Erzerum
(Erserum), Hauptstadt des gleichnamigen, einen großen Teil von
Armenien umfassenden
Wilajets
in der asiatischen Türkei,
[* 3] welches 106,454 qkm (1933 QM.)
Areal und etwa 450,000 (nach andern 1,170,000) Einw. hat und in
die
Sandschaks Erzerum
,
Ersindschan,
Baiburt und
Bajesid zerfällt. Die Stadt ist durch ihre
Lage sowohl für den
Handel als in militärischer
Hinsicht von Wichtigkeit. Sie liegt nahe den
Quellen des
Euphrat
(Karasu) in 1965 m Meereshöhe, am Südostrand
der 30 km langen und 10-15 km breiten
Hochebene von Erzerum
(Owa genannt), die im N. von den
Gebirgen
Ak
Baba
Dagh,
Kara Kajalar, Dumlü
Dagh und im S. vom Ejerlü, Karakaja und Palandöken
Dagh begrenzt wird.
Das
Klima
[* 4] ist ein sehr kaltes, so daß man die Stadt das
Sibirien
Kleinasiens genannt hat. Erzerum
ist mit einer doppelten Steinmauer
und mit tiefen
Gräben umgeben und hat im
S. eine
Citadelle (Itsch
Kalé), in welcher der
Pascha wohnt. Jenseit der
Mauer dehnen
sich die Vorstädte aus, in welchen der größere Teil der
Bevölkerung
[* 5] lebt. Die
Straßen sind trotz des
vielfach hindurchfließenden
Wassers schlecht und unreinlich, die
Häuser meist von
Stein gebaut, oft halb unterirdisch, mit
kleinen
Fenstern und platten, rasenbedeckten Dächern, worauf Vieh weidet.
Die
Moscheen, 45 an der Zahl, deren größte, die Ulajama-Moschee, ehemals eine
griechische Kirche zu St.
Stephan war, bieten mit ihren schlanken
Minarets von fern einen stattlichen Anblick, sind aber zum Teil sehr unansehnliche
Bauwerke. Außerdem besitzt Erzerum
zahlreiche
Karawanseraien, mehrere christliche
Kirchen,
Bäder, ein Zollhaus und ein altes
Kloster,
das, in die ersten christlichen
Jahrhunderte hinaufreichend, den
Türken zum
Arsenal dient. Die Stadt ist
Sitz des
Generalgouverneurs, eines gregorianischen
Erzbischofs, eines armenisch-katholischen und eines griechisch-orientalischen
Bischofs, besitzt mehrere
Medressen, eine
Militärschule und andre
Schulen der Mohammedaner.
Die gregorianischen Armenier haben eine sehr gute
Mittelschule, die andern
Konfessionen
[* 6] gute
Elementarschulen. Durch seine
Lage
am Handelsweg zwischen
Trapezunt nach
Tebriz (der alten »genuesischen
Straße«) ward Erzerum
ein Hauptstapel-
und Rastplatz für die
Karawanen und gelangte zu einem im
Orient seltenen Zustand der
Blüte.
[* 7] Durch die wiederholten Einverleibungen
armenischen Gebiets in Rußland 1829, in welchem Jahr 6000
Familien aus Erzerum
auf russisches Gebiet übersiedelten, und 1878,
sodann durch den
Bau der
Eisenbahn
Poti- (dann
Batum-)
Tiflis-Baku hat
der
Handel Erzerums
zwar arge
Stöße
erlitten; aber trotzdem nimmt es unter den Handelsplätzen
Armeniens noch immer den ersten
Rang ein.
Die Handelsbewegung hat bisher im
Durchschnitt (mit Einschluß des
Transits, der vier Fünftel vom Ganzen ausmacht) etwa 66 Mill.
Mk. betragen, wovon
ca. 36 Mill. auf die Ausfuhr entfallen. Namentlich ist die Zufuhr von
Getreide,
[* 8]
Mehl
[* 9] und andern Lebensmitteln bedeutend. Früher hatte Erzerum
eine ansehnliche Metallindustrie; seine
Eisen-
(Hufeisen,
[* 10]
Waffen)
[* 11] und Kupferwaren
standen in großem
Ruf. Die Zahl der Einwohner: welche man
vor der
Eroberung durch die
Russen im 1827 auf 150,000
Seelen schätzte,
beträgt gegenwärtig kaum 50,000, wovon 34,000
Türken, 14,612 gregorianische, 420 katholische und 300 protestantische
Armenier und 618 Griechen. - Erzerum
entspricht der altarmenischen Stadt Karin, was die Griechen in Karana veränderten.
Der byzantinische
Kaiser
Anastasius I. (491-518) befestigte sie und nannte sie Theodosiopolis. Im J. 502 geriet sie vorübergehend
in den
Besitz der
Perser, ebenso gegen Ende des 6. Jahrh., wo ein großer Teil ihrer Einwohner nach
Hamadan
verpflanzt wurde. 647 eroberten sie die Araber, denen sie durch die Griechen wiederholt streitig gemacht wurde, aber bald
nach 1000 doch verblieb. 1047 wurde die benachbarte altarmenische Stadt Ardzn von den Persern zerstört; ihre
Einwohner flüchteten nach Karin, das seitdem Ardzn
Rûm (das römische oder griechische Arzen) benannt wurde, woraus Erzerum
entstand. 1201 fiel
Erzerum
in die
Hände der
Seldschukken, 1247 in die der
Mongolen; 1472 kam es mit Großarmenien unter persische und 1522 unter türkische
Herrschaft. Infolge des
Siegs der
Russen unter
Paskewitsch über die
Türken in der
Ebene von Erzerum
(Juli 1829)
kam das
Paschalik nebst der Hauptstadt, dem
Bollwerk der Türkei gegen Rußland und
Persien,
[* 12] in russische
Gewalt, ward aber im
Frieden von
Adrianopel dem
Sultan zurückgegeben. Von neuem besetzten es die
Russen, welche über die
Türken in der
Nähe von Erzerum
bei Dewe-Boyun siegten, im
Februar 1878, räumten es aber nach dem
Berliner
[* 13]
Frieden wieder.