Eichendorff
,
Joseph, Freiherr von, deutscher Dichter, der letzte hervorragende Romantiker, geb. auf Schloß Lubowitz in Oberschlesien, im aristokratischen Prunk- und Lustleben des ausklingenden 18. Jahrh., aber streng katholisch erzogen, besuchte das Magdalenengymnasium zu Breslau, [* 2] studierte dann in Halle [* 3] und Heidelberg [* 4] die Rechte. Auf letzterer Universität ward sein poetisches Talent durch Arnim, Brentano, Görres, Creuzer, Otto v. Loeben die damals sämtlich in Heidelberg lebten, geweckt.
Der Zug
zur
Romantik war von vornherein entschieden, er traf mit Eichendorffs
patriotischem
Haß gegen die
Fremdherrschaft und seiner tiefen Abneigung gegen die Nüchternheit der
Aufklärung zusammen. Er veröffentlichte zuerst zerstreute
Gedichte unter dem
Namen
Florens und verfaßte einen
Roman:
»Ahnung und Gegenwart« (1811 vollendet; hrsg. von de
la Motte
Fouqué,
Nürnb. 1815). Nach Beendigung seiner
Studien faßte er, da die Zustände in
Preußen
[* 5] zunächst völlig
aussichts- und hoffnungslos erschienen, den Entschluß, sein
Heil im österreichischen
Staatsdienst zu versuchen.
Der Aufruf des Königs von Preußen: »An mein Volk« führte ihn im Frühjahr 1813 nach Schlesien [* 6] zurück;
er trat in das Lützowsche Freikorps und nahm in diesem und in einem Landwehrregiment an den Feldzügen des Befreiungskriegs 1813-15 teil.
Nach dem Frieden verheiratete er sich und trat als Referendar bei der Regierung zu Breslau ein. 1821 ward er Regierungsrat für katholische Kirchen- und Schulsachen bei der Regierung zu Danzig, [* 7] 1824 in gleicher Eigenschaft nach Königsberg, [* 8] 1831 in das Kultusministerium nach Berlin [* 9] berufen, wo er 1839 und 1840 bei seiner streng katholischen Richtung während der Kölner [* 10] Wirren in Zerwürfnisse mit dem Minister geriet, auch nachher ¶
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und trotz seiner Ernennung zum Geheimen Regierungsrat sich mit seiner amtlichen Stellung nicht wieder befreundete und 1844 seine
Entlassung nahm. Eichendorff
lebte zunächst einige Jahre bei seiner verheirateten Tochter in Danzig, dann ein Jahr in Wien,
[* 12] längere
Zeit (bis Herbst 1850) in Dresden,
[* 13] auch abwechselnd in Berlin und auf dem ihm gehörigen Gut Sedlnitz in
Mähren.
[* 14] Zuletzt nahm er seinen Aufenthalt wieder bei der Familie seiner Tochter im Landhaus St. Rochus bei Neiße,
[* 15] wo er starb.
Von seinen Dichtungen waren nacheinander erschienen: »Krieg den Philistern«, dramatisches Märchen (Berl. 1824);
»Aus dem Leben eines Taugenichts«, Novelle (das. 1826; 14. Aufl., Leipz. 1882);
die Parodie »Meierbeths Glück und Ende«, Tragödie mit Gesang und Tanz (Berl. 1828);
die Trauerspiele: »Ezzelin von Romano« (Königsb. 1828) und »Der letzte Held von Marienburg« [* 16] (das. 1830);
das Lustspiel »Die Freier« (Stuttg. 1833);
die Novelle »Dichter und ihre Gesellen« (Berl. 1834);
»Gedichte« (das. 1837; 13. Aufl., Leipz. 1883).
Eichendorffs
Gedichte waren die reifste und schönste lyrische Produktion der spezifischen Romantik, von tiefster
Innerlichkeit, voll quellenden Lebens, voll träumerisch weicher Stimmung, duftig, eigentümlich, dabei dem deutschen Volkslied
mannigfach verwandt und von einem sprachlichen Wohllaut, welcher beinahe schon selbst Musik ist. Auch in den Novellen, namentlich
dem Meisterstück »Aus dem Leben eines Taugenichts«, waren es hauptsächlich die Fülle der lyrischen Stimmung
und die Anmut des Vortrags, die sich wirksam erwiesen. In der Mitte der 30er Jahre begann Eichendorff
, welchem zum Bewußtsein kam, daß
die Litteraturgeschichte beinahe ausschließlich von Protestanten geschrieben werde, die ernstesten litterarischen und historischen
Studien. Als poetische Resultate derselben traten zunächst die vortrefflichen Übertragungen des mittelalterlichen
spanischen Volksbuchs »Der Graf Lucanor« (Berl. 1843) und der »Geistlichen Schauspiele Calderons« (Stuttg. 1846-1853) hervor.
Mit dem Buch »Über die ethische und religiöse Bedeutung der neuen romantischen Poesie in Deutschland«
[* 17] (Leipz. 1847) eröffnete
er die Reihe seiner litterarhistorisch-kritischen Schriften, deren Gesamtinhalt auf eine kritische Urteilsrevision
im Sinn der modernen Katholizität hinauslief. »Der deutsche Roman des 18. Jahrhunderts in seinem Verhältnis zum Christentum«
(Leipz. 1851; 2. Aufl., Paderb. 1867),
»Zur Geschichte des Dramas« (Leipz. 1854; 2. Aufl., Paderb. 1867),
»Geschichte der poetischen Litteratur Deutschlands«
[* 18] (das. 1857, 3. Aufl. 1866) setzten
diese Thätigkeit fort, welche in einer entschiedenen Bevorzugung und beinahe ausschließlichen Verherrlichung der spanischen
Dichtung und ihrer Nachklänge in der deutschen Romantik gipfelte. Darüber nahm die eigne poetische Thätigkeit Eichendorffs
,
die im Anfang neben der kirchlichen Gesinnung die volle Frische und Unbefangenheit bewahrt hatte, eine spezifisch tendenziöse
Richtung, welche in den erzählenden Gedichten: »Julian, ein Romanzencyklus« (Leipz. 1853),
»Robert und
Guiscard« (das. 1855) und »Lucius« (das. 1857) entschieden zu Tage trat. Außer Eichendorffs
»Sämtlichen (poetischen) Werken«
(Berl. 1841-43, 4 Bde.; 3. Aufl.,
Leipz. 1883, 4 Bde.) erschien nach
dem Tode des Verfassers auch eine Sammlung seiner »Vermischten Schriften« (Paderb. 1867, 5 Bde.),
welche seine litterarischen und kritischen Arbeiten, auch seinen Nachlaß, umfaßt.