Titel
Dalberg
,
altes und hochangesehenes
Geschlecht, das seinen Ursprung von einem
Römer,
[* 2]
Gajus
Marcellus,
einem Verwandten von
Christus, ableitete, ursprünglich
Kämmerer von
Worms
[* 3] genannt nach dem ihnen erbeignen Kämmereramt des
Hochstifts
Worms. Heribert,
Kämmerer von
Worms, ward 990
Erzbischof von
Köln,
[* 4] krönte 1002
Kaiser
Heinrich II., starb und
ward später kanonisiert. Bedeutend erhöht wurde die Macht des
Geschlechts durch den
Ritter
Gerhard,
Kämmerer
von
Worms, welcher 1318 durch seine Gemahlin Greta von Dalberg
die bedeutenden
Güter nebst dem
Namen dieser alten
Familie (von einer
im kurpfälzischen
Oberamt
Kreuznach
[* 5] gelegenen
Burg Dalberg
oder Dalburg) an die seinige brachte, so daß fortan die
Kämmerer von
Worms, genannt Dalberg
, mit
Fürsten wetteifern konnten.
»Ist kein Dalberg
da?« fragte seit
Maximilian I. bei jeder deutschen Kaiserkrönung der
Herold, worauf der anwesende Sprößling
des
Geschlechts vom
Kaiser den ersten
Ritterschlag erhielt, eine
Ehre, die in alten den Habsburgern geleisteten
Diensten ihren
Ursprung haben soll. Den Freiherrentitel bekam das
Geschlecht 1654. Das
Geschlecht besteht noch in einer
Speziallinie (Heßloch). Viele Mitglieder der
Familie bekleideten hohe weltliche und geistliche
Würden. Besonders nennenswert
sind:
1)
Johann,
Kämmerer von
Worms, genannt von Dalberg
, eifriger Beförderer der wieder auflebenden
Wissenschaften in
Deutschland,
[* 6] geb.
1445, brachte als
Kanzler des
Kurfürsten
Philipp von der
Pfalz die
Universität
Heidelberg
[* 7] zu ihrer höchsten
Blüte
[* 8] und ward 1482 unter dem
Namen
Johann III.
Bischof von
Worms. Die
Berufung
des
Rudolf
Agricola nach
Heidelberg, die
Gründung
der Universitätsbibliothek, die Errichtung der
Neuen
Börse, eines besondern
Kollegiums für
Juristen zur Beförderung des
Studiums
der bürgerlichen
Rechte waren Dalbergs
Werk. Er war Vorsteher der von dem Humanisten
Celtes gestifteten
Societas Celtica und stand mit den namhaftesten
Gelehrten seiner Zeit im
Verkehr. Er starb 1503.
Vgl.
Zapf, Über das
Leben und
die
Verdienste
Johann v. Dalbergs
(Augsb. 1796).
2)
Franz Eckenbert, kurmainz.
Oberamtmann in Kirweiler und Ritterhauptmann am
Oberrhein, geb. 1674, wurde
der
Stifter der ältern
Mainzer oder Dalberg
-Dalbergschen
Linie, welche 1848 erlosch.
3)
Wolfgang
Eberhard, Kammerpräsident und
Oberamtmann zu
Oppenheim, Beförderer der
Künste und
Wissenschaften, gest. 1737, stiftete
die jüngere
Mannheimer oder Dalberg
-Hernsheimer
Linie, welche 1833 erlosch.
4)
Karl
Theodor
Anton
Maria,
Freiherr von,
Kämmerer von
Worms, letzter
Kurfürst von
Mainz
[* 9] und
Kurerzkanzler,
später
Fürst-Primas des
Rheinischen
Bundes und
Großherzog von
Frankfurt,
[* 10] geb. zu
Mannheim
[* 11] als Sohn von
Franz
Heinrich
v. Dalberg
, kurfürstlich mainzischem Geheimrat und
Statthalter von
Worms, wurde für den geistlichen
Stand erzogen, erlangte 1762 zu
Heidelberg die
Würde eines
Doktors der
Rechte und wurde 1768
Domkapitular zu
Mainz,
Domherr zu
Würzburg
[* 12] und
Worms, 1772
Wirklicher
Geheimer Rat und
Statthalter zu
Erfurt.
