Fette
,
eine durch ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften scharf charakterisierte Gruppe von Körpern, welche ca. 76,5 Proz. Kohlenstoff, 12 Proz. Wasserstoff und 11,5 Proz. Sauerstoff enthalten und zu den verbreitetsten und wichtigsten Bestandteilen der Pflanzen und Tiere gehören. Sie sind, wenigstens in Spuren, wohl in jedem Pflanzengewebe enthalten und finden sich auch im tierischen Organismus in allen Organen, an einzelnen Stellen in größerer Menge angehäuft, und mit Ausnahme des normalen Harns in allen tierischen Flüssigkeiten.
Das Pflanzenfett findet sich im Innern der Zelle [* 2] und bleibt auch gewöhnlich da liegen, wo es entsteht, so daß es fast stets im Gewebe [* 3] eingeschlossen vorkommt. In größerer Menge tritt es in den Samenlappen und Samen [* 4] überhaupt auf. Im tierischen Organismus zeigt sich das Fett gewöhnlich in eignen Zellen eingeschlossen, in größerer Menge im Bindegewebe, im Panniculus adiposus unter der Haut, [* 5] im Netz der Bauchhöhle, in der Umgebung der Nieren, im Knochen- und Nervenmark, im Gehirn, [* 6] in der Leber und in der Milch, pathologisch in der sogen. Fettgeschwulst und der fettigen Degeneration der verschiedenen Gewebe.
Man gewinnt die Pflanzenfette
aus dem zerkleinerten, bisweilen erwärmten Rohmaterial gewöhnlich durch
Pressen, auch durch
Auskochen mit
Wasser oder durch
Extrahieren mit guten Lösungsmitteln des Fettes
, namentlich
Schwefelkohlenstoff
und leichten
Teerölen
(Benzin,
Canadol), im kleinen auch mit
Äther.
Das extrahierte Fett ist oft sehr rein, das gepreßte enthält
meist
Eiweiß- und Schleimstoffe und wird durch Absetzenlassen und Behandlung mit einer geringen
Menge konzentrierter
Schwefelsäure
[* 7] gereinigt (raffiniert), auch durch Sonnenlicht,
Tierkohle,
Wärme
[* 8] oder
Chemikalien (chromsaures
Kali) entfärbt.
Tierische Fette
gewinnt man durch
Pressen, meist aber durch Ausschmelzen aus den vorher genügend zerkleinerten
Geweben, mit oder
ohne Zusatz von
Wasser.
Vgl.
Öle
[* 9] und Fette
liefernde
Pflanzen und
Tiere.
Die Fette
sind bei gewöhnlicher
Temperatur starr
(Talg), weich
(Butter,
Schmalz) oder flüssig
(Öle); ihr
Geruch, bedingt durch
geringe Beimischungen, ist oft angenehm
(Palmöl,
Kakaobutter etc.), weicht aber bei längerer
Aufbewahrung
meist einem sehr unangenehmen (die Fette
werden ranzig); reine Fette sind stets geruch- und geschmacklos. Oft
wird der
Geschmack durch Beimischungen modifiziert und beim
Ranzigwerden sehr widerwärtig.
Alle reinen Fette
sind farblos und
reagieren neutral; sie sind leichter als
Wasser, kristallisieren meist in
Schuppen, lösen sich nicht in
Wasser und werden von demselben nicht benetzt, können aber darin bei Gegenwart schleimiger
Stoffe äußerst fein verteilt
werden und bilden dann eine
Emulsion.
Sie sind löslich in
Äther,
Schwefelkohlenstoff,
Benzin, manche auch in
Alkohol; sie geben auf
Papier einen bleibenden Fettfleck;
alle schmelzen unter 100°, erstarren bei einer mehr oder weniger tief unter dem
Schmelzpunkt liegenden
Temperatur (Unterschied
von
Wachs und
Walrat), nehmen bisweilen nur sehr langsam ihre ursprüngliche
Härte wieder an und schmelzen, solange sie weich
sind, sehr viel leichter. Die flüssigen Fette
(Öle) erstarren meist unter 0°,
Leinöl erst bei -27°.
Alle
Fette
sind nicht flüchtig, sie beginnen bei etwa 300° unter
Zersetzung zu sieden und geben bei höherer
Temperatur flüssige
und gasförmige Zersetzungsprodukte, von welchen das die
Augen zu
Thränen reizende
Acrolein besonders charakteristisch ist.
Bei starker Erhitzung an der
Luft entzünden sich die und verbrennen mit leuchtender, rußender
Flamme.
