Darmversch
lingung,
Bezeichnung für Lageveränderungen des
Darms, welche zu mehr oder minder vollständigem Verschluß
des Darmrohrs führen. Man unterscheidet zwei Hauptformen der Darmversch
lingung, die
Invagination und die Achsendrehung. Die
Invagination
(Einscheidung) besteht in der Einstülpung
(Intussuszeption) eines Darmstücks in das andre. Dieselbe
erfolgt gewöhnlich in der
Richtung der peristaltischen Darmbewegung, d. h. von
oben nach unten, indem ein dem
Magen
[* 2] näher
gelegener Teil des
Darms in einen daran anstoßenden, dem
After näher gelegenen Darmabschnitt eingestülpt wird.
Selten findet die Einscheidung in umgekehrter
Richtung, nämlich von unten nach
oben, vom
Mastdarm gegen den
Magen
hin, statt. Die Darmversch
lingung erfolgt in der
Regel auf die
Weise, daß einzelne
Abschnitte des Darmrohrs stark zusammengezogen, überhaupt
in lebhafter
Bewegung sind, während andre, an jene angrenzende
Abschnitte erweitert, gelähmt und bewegungslos sind. Der verengerte
Teil schiebt sich dann gleichsam von obenher in den gelähmten Teil hinein. Wenn aber der eingeschobene
Teil nicht sofort wieder in seine ursprüngliche
Lage zurückkehrt, so wird er von dem einscheidenden Darmabschnitt erfaßt
und in demselben
Sinn immer weiter vorgeschoben, wie der
Darm
[* 3] seinen
Inhalt,
Speisebrei oder
Kot, vorwärts drängt.
Auf diese
Weise können mehrere
Fuß lange Darmstrecken eingestülpt werden. Hierbei muß natürlich allemal
das
Gekröse, an welchem der eingescheidete Darmabschnitt befestigt ist, mit in die Darmversch
lingung hereingezogen,
gedehnt und gezerrt werden, während der invaginierte
Darm sich entsprechend zusammenfaltet, so daß die sich bildende Geschwulst
der
Därme viel kürzer erscheint, als dies der natürlichen
Länge des betreffenden Darmstücks entspricht. Die entferntere
Ursache der Darmversch
lingung ist meist ein katarrhalisch-entzündlicher Zustand des Darmrohrs,
der zur partiellen
Lähmung des letztern führt.
Manchmal beruht dieselbe darauf, daß eine von der Darmwand ausgehende und in das Darmlumen hereinragende Geschwulst (Schleimhautpolyp
u. dgl.) von der peristaltischen
Bewegung des
Darms gefaßt und im Darmrohr vorwärts gedrängt wird. Weil aber die Geschwulst
mit der Darmwand verwachsen ist, so muß hierbei die letztere nachgezogen, d. h. eingestülpt,
werden. Die Darmversch
lingung kommt nach chronischen
Darmkatarrhen oft
kurz vor dem
Tod vor und ist am häufigsten bei
Kindern und
Greisen.
Die Achsendrehung (Volvulus) beruht auf einer »innern Einklemmung« oder Umschnürung des Darms durch Verwachsungen, auf abnormen Strängen in der Bauchhöhle, Zerreißungen des Netzes und Hindurchgleiten des Darms durch den Netzspalt, auf Brüchen oder Verengerungen des Darmlumens, kurzum auf zahlreichen Umständen, welche die Fortbewegung des Darminhalts erschweren oder verhindern. Hierdurch schieben sich die zuoberst gelegenen Darmschlingen unter dem Nachrücken der Speisemassen weit vorwärts, und sobald die Spannung ihren Höhepunkt erreicht, schlägt sich das Gekröse um und erleidet eine Achsendrehung.
Beide Formen sind in ihren Folgezuständen einander sehr ähnlich. Die ersten Erscheinungen bestehen in Kotstauung und absoluter Stuhlverstopfung. Meist folgt sofort Erbrechen, das sich unter intensiven Leibschmerzen steigert; es wird gelber Darminhalt von üblem Kotgeruch herausbefördert (Ileus), und unter diesem Bild kann in wenigen Tagen der Tod eintreten. In andern Fällen, besonders bei Invagination, entsteht nicht so selten brandiges Absterben größerer Darmstücke, wodurch zuweilen der Verschluß gehoben wird; in der Regel aber entwickelt sich eine Bauchfellentzündung, welche bald in akutem, bald in mehr schleichendem Verlauf unter allgemeinem Kräfteverfall das Leben beschließt.
Die Darmversch
lingung ist somit ein höchst gefährliches, meist tödliches
Leiden,
[* 4] dessen Behandlung noch heute höchst unsicher und meist
erfolglos ist. Früher pflegte man den Kranken ein paar
Pfund metallisches
Quecksilber verschlucken zu lassen in der
Hoffnung,
daß dieses durch seine
Schwere die Stockungen und Verlagerungen beheben möchte. Der Erfolg hat diese
Erwartung so selten bestätigt, daß das
Verfahren ganz aufgegeben worden ist. Bei der heutigen Vervollkommnung der
Chirurgie
ist in allen richtig erkannten frischen
Fällen der
Bauchschnitt und die Zurückbringung der Verschlingung dringend geboten,
da nur auf diese
Weise eine Möglichkeit rationeller Behandlung sich ergibt, die zwar nicht gefahrlos,
aber doch auch nicht aussichtslos ist. Sobald allgemeine
Bauchfellentzündung oder
Brand des
Darms eingetreten ist, so ist der
übelste
Ausgang zu befürchten; die spezielle Behandlung ist dann auf die
Bauchfellentzündung (s. d.) zu richten.