[* 13]
Ohne tiefere
Bildung, aber wohlwollend und liebenswürdig, wirkte er hier erfolgreich für die Handhabung des
Rechts, für
Handel,
Gewerbe und
Landwirtschaft, für die Wiedererhebung der gesunkenen
Universität und für die Einigkeit der katholischen
und lutherischen Landesbewohner. Mit
Wieland,
Herder,
Goethe und
Schiller stand Dalberg
in lebhaftem
Verkehr. 1787 ward
er
Koadjutor im Erzstift und Kurfürstentum
Mainz und im
Hochstift
Worms sowie 1788 auch im
Bistum
Konstanz
[* 14] und
Erzbischof von
Tarsos.
Doch blieb er in
Erfurt. Am folgte er im
Bistum
Konstanz und dem
Kurfürsten
Friedrich
Karl
Joseph v.
Erthal im Erzbistum
Mainz, aber nur in dem Überrest des Kurstaats, dem
Fürstentum
Aschaffenburg,
[* 15] dem Gebiet
Erfurt
und dem
Eichsfeld, da die linksrheinischen Besitzungen des Erzstifts an
Frankreich abgetreten waren. Dalberg
war durch die
Protektion
Frankreichs,
dem er sich fortan anschloß, der einzige geistliche
Fürst des
Reichs, dem der Reichsdeputationshauptschluß
mit der
Würde eines
Kurerzkanzlers einen
Staat bildete, wozu die Fürstentümer
Regensburg,
[* 16]
Aschaffenburg und die
Grafschaft
Wetzlar
[* 17] verwendet wurden.
Hier empfing Dalberg
die
Huldigung. Bei der Kaiserkrönung
Napoleons I. verweilte er in
Paris,
[* 18] um sich mit dem
Papst über die Angelegenheiten der katholischen
Kirche in
Deutschland zu besprechen; er wurde von demselben zum
Metropoliten
von ganz
Deutschland außer
Preußen
[* 19] und
Österreich
[* 20] ernannt. Dalberg
glaubte aufrichtig durch engen Anschluß an
Napoleon
Deutschland
wieder aufrichten zu können. Bei der Errichtung des
Rheinbundes mußte er sein
Amt als
Kurerzkanzler niederlegen,
wurde aber unter Beibehaltung seiner erzbischöflichen
Würde souveräner
Fürst-Primas dieses
Bundes und Vorsitzender in der
Bundesversammlung; zugleich wurden ihm die Stadt
Frankfurt sowie alle Souveränitätsrechte über die Besitzungen der
Fürsten
und
Grafen von
Löwenstein-Wertheim auf der rechten Seite des
Mains und über
¶
mehr
die Grafschaft Rheineck zugesprochen. Frankfurt, der Sitz des Rheinbundes, wurde 1807 seine Residenz. 1810 trat er Regensburg an
Bayern
[* 22] ab und erhielt dafür die Fürstentümer Hanau
[* 23] und Fulda
[* 24] mit dem Titel eines Großherzogs von Frankfurt und der Bestimmung,
den Vizekönig Eugen als Regierungsnachfolger anzunehmen. Dalberg
besaß, nachdem er sich einmal Napoleon, den
er bewunderte, untergeordnet hatte, weder die Einsicht, die Ziele des Eroberers zu erkennen, noch die Energie, das immer drückendere
Joch abzuschütteln; er ließ alle Demütigungen über sich ergehen, schließlich, ohne auch nur einen Widerstand zu versuchen.
Im November 1813 legte er die Großherzogswürde nieder, zog sich später in sein Erzbistum Regensburg
zurück und starb hier Ein großes Verdienst erwarb sich um die Hebung
[* 25] des Schulwesens in seinen Sprengeln.
