Erbpacht
,
Erbzinsleihe, eine der Formen des sog. geteilten Eigentums. Sie gewährt ein erbliches und veräußerliches Nutzungsrecht an Grundstücken, namentlich an Bauerngütern, und steht in den meisten Fällen der röm. Emphyteuse (s. d.) sehr nahe. Der Erbpächter (Erbzinsmann, Grundholde, Erbmeier) hat jährlich einen sog. Kanon, d. i. eine Geld- oder Körnerabgabe, außerdem regelmäßig bei jedem Besitzwechsel ein Laudemium oder Mortuarium an den Grundherrn zu entrichten.
Bei der
Begründung einer neuen Erbpacht
pflegt der Erbpächter eine gewisse Anzahlung, das Erbbestandgeld (s.
Erbbestand) zu leisten. Der Grundherr hat bei
Veräußerungen in der Regel das
Vorkaufsrecht; Verpfändungen und
Teilungen können
nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden, und bei
Deterioration des Gutes, schlechter Wirtschaft des
Erbpächters, längerer Versäumnis der Zinszahlung kann er das Gut zurückziehen. Die in der Gesetzgebung seit einem Jahrhundert
vorherrschende individualistisch-liberale Strömung führte in manchen
Staaten in Zusammenhang mit der Bauernbefreiung zur
Beseitigung der Erbpacht
und aller andern
Arten des geteilten Eigentums. So hob insbesondere das preuß. Gesetz
vom das Eigentumsrecht des Grundherrn ohne
Entschädigung auf, verlieh dem Erbpächter das volle Eigentum, indem
die auf dem Grundstück haftenden beständigen
Abgaben und Leistungen in ablösbare Reallasten umgewandelt wurden, und bestimmte
ferner, daß in Zukunft bei erblicher Überlassung eines Grundstücks nur die Übertragung des vollen
Eigentums zulässig sei, daß die Ablösbarkeit der
Renten nie für länger als 30 Jahre vertragsmäßig ausgeschlossen werden,
auch deren Ablösungsbetrag das Fünfundzwanzigfache der
Rente nicht übersteigen dürfe.
Ebenso schließt die franz. Gesetzgebung eine eigentliche Erbpacht
aus, wenn sie auch
Pachtverhältnisse von
langer
Dauer gestattet. In neuerer Zeit ist in
Deutschland
[* 2] die Wiedereinführung
der Erbpacht
vielfach empfohlen worden als ein
Mittel, um den
Bauern- und Kleingrundbesitzerstand namentlich in den Gebieten östlich
der
Elbe zu mehren und bisher unbebauten
Moor- und Heideboden in ertragsfähige Ackerländereien umzugestalten. Man konnte
dabei auf die nicht unbefriedigenden Ergebnisse derselben in
Mecklenburg-Schwerin (s.
Domänen), in den
Moorkolonien von Hannover
[* 3] und Oldenburg,
[* 4] in
Holland (wo die Erbpacht
unter dem
Namen Beklemmrecht namentlich in der
Provinz Groningen
von Bedeutung ist) und in andern
Ländern verweisen.
Die Erbpacht
bietet für die Zwecke der innern
Kolonisation den Vorzug, daß sie den Erwerb eines dauernden
Besitzes mit einer verhältnismäßig
kleinen, etwa nur den Gebäudewert repräsentierenden Anzahlung, ja sogar ohne eine solche gestattet
und dem Grundherrn eine Handhabe bietet,
Teilungen und Zersplitterungen der neu errichteten
Stellen zu verhindern. Andererseits
schließt aber die Erbpacht
die Gefahr der Auferlegung schädlicher
Beschränkungen in der Benutzung der Grundstücke sowie der
Entstebung bedenklicher socialer Abhängigkeitsverhältnisse in sich. Aus diesem
Grunde haben die preuß.
Gesetzgeber die Wiederzulassung der Erbpacht
abgelehnt und statt derselben zur Förderung der innern
Kolonisation das
Institut des
Rentengutes (s. d.) 1890 neu belebt; dasselbe besitzt alle Vorzüge der Erbpacht
, vermeidet
aber im wesentlichen deren Nachteile. -
Vgl. Ruprecht, Die Erbpacht
(Gött. 1882);
Paasche, Erbpacht
und Rentengüter
als
Mittel zur Schaffung und
Erhaltung eines ländlichen
Mittel- und Kleinbesitzes (in den «Jahrbüchern für Nationalökonomie
und
Statistik»,
Neue Folge, Bd. 14,
Jena
[* 5] 1886).
Über die Verhandlungen betreffend Wiedereinführung der Erbpacht
in
Preußen
[* 6] vgl.
Schriften des
Vereins für
Socialpolitik, Bd. 32
u. 33 (Lpz. 1886
u.
1887).