, zur Bereitung von Tinte, zur Schwarzfärberei, zum Erschweren der Seide, [* 14] als Beize in der Anilin- und Alizarinfärberei, auch in der Photographie. Nächst der Galläpfelgerbsäure ist am wichtigsten die Eichenrindengerbsäure, welche man aus einer Abkochung von Eichenrinde erhält, wenn man dieselbe mit Bleiessig fällt und den ausgewaschenen Niederschlag mit Schwefelwasserstoff zersetzt. Sie bildet eine amorphe gelbe Masse, färbt Eisenchlorid schwarzblau und gibt beim Kochen mit Säuren Zucker und amorphes Eichenrot.