[* 10] Reine Fette
halten sich an der
Luft unverändert oder trocknen unter
Aufnahme von
Sauerstoff ein (trocknende
Öle), und zwar erfolgt
das Austrocknen um so schneller, je vollständiger
Schleim und Eiweißstoffe abgeschieden worden waren, während die nicht
trocknenden Fette
bei Gegenwart von eiweißartigen
Körpern, welche vielleicht als
Fermente wirken, sich an der
Luft schnell zersetzen,
Sauerstoff aufnehmen und unter
Bildung flüchtiger fetter
Säuren
ranzig werden. Bei feiner Verteilung
der Fette
, z. B. wenn
Gewebe damit getränkt sind, kann die Sauerstoffabsorption so energisch verlaufen, daß die dabei entwickelte
Wärme zur
Selbstentzündung hinreicht.
Die Fette
, welche in der
Natur vorkommen, sind niemals reine
chemische Verbindungen. Abgesehen von Verunreinigungen,
wie
Farbstoffe,
Eiweißkörper, riechende
Substanzen etc., stellen sie Gemische dar von mindestens drei einfachen Fetten
(Stearin,
Palmitin und
Olein kommen am häufigsten vor), und diese zerfallen beim Behandeln mit
Ätzkali in eine fette
Säure (welche sich
mit dem
Kali verbindet) und in einen
Alkohol, das
Glycerin.
Letzteres verbindet sich beim Erhitzen wieder
mit fetten
Säuren, und so kann man aus
Stearinsäure,
Palmitinsäure,
Oleinsäure und
Glycerin
Stearin,
Palmitin und
Olein erzeugen.
Diese einfachen Fette
nennt man
Glyceride. Das
Glycerin kann sich aber in drei Verhältnissen mit
Säuren verbinden und gibt z. B.
mit
Stearinsäure Monostearin, Distearin und Tristearin.
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Man unterscheidet danach Mono-, Di- und Triglyceride; in der Natur kommen aber nur Triglyceride vor und niemals einzeln, sondern stets in Mischungen. Die meisten Fette bestehen aus Tristearin, Tripalmitin und Triolein (vgl. Glyceride); außerdem kommen häufiger vor Triglyceride der Buttersäure, Kapronsäure, Pelargonsäure, Laurostearinsäure, Myristinsäure, Krotonsäure, Hypogäasäure, Erucasäure. Das Mischungsverhältnis der genannten Glyceride bedingt die Konsistenz der Fette: die starren sind reich an Stearin und Palmitin, die flüssigen an Olein.
Die Fette von verschiedenen Körperstellen desselben Tiers differieren in ihrer Zusammensetzung nur um 0,5 Proz. Kohlenstoff und 0,3 Proz. Wasserstoff, aber trotzdem ist ihr Gehalt an flüssigem und starrem Fett sehr verschieden. Nierenfett ist im allgemeinen am festesten, das Fett aus dem Panniculus adiposus am flüssigsten. Der Einfluß des Mästungszustandes auf die Beschaffenheit der Fette ist noch nicht mit Sicherheit festgestellt, doch scheinen anfangs die flüssigen Fette vorzuherrschen.
Die Zersetzung der Fette durch Alkali nennt man Verseifung, das bei derselben erhaltene Gemisch von fettsauren Alkalien bildet die Seife, und wenn man Fett mit Bleioxyd verseift, so entsteht ein Gemisch entsprechender Bleisalze, das Bleipflaster; in beiden Fällen tritt als Nebenprodukt Glycerin auf. Auch durch Schwefelsäure und überhitzten Wasserdampf kann man die in Fettsäuren und Glycerin zerlegen. Über die Entstehung der in den Pflanzen ist wenig bekannt, auch die Fettbildung im Tierkörper bietet noch viele dunkle Stellen dar.
Hierüber und über die Rolle des Fettes bei der Ernährung s. d. Man benutzt die Fette als wichtige Nahrungsmittel, [* 12] manche auch als Arzneimittel;
in der Technik dienen sie als Leuchtmaterialien, zur Darstellung von Seifen, fetten Säuren, Salben, Pflastern, Firnissen, Ölfarben, Leuchtgas, [* 13] als Schmiermittel, in der Gerberei und Färberei etc.
Vgl. Stammer, Öle und Fette Leipz. 1858);
Chateau, Traité complet des corps gras (2. Aufl., Par. 1864);
Buff, Über die Fette (Götting. 1863);
Perutz, Industrie der und Öle (Berl. 1866);
Mulder, Chemie der austrocknenden Öle (deutsch bearbeitet von Müller, das. 1867);
Deite, Industrie der Fette (Braunschw. 1878);
Schädler, Technologie der und Öle des Pflanzen- und Tierreichs (Berl. 1882).