Erlösung
(lat. redemtio), in der Dogmatik im allgemeinen Befreiung der durch die Sünde Gebundenen und Gefangenen. Im Alten Testament wird das Wort von der Befreiung des Volkes Gottes von seinen Feinden, oder des Gerechten von seinen Leiden [* 2] gebraucht, ohne ausdrückliche Beziehung auf die Sünde. Im Neuen Testament wird es in engste Verbindung mit Christi Werk gesetzt und namentlich von Paulus in dem Sinne einer Loskaufung der unter dem Gesetz stehenden Menschheit von dem Fluche des Gesetzes (Gal. 3,13; 4,5),. oder auch von der göttlichen Strafgerechtigkeit (dem göttlichen Zorne).
Als gezahltes Lösegeld wird Christi am Kreuze vergossenes Blut bezeichnet (Röm. 3,24. fg.; Hebr. 9,13. fg.; vgl. Matth. 20,23),. und die Wirkung des vergossenen Blutes als eines Sühnopfers ist neben der Befreiung vom Gesetzesfluche die Sündenvergebung und Rechtfertigung wie die Annahme zur Kindschaft bei Gott (Röm. 3,24–20). Andererseits wird auf Christi Tod die Befreiung der Gläubigen von der Herrschaft der Sünde im Fleisch (Röm. 6,2. fg.; 8,3) oder von der Ungerechtigkeit, dem bösen Wandel selbst (Tit. 2,14; 1. Petri 1,18–19) zurückgeführt.
Verwandt ist die
Vorstellung der kleinern paulinischen
Briefe und des
Hebräerbriefs von der durch den
Tod
Christi gewirkten Errettung der Gläubigen von den Mächten der Finsternis. Im Anschluß hieran betrachteten die ältern
Kirchenlehrer (Irenäus, Origenes,
Gregor von
Nyssa,
Ambrosius,
Augustin u. a.) die Erlösung
als eine
Befreiung von des
Teufels Gewalt
und göttliche Neuschaffung der Menschheit in Christi
Person, wobei sein
Tod als ein dem
Teufel gezahltes
Lösegeld erklärt wurde, das diesem jedoch entging,
weil er die Seele Christi nicht festzuhalten vermochte.
Anselm von
Canterbury
begründete zuerst die spätere
Lehre,
[* 3] wonach Christi
Tod das von der beleidigten Ehre
Gottes geforderte
Lösegeld sei, infolgedessen
der Gerechtigkeit
Gottes Genüge geschehen und so die der
Sünder vom ewigen Verderben ermöglicht worden
sei. Die
Begriffe Erlösung
, Versöhnung, Sühnung und stellvertretende Genugthuung flossen seitdem ineinander.
Der ältere
Protestantismus hat diese
Theorie im wesentlichen beibehalten und nur das Erlösung
swerk Christi als ein doppeltes
gefaßt: als ein Erdulden der Sündenstrafen und als ein Erfüllen der vollkommenen Gerechtigkeit an unserer Statt.
Die
Rationalisten sahen nach dem Vorgange der
Socinianer in dem
Tode Christi nur die Besiegelung seiner
Lehre; Christi erlösende
Kraft
[* 4] fanden sie in der Verkündigung des göttlichen Willens, besonders in der
Botschaft von
Gottes unveränderlich sündenvergebender
Liebe und in seinem zur
Nachfolge im Guten aneifernden
Beispiel.
Kant fand in der
Lehre vom Erlösungstod
Christi die ewige Wahrheit von dem stellvertretenden
Leiden des
idealen
Menschen in uns für den sündigen
Menschen abgebildet. Schleiermacher setzte das Erlösende in
Christus in die urbildliche
Kräftigkeit seines Gottesbewußtseins, die auf alle sich im
Glauben ihm Anschließenden eine sittlich und religiös erneuernde
Wirksamkeit ausübt und dadurch zuerst die Macht der
Sünde in uns und erst infolgedessen das Schuldbewußtsein
beseitigt.
Dagegen faßte
Hegel die Erlösung
als den notwendigen Prozeß des
Geistes, vermöge dessen das endliche und im
Bewußtsein seiner
Endlichkeit gottentfremdete und schuldbewußte
Subjekt zur Erkenntnis seines ursprünglichen geistigen Wesens oder seiner
ewigen Einheit
mit Gott und dadurch zur
Befreiung von den Schranken der Endlichkeit, zu denen auch die
Sünde gehört, und zur absoluten Versöhnung gelangt. Diese Einheit des
Bewußtseins
mit Gott ist nach der Hegelschen Schule
zuerst in dem geschichtlichen
Christus verwirklicht worden, doch wurde die absolute Urbildlichkeit Jesu seit
Strauß
[* 5] immer
entschiedener bestritten.
Die neuere vermittelnde
Theologie hat sich vornehmlich an Schleiermacher angeschlossen, teilweise unter
möglichster Anschmiegung an die altkirchlichen Formeln, wodurch
sie der Restauration der alten
Orthodoxie auch in diesem Lehrstücke
die Wege bereitete. Die freisinnige
Theologie der Gegenwart findet das Erlösende in
Christus in dem in seiner
Person voll offenbarten
göttlichen Leben, wie dasselbe in und durch
Jesus
Christus
das neue Lebensprincip der von ihm ausgegangenen
religiös-sittlichen Gemeinschaft (der christl.
Kirche) geworden ist. Doch ist bei dieser
Auffassung die Erlösung
sorgfältig zu
unterscheiden von der Versöhnung (s. d.) oder dem allerdings in Christi
Person hergestellten Kindschaftsverhältnisse des
Menschen zu Gott. In welcher Art sich die Idee der Erlösung
auch in andern
Religionen findet, vgl. Pfleiderer,
Erlösung
und
Erlöser (in den «Wissenschaftlichen Vorträgen über religiöse Fragen», 2. Sammlung,
Frankf. a. M. 1878).