Seine zahlreichen Schriften beziehen sich auf Gegenstände aus den verschiedensten Gebieten, aus Geschichte, Philosophie, Naturwissenschaften etc., und atmen den Geist der Aufklärung des 18. Jahrh. Er war ein zwar oberflächlicher und unklarer Geist, aber ein Mann von edler Gesinnung und besten Absichten, der namentlich Gelehrte und Dichter gern unterstützte (wie denn unter andern Schiller eine Zeitlang einen Jahrgehalt von ihm bezog), freilich in seiner politischen Haltung nicht die nötige Festigkeit [* 26] und Selbständigkeit bewies. Im Dom zu Regensburg, wo er begraben ist, ließ ihm sein Neffe ein Denkmal aus karrarischem Marmor setzen.
Vgl. J. ^[Jakob] Müller, K. Th. v. Dalberg
, der letzte Fürstbischof (Würzb. 1874);
Beaulieu-Marconnay,
Karl v. Dalberg
und seine Zeit (Weimar
[* 27] 1879, 2 Bd.).
5) Wolfgang Heribert, Freiherr von, Kämmerer von Worms, Bruder des vorigen, geb. 1749, ward Intendant des Mannheimer Theaters, dann seit 1803 badischer Staatsminister, erhob das Mannheimer Theater [* 28] zu hoher Blüte. Bekannt ist er namentlich durch seinen Verkehr mit Schiller, dessen erste Dramen er zu Mannheim aufführen ließ, wobei er sich öfters kleinlich und engherzig zeigte. Er starb als badischer Staatsminister in Mannheim. Er schrieb mehrere eigne und bearbeitete fremde, namentlich Shakespearesche, Dramen für die Aufführung. An ihn sind Schillers »Briefe an den Freiherrn v. Dalberg« (Karlsr. 1819) gerichtet.
Vgl. Koffka, Iffland und Dalberg (Leipz. 1865).
6) Johann Friedrich Hugo, Freiherr von, Bruder des vorigen, geb. zu Koblenz, [* 29] war Domkapitular zu Trier, [* 30] Worms und Speier [* 31] und starb in Aschaffenburg. Er zeichnete sich sowohl als Klavierspieler wie auch als vielseitiger Komponist aus, namentlich aber als Musikschriftsteller. Von seinen dahin gehörigen Arbeiten sind zu nennen: »Vom Erkennen und Erfinden« (Frankf. 1791);
»Untersuchungen über den Ursprung der Harmonie etc.« (Erfurt 1801);
»Über die Musik der Indier« (a. d. Engl. des William Jones, das. 1802).
7) Emmerich [* 32] Joseph, Herzog von, Kämmerer von Worms, Diplomat, Sohn von Dalberg 5), geb. zu Mainz, trat 1803 in badische Staatsdienste, ging dann als badischer Gesandter nach Paris, wo er mit Talleyrand in nähere Verbindung trat, übernahm während des Feldzugs von 1809 die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten im Großherzogtum Baden, [* 33] vertauschte aber nach dem Frieden den badischen Staatsdienst und wegen seiner auf dem linken Rheinufer, mithin in dem damaligen Frankreich liegenden Stammgüter das deutsche Staatsbürgerrecht mit dem französischen und wurde von Napoleon I., dessen Heirat mit Marie Luise er einleitete, 1810 zum Herzog und Staatsrat erhoben, während er zugleich eine Dotation von 4 Mill. Frank auf das Fürstentum Baireuth [* 34] erhielt.
Als Talleyrand in Ungnade fiel, zog sich auch Dalberg zurück, ward jedoch im April 1814, als jener an die Spitze der provisorischen Regierung getreten war, zu einem der fünf Regierungsmitglieder ernannt, welche die Restauration der Bourbonen beförderten. Er wohnte als bevollmächtigter Minister Frankreichs dem Wiener Kongreß bei und unterzeichnete dort 1815 auch die Ächtung des Kaisers, wogegen ihn dieser nach seiner Rückkehr unter die zwölf Verbannten setzte, deren Güter konfisziert wurden. Dalberg erhielt jedoch nach der zweiten Restauration der Bourbonen das Verlorne zurück, wurde Staatsminister und Pair von Frankreich und 1816 Gesandter am Turiner Hof. [* 35] In der Folge lebte er zu Paris und in den letzten Jahren seines Lebens auf seinem Schloß Hernsheim, wo er starb.